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Pux' Reise
Pux war ein Zwerg und er lebte mitten im Wald unter den Wurzeln einer alten, knorrigen Eiche. Er hatte einen langen Rauschebart, eine kleine Brille auf der Knubbelnase und am Abend saß er gerne in seinem großen, gemütlichen Ohrensessel am Kamin und las ein gutes Zwergenbuch.
Sein kleines Häuschen war behaglich eingerichtet, an den Wänden hingen Bilder von Tieren aus dem Wald, die Fenster waren rund und auf den Fensterbänken davor standen Blumen. An der knorrigen Eingangstüre hing ein Schildchen auf dem "Willkommen!" stand und auf dem kleinen Tischlein im Wohnzimmer stand eine Dose mit frisch gebackenen, herrlich duftenden Keksen.
Doch als Pux an diesem Abend in seinem gemütlichen Ohrensessel an seinem gemütlichen Kamin saß, wurde er nachdenklich. Das machte ihn traurig, denn schon an den letzten Abenden war er nachdenklich gewesen.
Irgendetwas fehlte ihm. Aber was? Kein Dieb hatte eingebrochen und als er seinen Blick durch das Zimmer schweifen ließ, da war alles an seinem Platz - nichts fehlte, kein einziges Ding!
Nachdenklich lehnte Pux sich in seinen Ohrensessel zurück. Wie sollte er nur herausfinden, was ihm fehlte? Und als er so überlegte kam ihm eine Idee. Vielleicht wäre es gut, jemanden zu fragen, dachte Pux. Ja, genau das war es! Sofort machte er sich daran, ein kleines Bündel zu packen. Morgen, gleich in der Früh, wollte er sich auf den Weg machen.
Gesagt - getan. Am nächsten Tag verließ Pux seine gemütliche und warme Wohnung und schloss die knorrige Türe mit dem "Willkommen!" Schildchen sorgfältig ab um sich auf den Weg zu machen jemanden zu finden, der ihm weiter helfen konnte.
Es dauerte nicht lange, und er begegnete einem Fuchs.
"Hallo Herr Zwerg!", sagte der Fuchs.
"Ich bin Pux, der Zwerg", antwortete Pux. "Und ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, denn ich möchte dich etwas fragen."
"Du willst mich etwas fragen, Herr Zwerg Pux? - Was willst du denn wissen? Ich gebe dir ganz sicher eine Antwort, denn wir Füchse sind bekanntlich sehr schlau."
"Ich habe so vieles", sagte Pux. "Eine gemütliche Wohnung, einen Ohrensessel, einen Kamin und frisch gebackene Kekse. Und trotzdem fehlt mir etwas. Nur was?"
"Herr Zwerg Pux", antwortete der Fuchs daraufhin, "ich werde dir helfen. Aber zunächst will ich, dass du in meinen Mund langst und den kleinen Splitter herausholst, der zwischen meinen Zähnen steckt. Du hast geschickte Finger und wenn du mir hilfst, werde ich dir einen Rat geben."
Pux betrachtete das Maul des Fuchses und sah die gefährlichen, spitzen Zähne. Aber er wollte dem Fuchs helfen und so zog er den Splitter heraus.
"Ah danke, das ist schön", meinte daraufhin der Fuchs glücklich. "So, jetzt will ich dir sagen, wie du herausfindest, was dir fehlt. Geh ein wenig tiefer in den Wald hinein, dort findest du ein Loch im Boden. Hier wohnt der Hase Hoppel. Frag ihn, er wird dir sagen können, was dir fehlt."
Pux war etwas enttäuscht, er wollte doch gleich wissen, was es nun war, das ihm fehlte! Aber trotzdem, vielleicht hatte der Fuchs ja Recht, und so machte er sich auf den Weg zum Bau vom Hasen Hoppel, wie ihm geraten wurde.
An Hasenbau angekommen blickte Pux sich verwundert um. Aber da war keine Spur von Hoppel. Pux rief nach ihm: "Hooooppel, Hoooooppel!" - aber der Hase zeigte sich nicht. Enttäuscht ließ er sich ins Gras fallen und beschloss zu warten. Und tatsächlich - nach einer Weile kam Hoppel vorsichtig aus dem Bau und blickte sich um.
"Ist er weg?", sprach der Hase.
"Wer?", antwortete Pux.
"Na, der Schreihals. Der, der so laut nach mir geschrien hat!"
"Oh, entschuldige, das war ich. Der Fuchs schickt mich, ich bin weit gereist und habe eine Frage und vielleicht kannst du sie mir beantworten."
"Der Fuchs?", fragte Hoppel ganz aufgeregt, "ist er denn hier?"
"Nein, nein, beruhige dich. Er ist weit weg. Hast du denn Angst?"
"Ich bin ein Hase, Herr Zwerg. Wir sind nicht sehr mutig. Aber vielleicht weiß ich eine Antwort auf deine Frage, wenn du mir einen Gefallen tust."
"Welchen denn?", wollte Pux wissen.
"Du bist so mutig und hast mit dem Fuchs gesprochen. Und ich bin ängstlich. Weiß du ... der Bauer hat dieses Jahr viel zu viele leckere Rüben übrig, aber dort sind ganz große und gefährliche Hunde, und ich traue mich nicht, mir von den Rüben eine zu holen. Wenn du dich an den Hunden vorbei schleichst und mir eine Rübe holst, dann werde ich dir helfen."
Pux war wieder enttäuscht, aber er machte sich trotzdem auf und suchte das Feld des Bauern. Als die Hunde gerade schliefen, schlich er sich an ihnen vorbei und grub flink eine Rübe aus, die er dem Hasen Hoppel brachte.
"Danke für die Rübe", sagte der Hase glücklich, während er knabberte.
Pux war froh, dass er helfen konnte und wollte jetzt wissen, ob Hoppel ihm vielleicht sagen konnte, was ihm fehlte.
"Ich habe so vieles.", sagte Pux. "Eine gemütliche Wohnung, einen Ohrensessel, einen Kamin und frisch gebackene Kekse. Und trotzdem fehlt mir etwas. Nur was?"
"Herr Zwerg Pux", antwortete der Hase nach einer Weile, "geh noch tiefer in den Wald, bis du zur Eule Luhu kommst. Sie ist die Einzige, die dir sagen kann, was dir fehlt, denn die Eule ist das weiseste und klügste Tier im Wald."
Pux seufzte, denn er hätte jetzt wirklich gerne eine Antwort gehabt. Aber trotzdem verabschiedete er sich von dem Hasen Hoppel und machte sich weiter auf den Weg in den tiefen, dunklen Wald.
Nach einer Weile, es war bereits Abend, sah er auf den Ästen einer großen Eiche eine Eule sitzen.
"Bist du Luhu, die Eule?", fragte Pux vorsichtig, denn er wollte sie nicht erschrecken.
"Huhuu", antwortete die Eule, "ja, die bin ich. Warum suchst du mich?"
"Ich bin weit gereist und habe eine Frage. Vielleicht kannst du sie mir beantworten?"
"Huhuu", sagte die Eule, "ich bin Luhu, die weise Eule. Was ich nicht weiß, weiß niemand. Aber ich zerbreche mir schon lange den Kopf über ein Rätsel und finde keine Lösung. Wenn du mir bei dem Rätsel hilfst, dann helfe ich dir."
Pux war verzweifelt. Wie sollte er der weisen Eule bei einem Rätsel helfen, wenn nicht einmal sie selbst weiter wusste?
"Was ist das denn für ein Rätsel?", wollte Pux wissen.
Die Eule holte tief Luft und sagte dann: "Was hat Federn, ist aber doch kein Vogel? Ich komme nicht drauf, ich komme nicht drauf. Wenn du mir das sagen kannst, will ich dir deine Frage beantworten."
Pux überlegte eine Weile, dann dachte er an sein zu Hause und an sein Bett, denn er war inzwischen schon sehr müde geworden. Plötzlich sprang er auf.
"Ich weiß es, ich weiß es!", sagte er aufgeregt. "Es ist das Kissen!"
Die Eule war so erstaunt, dass sie eine Weile gar nichts sagte.
"Herr Zwerg Pux, das hast du gut gemacht. Aber jemandem, der so viel weiß, dem kann ich nichts mehr sagen. Es tut mir Leid, aber ich kann dir deine Frage sicher nicht beantworten."
Pux war sehr traurig, als er sich von der Eule verabschiedete. Langsam ging er nach Hause und setzte sich in den großen Ohrensessel. Konnte ihm denn niemand seine Frage beantworten?
Als er einen Keks aus der Dose nahm, dachte er noch einmal angestrengt nach. Und dann fiel ihm etwas auf. Irgendetwas war anders heute. Pux konnte nicht sagen, was, aber es fühlte sich so an, als wäre etwas da, was vorhin nicht da war.
Pux dachte an seine Reise, dachte an den Fuchs und den Splitter, den er aus den Zähnen gelöst hatte, dachte an den ängstlichen Hasen und wie er ihm die Rübe gebracht hatte, dachte an die Eule und wie er ihr Rätsel gelöst hatte.
Und plötzlich musste Pux lächeln, denn es kam ihm nicht mehr so vor, als ob ihm etwas fehlen würde. Und auf einmal begriff er auch, was die Antwort auf seine Frage war, die ihm jedes Tier auf seine Weise gegeben hatte.
Was ihm gefehlt hatte, war das Gefühl, gebraucht zu werden.
Und es war ein sehr schönes Gefühl.