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Quanten der Erinnerung

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18.10.2009
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Quanten der Erinnerung

Quanten der Erinnerung


August 1962. Professor Millart führte seinen „Beweis der Quantenmechanik“ durch. Weder seine Assistenten, noch sonst jemand durfte den Raum betreten, während zwei Überwachungskameras das Geschehen innerhalb der Versuchskapseln aufzeichneten.
Eigentlich waren es Halbkapseln, zwei Hälften, die einander gegenüber gestellt waren. Auf drei Stahlfüßen ist der Rahmen fest verankert und eine dicke Gummilippe darüber isoliert den Korb.
Gegenüber steht das identische Modell und außer, dass die erste Kapsel den Zusatz „A“ trägt und die zweite den Zusatz „B“, unterscheidet sie nichts. Im Inneren der Kapsel, liegt nur etwas Verdrahtung für die Instrumente, für Notabschaltung, Feuermelder und das Telefon, mit dem er seinen Erfolg melden wird.
Neben den beiden Versuchskapseln stehen noch ein Schreib- und Arbeitstisch und eine Beobachterkabine im Raum. Dort steht auch ein Bandgerät, das den Anruf des Professors aufzeichnen sollte.
Nervös und schwitzend zwängt sich der Professor in den Sitz der ersten Kapsel und nimmt alle Einstellungen vor. Er atmet noch einmal tief durch, sagt etwas in die Kamera und startet dann das Experiment.
Ein Blitz, ein Knall und dann ist der Versuch gelaufen und Professor Millart sitzt in Kapsel B, ohne sich auch nur einen Zentimeter bewegt zu haben. Überglücklich springt er aus dem Sitz und läuft eine Runde um den Versuchsaufbau. Danach eilt er zum Telefon an Kapsel B und spricht überglücklich hinein:

„Es ist ein Erfolg!“ Sagt er. „Der Quantensprung ist machbar!“

Millart kann sich kaum beruhigen. Er hat soeben die Welt gerettet. Nano-Technologie, Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit, Fusionsenergie, Masse-Materie-Wandler – für all das hatte Millard heute neue Möglichkeiten geschaffen.
Stolz schwang er sich vom Sitz und wunderte sich, warum ihm keiner gratulierte. Bevor er hier noch versauerte, entschied er einfach selber hinaus zu gehen und nachzusehen, was die Kollegen trieben. Er ging zur Tür und öffnete sie lächelnd. Er machte einen Schritt hinaus und wurde bleich. Sofort zog er den Fuß zurück und schloss die Tür. Da draußen war nichts! Vor der Tür begann eine Schwärze, die er vorher noch niemals irgendwo gesehen hatte. Schon der bloße Anblick ließ ihm übel werden, denn dort, wo sich Freunde und Kollegen befunden hatten, war jetzt nichts mehr, nicht einmal mehr Licht.
Bestürzt und benommen taumelte er zurück zu den Kapseln und nahm wieder Platz.
-
„Morgen Chef!“ Sagte ich zur Begrüßung. Der große, schlecht gelaunte Mann mit dem Bürstenschnitt sah nicht einmal auf. Stur blickte er auf seinen Monitor und sah sich die Aufzeichnung des Vorfalls an. Ich zündete mir eine Zigarette an und sagte:
„Keller ist noch in Mittagspause, ich rufe ihn, sobald wir hier fertig sind. Was ist denn passiert?“
Ich hoffte auf eine direkte Frage würde er mir wenigstens antworten.
„Millart ist weg und wir haben keine Ahnung, wo er geblieben ist...“
Er drehte den Bildschirm so, dass ich auch darauf blicken konnte.
„Ein Zusammenschnitt der beiden Kameras,“ murmelte er.
Ich sah diesem verrückten Professor dabei zu, wie er an seiner Kapsel herum fummelte und dann Platz nahm. Er sagte etwas in die Kamera, dann verschwand er und die Kamera zeichnete lediglich einen hellen Blitz auf. Als der Blitz verschwunden war, saß Millart in der gegenüberliegenden Kapsel und sah über alle Maßen glücklich und zufrieden aus.
„Dann hat es geklappt?“ Fragte ich. „Millart ist tatsächlich durch den Quantenraum gesprungen?“
„Möglich,“ sagte der Institutsleiter, “aber ich würde fast sagen, er ist von dort nicht zurückgekehrt, sehen sie?“
Er deutete auf den Bildschirm und das Gesicht des Professors nahm plötzlich einen seltsam starren Ausdruck an. Er war für einen Moment ganz verschwunden, dann sah man ihn plötzlich auf dem Sitz von Kapsel A auftauchen, wo er bewegungslos verharrte. Die Leere in seinen Augen war wie die Schwärze des Alls. Ich konnte kaum hinsehen, so sehr beunruhigte mich sein Blick. Sekunden später war er dann ganz verschwunden und das Bild wurde schwarz.
„Die verdammte Videokamera ist dabei auch kaputt gegangen. Kein Bild kriegen wir mehr aus der raus. Und auf dem Tonband ist ebenfalls nichts. Bloß statisches Rauschen.“
Das alles überstieg eigentlich meine Zuständigkeit als Leiter der Inneren Abteilung. Wir kümmerten uns in der Regel um Verlustsachen, um Randalierer und Betrunkene auf dem Gelände und um die Einhaltung der Sicherheitsstandards. Wir waren sozusagen die Exekutive des Hausmeisters, wie mein Kollege Keller gerne witzelte. Keller interessierte sich zwar laienhaft für Physik, aber was hier passiert war, überstieg bei weitem unseren Horizont.
„Verschwundene Wissenschaftler sind nicht gerade unser Fachgebiet,“ gab ich daher zu bedenken. „Haben sie schon die Polizei gerufen?“
„Wir kommen nicht durch.“ Erwiderte er. „Die Elektronik scheint im ganzen Haus nicht mehr zu funktionieren. Also hab' ich erstmal sie gerufen. Vielleicht fällt ihnen ja doch noch was ein...“
„Was schlagen sie vor?“
„Sehen sie sich den Laborraum an, suchen sie nach Hinweisen. Sichten sie das Band der zweiten Kamera. Die Originalvideos stehen noch im Versuchsraum bereit!“
Ich bedankte mich und schob meinen Stuhl zurück. Einen Moment blieb ich noch sitzen, dann stand ich langsam auf. Mir war schwindelig, entweder von den Möglichkeiten oder von der Unmöglichkeit dessen, was ich gerade gehört und gesehen hatte.
Auf der Treppe traf ich Keller, der sich die letzten Schokoladenspuren aus dem Gesicht wischte.
„Was für ein Cop bist du eigentlich? Isst Crêpe zu Mittag...“
Belustigt sah Keller mich an. Er war ein dicker, gutmütiger und geduldiger Mann, dem man fast jede Unverschämtheit ins Gesicht sagen konnte, ohne dass es ihn aufregte. Keller besaß gelegentlich das infantile Auftreten eines Schuljungen, aber sein Verstand war messerscharf.
„Cops sind wir schon lange nicht mehr. Wir schieben hier eine ruhige Kugel, genau deshalb sind wir hier...“
„Nicht heute!“ Korrigierte ich ihn. „Heute haben wir richtige Arbeit.“
„Warum? Was ist passiert?“ Wollte er wissen.
„Millart ist verschwunden,“ sagte ich.
„Abgehauen?“ Fragte er.
„Nein,“ erwiderte ich, „ich würde eher sagen, die Zeit hat ihn verschluckt.“
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Im Labor fanden wir keine neue Spur, es sah alles genau so aus wie auf dem Video; genau so leer und ohne Professor. Wir gingen in die kleine Videokabine, die hinter den Kameras aufgebaut war. Der kleine Raum war ganz aus Blei, wogegen auch immer das schützen sollte. Es stank, das Metall hatte seinen eigenen Geruch und Keller meinte schon als wir das Labor betraten, es rieche verkohlt. Während wir uns gemeinsam in die enge Videokabine quetschten verstärkte sich der Eindruck.
„Es riecht als hätte irgendetwas gebrannt!“ bestätigte ich.
Keller warf die Bandmaschine an und die ersten Sekunden des Experiments liefen vor unseren Augen ab. Ich zündete mir eine Zigarette an und sah stirnrunzelnd zu.
Wir sahen Millart, der in seinen Papieren blätterte und danach in der Kapsel Platz nahm. Er drückte den Knopf, Funken stieben auseinander und der Blitz teilte den Raum. Danach war der Professor verschwunden, ganz so, wie ich es auf dem Band beim Chef gesehen hatte.
Wir sahen uns die Aufnahme der zweiten Kapsel an, in der Millart dann wieder auftauchte. Dieses Band war exakt genau so lang wie das andere und endete mit demselben, notorisch schwarzen Bildschirm. Obwohl wir die Kamera überprüften und sie technisch in Ordnung zu sein schien, hatte sie keine weiteren Bilder aufgezeichnet. Das Band endete damit, dass Millart in Kapsel A erschien und mit diesem leeren Blick in den Augen die Unendlichkeit taxierte.
„Merkwürdig, sehr merkwürdig...“ sagte mein Kollege Keller.
Ich sagte: „Ich wüsste zu gerne, was auf dem Zettel steht, den er dabei hat.“
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November 1984. Im Museum für Energie, Funk und Fernsehen bewegte sich eine Gruppe von zehn Schülern und Lehrerin durch eine Ausstellung veralteter Exponate aus dem 20. Jahrhundert. Sie passierten einen Aufbau, der aus zwei identischen Kapseln, einer Beobachterkabine und zwei Kameras bestand.
„Telekommunikation“, sagte die Lehrerin, „war die Schlüsseldisziplin, die den Menschen von der Körperlichkeit erlöste und uns erlaubte zumindest in den Informationsnetzen mit nahezu unbegrenzter Geschwindigkeit zu reisen.“
Ihre Schüler folgten ihr gelangweilt durch den Raum und gaben sich redlich Mühe nicht allzu viel von dem mitzubekommen, was ihre Lehrerin dozierte.
Erwartungsvoll blickte sie in die Gesichter ihrer Schüler und erklärte dann.
„Es gab einen Mann, der daran glaubte, dass man selbst die Lichtgeschwindigkeit noch übertreffen könnte.
Im Jahr 1962, also etwa vor zwanzig Jahren, startete Professor Millart von genau dieser Versuchsanlage aus den Versuch, der seine Theorie untermauern sollte. Seiner Meinung nach konnte Masse in Energie umgewandelt werden, denn wir Menschen sind ja nichts anderes als Energie in einer Masse tauglichen Form. Schwierig war letztlich nur die Energie wieder in dieselbe Form zurück zu führen.
Trotz zwanzigjähriger Erfahrung und immer neuen Versuchsaufbauten, scheiterte das Experiment mit Quantenräumen und die gesamte Forschung wurde letztlich eingestellt. Dieser Aufbau ist eine Erinnerung an den übertriebenen Glauben an Technik als Wunderwaffe. Die sechziger Jahre gelten heute als Scheitelpunkt der Erforschung neuer Energien. Während sich die Wissenschaft damals noch allen möglichen, größenwahnsinnigen Projekten verschrieb finden unsere Wissenschaftler heute Lösungen für konkrete Probleme. Überbevölkerung, Wassermangel, Umweltverschmutzung, um nur ein paar zu nennen.“
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Wir hatten uns das Video gerade zum zweiten Mal angesehen, als sich plötzlich etwas im Labor veränderte. Zuerst war es uns gar nicht aufgefallen, denn der Zeitblitz war zwar hell, dauerte aber nur den Bruchteil einer Sekunde an.
Keller und ich sahen einander an. Dann blickten wir auf und sahen aus dem Fenster der isolierten Kammer und dort saß der Professor, in Kapsel A, mit einem Blatt Papier in der Hand.
„Wie ist er denn dahin gekommen?“ Fragte Keller.
Ich stieg mit offenem Mund aus der Videokabine und näherte mich dem Professor. Ich sprach ihn an:
„Herr Professor Millart, hallo! Hören sie mich?“
Keine Antwort.
Ich versuchte ihn zu rütteln, aber meine Hand fühlte sich seltsam Taub an, sobald ich den Professor berührte. Wie von einem elektronischen Schlag. Er änderte seinen Blick nicht, starrte stur geradeaus und schien wie fest gefroren an seinem Sitz und in der Zeit zu sein.
„Was soll man dazu sagen? “ Fragte ich Keller.
Der antwortete:
„Crepe mit Schokolade und Puderzucker! Den Zucker nicht vergessen!“
„Was?“ Fragte ich und sah ihn entgeistert an. Dann wunderte ich mich, mit wem ich eigentlich sprach, denn Keller war plötzlich verschwunden, als sei er aus dem Raum heraus gefallen.
Ich ging daraufhin zum Professor und riss ihm die Zettel aus der Hand.
„Zeitschleife!“ Sagte ich laut, denn das stand auf dem Zettel geschrieben. Hastig drehte ich mich um und durchwühlte einen Tisch, bis ich Schreibpapier fand. Mit größter Eile kritzelte ich ein paar Wörter auf einen Zettel und drückte ihn dem Professor in die Hand.
Ich versuchte mir klar zu machen, warum das alles passierte. Es war möglich, sagte ich mir, dass der Professor, ich, Keller und jeder in diesem Gebäude, vielleicht auch auf der ganzen Welt, in einer Zeitschleife steckte, die jeweils mit dem Experiment begann und damit endete, dass der Professor wieder hier auftauchte – nur war er eben nicht mehr der Professor...wie zur Hölle sollte man da noch durchblicken.
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„Ganz genau,“ sagte der Chef. „Wir sehen ihn verschwinden, danach wird das Bild schwarz und die Kameras hat's wahrscheinlich gegrillt. Wo ist denn der dicke Keller geblieben?“
„Der ist noch in der Mittagspause,“ erwiderte ich.
„Was ist das?“ Fragte ich interessiert und sah auf den Zettel in der Hand des Professors. „Ist das Teil seiner Aufzeichnungen, oder Teil des Experiments? Sollte er einen Zettel dabei haben, wenn er in die Kabine steigt?“
„Nein!“ Antwortete der Institutsleiter. „Er sollte gar nichts dabei haben. Genau genommen verstehe ich nicht einmal wieso er das Experiment überhaupt so durchführt. Er hat keinen Sekundanten in der Videokabine sitzen. Die Kamera zeichnen bloß automatisch auf...“
„Vielleicht wollte er sichergehen, dass es funktioniert,“ vermutete ich, „bevor er es morgen dem Publikum vorführt...“
„Nun, funktionieren tut es,“ sagte mein Chef, „das Problem ist nur, dass er nirgendwo ankommt...“
Er seufzte und sagte:
„Sorgen sie dafür, dass Keller sie begleitet. Finden sie heraus, wie wir den Professor wieder in die hiesige Dimension zurück befördern können, ohne dass uns alles um die Ohren fliegt.“
Ich nickte, schob meinen Stuhl zurück und stand langsam auf. Das war wirklich ein seltsamer Fall und die Hälfte von dem was ich gerade gehört hatte, erschien mir wie ein Deja-Vu. Ich hatte das alles irgendwann schon einmal gehört.
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Ich traf Keller auf der Treppe. Er wischte sich die letzten Schokoladenspuren aus dem Gesicht.
„Was für ein Cop bist du eigentlich?“ Fragte ich ihn. „Crêpe zum Mittagessen - wer wird denn davon satt?“
„Wer sagt denn, dass ich davon satt werde?“ Brummelte er.
Schnaufend schob sich Keller hinter mir die Treppe hoch, bis wir endlich am Labor angekommen waren. Es war leer, wie erwartet.
„Stinkt nach Kabelbrand,“ sagte er naserümpfend, während wir uns zu zweit in die enge Kabine quetschten.
„Warum war sonst niemand hier als das Experiment durchgeführt wurde?“ Fragte er.
„Vielleicht wollte der Professor den Ruhm nicht teilen,“ schlug ich vor.
Wir sahen uns die Videobänder an und es war genau dasselbe zu sehen wie zuvor, nur dass wir diesmal die Bänder beider Kameras simultan betrachten konnten.
Was uns von Anfang an stutzig machte war, wieso der Professor einen Zettel mit in die Kabine nahm. Er hielt ein Papier in der Hand, auf das er grob irgendetwas gekritzelt hatte. Mit einer Lupe entzifferte ich die Schrift: ‚Versuch misslungen! Energie abschalten!‘ Stand dort.
„Was steht da?“ Fragte Keller, und ich antwortete:
„Versuch ist misslungen! Energie abschalten“
Es blitzte unterschwellig, und wir sahen einander überrascht an. Professor Millart war soeben vor uns aufgetaucht und saß nun in Kapsel A, scheinbar bereit das Experiment zu beginnen. Keller und ich stürmten aus der Bude.
„Schreib‘ ihm eine neue Nachricht und drück' sie ihm in die Hand!“ Rief Keller.
„Was soll ich schreiben?“ Fragte ich verwirrt.
„Crêpe mit Schokoladensoße,“ antwortete Keller, und als ich mich umdrehte war er bereits verschwunden. Verpufft, so als hätte es ihn niemals gegeben.
Hastig ging ich zum Tisch und riss einen Zettel vom Block, schrieb auf:
„Experiment abbrechen! Fehlschlag!“
Ich riss den Zettel ab und stopfte ihn dem Professor in die Hand, wodurch ich selber einen leichten elektrischen Schlag abbekam.
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Professor Millart machte sich noch einmal an der Verkabelung von Kapsel A zu schaffen. Stolz betrachtete er seinen Versuchsaufbau. Der mathematische Beweis - seine Theorie - war elegant, aber die Praxis war heikel. Schließlich ging es darum einen Menschen in seine Atome zu zerlegen und diese hinterher wieder genau so zusammenzusetzen. Ihm wurde ein wenig übel, aber dann fasste er sich wieder. Er hatte den Assistenten heute frei gegeben und der einzige, der in Gefahr war, würde er selber sein.
„Es wird funktionieren!“ Sagte er überzeugt in eine der Kameras, wohl wissend, dass sie keinen Ton aufzeichnete. Er setzte sich aufrecht hin und schloss die Augen.
Als er die Augen wieder öffnete, befand er sich bereits in der Beschleunigungsphase, ohne sich daran erinnern zu können, das Experiment schon gestartet zu haben. Zu allem Überfluss hielt er ein paar Zettel in der Hand. Auf dem ersten Stand „Experiment Abbrechen! Fehlschlag!“ Auf dem zweiten stand mehre oder weniger dasselbe und auf dem letzten stand: „Zeitschleife“.
„So ein Blödsinn!“ Fand der Professor.
Das Experiment hatte doch noch gar nicht stattgefunden, wie sollte es da einen Fehlschlag geben? Er räusperte sich.
Er würde Erfolg haben! Er hatte sich nicht jahrelang umsonst mit dem Institut herumgeschlagen und seine Jugend der Grundlagenforschung geopfert. Er hatte um Spenden gebettelt und sein Institut angefleht damit sie ihn den Beweis durchführen ließen, und heute war es endlich zum Versuch gekommen. Wie viele Jahre allein für Genehmigungen ins Land gegangen waren, vermochte niemand mehr zu sagen. Es würde ein Erfolg werden, er musste nur einen winzigen Beweis für das Funktionieren der Theorie erbringen!
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Keller bemerkt es zuerst, aber es war dermaßen widersinnig, dass es mir auch bald aufgefallen wäre. Wozu nahm der Professor zwei Dutzend Papiere mit in die Kabine? Das war doch sicherlich nicht normal. Als ich, mit einer Lupe, die Warnung auf dem obersten Blatt las „Energiefluss sofort unterbrechen! Katastrophe!“ Erkannte ich meine Handschrift. Ich wurde bleich. Wie war das möglich?
Als Professor Millart plötzlich aus dem Nichts wieder vor uns auftauchte, folgerte Keller, dass wir uns auf unterschiedlichen Zeitbahnen befänden, so wie sich die Planeten auf verschiedenen Bahnen um die Sonne bewegten. Millart und wir teilten eine Schnittmenge, darum sahen wir ihn in diesem Moment. Er machte mir fix eine Zeichnung, in der Keller und ich einen Kreis bildeten und der Professor den Zweiten. Die Schnittmenge war der Abschnitt in der Zeit, den wir miteinander teilten.
„Dann geht das alles gleich wieder von vorne los?“ Fragte ich.
„Crêpe mit Schokolade...“ begann Keller.
Ich schrieb einen neuen Zettel. Zweifellos würde Millart jede meiner Warnungen außer Acht lassen, so wie er es bisher auch getan hatte. Ich drückte ihm die Zeichnung Kellers in die Hand, dann kramte in meiner Hosentasche und fand mein Feuerzeug. „
Gottlob gibt‘s Zigaretten!“ Dachte ich und zündete das Papier an. Wenn er sich nicht mit gutem Zureden und durch klare Warnungen überzeugen ließ, dann musste eben ein technischer K.O. herhalten.
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Professor Millart rannte aufgebracht um seine Vorrichtung herum, als wir den Raum betraten. Ich sah hinter mich und blickte in Kellers Gesicht. Trotz aller Bemühungen sie wegzuwischen hatte er immer noch Schokoladenkrümel um den Mund.
„Warum sind wir hier?“ fragte ich leise.
Keller zuckte die Schultern. Ich ging voran.
Der Professor bemerkte uns zunächst nicht. Erst als ich direkt hinter ihm stand und hüstelte, fuhr er aufgebracht herum und motzte uns an.
„Was ist das für eine Schlamperei in diesem Institut? Einer der Assistenten muss einen Fehler gemacht haben. Lassen sie das sofort überprüfen!“
Nicht ungeschickt hob er eine schwere Metallröhre auf und hievte sie in Kellers wartende Arme.
Dann erst erkannte er, dass wir nicht seine Mitarbeiter waren und fragte:
„Was ist los? Was wollen sie hier?“
„Keine Ahnung,“ sagte ich, denn ich erinnerte mich tatsächlich nicht, erlebte aber gerade ein Deja-Vu. „Man hat uns hergeschickt, wir sollen nach ihnen sehen. Wenn hier alles okay ist, können wir ja auch wieder gehen...“
„NEIN!“ rief Millart verzweifelt. Nichts sei okay, alles sei, im Gegenteil, in höchster Unordnung.
Wir fragten, was denn passiert sei und Millart erklärte die Kapsel habe Feueralarm ausgelöst und sich Not-abgeschaltet, weil angeblich ein Brand vorliege. Daraufhin war der Energiefluss zusammengebrochen und das Experiment wurde vorzeitig beendet.
„Sehen sie vielleicht, dass es hier brennt?“ Fragte er sauer.
„Nein,“ gab ich offen zu, zündete mir aber dann eine Zigarette an und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Sie sind doch von der Inneren? Glauben sie, jemand könnte meine Apparate manipuliert oder sabotiert haben?“
Ich nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch an die Institutsdecke. Ich erklärte dem Professor, dass das unwahrscheinlich sei, denn niemand außer ihm, seinen Assistenten und jetzt uns, hatte Zutritt zum Labor. Ausweise wurden schon am Tor aufs Schärfste überprüft. Ich vertraute den Sicherheitsleuten. Keiner von denen hätte sich bestechen lassen, und man musste schon mehr als einen bestechen, wenn man bis in die Labors wollte.
Der Professor war geknickt, man sah es ihm an. Seufzend lehnte er sich gegen eine seiner, in Bleikästen verpackte, Videokameras.
„Das sollte der wichtigste Tag in meiner Karriere werden Der Durchbruch der Quantentechnik. Der erste Quantensprung!“
Ich bot ihm eine Zigarette an, aber er lehnte kopfschüttelnd ab.
„Statt dessen wurde es eine Blamage. Ich kann jetzt einpacken, alle Welt wird sich über mich lustig machen!“
„Herr Professor,“ sagte Keller beruhigend, „sicherlich ist nur ein Detail schief gelaufen, Sie kommen schon noch darauf!“
Der Professor nickte, aber irgendwie sah es so aus, als würde er dabei auch seinen Kopf schütteln.
-
Die Lehrerin hatte inzwischen mit ihrer Schulklasse vor dem Aufbau Position bezogen.
„Ein Quantum,“ sagte sie, „ist das seltsamste Teilchen, das wir kennen. Es erreicht sein Ziel, bevor es seine Startposition verlässt, noch dazu, ohne sich bewegt zu haben. Es ist einfach da, ohne dass man erklären kann, wo es vorher gewesen ist, oder welchen Weg es genommen hat...“
„Wir wissen inzwischen, dass Quantenenergie nicht nutzbar ist. Unzählige Versuche haben das ergeben,“ erklärte sie.
„Professor Millart selbst verbrachte den Rest seines Lebens mit dem Versuch einen Beweis zu erbringen, konnte jedoch nie auch nur ein Elektron durch den Raum befördern. Sein erster Versuchsaufbau, der hier noch originalgetreu vor uns steht, soll uns als Mahnung gereichen, damit die Wissenschaft in Zukunft einen klaren Kopf behält. Der Mensch ist nicht dazu geschaffen schneller als das Licht zu fliegen, oder sich die Kraft unendlich vieler Sonnen nutzbar zu machen.“
Ein Telefon klingelte in schrecklich schrillem Ton. Die Schüler lachten.
„Ich für meinen Teil,“ ergänzte die Lehrerin unbeirrt, „glaube nicht, dass es jemals wieder Geld und Mittel für Forscher wie Professor Millart geben wird. Der beste Teil unserer Wissenschaft ist der, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht, denn wie der Fall Millart zeigt: auch Genies können irren.“
Sichtlich zufrieden über ihre vollendete Rede wandte sie ihre komplette Aufmerksamkeit wieder der Klasse zu. Eine Hand hob sich.
„Frau Lehrerin, wollen sie nicht dran gehen?“ Fragte ein Mädchen schüchtern.
Die Lehrerin sah sich um, denn das Telefon klingelte noch immer. Sie ging ein paar Schritte auf die Kabine zu und nahm den Hörer ab. Zunächst rauschte es stark, aber dann vernahm sie eine Stimme.
„Es ist ein Erfolg!“ sagte die Stimme Professor Millarts. „Der Quantensprung ist machbar!“
„Sehr witzig!“ antwortete die Lehrerin und hängte das Telefon zurück auf die Gabel.

 

SinKing schrieb:
Tut mir leid, dass mein erster Beitrag so eine lange Geschichte ist - die Alternative wäre eine noch längere Geschichte gewesen. Ich freue mich hier zu sein und auf eure Kommentare. Es kann nur besser werden ;)

Kommentare wie diesen bitte in einem Extrabeitrag unter der Geschichte posten.

 

Okay, danke für den Hinweis. In den meisten Foren ist es ja genau anders herum - keine Double Posts.

 

Tut mir leid, dass mein erster Beitrag so eine lange Geschichte ist - die Alternative wäre eine noch längere Geschichte gewesen. Ich freue mich hier zu sein und auf eure Kommentare. Es kann nur besser werden

Hallo sinking,

und herzlich willkommen.

Du hast Recht, deine Geschichte ist lang. zu lang für die Pointe eigentlich. Knackiger hätte ich sie empfunden, wenn die Pointe am Anfang gestanden hätte und dann das vermeintliche Scheitern des Professors Thema gewesen wäre. Das Zeitschleifen-dings-bums in der Mitte ist zäh und schwer zu verfolgen.

Grundsätzlich schreibst du nicht schlecht, aber eben zu viel.

lg
Dave Nocturn

 

danke für Feedback

Cool! Immerhin liest es mal jemand :)

Ich werd' versuchen mich kürzer zu fassen, aber bei mir ist es entweder so, dass ich literarische Skizzen schreibe oder Kurzgeschichten. Die Skizzen sind sehr kurz und die Kurzgeschichten sind sehr lang.
Ich werde mal Beispiele für beides posten. Ist schonmal schön etwas Feedback zu bekommen, danke!

 

Hallo SinKing,

Den Anfang könnte man etwas interessanter gestalten, um den Leser schneller in den Bann zu ziehen, aber sonst finde ich die Geschichte nicht überlang. Schließlich braucht man als Leser auch etwas Zeit, um die Einzelheiten zu verstehen, besonders bei den angerissenen Themen.
Du könntest zum Beispiel mit „Es ist ein Erfolg!“ Sagt er. „Der Quantensprung ist machbar!“ beginnen und die Beschreibung des Versuchsaufbaus später einflechten.

Formal habe ich den Eindruck, dass dir etwas die Schreibroutine fehlt (kann mich aber täuschen), denn die Formulierungen sitzen hier und da nicht so ganz.
Grundsätzlich würde ich dir empfehlen, die Regeln für die wörtliche Rede genau anzuschauen. Im Text sind sehr viele Fehler in dem Bereich.

Fand die Geschichte auf jeden Fall unterhaltsam.

Gruß,
HienTau

 

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