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- 15.07.2004
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Quark
Ginter heulte schrill auf, als Poll ihm mit einer schwungvollen Handbewegung das linke Ohr abschnitt.
Eine Blutfontäne spritzte auf Polls Designerhemd und Kautermann, der mit bleichem Gesicht an einem mannshohen Metallbottich lehnte, konnte nur mit Mühe das eben verspeiste Quarkbrötchen im Magen behalten.
Nicht kotzen, befahl er sich selbst. Unprofessionell. Sehr, sehr unprofessionell.
Kautermann war in Polls Molkerei für die Security zuständig, was im Prinzip bedeutete, dass er Leuten, die seinem Chef dumm gekommen waren, ordentlich die Fresse polierte.
Kautermann liebte seinen Job. Er war gut bezahlt, nicht sonderlich kompliziert und obendrein auch noch abwechslungsreich, schließlich glich kein Gesicht dem anderen.
Diesmal allerdings war von vornherein klar gewesen, dass es mit einer normalen Abreibung nicht getan sein würde. Ginter war Poll nicht nur dumm gekommen, nein, Ginter hatte Poll beklaut, betrogen und erpresst.
Und ein solches Vergehen endete nicht bloß mit einem zertrümmerten Nasenbein, wie Kautermann wusste, sondern bestenfalls mit einem gebrochenen Genick.
Ginter stöhnte gequält. Er saß gefesselt auf einem Stuhl und atmete stoßweise.
Poll stand breitbeinig vor ihm.
„Du verfickter, kleiner Hurensohn“, presste er hervor. „Dein Ohr ist erst der Anfang! Hörst du? Ich schneid dich in klitzekleine Fetzen, wenn du nicht endlich dein beschissenes Maul aufmachst! Wo ist meine Frau? Und vor allem… wo ist mein verdammtes Geld?“
Eine mehr als berechtigte Frage, wie Kautermann fand.
Ginter, seit einem knappen Jahr Polls Steuerberater, hatte an diesem Tag ganze Arbeit geleistet. Er war in Polls Villa eingestiegen und hatte schlappe 280.000 Euro aus dem offenbar nicht mehr ganz so geheimen Geheimtresor mitgehen lassen. Danach war er mit Polls Ehefrau Conny als Geisel stiften gegangen. Der Chef war vor Wut beinahe kollabiert.
Kautermann hatte drei beschissene Stunden gebraucht, bis er Ginter in einem billigen Hotel nahe Celle gefunden hatte. Ginter war gerade dabei gewesen, hingebungsvoll Polls Frau zu ficken, die zunächst überaus lustvoll, bei Kautermanns Auftauchen jedoch merkwürdig panisch gequiekt hatte, was Letztern an der Theorie mit der Geiselnahme entschieden zweifeln ließ. Da Kautermann aber nicht dafür bezahlt wurde, Schlussfolgerungen zu ziehen, polierte er Ginter stattdessen genüsslich die Fresse, verpasste sicherheitshalber auch Conny eine und verfrachtete dann das heulende Paar rüde in seinen Lieferwagen. Seine wimmernde Ladung fuhr er schnurstracks zu Polls Molkerei, wo er Ginter und Conny im fensterlosen und schallisolierten Labor einschloss, ein Örtchen, das er schon des Öfteren als Zwischenlager für solcherlei Fracht benutzt hatte.
Dummerweise hatte er dort auch den Geldkoffer verwahrt. Als besondere Überraschung für den Boss.
Als Kautermann eine halbe Stunde später mit Poll zurückgekehrt war, schien alles noch in bester Ordnung. Bis Poll bemerkte, dass sowohl das Geld als auch Conny, trotz immer noch fest abgeschlossener Tür, spurlos verschwunden waren.
Und jetzt war Ginter so gut wie tot. Festgebunden wie ein Schwein. Poll würde keine Gnade walten lassen, dass wusste Kautermann. Ginter würde exakt so lange leben, bis Poll sein Geld wieder in den Fingern hatte.
„Ich frag dich ein letztes Mal, Schwanzlutscher“, knurrte Poll. „Wo ist mein Zaster?“
Mit manikürten Fingern griff er nach dem Ohr, das zwischen Ginters zusammengeschnürten Oberschenkeln gelandet war, holte weit aus und schleuderte es dann quer durchs Zimmer. Das bluttriefende Wurfgeschoss traf Kautermann mitten auf die Stirn. Beinahe hätte der Security-Mann total unprofessionell auf seine Wildlederschuhe gekotzt.
„Scheiße!“, keuchte Ginter. „Du wirfst wie ein Mädchen.“
Offenbar hatte er trotz der seiner großen Schmerzen immer noch nicht begriffen, wie die Dinge für ihn standen.
Der Kerl muss völlig plemplem sein, durchfuhr es Kautermann.
Dafür sprach vor allem die Art und Weise, wie sie Ginter aufgefunden hatten. Der Mann hatte apathisch im Lebensmittellabor der Molkerei gehockt und immer nur ein einziges Wort gemurmelt: „Conny!“
Kautermann hatte keine Ahnung, wie es die Schlampe samt Geldkoffer fertiggebracht hatte, aus dem fensterlosen, geschlossenen Raum zu entkommen.
„Der war hermeneutisch verriegelt“, hatte er Poll versichert, der ihn darauf unverständlicher Weise als debilen Trottel bezeichnet hatte.
Aber wie auch immer es Conny gelungen war, die Fliege zu machen, Ginter hatte das offenbar endgültig den Rest gegeben.
Mit weit aufgerissenen Augen hatte er vor einem Teller mit zwei geschmierten Brötchenhälften gesessen. Eines davon war angebissen. Ginter hatte darauf gestarrt wie auf einen Geist.
Das andere hatte sich Kautermann nach der gelungenen Aktion als Stärkung gegönnt.
Nicht, dass er das nötig gehabt hätte.
Es war ein Kinderspiel gewesen, sich Ginter zu schnappen. Der Buchhalter leistete keinerlei Gegenwehr. Scheinbar willenlos ließ er sich überwältigen und fesseln.
Ironischerweise hätte sich Kautermann bei der Aktion trotzdem fast die Knochen gebrochen, weil er um ein Haar auf einem großen Fleck ausgerutscht wäre, der einen Großteil des Fußbodens ausfüllte und bis zu dem Metallbottich reichte. Angewidert war Kautermann über den Dreck hinweg gestiegen. Der Fleck sah wie geschmolzener Käse aus. Zweifelsohne hatte Ginter sich neben Diebstahl und Entführung nun auch noch Vandalismus zu Schulden kommen lassen.
Der Mann war echt ein Vollidiot.
Aber einer, der was aushielt. Das musste Kautermann ihm lassen.
Augenscheinlich hatte Ginter den Verlust seines Ohres mittlerweile ganz gut verkraftet. Mit hasserfüllter Miene starrte er seinem Peiniger direkt in die Augen.
„Du bist ein Schwein, Poll. Ein perverses, skrupelloses und durch und durch impotentes Schwein.“
Poll zuckte kaum merklich zusammen, aber selbst diese winzige Regung reichte aus, um in Ginters Gesicht ein breites Grinsen zu zaubern.
„Ja, ich weiß Bescheid, Schlappschwanz“, sagte er in triumphierendem Tonfall. „Ich weiß viel mehr über dich, als du ahnst. Hast du wirklich gedacht, dass ich Conny zwingen musste, mitzugehen? Oh Mann, ich glaube, es hat sich noch nie ein Mensch so bereitwillig entführen lassen wie deine Frau.“
Kautermann hüstelte verlegen. Die Sache lief definitiv gewaltig aus dem Ruder.
Poll donnerte seine Faust unerbittlich auf Ginters rechtes Auge.
Es knirschte hässlich, als das Jochbein brach.
Ginter schrie schmerzerfüllt auf, suchte aber sofort wieder Blickkontakt.
„Wenn ich es mir recht überlege, war das Ganze sogar ihre Idee.“
Er spuckte die Worte geradezu in Polls Gesicht.
„Die Entführung. Der Raub. Dreimal darfst du raten, wer mir gesteckt hat, wo der angeblich ach so geheime Tresor versteckt ist? Und wie die Kombination dazu lautet."
Ginter verzog trotz seiner Schmerzen höhnisch das Gesicht.
„Scheiße, Poll. Conny hatte dich so satt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie satt sie dich und deinen schlaffen Wurm hatte.“
Er lachte keckernd.
Poll wurde gefährlich ruhig.
„Wo ist die Schlampe eigentlich?“, fragte er fast schon liebenswürdig. „Ich würde doch so gern unser Wiedersehen feiern.“
Ginters Gesicht verlor schlagartig jegliche Farbe.
Von seinem gerade noch so verächtlichen Gebaren war nichts übrig geblieben.
Mit einem Mal saß ein gebrochener Mann auf dem Stuhl.
„Du Monster!“, schluchzte er mit erstickender Stimme.
Tränen liefen ihm die Wangen hinunter.
Scheiße, dachte Kautermann. Bislang hatte sich der Kerl den Umständen entsprechend ordentlich gehalten, Respekt, aber nun wurde er offenbar sentimental.
Weicheier fand Kautermann zum Kotzen.
Zu seiner Überraschung stellte er fest, wie nahe dieser Gedanke der Wirklichkeit kam.
Ihm war immer noch speiübel.
Reiß dich zusammen, schalt er sich selbst.
Was war nur heute nur los?
Natürlich hatte Kautermann nicht jeden Tag mit abgeschnittenen Ohren zu tun, aber etliche seiner Klienten sahen nach getaner Arbeit noch deutlich unappetitlicher aus.
Nein, am Blut konnte es nicht liegen. Blut war schon okay.
Vielleicht 'ne Allergie, dachte Kautermann. Gräser, Hausstaub oder sonst so 'n Scheiß.
Poll verlor indes endgültig die Geduld. Er griff nach einer imposanten Schöpfkelle aus Gusseisen – ein Geschenk zum 25. Firmenjubiläum, das schon längere Zeit im Labor verstaubte – und donnerte diese ungebremst auf Ginters Mund.
Es gab ein hässliches Geräusch.
Blut spritze. Zähnen splitterten.
Ginter schrie wie am Spieß.
Er war nun weder besonders hart, noch sonderlich sentimental.
Nun war er einfach nur noch erbärmlich.
Poll lächelte entrückt. Dann vollführte er mit seinen Händen eine ausladende Geste.
„Weißt du, Ginter, ich habe diese ganze Scheiße hier schon lange satt. Meine Frau, die Molkerei, das Geschäft und dieser ganze Käse. Alles kaum noch rentabel. Schon gar nicht seit dieser Scheißbiohysterie. Die Produktionskosten fressen mich auf.“
Poll seufzte ergriffen.
„Ehrlich gesagt, steht mir das Wasser auch ohne deinen Diebstahl bereits bis zum Hals.“
Er griff mit Daumen und Zeigefinger nach Ginters rechtem Augenlid und zog daran. Erst nur ein bisschen, fast zärtlich.
Dann urplötzlich mit aller Kraft.
Kautermann wusste nicht, was Schlimmer war. Ginters Gebrüll oder das Reißgeräusch der Haut.
Ihm war schlecht, schummrig und er fühlte sich merkwürdig matt.
Poll sprach weiter, als wäre nichts passiert.
„Deswegen habe ich jetzt den anderen Weg versucht, den kostengünstigen. Scheiß auf Bio! Ich habe alles zusammenwichst, was ich im Labor hatte. Milchpulver, Pflanzenfette, Zucker, Salz, Zwiebeln, Petersilie, Senf, Gewürzzubereitung, massenhaft Gelatine, Geschmackverstärker und noch die eine oder andere weitere Schweinerei.“
Poll schnippt das abgerissene Lid achtlos auf den Boden.
„Nichts, was beim Lebensmitteltest sofort zu erkennen wäre. Kleine, unauffällige Dosen, davon aber viele – das ist mein Geheimnis.
Na ja, das Ergebnis wirkt wie ganz normaler Quark. Sieht sogar erstaunlich appetitlich aus. Und trotzdem: Ich selbst würde es nicht freiwillig fressen wollen.“
Ginter keuchte atemlos.
Dann murmelte er etwas Undeutliches, dass wie „Conny hat...“ klang.
Weiter kam er nicht.
Pohl drückte blitzschnell seinen kleinen Finger in Ginters linkes Auge und drehte ihn gnadenlos ein halbes Dutzend Mal herum. So lange bis der Augapfel plötzlich mit einem lauten Ploppen heraussprang und wie ein Jojo an einer einzigen Sehne baumelte.
Ginter jaulte entsetzt auf.
Kautermanns Beine wurden weich. Unauffällig setzte er sich hin. Urplötzlich überkam ihn eine große Sehnsucht nach seinem Bett.
„Es interessiert mich einen Scheißdreck, was Conny getan hat“, brüllte Poll grob. „Fakt ist, dass dieses Geschmier in dem Bottich mein neuer Verkaufschlager wird.
PULP: der Frühstücksquark für den Hartz IV-Empfänger. Hauptsache billig. Aus guter Poll-Milch!“
Poll lachte scheppernd über seinen eigenen Witz.
„Dabei ist da wirklich alles drin – alles außer Milch.“
Ginter zuckte wie in Trance. Er sah aus, als stünde er unmittelbar vor einem epileptischen Anfall.
Kautermann hatte den Eindruck, dass sich der Boden unter ihm drehte. Er fühlte sich müde. Polls Stimme klang merkwürdig dumpf. So, als spreche er in ein Federkissen.
Unprofessionell, dachte Kautermann. Verdammt unprofessionell.
Poll tanzte jetzt wie Rumpelstilzchen vor Ginter auf und ab.
„Ich habe sogar schon einen Slogan: ,Donnerlittchen – schon wieder Zeit für ein PULP-Schnittchen!“
Er holte aus und trat Ginter kraftvoll in den Unterleib.
Kautermann schluckte mitfühlend. Jetzt waren höchstwahrscheinlich beide Männer impotent.
Der Gefesselte sackte mit einem erstickten Laut in sich zusammen.
„PULP-Schnittchen“, brüllte Poll. „In den Geschmacksrichtungen Frühling, Paprika und Tarantino.“
Jetzt dreht der Chef durch, dachte Kautermann.
„Was... was für eine Geschmacksrichtung ist denn Tarantino?“, fragte er matt. Seine Zunge wollte ihm kaum noch gehorchen.
„Radieschen“, fauchte Poll. „Aber das klingt Scheiße. Das will doch keiner essen.“
„Meinft du daf wirklich ernft?“, röchelte Ginter durch seine zerschlagenen Vorderzähne. „Du bift noch bekloppter, alf ich gedacht habe.“
Jetzt prügelt ihn der Chef tot, dachte Kautermann.
Doch Poll dachte gar nicht daran. Stattdessen strich er Ginter mit einer merkwürdig väterlich wirkenden Geste über das Haar.
„Nein!“, sagte er völlig ruhig. „Natürlich nicht. Das alles ist gequirlte Kacke. Völliger Schund. Funktioniert nicht. Direkt für die Tonne produziert.“
Er hielt einen Augenblick inne.
Dann sagte er in eiskaltem Tonfall: „Und deshalb will ich jetzt endlich wissen, wo mein Geld ist! Mein richtiges Geld.“
Kautermann war klar, dass es jetzt vorbei war. Keine Spielchen mehr. Hier war Ginters Weg zu Ende. Wie schnell, lag jetzt einzig und allein an dem Gefesselten.
Auch Ginter hatte das begriffen.
Kaum merklich deutete er mit dem Kopf in Richtung Metallbottich.
„Der Koffer ift da drin. Im PULP. Iff habe ihn felbft reingeworfen. Du Wiffer!“
Polls Augen weiteten sich.
„Ich bete für dich, dass du das Geld in eine wasserdichte Tüte gepackt hast, du Schwachmat.“
Ginter nickte schwach.
„Wenn auch nur ein einziger Schein hinüber ist, lass ich dich länger leiden als Prometheus“, knurrte Poll.
Dann wandte er sich an Kautermann.
„Rausholen!“
Kautermann versuchte aufzustehen, aber seine Beine waren wie aus Gummi. So sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht vom Platz. Hilflos zuckte er mit den Schultern und fiel zurück auf seinen Stuhl.
„Chef, ich ... ich fühle mich ein wenig ... blümerant. Geben Sie mir noch zwei oder drei Minuten Pause, dann...“
Poll fluchte lauthals. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sein sauer verdientes Geld in PULP aufweichte.
„Scheiße! Alles muss man selber machen.“
Poll zog seine Schuhe aus.
Kautermann sah verschwommen, wie Poll auf einen Stuhl stieg und kurz darauf seinen massigen Körper in den Bottich hievte.
Es planschte laut.
„Kacke“, brüllte Poll. „Jetzt muss ich in dem Scheißding auch noch tauchen.
Wenn ich hier rauskomme, bring ich dich um, Ginter. Ach was, ich bring euch beide um! Gesindel!“
Kautermann hörte Poll laut nach Luft schnappen.
Dann plätscherte es wieder.
„Ein biffen wie Fungelcamp“, röchelte Ginter.
„Schnauze“, blaffte Kautermann, und versuchte die pochenden Kopfschmerzen zu ignorieren.
Sein Hemd klebte an seinem Oberkörper und er schwitzte wie ein Schwein. Hitzenwellen durchfuhren in unregelmäßigen Abständen seinen Körper. Er wollte nur noch nach Hause. Was für ein Scheißtag.
Lass den Wahnsinn jetzt endlich enden, dachte Kautermann, als er hörte, dass sein Chef wieder auftauchte.
Und dann begann Poll plötzlich zu brüllen.
Eigentlich war das nichts Besonderes. Poll brüllte ständig. Kautermann kannte es nicht anders. Aber diesmal schwang keine schlechte Laune in Polls Stimme mit. Oder die übliche Gehässigkeit. Nein. Das war ein Schrei, der pure Todesangst ausdrückte.
„Kacke!“, gellte Poll panisch. „Kacke! Kacke! Kacke! Was passiert hier? Scheiße! Kautermann! Meine Hände! Oh mein Gott, meine Hände! Ich... Scheiße ...
Scheiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii....“
Dann nur noch ein jämmerliches Gurgeln. Ein Geräusch, das nicht mehr im Entferntesten menschlich klang.
Und schließlich Stille.
Kautermann vergaß einen Moment lang zu atmen. Auch ohne irgendetwas gesehen zu haben, wusste er, dass Poll tot war. Hinüber. Geschichte.
„Was zum Teufel...?“
Plötzlich hörte er Ginters bitteres Lachen.
„Ich wufte, daf er fu gierig ift und den Koffer raufholen will. Daf war der Quark. Daf Feug ift tödlich. PULP hat Poll erledigt.“
Die Stimme das Mannes war nur noch ein heiseres Krächzen. Trotzdem war die Genugtuung darin nicht zu überhören.
„Ef geht offenbar noch fneller, wenn man drin badet.“
Kautermann lief ein kalter Schauer den Rücken entlang.
„Was meinst du damit? Wieso noch schneller?“
Ginter schniefte.
„Conny!“, sagte er tieftraurig. „Fie hat davon gegeffen.“
Kautermann ballte seine Hand zur Faust. Besser gesagt, er versuchte es. Entsetzt musste er mit ansehen, wie seine Finger zusammenfielen, verklebten, zu einer breiigen Masse wurden.
Panisch sah er auf. Jetzt erst bemerkte er, dass Ginters Blick zu dem merkwürdigen Fleck auf den Fußboden gewandert war. Er betrachtete ihn liebevoll, ja, zärtlich, mit Tränen in den Augen.
Und plötzlich begriff Kautermann.
Das angebissene Brötchen.
Bestrichen mit PULP.
Conny hatte davon gegessen, während Ginter Polls Notgroschen eingesackt hatte.
Sie hat dieses PULP-Zeug gegessen, durchfuhr es Kautermann.
Der Gedanke hämmerte unablässig in seinem Kopf.
Wieder und wieder.
Sie hat davon gegessen.
Genau wie er.
Kautermann schrie. Er fühlte wie sich seine Zunge langsam vom Gaumen löste und sich in Gelee verwandelte. Alles an ihm wurde weich, fließend. Jede Grenze seines Köpers verschwamm.
Erfüllt von Todesangst starrte er Ginter an, unfähig auch nur noch ein einziges Wort zu formulieren.
Aber Ginter verstand.
„Du willft wiffen, warum iff nicht davon gegeffen habe?“
Kautermann versuchte zu nickten, aber sein Kinn fiel auf seinen Oberkörper und beides verschmolz zu einem klebrigen Brei.
Bitte nicht!
Aber alles betteln half nichts.
Da war nichts mehr außer Ginters Stimme.
„Luftige Fache“, lispelte Ginter aus einem Mund, der nur noch eine blutige Masse zu sein schien. „Aber iff effe nie Quark.“
Und dann schrie er mit sich überschlagender Stimme dem mehr und mehr in sich verlaufenden Matschhaufen, der einmal Kautermann gewesen war, das letzte Wort entgegen, was dieser je zu Gehör bekommen sollte.
„Laktofeintoleranf.“