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Purpur

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10.10.2006
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Purpur

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
Hetzpamphlet; einem gekreuzigten Sklaven auf Malta abgenommen

Cassius Cornelius Malticus raffte die Toga und stieg über einen Hundehaufen. „Ich hätte dafür stimmen sollen“, murmelte er.
„Prätor?“, fragte Servius.
„Vor ein paar Jahren hat irgendjemand ein Gesetz eingebracht, Hunde aus der Stadt zu verbannen.“
„Mit einer Ägypterin verheiratet, nehme ich an.“
Cassius verzog das Gesicht. „Man kann über Katzen sagen, was man will, wenigstens machen sie nicht so riesige Haufen. Beim Jupiter, das ganze Viertel widert mich an. Es ist einfach unrömisch.“
Die Suburba war so gesetzlos, dass Jugendbanden wagten, imperiale Glühbirnen aus den Straßenlampen zu schrauben, so dass Servius mit einer Stabtaschenlampe den Weg leuchten musste. Unrömisch bis in den letzten Ziegelstein. Nicht einmal ehrbare Straßenhändler hielten es hier aus, dabei hätte Cassius nun einiges für dalmatische Feigen gegeben oder für eine Handvoll dieser Barbecue-Chips, die ihm so schmeckten.
Und dass Cassius nun aufgrund einer Tradition, die seit Jahrhunderten überholt war, als Amtsträger in Toga und Sandalen über das Pflaster schreiten musste, war schlicht ein Skandal. Zumindest regnete es nicht, die verdammte Toga saugte sich dann voll und wog so viel wie ein samnitischer Gladiator in voller Rüstung.
Außerdem war der Fußweg lang wie ein Marathon, die Blauen hatten verloren und bis zur nächsten Mahlzeit waren es noch gut neun Stunden! Das alles nur, weil irgendein Emporkömmling nicht einmal den Anstand aufgebracht hatte, wie ein aufrechter Römer zu sterben!

Keuchend wuchtete sich Cassius durch die Gassen.
Servius erlaubte sich ein ums andere Mal einen spöttischen Blick auf seinen früheren Herren.
„Das ist der Dank“, sagte Cassius, als er an einer Straßenecke nach Luft schnappte und sich schwor, in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft, das Lauftraining wieder aufzunehmen. „Da besorgt man dir eine wunderschöne Frau, weit über deinem Stand! Und dafür wird man dann ausgelacht.“
„Verzeiht Prätor, es ist nur: Ihr seht aus wie eine Schildkröte, die auf den Rücken gefallen ist.“ Servius geriet über die eigene Bemerkung so in Wallung, dass er anfing, zu glucksen und zu schnauben, bis er schließlich kicherte wie eine Hyäne im Theater.
„Dignitas!“, deklamierte Cassius. „Ein Bürger lacht nicht wie ein dummer Sklavenjunge!“
Servius schaute betreten aufs Pflaster.
„Pluto blickt mit Argwohn auf jene, die das Volk und den Senat verspotten und schickt nächtens seine Häscher, sie zu verfolgen und seinem dunklen Reich einzuverleiben!“
Sein ehemaliger Sklave gab keinen Laut mehr vor sich.
Cassius raffte die Toga und stolzierte am bleichen Servius vorbei. Freigewordene, dachte er. Abergläubisch bis in die letzte Faser. Man musste sie einfach gern haben.

Die Straßen waren leergefegt, kein Bürger kam ihnen entgegen. Alexandria war die Stadt, die niemals schlief. In Rom war nach Mitternacht keiner wach. Insula reihte sich an Insula in diesem Viertel; und wo auf dem Palatin keine Villa der anderen glich, sah hier jede Behausung elend wie die andere aus. Cassius hätte nicht zu sagen vermocht, in welcher Straße er war, auch wenn sein Leben davon abhinge.
Als sie um eine Ecke bogen, stand dort eine Parade zitternder Gestalten auf der Straße, ein Dutzend oder mehr, den Rücken an die Mauer der Insula gepresst. Einige hatten Fackeln in den Händen, deren Schein von den Halsbändern matt reflektiert wurde.
„Sklaven? In der Suburba?“, fragte Servius
„Riecht nach Ärger“, sagte Cassius. Es würde sich ja wohl kaum ein Bürger freiwillig ein Sklavenhalsband umlegen. Dekadenz hin oder her. Viele der armen Bürger unterschieden sich nur durch einen blanken Hals von den Sklaven.
Servius hetzte an ihm vorbei, blieb vor der Haustür stehen und schrie: „Der Prätor urbanus. Cassius Cornelius Malticus.“
Beim Ehrennamen „Malticus“ ging ein Raunen und Greinen durch die Menge als hätten sich die Pforten zur Unterwelt aufgetan und der Totenchor beklage sein Schicksal.
Ein Sklavenmädchen, kaum älter als sieben oder acht, presste sich an den Rocksaum seiner Nachbarin und weinte, dass es die Stille der Nacht zerriss. Servius ließ die Heraldpose fallen, beugte sich zu dem Mädchen hinunter und strich ihm über den Kopf. Es schniefte, schnäuzte und schluchzte und war nicht zu beruhigen. Das Bild hatte Cassius früher schon gesehen. Die kleine Sirene Cassia, die weinte, weil sie sich den Zeh gestoßen hatte oder von einer Blindschleiche erschreckt worden war; die weinte, weil der Bruder sie an den Haaren gezogen hatte oder weil auf ganz Malta kein Mandelkonfekt aufzutreiben war.
Und immer war Servius zu ihr gegangen, hatte ihr über den Kopf gestreichelt und mit ihr geredet, während Cassius danebenstand und zu ergründen versuchte, wie sich ein römischer Vater in solchen Situationen zu verhalten hatte. Dignitas, Dignitas, die verdammte Dignitas, und was hatte es ihm eingebracht?
Jetzt brach ein anderes kleines Mädchen in Tränen aus, wenn sie nur seinen Namen hörte. Malticus.
Cassius sah nach oben, als ob droben die Lemure seines Vaters schwebte, groß und weise und schon lange tot. Ave Vater. Das haben sie aus deinem Sohn gemacht. Ein Schreckgespenst des Imperiums. Einen schwarzen Mann.

Die Insula war mit Teppichen ausgelegt, Cassius ertappte sich dabei, wie er die Zehen in den weichen Stoff tauchte. Ein Duftspender im Wohnzimmer zischte Fichtenduft. An der Wand hing ein elektronischer Rahmen, der wechselnd pornographische Bilder zeigte: das mythologische Zeug. In einem Moment drängte ein Stier noch in Europa, dann machte sich ein Schwan über den Schoß der armen Leda her. Eine Schlange fuhr in Persephone, ein Adler hackte auf Asteria. Offenbar glaubten die Griechen, ein Mann sei nur dann ein Mann, wenn er eine Urahnin vorweisen konnte, die einmal von Zeus in Tiergestalt richtig durchgezogen worden war. Als der goldene Regen über Danäe herniederging, hatte Cassius genug gesehen.
„Das ist unrömisch“, sagte er und deutete mit senatorischer Geste auf das Bilderspiel. „Mach das weg.“ Wie jeder anständige Römer hatte Cassius keine Ahnung davon, wie sich solche Gerätschaften bedienen ließen. Wozu gab es schließlich Sklaven?
Servius, der eben noch mit offenem Mund dagestanden war, machte sich an dem Gerät zu schaffen. Suchte verzweifelt nach Knöpfen oder einer Fernbedienung, ging dazu über, sich vor dem Monitor aufzubauen und mit fester Stimme „Aus! Abschalten! Aufhören!“ zu brüllen, um dann schließlich einen Teppich über den Schirm zu werfen.
„Du musst endlich anfangen, wie ein Bürger zu denken und zu handeln“, sagte Cassius. „Ein Censor könnte uns beide aus der Stadt jagen, wenn er uns bei so etwas erwischt.“
„Dein Onkel?“, fragte Servius.
Cassius winkte ab. „Es wäre deine Pflicht gewesen, als Diener des Volks und des Senats sofort, als du gesehen hast, dass ich mir das ansehe, einzuschreiten und das moralisch verwerfliche Gerät auszuschalten.“
„Ja, Herr“, sagte Servius.
„Man streichelt auch keine Sklavenmädchen. So was tut man nicht in Rom.“ Lustlos sah sich Cassius im Wohnzimmer um, der Fichtenduft war so falsch wie das Lächeln einer Sklavin auf Bräutigamschau.
„Prätor?“, fragte Servius. „Darf ich offen sprechen?“
Cassius nickte.
„Als wir auf Malta waren, hast du dir viel schlimmere Dinge angesehen.“ Leiser fügte er hinzu: „Und ganz andere Sachen gestreichelt.“
„Das ist richtig“, sagte Cassius. „Als Bürger musst du verstehen, dass es auf der Welt nur zwei Orte gibt: Einmal die Stadt und dann den ganzen Rest. Außerhalb der Stadtmauern neigen wir dazu, uns wie die Herren der Welt aufzuführen.“ Dramatische Pause. „Weil wir das sind. Aber in Rom gelten andere Gesetze, junger Bürger.“ Cassius lächelte matt. In gewisser Weise war Servius tatsächlich noch unverschämt jung, obwohl sie im selben Alter waren. Es gefiel Cassius ihm die Welt zu erklären. Eine erklärbare Welt, fand Cassius, war eine ungemein beruhigende Illusion.
„Und nun suchen wir diesen dekadenten, griechischen Eques. Schau dich mal weiter hier um, ich seh mir das Bad an und danach die Sklavenquartiere. Vielleicht kriegen wir noch ein paar Stunden Schlaf.“

Das Bad war schlicht. Weiß verputzt, eine Dusche, ein Spiegel, ein Pinkel- und ein Brechbecken. Keine Leichen.
Cassius betrachtete sich im Spiegel und versuchte, möglichst furchteinflößend zu wirken. So sahen ihn die Menschen? Malticus und schon kamen die Tränen. Rom, das alte Rom, das böse Rom. Mit Feuer und Stahl herrschte es über den Globus. Auch Sklaven brauchten wohl eine erklärbare Welt.
So schlecht sah er doch gar nicht aus. Vielleicht hatte er in letzter Zeit ein wenig zugenommen, gut, so jung wie sein Sohn hatte er ohnehin nie ausgesehen. Der ernährte sich ja auch nur von Puls und Hammelfleisch. Und die feinen Züge Cassias, seiner Tochter, gingen ihm ebenfalls ab, ein Kunststück, wenn man nie in die Sonne ging und sich um nichts grämen musste als um Lotionen, Mandelkonfekt, Wahrsager und Kulte.
„Prätor!“, schrie Servius.
Cassius folgte dem Schrei und fand Servius schließlich über einen Mann gebeugt, der bäuchlings in einem üppigen Schlafzimmer lag. Der Mann war fett wie eine Mastsau und trug eine Toga aus feinstem Stoff, der Faltenwurf war selbst an diesem krommyonischem Eber noch filigran. Eine Toga aus Seide! Was sich diese dekadenten Barbaren nur erlaubten?
„Dann wäre das wohl geklärt. Ruf jemanden an, dass sie ihn abholen.“
Doch Servius hörte nicht auf ihn, sondern drehte mit einem Ruck und ohne jede Spur von Aberglauben den Leichnam um. Vielleicht war bei dem Jungen doch noch nicht alles verloren.
„Jupiter steh uns bei“, keuchte Servius. „Purpur.“
Auch Cassius sah nun den purpurnen Streifen an der Toga des Mannes, der ihn als Angehörigen einer Schar von Wenigen auswies. Einer Elite, die über Wohl und Wehe der bekannten Welt zu entscheiden hatte. Der Tote war ein Senator.
Mit dem Schlaf würde es nichts mehr werden.

„Das hat uns grade noch gefehlt“, sagte Cassius und zog die Toga über Nase und Mund. Er verscheuchte Servius, ging um das Bett herum und stupste die Leiche mit dem Knie einige Male an.
„Kennst du ihn?“ Servius mit seiner Sklavenstimme. Als ob jeder Senator jeden anderen kennen müsste, nur weil man drei Stunden am Tag aufeinander hockte. Cassius hatte den Mann noch nie gesehen, Hängebacken, ein Kinn wie aus Haferschleim geformt, gezupfte Augenbrauen. Er sah mehr wie ein Eunuch aus als irgendetwas Römisches. Die Popularen mochten solche Geschöpfe zwar in ihren Reihen dulden, aber auch sie versteckten Ungetüme wie dieses in den hintersten Winkeln der Kurie.
„Natürlich kenne ich ihn!“, sagte Cassius und macht einige zerfahrene Gesten über dem Leichnam.
„War der Mann krank?“, fragte Servius.
Woher, bei Plutos brennendem Speichel, sollte er das nun wieder wissen? Cassius schaute auf und sah Servius, der eine Spritze in der Hand hielt.
„Beim Jupiter!“, schrie Cassius. „Lass das Ding fallen!“
Servius ließ die Spritze fallen wie eine Giftschlange.
„Der Mann war nicht krank, er war verflucht. Der Fluch Cäsars!“ Vor dem Namen „Cäsar“ spie Cassius aus.
„Cleopatra?“, fragte Servius mit großen Augen.
„Opium! Heroin! Du Schwachkopf! Verschwinde hier! Du darfst das unmöglich sehen!“
„Herr?“
„Raus! Renn um dein Leben! Die knüpfen dich auf!“
Cassius fuhr sich über die Augen, blickte hilfesuchend an die Decke – Zeus mal wieder, wie er zur Abwechslung in Menschengestalt irgendeine griechische Schlampe beschlief – und schaute sich im Raum um. Einige Minuten überlegte er gleichsam fieberhaft und ergebnislos, was zu tun sei, doch als er endlich eine diffuse Vorstellung davon entwickelt hatte, wie er sich verhalten wollte - sofort verschwinden, seinen Onkel anrufen, Yoko besuchen und unterwegs vielleicht einen Happen essen - klopfte es bereits am Türrahmen.
Ein kleiner Mann lehnte dort, ganz in Schwarz gekleidet, ein Schwert an der Hüfte. Er kratzte sich über das markige Kinn. „Prätor“, sagte eine heisere Fistelstimme, „es ist mir eine Ehre, dir endlich einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Dein Onkel spricht nur in höchsten Tönen von dir. Ich bin ein großer Bewunderer deiner Arbeit auf Malta. Eine Inspiration, sage ich immer. Eine Inspiration für die ganze herrliche Republik.“ Es klang, als quieke eine Ratte, die man in die Cloaka Maxima spült.
„Es ist mir eine Ehre, wenn mein bescheidener Beitrag zur Republik auf solch kundigen Beifall stößt“, sagte Cassius und betrachtete den Mann weiter. Einer der wenigen Römer, die nur einen Namen trugen. Der Mann hieß Pluto, wie jeder Vorgänger in diesem Amte, seit mehr als sechshundert Jahren. Der höchste und einzige Priester des Gottes in ganz Rom, Anführer der schwarzen Häscher, Sonderbeauftragter des Magistrates, rechter Arm der Censoren. Das war der Mann, vor dem sich kleine Sklavenmädchen erschrecken sollten. Das war ein Schreckgespenst der Republik.
Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was man sich über ihn erzählte, hatte er mehr Menschen umgebracht als die verdammten cisgallischen Pocken.

Ohrenbetäubend zündete sich Pluto eine Zigarette an und blies Rauch gegen das obszöne Deckengemälde. „Ein scheußliches Haus“, sagte er mit einem Grinsen. „Unseren hohen Herren so zu zeigen. Unter so einem Dach“, er verdrehte den Kopf weiter, „kann unmöglich römische Saat gedeihen. Es ist wie ein Krebsgeschwür, das sich in den Köpfen seiner Bewohner einnistet. Wächst und wuchert. Und was macht man mit Krebs?“
„Man kuriert ihn.“
„Ganz recht“, sagte Pluto. „Man schneidet ihn raus.“
Cassius ging, wie beiläufig, um das Bett herum, auf die andere Seite des Toten, dort wo die Spritze lag.
„Dieses Ungetüm“, Pluto zeigte auf den fetten Leichnam, „kaum fähig sich aus seinem Bett zu erheben. Und so jemand wird mit wichtigen Aufgaben betraut und gute römische Bürger schlafen Nacht um Nacht in der Vorstellung ein, sie seien sicher. Aber wer kann sicher sein, frage ich, wenn dies einer der Pfeiler unserer Republik ist? Und was macht man mit maroden Pfeilern?“
„Man repariert sie“, sagte Cassius und versuchte, die Spritze unter das Bett zu treten, was in Sandalen schwierig war, ohne sich zu stechen.
„Ganz recht“, sagte Pluto. „Man reißt sie ein.“
Pluto ging nun um das Bett herum und betrachtete den unförmigen Leichnam mit einem solch umfassenden Abscheu, dass es dem großen Andronicus alle Ehre gemacht hätte. Dann bückte er sich gedankenschnell und griff unters Bett.
Während er sprach, hielt er sich die Spritze vor das Gesicht, drehte und wendete sie und ließ den Blick nicht von ihr ab: „Wenn ein Bienenschwarm von einer kranken Königin regiert wird und der Honig des Stocks grün wird und die Geister eines jeden Mannes vergiftet, der von ihm kostet. Was tut man dann mit diesem Schwarm, frage ich?“
Cassius schwieg.
„Ganz recht“, sagte Pluto und schlug mit zwei Fingern gegen das Glas der Spritze. „Man räuchert ihn aus.“

Wortlos ging Cassius aus dem Haus, sein Vater hatte ihm einmal erklärt, was man bei Kreuzigungen, Theaterabenden und Senatssitzungen zu tun hatte. „Du musst zwar da sein“, hatte er gesagt, „aber dein Geist ist doch frei. Stell dir einfach vor, du bist woanders. Schau ernst und konzentriert und denke dich an den herrlichsten Ort, den du dir nur ausmalen kannst.“
Doch so sehr sich Cassius in Yokos Arme dachte, so sehr stand er auf einer Straße, der ein Gemetzel dräute. Dreißig, vierzig der Männer in Schwarz standen Spalier. Jeder mit einem Schwert bewaffnet und mit einer Pistole. Schwerter für Römer, Kugeln für Sklaven. Jedem das Seine. Es war unrömisch einen Sklaven abzustechen. So wie es unrömisch war, einen Römer zu erschießen. Andersrum hingegen …
Sie nahmen jedem Mann und jeder Frau und jedem Kind das Halsband ab. Unter den Sklaven war ein Heulen und Zähneklappern. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Jeder Sklave träumte davon, dass elektronische Halsband irgendwann los zu sein. Sie erzählten einander von fernen Orten, von Lisboa, von Arkadien, von Orten, an denen niemand ein Halsband trug, weil es dort Sklaven gab, ehemalige Sklaven, die in Erfahrung gebracht hatten, wie man die Halsbänder schadlos abnehmen konnte. Cassius wusste es besser. Man nahm einem Sklaven das Halsband nur in zwei Fällen ab. Und die Sklaven des toten, opiumsüchtigen Senators wollte man ganz sicher nicht frei lassen.
Einer der Älteren, ein hochgeschossener Spanier, schlug um sich, als sie ihm das Halsband nehmen wollten, einer der Häscher donnerte ihm den Pistolenknauf gegen die Stirn. Der Mann brach zusammen wie ein Ochse bei der Opferung, als hätte ihm der Priester einen Hammer gegen den Schädel gedroschen.
Pluto hatte sich neben Cassius gestellt, sagte nichts, rauchte nur. Seine Anwesenheit allein sperrte Cassius von jedem Ort aus, an den er sich hätte flüchten können.
Ins Jammern der Sklaven schrie eine Frau: „Könnt ihr nicht endlich ruhig sein! Manche versuchen hier zu schlafen.“
Cassius schaute sich um: In einer Insula hinter ihm war im zweiten Stock ein Fenster aufgegangen und ein Frauenzimmer mit Medusenhaar beugte sich über die Fensterbank und schrie aus Leibeskräften: „Ich ruf sonst die Prätur an, ihr verdammten Barbaren!“
„Bedauerlich“, sagte Pluto und auf einen Wink von ihm lösten sich zwei Gestalten aus der schwarzen Schlange, sprinteten in olympischem Tempo in die Insula und trugen die geifernde Xanthippe und einen grauen Mann auf die Straße hinaus.
„Was hast du uns nur eingebrockt, bei allen Göttern!“, fiepste der Mann, bevor ihm sein Träger die Hand auf den Mund presste.
„Ist das wirklich nötig?“, fragte Cassius. „Es sind Bürger.“
„Natürlich, Prätor. Du hast Recht. Sie haben etwas Besseres verdient als wie Sklaven zu sterben.“ Pluto machte einen Wink und die beiden Männer in Schwarz setzten das ungleiche Paar ab.
Die Frau saß auf der Straße und starrte mit handtellergroßen Augen in die Gegend. Mochte zu Morpheus beten, er möge es nur einen Albtraum sein lassen.
Auf ein weiteres Zeichen Plutos traten die beiden Männer hinter sie und ihren Mann, umfassten Kinn und die linke Seite des Schädels und brachen ihnen das Genick.
„Es ist nicht ganz wie in Malta, nehme ich an“, sagte Pluto. „Aber wir alle dienen dem Senat und dem Volk aus Kräften.“

Einer nach dem anderen wurden die Sklaven in das Haus geführt, Frauen wie Männer, auch das kleine Mädchen, auf das Servius vor Minuten nur, vor einer kleinen Ewigkeit, noch eingeredet hatte, war nun an der Reihe. Fast zärtlich schubste einer der Männer es durch die Pforte des Hauses.
„Das Mädchen“, sagte Cassius.
„Ja?“, fragte Pluto und schaute ihn von unten an, er ging Cassius nur bis zu den Schultern.
„Nichts“, sagte Cassius.
„Gut.“ Pluto verschränkte die Arme vor der Brust.
Plötzlich ein Schatten. Einer der schwarzen Männer fiel wie vom Jupiter getroffen in sich zusammen, ein anderer erstarrte in der Bewegung, nahm die Hände langsam von der Hüfte nach oben, bis über die Kopf. An seinem Hals blitzte Stahl auf, der Stahl eines Kurzschwertes an der Kehle.
Hinter ihm stand Servius, dieser Schwachkopf, der längst zu Hause hätte sein sollen, der längst an Cassias Bett hätte sitzen müssen, um ihr über der Kopf zu streicheln, wenn sie schlecht träumte. Dort stand Servius nun, drückte das Schwert gegen den Hals des schwarzen Mannes, um eine Überzahl anderer in Schach zu halten; und er schritt stolz mit seiner Geisel wie ein dummer, dummer Held auf das Mädchen zu.
Die Männer in Schwarz zuckten, jeder Muskel war unter ihren Anzügen zu erkennen, wie Rennpferde im Stadion, die nur auf das Startsignal warteten. Pluto schüttelte den Kopf.
„Das Mädchen!“, schrie Servius. „Lasst das Mädchen gehen und es wird euch nichts geschehen!“.
„Seht, seht! Herakles selbst ist aus dem Olymp herabgestiegen!“ Pluto löste sich von seinem Platz und zog das Schwert aus der Scheide. „Wohlan. Stell dich zum Zweikampf, großer Krieger. Wenn du überlebst, so darfst du mit deiner kleinen Freundin gern von dannen ziehen, und kein Haar soll euch gekrümmt werden.“
Servius zögerte und musterte das Männchen in Schwarz, das auf ihn zuging.
Cassius stand unbewegt, aber schrie im Geiste: Nein, nein, du Idiot. Lauf einfach weg! Bitte, lauf einfach weg!
Servius nahm das Schwert vom Hals des Mannes und stieß ihn weg. Er stellte sich in Kampfposition, das rechte Bein nach vorne, das Schwert zum Stoß erhoben. Er musterte seinen Gegner, rief sich Finten und Stöße ins Gedächtnis, als sei er auf einem Übungsplatz.
Pluto zog mit einer fließenden Bewegung eine Pistole aus dem Schulterhalfter, ein Schuss zerschnitt die Stille der Nacht, Servius sank auf die Knie, das Mädchen weinte. Für einen Moment sah Cassius dem toten Servius in die brechenden Augen, dann fiel er nach vorne über.
Pluto zündete sich eine weitere Zigarette an und nahm den Platz neben Cassius ein.
„Du hättest ihm das Schwert gewähren sollen“, sagte Cassius. „Er war ein Bürger.“
„Aber nein, Prätor. Er kann kein Bürger gewesen sein, ein Bürger würde doch nie seine Hand gegen die Republik erheben, nicht wahr?“
Pluto lächelte, während auch das Mädchen ins Haus geschafft wurde, dann die Leiche der neugierigen Frau und die ihres armen Tropfs von einem Ehemann. Zuletzt wurde auch Servius hineingetragen.
Die Männer in Schwarz verriegelten die Tür von außen und spritzten vom Haus weg. Das Geschrei der Sklaven war noch immer zu hören.
„Möchtest du mir die Ehre erweisen, das Zeichen zu geben?“, fragte Pluto.
Cassius hob die Hand, die Männer in Schwarz duckten sich. Cassius ließ die Hand fallen und die Männer warfen Granaten auf das Haus. Phosphor. Binnen eines Herzschlags fing es Feuer, die Flammen schlugen hoch in den Himmel. Es brannte lichterloh. Cassius wünschte sich weg, weit weg, und blieb doch dort. Endlich verstummten die Schreie. Die Straße blieb tot zurück, kein Gesicht zeigte sich am Fenster.
„Wenn du mich fragst“, sagte Pluto und zog an der Zigarette, dass die Glut kirschrot aufflammte, „ein viel zu edles Opferfeuer für so einen stinkenden Satan.“

Cassius atmete tief ein, Ruß stieg in seine Nase. Einst war er im Theater gewesen, zusammen mit seinem Vater, und sie hatten ein Stück gesehen, Cassius wusste nicht mehr welches, aber keins von denen, bei denen man sich wünschte, man wäre woanders. Eine Stadt hatte gebrannt. Massilia war’s. Der irre Statthalter hatte mit dem Feuer gespielt und die Stadt angezündet. Cassius hatte seinen Vater gefragt, warum er das tue. Was für ein Mensch so etwas nur mache.
Sein Vater hatte ihn lange angesehen, während auf der Bühne die Kulissen in Flammen aufgegangen waren, und gesagt: „Frag nicht nach einem Grund. Die Welt ist nicht zu erklären. Manche Männer wollen sie einfach nur brennen sehen.“

Cassius wandte sich zum Gehen, Pluto hielt ihn an der nackten Schulter fest.
„Ach, Prätor, noch eins.“
Cassius schaute zu dem Mann hinunter: „Priester?“, fragte er kühl.
„Das Haus der edlen Witwe Pompeia.“
„Was ist damit?“
„Nun, es ist vielleicht zu dieser Zeit nicht der rechte Platz und Ort für -“
„Schweigt“, fuhr Cassius ihn an. „So weit kommt es noch, dass man einem der höchsten Diener des Volkes und des Senats sagt, wohin er zu gehen und wovon er zu lassen habe!“
Pluto zuckte mit den Schultern, die Flammen loderten hinter seinem Rücken neu auf.
„Es war ein gut gemeinter Rat unter Kollegen. Ihr tätet gut daran, ihn zu beherzigen.“
Cassius ging davon, zu dem einzigen Ort, an dem er jetzt sein wollte. Auch wenn er sich ausgerechnet im Hause Pompeias befinden musste.

Die Witwe Pompeia war, je nachdem, ob man einen Popularen oder einen Optimaten fragte, entweder die weiseste, schönste und edelste Frau der ganzen Welt oder eine intrigante, bigotte, mannstolle Giftmischerin. Als Optimat tendierte Cassius zur Giftmischerin, aber auch mit der Helena von Troja-Ausgabe hätte er in dieser Nacht nichts zu tun haben wollen.
Ihre Villa hoch oben auf dem Palatin, nicht weit von seinem eigenen, bescheidenerem Heim entfernt, bot auch in dieser Nacht, so dunkel sie auch sein mochte, einen prächtigen Anblick.
Cassius weckte den Janitor mit einem Fußtritt. Der Mann war einer der schönsten von ganz Rom. Stahlblaue Augen, eine Haut aus Bronze und die Haare wie die Korona der Sonne. Nur Pompeia brachte es fertig, jemanden wie ihn mit einem Kettchen ans Tor zu fesseln. Der Janitor rieb sich den Schlaf aus den Augen, erkannte Cassius und sagte: „Oh, du bist es.“ Er öffnete die Hand.
„Servius, gib dem Mann“, setzte Cassius an, bis er bemerkte, dass er allein war. „Du kennst meinen Namen, oder?“, fragte er.
„Nein, nein“, sagte der Mann. „Du weißt doch, keine Namen“, er schaute zu Boden.
„Ich frage anders, du kennst die vormals wunderschöne Insel Malta, oder?“
Der Mann öffnete das Tor.
„Ist sie noch wach?“, fragte Cassius.
Der Mann nickte.

Cassius hätte den Weg zu ihrem Schlafgemach gefunden, wenn man ihn blind wie Teiresias an der Südspitze Siziliens ausgesetzt hätte, doch in der heutigen Nacht schien ihm die Villa wie verändert, keine Sklaven huschten umher, um in den Kammern zu verschwinden, kein Gekicher drang aus den Räumen und als er endlich vor ihrer Tür stand und die Hand auf die Klinke legte, nagte Zweifel an ihm, ob es nicht besser sei, nach Hause zu gehen, oder etwas anderes zu unternehmen, etwas vollständig anderes, Totenwache zu halten, nach Apulien zu reisen und der Frau eines Freundes eine schöne Geschichte zu erzählen, doch da wurde die Tür aufgezogen und Yoko, in einem dieser lächerlichen östlichen Kostüme, die sie einen Kimono nannte, nickte ihm zu, streichelte über seine nackte Schulter und bugsierte ihn hinein. Das weiße Sofa sah einladend aus wie immer, das Fenster gewährte einen Blick auf die schlafende Stadt – wie immer – und Yoko flüsterte: „Du trinkst deinen Wein pur, in einer so dunklen Nacht, nicht wahr?“
Cassius streifte die Toga ab und legte sich bäuchlings auf das Sofa. „Mach mir einen Triumvir, mir ist nicht nach Wein.“
„Bitte?“, fragte sie mit einem Augenaufschlag. „Ich hab einen wunderbaren Falerner da, aus ihren eigenen Beständen. Und du möchtest was?“
„Einen Triumvir“, sagte Cassius. „Scotch, Bourbon, Whiskey. Zu gleichen Teilen.“
„Keinen Falerner aus ihren Beständen? Aus dem besten Weinkeller Roms?“
„Keinen Falerner.“
Yoko tippelte zu der Bar und mischte einen Drink. Der weiche Stoff des Sofas war warm und mild.
Yoko plapperte: „Triumvir, ihr habt so lustige Wörter für alles. Was ist das? Eine Frau mit drei Männern gleichzeitig?“
Cassius ließ den Kopf in das Polster des Sofas fallen. „Nein, nein, nichts dergleichen. Vor langer Zeit haben drei Idioten beschlossen, die Welt unter sich aufzuteilen. Und ihnen zu Ehren trinken wir das Zeug jetzt, wenn die Nacht sehr dunkel ist.“
„Welche Männer waren das?“, fragte Yoko, stellte sich vor ihn und ließ den Kimono zu Boden gleiten. Ihre Haut war wie aus Karamell. Zu Anfang, als Cassius sie das erste Mal gesehen hatte, nahm er an, sie sei ein Mischling, der Vater schwarz, die Mutter aus einer jener obskuren östlichen Provinzen, deren Einwohner Augen wie Mandeln hatten. Ein Mischling, wie jede Nacht einer irgendwo in den lichtlosen Sklavenunterkünften Roms gezeugt wurde. Doch Yoko behauptete, sie stamme aus einem fernen Land, und sei reinen Blutes.
„Drei sehr dumme Männer, die alle lange tot sind“, sagte Cassius. „Mehr musst du darüber nicht wissen.“
Yoko nippte an dem Gemisch, um zu zeigen, dass es nicht vergiftet war. Als sie von dem scharfen Gebräu kostete, verzog sich ihr Gesicht etwas und mit einem Seufzer gab sie ihm zu verstehen, dass er ein Idiot sein musste, wenn er das wirklich dem Falerner vorzog.
Sie hatte feste Brüste und langes, langes Haar, der Reif um ihren Hals war aus Mahagoni und fühlte sich erfrischend und kühl an, wie Cassius wusste. „Sag es mir“, verlangte Yoko. „Ich hab es gern, wenn wir reden.“
Sie gab ihm das Glas in die Hand und setzte sich auf seinen nackten Rücken, er spürte ihren Schoß. Sie drückte ihn auf seinen Hintern.
„Der eine war Crassus, der reichste Mann der Welt. Aber ein Dummkopf. Er starb in einer Schlacht, die er gewinnen wollte, indem er so lange Soldaten in den Tod schickte, bis dem Gegner die Pfeile ausgingen.“
Yoko kicherte und rieb mit ihrem seidenen Haar über seine Schulter.
„Der zweite war Pompeius, der größte General der Welt.“
„War er –“
„Ja, er war ihr Vorfahre. Angeblich. Gnaeus Pompeius Maximus. Der Retter der Republik.“ Yoko versenkte ihre Nase in seinen Nacken. „Du bist total verspannt, was haben sie dir wieder angetan? Erzähl weiter.“
„Und der dritte war Cäsar“, sagte Cassius und spuckte aus.
Yoko schlug ihm leicht auf den Hinterkopf. „Warum macht ihr das nur immer?“
„Rituelle Anordnung.“
„Weiter.“
„ Die beiden letzten waren kurz davor, die Republik zu vernichten, vor langer, langer Zeit. Jeder wollte sie retten, natürlich, einer vor dem anderen. Beide starben weit weg von Rom, in Nordafrika. Am schönsten Tag in der Geschichte der Menschheit.“
Yoko drückte seinen Kopf sanft in Richtung des Fensters, zeichnete mit ihrer Zunge Kreise auf seine Schultern und blies dann kühl darüber hinweg.
„Und obwohl beide im Leben so gleich waren wie Dezembertage, nach ihrem Tod sind sie verschieden wie Juni und Januar. Von dem einen darf man nur in höchsten Tönen reden und über den anderen hat man besser zu schweigen.“
„Es ist schön, wenn du so mit mir sprichst“, sagte sie.
Die Stadt lag ruhig und schlief den Schlaf der Ahnungslosen. Nicht mehr lange. Das erloschene Feuer würde bald das Forum erreichen. Es war nicht mehr aufzuhalten. Es waren Bürger gestorben, die hatten Freunde, es war ein Feuer gelegt worden, ein Feuer in Rom von einem Beamten des Volkes und des Senates. Undenkbar! Unrömisch! Ein Skandal.
Cassius spürte einen Luftzug im Nacken, Yoko rutschte unruhig auf ihm hin und her, doch Cassius war zu müde, sich umzudrehen, und Yoko hatte sich schon bald wieder beruhigt, wie das Meer nach einem Sturm.
„Erzähl mir von der Freiheit“, sagte Yoko. „Erzähl mir von Arkadien. Erzähl mir von Malta.“

„Arkadien ist ein Traum, den Sklaven träumen. Hinter Spanien liegt ein Ozean, so groß, dass du es dir nicht vorstellen kannst, und dahinter eine Welt, die zu erobern sich nicht lohnt. Nackte Wilde, die mit Menschenköpfen spielen. Nackte Wilde, die auf Pferden reiten, Schlangen fressen und Bären anbeten. Noch mehr nackte Wilde. Sie fressen die Herzen ihrer Feinde, damit deren Kraft auf sie übergeht.“
„Aber man sagt doch-“
„Ja, ich weiß, was man sagt. Geh nach Lisboa, sagt man, geh nach Lisboa, dort setzen sie dich über nach Arkadien, in das Land, in dem keiner ein Sklave sein muss.“ Cassius hatte die Stimme bei dem letzten Satz verstellt und sich dafür einen weiteren Schlag gegen den Kopf eingehandelt. „In das Land der Freiheit“, sagte Cassius und drehte sich, unter Yokos Beschwerden, auf den Rücken. Yoko rutschte nach vorne, so dass sie auf seinem Bauch sitzen konnte, und er tastete nach ihren Brüsten wie nach den Äpfeln der Hesperiden.
„Weißt du, was in Lisboa auf dich wartet?“
„Wie ich dich kenne, etwas ganz Schlimmes.“
„Der größte Sklavenmarkt der bekannten Welt wartet auf dich in Lisboa. Wenn du frei sein willst, heirate wen mit einem blanken Hals. Irgendwen und du bist so frei, wie du nur sein kannst. Und was hat man von der Freiheit? Nichts hat man davon. Ich könnte jetzt aufstehen und nach Ostia gehen und morgen wäre ich in Carthago Nova oder in Epirus oder Londinium. Warum tu ich es nicht?“
Yoko tastete mit zarten Fingern nach dem Mahagoniband um ihren Hals. „Stimmt es, dass es explodiert?“
„Komm“, sagte Cassius und hielt sie an den Hüften.
Sie schüttelte den Kopf und sah von ihm weg.
„Hab ich dir nicht von Arkadien erzählt, wie du es wolltest? Und von der Freiheit?“
„Und Malta?“
Cassius nahm die Hände von ihren Hüften und starrte sie schweigend an.
„Ich hab es im Fernsehen gesehen, bei der Herrin. Stimmt es, dass sie Holz nach Malta schaffen mussten, weil es auf der Insel nicht genug Bäume gab, um alle Sklaven an ein Kreuz zu schlagen?“
Cassius schwieg.
„Möchtest du nicht doch etwas Wein?“, fragte sie schließlich.
„Heute Nacht nicht“, sagte Cassius, „die Sonne wird bald aufgehen.“
„Erzähl mir von Cleopatra.“
„Geh runter von mir. Die Nacht ist vorbei.“
„Aber“, sagte sie und drückte ihr Haar auf sein Gesicht, das nach Jasmin roch und nicht nach Ruß und ihr Schoß spielte mit ihm. Als er den Kopf zur Seite brachte, ging die Tür auf und ein breitschultriger Sklave starrte ihn unverwandt an.
„Was erlaubst du dir?“, stammelte Cassius.
„Sie möchte dich sprechen, Prätor“, sagte der Sklave.
Cassius warf das Whiskey-Glas nach ihm, doch der Sklave duckte sich rasch und das Glas zerschellte an der Wand.
„Unverzüglich“, sagte der Sklave und blieb im Türrahmen stehen.

„Leb wohl“, hatte Yoko noch gesagt, als er – das war absolut unrömisch – fast aus ihrem Schlafgemach gezerrt worden war. Sie hatte sich schon wieder angezogen und ein Glas Falerner eingeschenkt, ein Glas nur für sich, aus ihren höchst eigenen Beständen. Zum Abschied hatte ihm Yoko noch einen Blick zugeworfen, der ihn wärmen würde.
Nun stapfte Cassius unter wüsten Verwünschungen diesem Lakaien nach, ging durch Räume, die er nie hatte sehen wollen, und traf sie endlich in einem Saal von titanischen Ausmaßen.
An jeder Wand des Saals hingen Waffen. Römische Schwerter, Piken, Hellebarden, Bögen und Armbrüste, Arkebusen und Blasrohre, Lanzen, Pistolen und Gewehre. Und inmitten des sonst nackten Saals saß sie dort fett wie eine Qualle auf ihrem Diwan. Die Tentakel in Dinge gesteckt, die sie nicht das Mindeste angingen. Fulvia Pompeia Maxima. Purpur! Das Flittchen trug ein Kleid aus reinstem Purpur!
„Was willst du, Weib?“, fragte Cassius. „Und gehst du immer so mit deinen Gästen um?“
„Du bist nicht mein Gast“, sagte sie mit Kasernenhofstimme. Wütend, als sei er der Erste, der es je gewagt hatte, so mit ihr zu reden. „Hab ich das Salz mit dir geteilt? Hab ich das Brot mit dir gebrochen, Malticus?“ Den Namen sprach sie mit einem Abscheu aus, wie ihn nur eine Popularin zu Stande brachte. „Oder hast du mir das Bett gewärmt und die Erfahrung war so unspektakulär, dass sie mir entglitten ist?“
„Ich bin hier nicht das erste Mal“, sagte Cassius. „Aber so wie du dich verhältst, könnte es das letzte Mal sein. Ist es, weil ich dein Schätzchen am Tor nicht bezahlt habe? Es sei dir versichert, ich werde die Summe im Laufe des Tages begleichen. Du hast mein Wort. Sind wir fertig?“
Pompeia erhob sich von ihrem Diwan. So fett, wie er gedacht hatte, war sie gar nicht, das pompöse Kleid hatte ein Volumen angedeutet, das sich nun, als das Kleid zu Boden sackte,
als trügerisch herausstellte. „Wir müssen keine Feinde sein“, flötete sie. „Ich weiß, du bist ein besonnener und gemäßigter Mann.“
Cassius lachte. „Und Malta war die Tat eines besonnen Mannes. Was willst du von mir, Weib? Mein Freund bist du nicht. Eine kleine Erpressung, ist es das?“
„Du musst deine Maske hier nicht tragen. Ruf die Bluthunde zurück, du kannst es. Mäßigung, wir brauchen Mäßigung in Rom! Die Stadt wird brennen, wenn ihr nichts dagegen unternehmt.“
„Was weißt du schon, Weib? Rom ist gesund und stark. Nichts wird passieren.“
„Rom ist der Satan.“
„Was, bei Minerva, ist ein Satan?“, fragte Cassius.
„Beruhig dich doch, ich sehe, es war unklug, dich aus dem Bett deiner kleinen Freundin zu zerren. Möchtest du sie? Ich überlasse sie dir gern.“ Mit wiegendem Schritt kam Pompeia auf ihn zu. „Bitte, trag es mir nicht nach. Ich dachte, wir könnten reden, wie zwei Bürger, denen das Wohl der Republik ehrlich am Herzen liegt.“
„Du bist kein Bürger“, sagte Cassius. „Du bist eine Frau. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich habe dem Volk und dem Senat zu dienen!“
Auf halbem Weg nach draußen, Cassius atmete schwer und sein Kopf brummte, fuhr er noch einmal herum und schrie: „Mit ein bisschen Anstand wärst du eine Vestalin geworden, als sich dein Mann, wahrscheinlich aus Scham, das Leben nahm! Keine Puffmutter!“

Im heiligen Zorn des Gerechten stapfte Cassius die Straßen bis zu seiner Villa entlang. Beim Janitor blieb er stehen und beobachtete den schlafenden Greis. Eine Fliege tanzte um seinen zersausten Bart; Cassius lehnte sich gegen eine der Säulen am Eingang. Die Sonne ging auf. Was für eine verfluchte Nacht. Er hatte Servius verloren und auch das Mädchen. Die Sonne scherte es nicht, sie schien auf eine schlafende Stadt, der Triumvir brannte noch in seinem Magen. „Wach auf“, flüsterte er, beugte sich zu dem Alten hinunter und rüttelte an seiner Schulter.
Der Greis schlug die Augen auf und sagte: „Herr, verzeiht. Ich hab euch gar nicht kommen hören“, dann machte er sich am Schloss zu schaffen. „Wo ist Servius? Ich kann mich gar nicht erinnern, ihn hineingelassen zu haben.“
Cassius schwieg und ging ins Haus.
Ein riesiger Nubier machte im Atrium einige Übungen, die an einen Diskuswerfer erinnerten.
„Beim Jupiter, wer bist du denn?“, fragte Cassius.
Der Nubier setzte zu sprechen an.
Cassius winkte ab, fragte: „Meine Frau? Ach, ich will es gar nicht wissen.“
Der Nubier, eine pechschwarze Unverschämtheit sondergleichen, zeigte ein makelloses Lächeln.
„Geh nach draußen und lös den Janitor ab“, herrschte Cassius ihn an. „Deine Verrenkungen kannst du auch dort machen.“
Cassius ging in sein Schlafgemach und legte sich ins Bett. Babset hatte sich halb aufgerichtet und schaute ihn wütend an. Fast war Cassius dankbar, dass seine Frau seit sechzehn Jahren nicht mehr mit ihm sprach.


Irgendwann versuchte jemand ihn zu wecken. Erzählte vom Fluss und einem Schiff und Kameraden und einem Versprechen, bevor er den Anstand aufbrachte zu verschwinden.
Dann Cassia. Gnadenlos wie ihre Mutter. Zerrte ihm die Decke weg wie einem alten Säufer. Blieb neben dem Bett stehen und tippelte überlaut mit hohen Schuhen gegen das Parkett.
„Mutter sagt: Wenn du nicht sofort aufstehst, dann – Juno steh dir bei – stehst du nie wieder auf.“
„Es ist unrömisch“, nuschelte Cassius, „einem Diener des Volks und des Senats zu drohen.“
„Mutter sagt: Es sind schon bessere Männer von ihren Frauen umgebracht worden. Sehr viel bessere und schlankere.“
Cassius öffnete die Augen.
„Komm, Papa“, sagte sie. „Es gibt Strauß mit Spargel. Und heute Abend gehen wir alle ins Theater. Cäsar und Cleopatra! Die ganze Stadt wird da sein!“
Eine frische Toga hing über einem Stuhl, Cassius wuchtete sich aus dem Bett, zog sich die Toga über, blinzelte, als er durchs Atrium lief, und ließ sich schließlich, nach einem gewaltsamen Fußmarsch von einigen Metern, in sein Sofa fallen, wo er – wie seit sechzehn Jahren – nur die Füße seiner Frau neben seinem Kopf hatte. Die rochen nach Minze. Fußcreme.
Cassia lag ihm gegenüber, und Marcus, sein einziger Sohn, saß aufrecht auf einem weiteren Sofa. Das von Servius blieb leer.
Während Cassia und Babset den noch dampfenden Spargel zerpickten, löffelte Marcus Puls, einen widerlichen Essigschleim.
Babset flüsterte etwas, Cassia sagte: „Mama sagt, wenn du das Theater heute Abend sausen lässt, lässt sie etwas auf dich sausen.“
Marcus sah von seinem Puls auf und lächelte. Auch Cassia schien überaus amüsiert. Das leere Sofa von Servius schwieg.
„Lach nicht so, Marcus. Du musst auch mit hin.“
„Ich möchte Cato genannt werden!“, sagte sein Sohn, der natürlich eine Toga trug. Zum Essen. Im Haus. Ohne Amt. Ein Neo-Catoist. Im eigenen Haus. Was hatte er den Göttern nur getan? Reaktionäres, spartanisches Retro-Pack. Politagitateure, die sich nach einer Vergangenheit sehnten, die es, soweit Cassius wusste, nie gegeben hatte.
„Wir möchte alle irgendwas. Ich wäre gern Ringrichter bei den Meisterschaften auf Lesbos“, murmelte Cassius, während er nach etwas Strauß griff.
„Dort lassen sie nur Eunuchen zu“, sagte Marcus.
Flüstern. „Mama sagt, das ist kein Problem.“
Babset hackte eine Spargelspitze mit dem Messer ab.
Flüstern. „Mama fragt, ob ihre Gebete endlich erhöht wurden und du zur Besinnung gekommen bist, den Sklaven nicht mehr am Tisch zu dulden.“
Oh Jupiter. Das sagte ausgerechnet sie. Sie hatte wohl vergessen, dass sie vierzehn Jahre lang mit einem schönen Reif um ihren Hals herumgelaufen war! Wenn er sich nicht in sie verguckt hätte, würde sie heute noch in einem Hinterzimmer über einer Schüssel Mehl hängen und sich mit den anderen Sklavenweibern beklagen, keinen Römer abbekommen zu haben und die Vomitorien ausleeren. Das würde sie. Verdammte Kotzeimer würde sie ausleeren, ohne ihn.
„Servius ist für ein paar Tage runter nach Apulien. Zu seiner Frau.“
Babset schnaubte verächtlich. Flüstern. „Mama sagt –“
„Ich weiß!“, brüllte Cassius und warf ein Stück Strauß auf die Tafel. „Du!“, sagte er und zeigte auf Marcus. „Zieh dich an, wir gehen aufs Forum.“
„Ich bin angezogen!“, erwiderte Marcus.
„Das kommt noch, dass die Leute sich fragen, wer von uns beiden der Prätor ist.“
Flüstern. „Mama sagt: Das kommt gar nicht in Frage. Die Abschlussprüfung ist erst in sechs Monaten.“
„Der Retter der Republik war in seinem Alter schon Feldherr in Spanien.“
„Dann darf ich also endlich zur Armee?“, fragte Marcus.
„Nein!“, schrie Babset mit voller, wohlklingender Stimme. Cassius sah wehmütig auf ihre Füße. Sie waren immer noch wunderschön.

Auf dem Weg zum Forum stellte Cassius fest, dass er und sein Sohn sich nichts zu sagen hatten. Marcus schmollte wohl, so ließ sich diffus vernehmen, dass Cassius im Morgengrauen nicht zum Fluss gegangen war, um eine Horde Rekruten zu verabschieden. Wie er angeblich versprochen hatte.
Unterwegs ließ sich Cassius von einem Barbier rasieren und kaufte einige dalmatische Datteln, von denen er auf dem Weg naschte.
Das Forum war seltsam ruhig, zur Mittagszeit standen hier sonst Scharen von Bürgern, sprachen, fast brüllten sie, über die Götter und die Stadt und redeten auf jeden Mann mit nur einem Flecken Purpur auf der Toga ein, er möge für dieses oder jenes seine Stimme erheben. Die Steuern in Sizilien seien viel zu hoch. Es gäbe einen Potentaten in Ligurien, von dem große Gefahr ausginge. Man solle doch endlich mit den Modernisierungen in der Agrarwirtschaft aufhören, die Sklaven würden sonst fett und faul und verlören stark an Wiederverkaufswert. Und natürlich an einem anderen Tage auch: Gerüchte und Omen. Ein dreiköpfiges Kalb in Capua. Zwei Adler seien durch den Jupitertempel geflogen. Verkehrt herum. Auf Zypern habe die Diana-Statue schwarzes Blut geweint.
Doch heute war nichts zu vernehmen, zwar standen die Bürger dort, aber sie tuschelten, und sobald sich Cassius, wie zufällig, mit Datteln in der Hand einer Traube näherte, verstummten die Bürger und nur eine Mauer aus Rücken bot sich ihm dar.
Cassius ging in die Kurie, noch leer zu dieser Stunde, nur einige Staatssklaven verrichteten geschäftig Dienste, verteilten Formulare und stellten Namensschilder auf. Marcus sah ehrfürchtig in die Kuppel, die über dem Senat schwebte.
„Der alte Cato hätte einen Herzinfarkt bekommen, wenn er das gesehen hätte“, sagte Cassius und lächelte.
Marcus schaute wie ertappt hoch und fragte: „Kommt Onkel Cato heute auch?“
„Das will ich ihm geraten haben, er ist Censor“, sagte Cassius und lächelte mild. „Wenn du willst, stell ich ihn dir gerne vor. Es ist wirklich an der Zeit, dass du am öffentlichen Leben teilnimmst. In drei Jahren kannst du schon kandidieren.“
Marcus musterte ihn misstrauisch.
„Es tut mir leid, dass ich mein Versprechen heute Morgen nicht einhalten konnte, du kennst noch nicht die Mühsal, die das Amt mit sich bringt. Wenn es nach mir ginge“, Cassius fasste sich an die Brust, „dann hättest du heute mit deinen tapferen Kameraden in dem Boot gesessen und wärst aufgebrochen zu deinem Legionsdienste, aber deine Mutter“, stieß er aus und untermalte es mit einer weitfassenden Geste.
Marcus strahlte übers Gesicht wie ein Welpe.
„Kannst du nach draußen auf das Forum gehen und rausfinden, was man sich so erzählt, über einen Vorfall in der Suburba oder was im Hause der Witwe Pompeia so vorgefallen sein … bitte?“
„Du willst, dass ich schnüffle?“, fragte Marcus. „Wie ein Hund?“
Cassius machte einige fahrige Gesten.
„Servius ist nicht nach Apulien zu seiner Frau, oder?“
„Nein, ist er nicht“, sagte Cassius.
„Ich sehe, was ich raus finden kann“, sagte Marcus und ging.
Cassius sah nach oben auf die Glaskuppel und dankte stumm den Göttern. Der Junge war doch von ihm.

Nur langsam füllte sich die Kurie und Cassius erinnerte sich, was Pluto gestern Nacht gesagt hatte. Auf diese Pfeiler war das römische Reich gebaut? Sogar die jungen Senatoren zitterten heute und wirkten bleich, die Wangen eingefallen, die Bewegungen fahrig. Im Gegensatz dazu sein Onkel. Schon lange kahl steuerte er mit raumgreifenden Schritten und flatternder Toga auf Cassius zu. Die Haut so bronzen wie eh und je.
„Censor“, sagte Cassius.
„Ah, Malticus!“, rief der Censor und setzte sich zu ihm.
„Gestern Nacht-“
„Ein bedauerlicher, kleiner Zwischenfall“, sagte er. „Ich habe heute Morgen davon erfahren.“
„Ein Zwischenfall? Er hat einen Brand gelegt, mitten in Rom!“
„Nicht so laut.“
„Bürger sind gestorben.“
Der Censor winkte ab.
„Du musst deinem Hund die Leine anlegen.“
„Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, diese Worte aus deinem Mund zu hören, Malticus“, flüsterte der Censor. „Mein treuer Untergebener schlägt vielleicht manchmal etwas über die Stränge, aber er hat dich mit Respekt behandelt, oder etwa nicht?“
„Die Bürger werden unruhig, wenn solche Dinge in Rom geschehen.“
„Den Bürgern geht es gut, sie essen und trinken und huren wie eh und je.“
„Pompeia sagt-“
Der Censor hob die Brauen. „Eine Frau. Noch dazu eine, die bis mittags schläft. Was schert es uns, was sie zu sagen hat? Es ist wichtig, dass wir ein Exempel statuieren in solchen Fällen. Sieh dir die Männer an“, der Censor schaute verächtlich in die Reihen des Senats, „der Wein und die Hurerei setzen ihnen schon genug zu. Was meinst du, was der Fluch“, der Censor spuckte aus, „Cäsars hier anrichten könnte. Nein, nein. Er hat richtig gehandelt. Es muss im Keim erstickt werden, sollen die Griechen, Ägypter und Perser darunter leiden. In Rom ist kein Platz dafür.“ Nach dieser gewaltigen Rede entfernte sich der Censor und gab den Blick auf Marcus frei, der von diesem Auftritt so bewegt war, als habe er Zeus persönlich in prächtiger Stiergestalt gesehen.

„Heuschrecken in Ägypten!“, sagte der Junge. „Die ganze Ernte ist in Gefahr, sagt man. Die Kornkammer des Reiches.“
Cassius winkte ab. „Weiter.“ Was scherten ihn Ägypter?
„Irgendein Eques ist seit Tagen verschwunden, ein Gaius Fabricius irgendwas.“
Drei Tage alter Klatsch, da waren sie zusammengestanden, all die Optimaten und hatten über das Schicksal eines zu Geld gekommenen Ölbauern diskutiert. Vor drei Tagen - und so etwas schleppte sein Sohn an. Das kam davon, wenn man einen Jungen losschickte, die Arbeit eines Sklaven zu verrichten.
„Das ist nicht irgendein Eques, das ist der reichste Mann Roms.“
„Seine Sklaven sollen nur ein leeres Bett vorgefunden haben.“
„Wahrscheinlich hat ihn beim Herumhuren der Schlag getroffen. Was hast du über die Suburba gehört?“
Marcus zuckte mit den Schultern. „Nicht viel. Ein Brand. Manche sagen, Vulcan habe auf seinen Amboss geschlagen, um das Viertel ein für allemal vom Erdboden zu tilgen.“
Cassius lehnte sich zurück. Konnte er die Lage so falsch eingeschätzt haben? Nur ein Sturm im Wasserglas? Hatte er sich verrückt machen lassen von Servius, einem Sklavenmädchen, ein wenig Feuer und Pompeia? Scherte es Rom so wenig?
„Danke“, sagte er. „Setz dich da drüben hin, und wenn dir langweilig wird, stell dir einfach vor, du bist woanders. Das kann dir keiner nehmen.“
Marcus schaute ihn wie einen Fremden an. „Dies hier ist Herz und Kopf des römischen Reiches. Die größten Männer unserer Zeit sind hier versammelt? Warum sollte irgendjemand bei klarem Verstand woanders sein wollen?“
„Wir sollten mehr Zeit miteinander verbringen“, sagte Cassius ernst.

Ein Optimat redete, seit Stunden schien es, salbungsvoll über einen großen Vorfahren und warum genau er so groß gewesen sei, dass man ihm, seinem bescheidenen Nachkommen, nun nach all den zahllosen Jahrhunderten, in denen das Reich ja so viele hervorragende Männer hervorgebracht hatte, nun doch noch gestatten sollte, ihm zu Ehren eine Munera –
Und so weiter. Cassius war fast eingedöst. War dort oben an der Kuppel nicht ein kleiner Riss?
Die Popularen waren heute auch seltsam ruhig, normalerweise schrien sie bei solch einer Gelegenheit nach jedem zweiten Satz empört auf. Schrien etwas wie: „Na, hat deine Familie in den letzten 400 Jahren keinen Besseren hervorgebracht?“ oder „Oh ja! Ich habe gehört, er soll die Bruttier unterjocht haben! Alle beide!“, aber davon war heute nichts zu merken. Selbst sie musste er in den Schlaf geschwallt haben.
Nur Marcus saß in der ersten Reihe, streng wie eine Fichte, und lauschte mit durchgedrücktem Rückgrat jedem Wort des Redners, der dort unter der Kuppel stand, die ihm keinen rechten Glanz verleihen wollte.
Dann stießen zwei Hände in die Höhe, aus dem riesigen Meer der Popularen.
„Hört, hört!“, skandierten sie, obwohl noch keiner etwas gesagt hatte, und ein unverschämt gutaussehender Senator stolzierte unter die Kuppel.
„Freunde, Römer, Mitbürger!“, deklamierte der blutjunge Mann, er konnte kaum älter als Marcus sein, aber wie, beim Jupiter, war er dann Senator? Es spielte keine Rolle, er drängte den grauen Optimaten vom Platz und setzte an: „Dunkle Wolken ziehen dräuend über dem goldenen Reiche auf!“ Wie ein Priester hob er seine Arme zum Himmel.
„In Ägypten verdunkelt ein Schwarm von Heuschrecken die Sonne und frisst die vollen Teller leer!“
Cassius dachte angestrengt über einen unflätigen Zwischenruf nach, aber es fiel ihm nichts ein.
„Vater Tiber hat sich erhoben und ein Schiff mit Roms tapfersten und edelsten Kindern – Unseren Söhnen! - zu sich in die Tiefen gerissen.“
Ein Raunen ging durch den Senat. Das war neu. Einige der Senatoren mochten tatsächlich Söhne auf diesem Schiff gehabt haben. Beim Jupiter. Das war das Schiff, zu dem ihm Marcus schleppen wollte.
„Und in der Nacht gehen schwarze Männer durch die dunkle Stadt und zerren friedliebende Bürger aus ihrem Bett! Erschlagen sie an Ort und Stelle! Verbrennen alles, was ihnen im Leben lieb und wichtig war, und lassen nichts zurück außer Asche und Ruß!“
Ha! Fast hätte Cassius laut aufgelacht!
„Oh Jupiter!“, schrie der Redner und schaute theatralisch wie der große Andronicus nach oben. „Oh Jupiter! Warum hast du uns verlassen?“
Dann ein Klirren und Reißen. Der Redner wie erstarrt. Glassplitter hagelten nach unten. Ein schweres Etwas donnerte nach. Senatoren schrien auf. Cassius hatte den Mund geöffnet. Die Luft schmeckte nach Staub.
Übermannsbreit klaffte eine Lücke in der Kuppel. Als Cassius den Blick endlich von ihr lösen konnte, sah er, dass ein Mann auf den goldenen Redner gefallen war und ihn zerschmettert hatte.
Der Senat, die edelste Körperschaft auf Jupiters weiter Erde, flatterte wie eine Schar fetter Gänse mit den Flügeln. Einige flüchteten zum Ausgang, andere zerrauften sich das Haar und einer schrie: „Fabricius! Jupiter steh uns bei! Es ist Fabricius!“
Fabricius? Der reichste Mann der Welt? Was, bei Neptuns blankem Hinterteil, ging hier vor sich?
Cassius spürte eine Hand auf seiner nackten Schulter. Als er sich umdrehte, sah er in das Gesicht seines Onkels. Es war bleich.

„Nein, Onkel! Nein!“ Sein Schreien hallte von den dunklen Wänden des Hinterzimmers wider.
„Du wirst tun, was man dir sagt!“
„Ich hab einmal getan, was du mir gesagt hast, und das ganze Reich hasst mich dafür!“
„Papperlapapp!“
„Verlang das nicht von mir, meinem Vater zuliebe!“
„Verlangen? Ich? Ich hab noch gar nichts von dir verlangt, der Senat und das Volk verlangen es von dir!“
„Ich werde das nicht tun. Such dir jemand anderen, deinen Bluthund, nimm den!“
„Du bist der Prätor, du wirst für Recht und Ordnung auf Roms Straßen sorgen. Wir mobilisieren zwei Legionen, sie sind in vierundzwanzig Stunden hier. Wenn morgen um die Zeit da draußen irgendjemand, gleich wer, am Senat oder dem Volk von Rom zweifelt,-“
Cassius schüttelte den Kopf. „Ich hab damit nichts zu tun, beim Jupiter! Ich werde nicht sinnlos Männer und Frauen niedermetzeln, nur weil du ein Exempel statuieren willst!“
„Dignitas!“, schrie der Censor mit hochrotem Kopf.
„Ich mache es nicht!“
„Du wirst die Legionen befehligen, Prätor.“
Cassius schwieg.
„Vierundzwanzig Stunden. Erhol dich doch bis dahin“, sagte der Censor. „Geh doch mal ins Theater, verheirate deine Tochter, lass deine Toga waschen, in vierundzwanzig Stunden wirst du dir deinen Namen verdienen, Malticus.“

Als er das Zimmer verließ, war die Kurie fast leer. Nur Marcus, der tapfere Marcus, saß wie angewurzelt auf seinem Sitz, die beiden Leichen lagen noch dort, umschlungen wie ein Liebespaar, und eine Schar von Staatssklaven irrte eilfertig umher wie Hühner, denen man den Kopf abgeschlagen hatte.
Mit einem Wink orderte Cassius sie herbei. Zeigte auf einen nach dem anderen und gab Anweisungen. Als er fertig war und die Sklaven wie eine Taubenschar ausgeflogen waren, erhob sich sein Sohn und ging auf ihn zu.
„Ich bin stolz auf dich, Prätor“, sagte er knapp. „Wie du im Angesicht des Chaos-“
Cassius schaute ihn mit leerem Blick an.
„Was soll ich tun?“
„Wir gehen nach Hause, verheiraten deine Schwester, gehen ins Theater und lassen unsere Togen waschen.“

Rom brannte, als sie nach Hause gingen. Kein Feuer loderte, aber die Gemüter der Männer auf den Straßen waren entflammt. Eine Hungersnot in Ägypten – unangenehm, aber ein Problem, um das sich andere scheren konnten, zu einer anderen Zeit. Ein Feuer in der Suburba, Gerüchte von ein paar toten Sklaven – schon spannender. Ein Schiff mit römischen Jungen aus der Oberschicht, die künftigen Offiziere der Legion allesamt tot – Staatstrauer, zwei Tage lang, ganz und gar ein schlechtes Omen. Aber der reichste Mann der Welt stürzt durch die heilige Kuppel mitten in eine Senats-Sitzung und das alles innerhalb von einem Tag – die Götter hatten gesprochen, Rom war dem Untergang geweiht.
An jeder Ecke schrien Männer, stiegen auf Podeste und brüllten falschen Zorn über echtes Unrecht in die Welt hinaus. Auf jedem Bildschirm, der zu sehen war, in Auslagen von Geschäften, flimmerte Malta. Die gekreuzigten Sklaven zu Tausenden. Bei jeder Staatskrise konnte man die Bilder sehen. Kreuz an Kreuz. Der Untergang Maltas.
Und Cassius fragte sich, den ganzen langen Weg über nur eins: Cui bono? Wem nutzte es, wenn Rom brannte? Kein Popular wäre so dumm, mit solch einem Feuer zu spielen. Sie hatten ihre Villen, ihre Huren, ihre Ländereien, stellten einen Konsul und einen Censor. Und kein ausländischer Statthalter war mächtig, klug oder stark genug für so ein Cäsarenstück. Wem, beim Hades, nutzte es, wenn Rom brannte?

Am Tor wartete der Greis auf ihn mit mildem Lächeln.
„Herr“, sagte er.
Irgendetwas stimmte nicht, dachte Cassius. Er hatte doch den Nubier - war es jetzt schon so weit, dass man im eigenen Haus nicht mehr auf ihn hörte!
„Du wartest im Atrium, die ganzen Sklaven werden nach und nach hier eintrudeln, sie sollen warten. Gib ihnen was zu essen und zu trinken, ich werde ihre Berichte dann gesammelt entgegennehmen“, sagte Cassius hastig.
Er raffte die Toga, stolperte durchs eigene Haus an Sklaven und Wandbehängen vorbei, stürzte in Cassias Zimmer und tatsächlich! Dort lag seine Tochter. Und der Nubier auf ihr!

„Du!“, schrie er. „Du kannst dir schon mal überlegen, ob du ein Fichten- oder Kiefernkreuz willst!“
Der Nubier fiel fast von Cassia herunter, was durchaus etwas Komisches hatte. „Und du! Du kannst schon mal singen üben. Du wirst Vestalin!“
Der Nubier raffte seine Sachen zusammen – die Hosen hatte er ohnehin noch anbehalten – und flüchtete aus dem Zimmer.
Seine Tochter starrte ihn vom Sofa aus an, marmorne Brüste, bei der dreimal verfluchten Venus!
Cassius riss den Kopf zur Seite. „Zieh dir was an! Schnell!“
„Ich hasse dich.“
„Glückwunsch. Du gehörst der überwältigenden Mehrheit an“, murmelte Cassius und starrte auf ein Bücherregal. Frauen lasen die ganze Zeit, furchtbar, aber was sollten sie sonst auch groß tun?
„Du willst ihn doch nicht wirklich-“
„Unsinn. Ich verkauf ihn. Man kann ihm ja kaum einen Vorwurf machen, jeder Sklave will eine Römerin heiraten. Und jede Sklavin einen Römer, frag mal deine Mutter.“
„Ich liebe ihn.“
Cassius lachte auf.
„Kein Wunder, dass Mutter dich so hasst. Was du ihnen auf Malta angetan hast.“
„Ich?“, Cassius wandte sich um, sie hatte die Decke nach oben gezogen. „Weißt du, warum deine Mutter mich hasst? Deinetwegen.“
Cassia schluckte.
„Als du zur Welt gekommen bist, gab es Komplikationen bei der Geburt. Deine Mutter, die liebreizende Euphemie, hat verlangt, dass ich dem griechischen Sklaven, der dich zur Welt gebracht hat, bei lebendigem Leib das Herz rausreiße, weil er sie so entstellt hat.“
„Du lügst doch!“
„Wir können ja mal deinen kleinen Bruder fragen? Oder deine kleine Schwester? Hallo? Hallo?“ Cassius vergrub den Kopf in seiner Hand, die Stirn war heiß. „Sie ist unfruchtbar seit damals.”
„Du bist ein Satan.“
Cassius hob eine Hand und ließ sie sinken. „Natürlich, deine Mutter ist die Gute. Verschweigen wir es noch mal sechzehn Jahre. Komm, geh zu ihr, und sag ihr, dass du einen Sklaven heiraten möchtest. Da ist die Tür.“
Cassius atmete schwer. Er ging einen Schritt auf das Bett seiner Tochter zu, hob die Hand, wie um ihr über den Kopf zu streicheln, doch sie schreckte zurück.
„Wein nicht“, sagte er. „Mach dich schön fürs Theater. Da sind bestimmt viele nette, junge Bürger da. Irgendeiner wird dir bestimmt gefallen.“
Sie schwieg. Cassius ging.

Im Atrium ließ sich Cassius auf ein Sofa fallen, lehnte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
Schon sah er sich durch Roms Straßen marschieren. Und hinter ihm, im Gleichschritt, das Trampeln tausender und abertausender Legionäre. Prächtig anzusehen, im Felde ohne Feind. Sie rammten das Schwert in römische Leiber, schlugen Kinder mit der flachen Hand tot und donnerten Roms Strafgericht in die Welt hinaus. Knöchelhoch stand das Blut purpurn in den Gassen. Und er ging den Legionen voran. Er war der Erste, der eine Tür eintrat, seine Hand ins Haar eines Knaben drückte und das Schwert tief ins Fleisch Roms -
Als Cassius die Augen wieder öffnete, stand Babset vor ihm und warf ihm mit Kopfschütteln einen Brief auf die Brust.

Cassius las das Schreiben, las es noch einmal, las es ein drittes Mal.
Ein Sekretär von Pompeia hatte es verfasst: Höchst ungewöhnliches Anliegen. Bitten um Kenntnisnahme. Sklavin unserer guten Herrin. Mischling unbekannter Abkunft. Verstorben. Teilen das aus der Güte unseres Herzens mit. Verschwiegenheit.
Cassius fragte sich, wie viele dieser Briefe heute in Rom unterwegs waren. Stumm hoffte er, das möge der einzige sein.
Dann dachte er andere Sachen, die ihm noch weniger gefielen: Wegen Arkadien. Sie hatte von Freiheit gesprochen und er hatte ihr von Lisboa erzählt und von Malta geschwiegen. Sie musste ihn gehasst haben wegen Malta, wie konnte man ihn nicht hassen?
Malta und der griechische Arzt. Die zwei schlimmsten Dinge im Leben, die er nie getan hatte, und sie raubten ihm die zwei Frauen, die er geliebt hatte. Und morgen? An morgen war nicht zu denken. Morgen um diese Zeit hatte er zwei Legionen hinter sich und ganz Rom läge auf dem Richtblock. Morgen um diese Zeit würde er der Mann sein, für den ihn jetzt schon alle hielten. Morgen wäre er ein schwarzer Mann. Ein verdammtes Schreckgespenst der Republik. Vielleicht würden sie ihn Romulus nennen. Oder Massenmörder.
„Marcus“, schrie er. „Bring Wein.“

Die Sklaven trudelten ein, Cassius trank.
Sie berichteten, die Identität des toten, goldenen Senators sei noch ungeklärt. Niemand habe ihn gekannt. Cassius trank.
Sie berichteten, im Hause des reichen Gaius Fabricius seien keine Ungereimtheiten festgestellt worden, allerdings sei ein Lagerhaus desselben in Flammen aufgegangen, kurz nach den Geschehnissen im Senat. Sie berichteten, Einwohner sprächen vom Fluche Cäsars. Fabricius habe halb Rom beliefert. Sie spuckten aus. Cassius trank.
Sie berichteten, der kürzlich verstorbene Senator Quintus Maius, der Eber, habe neben der Insula in der Suburba ein großes Anwesen auf dem Esquilin besessen, dort seien, in seinem Arbeitszimmer, wirre Aufzeichnungen gefunden worden, die von Sklavenhalsbändern handelten. Eine flüchtige Inaugenscheinnahme von Experten habe den ersten Eindruck bestätigt: Es sei wirrer Unsinn.
Cassius verscheuchte die Sklaven und starrte in den Himmel. Seine Amphora war leer.
„Marcus, mehr Wein!“, schrie Cassius.
Marcus kam zu ihm und sagte: „Die Frau sagt: Vergiss es. “

In der Sänfte herrschte Schweigen. Babset trug ein flammendrotes Abendkleid, Cassia ein himmelblaues.
„Ist es nicht fantastisch?“, sagte Marcus. „Rom. Keine Industrie hier, keine Kraftfahrzeuge. Es ist ein Traum von einer Stadt. Über dieselben Straßen haben sich unsere edlen Vorväter tragen lassen.“
Die Sklaven trugen die Sänfte mit gleichmäßigem Schritt, Cassius vergrub seine Hände im Stoff, der fast überall zu sein schien.
Die Straßen waren beängstigend ruhig. Rom setzte zu einem gewaltigen Schrei an. Und er wäre es, morgen schon, der ihr das Maul stopfen würde. Aus den Insulae reckten sie ihm die Köpfe entgegen. Fast meinte Cassius, er könne hinter die dünnen Wände sehen, wie dort Schwerter poliert würden, und alte Waffen, und wie die Frauen die Messer wetzten, und die Männer Chemikalien anrührten.
„Was wird gegeben?“, fragte Cassius.
„Cäsar und Cleopatra“, sagte Cassia kühl und spuckte draußen auf die Straße.
„Na, klasse. Propaganda“, sagte Cassius. Babset trat ihm gegen die Wade.
„Andronicus spielt“, sagte Cassia.
„Wen? Die Cleopatra?“
„Den Cäsar“, sagte sie und spuckte auf die Straßen der herrlichsten Stadt auf Jupiters weiter Erde.
Cassius versank in dumpfes Grübeln. Wenn er ganz still war, konnte er schon die Legionen einmarschieren hören. Beim Jupiter, er musste die Frauen heute noch aus der Stadt schaffen. Schlimm genug, dass Cassia wirklich an Malta glaubte. Sie musste nicht in der ersten Reihe sitzen, wenn ihr Vater-

Cassius grübelte noch, während sie die Plätze einnahmen. Ganz Rom sollte kommen, hatte es geheißen. Die Ränge waren fast leer. Bis in die erste Reihe schleppte Babset ihn, dass man den Schweiß der Schauspieler noch riechen musste.
Marcus saß links, Cassia rechts von ihm, und jedes Mal, wenn Cassius sich tiefer in seinen Sitz fallen oder gar die Augen schließen wollte, drückte ihm Cassia, auf Geheiß ihrer Megäre von einer Mutter vermutlich, den Ellbogen tief in die Rippen.
Cassius hatte das Stück schon oft gesehen. Andronicus gab den Cäsar als lüsternen Stelzbock, der über seine Toga stolperte und jedes Mal versuchte, Cleopatra an die Wäsche zu gehen, wenn sie sich ihm auf Armlänge nährte. Der Mann, der Cleopatra spielte, hatte wenigstens seine Beine rasiert, und tat nicht viel mehr, als großspurig daherzureden: „Durch dich werde ich die Welt regieren und unsere Nachkommenschaft wird herrschen über ein Land vom Nil bis zur Themse!“ Die Opiumsucht blendeten sie aus, allein dank ihrer Reize war es Cleopatra gelungen, sich einen triebgesteuerten Feldherren untertan zu machen. Cäsar trug, um seine Verderbtheit darzustellen, das ganze Stück über eine Toga aus reinstem Purpur. Und an einer Stelle hüllte sich sogar Cleopatra in ein purpurnes Gewand. Sogar die verdammte Schlange war purpur.
Um sich abzulenken, versuchte Cassius zu erkennen, ob einige der Nebendarsteller auf Malta dabei gewesen waren. Nach dem Theater würde er trinken. In der Sänfte schon. Niemand konnte es ihm verbieten. Er würde Dignitas bewahren. Die verdammte Dignitas, aber niemand konnte einem vorschreiben, dabei nüchtern zu sein.
Bei der finalen Bettszene, Andronicus fasste dem anderen Mann ans Knie, flüsterte Cassia in vertraulichem Ton zu ihrer Mutter: „Es wär doch viel aufregender, wenn sie Frauen mitspielen ließen.“ Durch Cassius jagte der Blitzschlag Jupiters.

Er fasste grob nach dem Handgelenk seiner Tochter, die starrte ihn aus Rehaugen an: „Wie hast du mich vorhin genannt? Was war das für ein Wort?“
„Was denn?“
„Ich dachte erst, du meinst Satyr, aber es war etwas anderes. Was war das?“
„Satan“, flüsterte sie ängstlich.
„Was ist das? Ist das ein Kult?“
Cassia schluckte schwer. Cassius drückte ihr einen Kuss auf die Wange und stand, während sich Cleopatra die gewaltige, zischende, purpurne Schlange an die Brust hielt, auf. Cassius rief mit fester Stimme, Babset versank aus Scham in ihrem Sessel.


Cassius riss das Tor zu ihrem Saal weit auf, dort saß Pompeia, die Beine über Kreuz geschlagen, auf ihrem Diwan und lächelte ihn an. Eine Amphora und zwei Weinbecher standen auf einem Tisch vor ihr und ein sanfter Rauchschleier verfing sich in den gewaltigen Hallen ihres Salons.
„Ich wusste, du kommst zu Vernunft“, sagte sie. „Komm doch näher.“
„Was hast du nur getan? Bist du von Sinnen, Weib?“
„Aber bitte“, sie winkte ab. „Deine Wut über den Tod der schönen Dame ist mir wohlbekannt. Auch ich trauerte lang um meinen so früh verstorbenen Gemahl. Aber von Sinnen war ich doch nie.“
„Der Falerner war vergiftet. Ich sollte eine weitere Säule deiner kleiner Aktion sein, nicht wahr? Der grausamste Senator der Republik bringt sich zusammen mit einer Hure, einer Sklavenhure, um.“
„Du redest wirr“, sagte Pompeia. „Ich schwache Frau? Was habe ich mit den Angelegenheiten draußen in der Welt zu schaffen?“
„Deshalb warst du noch wach, und deshalb warst du so außer Fassung. Du hast versucht zu improvisieren.“
„Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich denke, es ist an der Zeit, dass du uns wieder verlässt.“
„Fabricius war ein Meisterstück. Der halbe Senat hängt an seiner Spritze und ohne das Opium sind sie kaum in der Lage, sich die Sandalen zu schnüren, geschweige denn ein Reich zu führen. An wen werden sich die Bürger wenden, wenn die Republik zusammenbricht? Wenn Jupiter selbst die heilige Kuppel durchbricht?“
„Von wem sprichst du denn da?“
„Aber was war mit dem fetten Senator in der Suburba? Warum gerade er?“ Cassius erhob die Stimme und schrie: „Pluto. Willst du es uns vielleicht sagen?“
Der kleine Mann in Schwarz kam, Applaus spendend wie im Theater, hinter einem Vorhang zum Vorschein. Pompeia stürzte einen Becher Wein die Kehle hinunter.
„Er war ein Lügner“, sagte er.
Pompeia ergänzte fahrig: „Er hat versprochen, eine Apparatur zu bauen, mit der er Sklavenhalsbänder abschalten kann. Im ganzen Reich.“
„Und als das nicht klappte, habt ihr ihn benutzt, um etwas Staatsautorität zur Schau zu stellen.“
„Ich hab dir doch gesagt, er ist ein Römer der alten Schule“, sagte Pluto. „Sie wollte mir einreden, du seiest so ein verweichlichtes, dekadentes Söhnchen. Ich habe ihr gesagt: Jemand, der die ganze Bevölkerung von Malta ans Kreuz schlagen lässt, ist aus einem anderen Holz geschnitzt! Sie hat gesagt, sie hätte gehört, ganz Malta wäre ein Schwindel gewesen! Humbug, eine Illusion, Augenwischerei! Das wären Schauspieler gewesen auf Malta!“
Pompeia strich sich fahrig über das Haar und leckte ihre fleischigen Lippen.
„Er versteht nicht einmal das ganze Ausmaß. Die Plagen. Er versteht es nicht mal. Die Erstgeborenen, die Heuschrecken in Ägypten, das Meer wird sich rot färben! Die Tochter Gottes, des Gottes von Abraham! Die Plagen! Er sieht es nicht. Er ist zufällig hier! Der Wille meines Vaters und er ist zufällig hier!“
„Weiberkram“, sagte Cassius und winkte ab. „Satan, was soll das überhaupt sein? Das ist doch unrömisch, sogar für eine Frau. Du solltest dich schämen.“ Er musterte Pluto. „Bringen wir es zu Ende?“
„Ja, natürlich“, sagte Pluto. „Ein Zweikampf. Römer gegen Römer. Schwert gegen Schwert.“
„Unsinn!“, schrie Pompeia schrill. „Wachen! Wachen!“
Das Haus schwieg. Schließlich zeigten sich einige Männer gesetzten Alters im Torbogen, die Schwerter gezogen und von Blut beschmiert.
„Wer? Wer ist das?“, stammelte Pompeia. „Die Legionen sind Tagesmärsche entfernt.“
Die Männer kamen zur Tür herein.
„Ich will dir sagen, wer das ist: Das sind die Väter der Söhne, die heute morgen in ein Boot gestiegen sind.“
Pompeia stürzte den zweiten Becher Wein hinab.
Pluto ging mit wehender schwarzer Kutte an eine Wand des Saals, löste zwei Schwerter aus den Halterungen und warf eins Cassius zu, der fing das Schwert am Knauf.
Pluto lockerte die Schultern und tänzelte lässig.
Cassius lächelte.
Pluto starrte ihn an, die Farbe wich ihm aus dem Gesicht. „Oh Nein. Ich bin Bürger!“
Cassius ließ das Schwert fallen, griff unter seine Toga, verhedderte sich im Stoff, schaffte es aber, die schwere Pistole zu ziehen.
Pluto rannte auf ihn zu, das Schwert zum Stoß erhoben, Cassius kniff ein Auge zu und feuerte. Einmal. Zweimal. Dreimal.
Putz bröckelte von der Wand hinter ihm, Pluto fiel.
Pompeia wuchtete sich aus ihrem Diwan hoch und stürzte auf den toten Pluto zu, auch Cassius rannte nach vorne. Pompeia griff nach dem Schwert, schrie: „Oh Vater! Nimm deine Tochter und lass sie auferstehen wie-“
Da trat ihr Cassius das Schwert aus der Hand. „Du stirbst wie eine Frau“, sagte er. „Marcus! Bring die verdammte Schlange!“

Als alles vorbei war und jedes Feuer verraucht, fand Marcus ihn in Yokos Zimmer sitzend. Er hielt einen Becher mit Wein in der Hand und schaute aus dem Fenster auf die schlafende Stadt.
Marcus warf sich in Pose und sprach fester Stimme: „Du bist ein Held, Vater. Ich bin stolz, deinen Namen zu tragen. Marcus Cornelius Malticus. Mögen die Götter mir beistehen, dass ich, gleich dir, die Feinde des Senats und des Volkes mit Feuer und Stahl richte.“
Cassius schwieg und schwenkte das Glas mit dem purpurnen Falerner.

 

Grüß dich, Quinn!

Ich fange mal mit dem an, was mir gefallen hat. Da ist zunächst die Figur des Cassius, die fand ich schön gezeichnet und ich hatte sehr schnell ein Bild von ihr. Cassius ist ja nicht einfach, das macht ihn interessant, und ich bin hin und her gerissen zwischen Verachtung, Ekel und einem nachsichtigen Lächeln.

Auch Pluto fand ich in seiner Rohheit gut, der ragte aus dem Geschehen heraus.

Die Dialoge machten Spaß, die ganze Geschichte hat ja einen gewissen Humor, und ich hatte, zumindest bei den Dialogen, nicht das Gefühl, dass der Autor hier um Pointen gekämpft hat. Das liest sich schon ziemlich flüssig, damit steht der Humor nicht im Vordergund und kam unverkrampft bei mir an.

Der Plot ist ausgefeilt und hat sicher Arbeit gemacht, das muss man loben, ebenso wie die Figurenkonstellation. :)

Auch die Idee der alternativen Geschichte/Epoche fand ich gut.

Probleme hatte ich mit der Sprache, insgesamt mit deinem Stil, die Sache zu präsentieren. Die Sprache zelebriert sich zu sehr, spielt sich in den Mittelpunkt und verdrängt an manchen Stellen sogar den Plot.

Insula reihte sich an Insula in diesem Viertel; und wo auf dem Palatin keine Villa der anderen glich, so sah hier jede Behausung elend wie die andere aus.

Ich als Nichtlateiner scheitere daran, mir etwas unter "Palatin" vorzustellen. Insula erschließt sich gerade noch so. Das nur als Beispiel, du verwendest oft ein Vokabular, bei dem ich mir denke, ich bräuchte ein Wörterbuch, um den Sinn der Geschichte entschlüsseln zu können.

Cassius sah nach oben, als ob er dort die Lemure seines altes Vaters schweben sehen könnte, groß und weise und schon lange tot.

Ja - hier wieder. Lemure, gut. Ich habe den Eindruck, der Text möchte von mir nicht gelesen werden, weil ich den nötigen Wissensstand nicht habe.

Außerdem war der Fußweg viel zu lang, die Blauen hatten verloren und bis zur nächsten Mahlzeit waren es noch gut neun Stunden! Das alles nur, weil irgendein Emporkömmling nicht einmal den Anstand aufbrachte, wie ein anständiger Römer zu sterben!

Wer sind die Blauen? Sind sie wichtig, oder nur Beiwerk? Und ... hier steht, dass jemand gestorben ist, und sie sind ja auf dem Weg dorthin, oder? Das wird mal so beiläufig erwähnt. An der Stelle weiß ich aber nicht, ob der Tod wichtig ist, oder die Tatsache, dass die Blauen verloren hatten.
Woher auch?
Also merke ich mir beides, oder nichts. Und bin dann natürlich verwirrt, irgendwann, in beiden Fällen. Denn: Nach ein paar Absätzen kann ich mir nicht mehr alle Details merken, und falls ich es nicht tue, verpasse ich Hinweise auf den Plot.
Wieder denke ich: Der Text entzieht sich mir. Oder ich bin zu blöd für ihn. :)

Und die feinen Züge Cassias gingen ihm ebenfalls ab,

Aha! Nach einem zweiten Durchgang habe ich dann gesehen, dass Cassia ja die oben erwähnte Sirene ist. Gut, ich hätte von Cassius auf Cassia als Schwester schließen können, und das natürlich auch beim ersten Duchgang. Wieder was, was sich vor mir versteckt.

Auf dem Weg zum Forum stellte Cassius fest, dass er und sein Sohn sich überhaupt nichts zu sagen hatten. Marcus schmollte wohl, so ließ sich diffus vernehmen, dass Cassius im Morgengrauen nicht zum Fluss gegangen war, um eine Horde Rekruten zu verabschieden. Wie er angeblich versprochen haben solle.

Ist es wichtig, dass er es feststellt? Hat er sich das gefragt? Marcus schmollte, dass er nicht zum Fluss gegangen war? Wie er versprochen haben hätten mögen können haben sollte? Wem zum Henker?

Sag doch einfach:

Cassius ging zum Forum, gemeinsam mir Marcus, der enttäuscht darüber war, dass Cassius am Morgen nicht wie versprochen die Rekruten auf dem Schiff verabschiedet hatte.

Ich weiß nicht, warum du dich so umständlich ausdrückst. Ich meine, ja, das ist ganz sicher gewollt, ich verstehe es nur nicht, weil es den Zugang zum Text erschwert. Oder halt, es geht um die Sprache, okay.

Mehr Stellen mag ich nicht herausschreiben, ich hoffe, ich konnte vermitteln, was ich zu dem Text denke. Auf den Punkt gebracht:

In mehreren Langen rosa Bonbonpapier, umständlich in Kartons einzeln verpackt, mit einer hingfarbenen Schleife drumrum, findet man durchaus Pralinen. :)

Noch einen schönen Montag,

yours

 

Hi Quinn!

Erste Eindrücke:

Die alternative Welt kommt gut, dem Leser kommen keine Zweifel auf, man kann sich gut darauf einlassen. Das römische Kolorit vor allem - das muss dir ’nen Heidenspaß gemacht haben^^ – funzt durch die Begriffe, Namen, Flüche… Hut ab, das ist geil!
Kritik aber gibt auch: Das Andere ist blass. Turnschuhe, Gewehre, Technik, vielmehr ist nicht da, wodurch dein Universum sich vom römischen abgrenzt. Ok, Yoko noch und Amerika, alles aber kleine Details, ich hätte mir mehr Modernes gewünscht zum Kontrast. Vor allem im menschlichen Bereich. Bei Cassius ist das da, er ist zum Beispiel frei vom Aberglaube, ein Menschenrechtler auch, er ist auch modern in dem Sinne, dass er widersprüchlich ist, und sich im Zwiespalt mit der Welt befindet. Servius ist auf dem Weg vielleicht zum neuen Menschen. Dieses Motiv ist überhaupt spannend und höchst literarisch. :D Ich hätte gern mehr davon gehabt, auch bei den anderen, szenisch, in Form von Konflikten untereinander vielleicht. So ist die Bildersprache des Textes noch gefährlich nahe an Fantasy: Historische Kostüme + moderne Technik. – Konkret: Vielleicht böte sich die noch ominöse Opposition an, um da irgendnen Vetreter einer Form von Aufklärung anzusiedeln. Oder, und das werde ich, ich muss das Ganze noch mal lesen, eventuell was verpasst.

Sonst fand ich die Geschichte etwas schwammig. Weiß nicht, ob ich das erklären kann, vielleicht liegt es an ihrer Länge, vielleicht an der Fülle von Szenen oder auch von Details, vielleicht an der Sprache (wobei ich das letztere nicht glaube, die ist schön homogen und auch nicht verschnörkelt), vielleicht an dem vielen Angedeutetem (d.h. dem vagen politischen Hintergrund bzw. dem vagen Konflikt) oder vielleicht an meinem Geschmack, da ich’s eher minimaler im Ganzen mag.

Wie dem auch sei: Toll fand ich, dass es mal nicht um den Plot geht, sondern um einen Menschen! Es ist die Geschichte Cassius, die im Vordergrund steht (– schon wieder literarisch ‚modern’ ;)). Und da (aber nur in diesem Punkt :)) muss ich yours Recht geben, Cassius und mit ihm seine Geschichte sind dir sehr gelungen! Yokos Anziehung auf ihn, der Spruch seines Vaters, den er an den Sohn weitergibt, sein Eskapismus, also das sind schon tolle Kunstgriffe.

Es gibt auch schöne ausgefeilte Szenen, Cassius und Plutos Frageantwortgespräch und daran dieses „Richtig, man muss …“ – Da kann man losinterpretieren! Oder auch „Jupiter! Warum hast du mich verlassen?“ – Musste so lachen! :D

Fazit: Einzige Kritikpunkte wären eine differenziertere Parallele zur römischen Welt und weniger Ominöses im Handlungskonflikt. Aber ich habe sie gern gelesen, sie ist sauber, gut und fesselnd geschrieben und Gehirnfutter gibt’s auch. *mag

Gruß
Kasimir

@yours: Der Palatin ist der berühmteste der legendären sieben Hügel Roms.^^

 

@yours: Der Palatin ist der berühmteste der legendären sieben Hügel Roms.^^

Sag ich doch, dass ich zu doof für diese Geschichte bin. :)

Manches hätte ich leichter verstanden, wenn ich Latein in der Schule gehabt hätte, ganz sicher. Oder wenn ich in Geschichte besser aufgepasst hätte. Oder wenn ich ein natürliches Interesse an Allgemeinbildung hätte, das sich auf die Lebensweise des alten Römischen Reiches erstreckt hätte.

Oder so.

Aber ich hatte Französisch.

Man hätte ja (so quasi für die Nichtlateiner) zumindest ein paar der ... äh, "Fachwörter" in ein, zwei Worten erklären können.

Ähm ja. :)

Schönen Montag,

yours

 

Hallo yours,

Probleme hatte ich mit der Sprache, insgesamt mit deinem Stil, die Sache zu präsentieren. Die Sprache zelebriert sich zu sehr, spielt sich in den Mittelpunkt und verdrängt an manchen Stellen sogar den Plot.
Das überrascht mich,. Ich fand sie sprachlich eher schlicht gehalten.

Ich als Nichtlateiner scheitere daran, mir etwas unter "Palatin" vorzustellen. Insula erschließt sich gerade noch so. Das nur als Beispiel, du verwendest oft ein Vokabular, bei dem ich mir denke, ich bräuchte ein Wörterbuch, um den Sinn der Geschichte entschlüsseln zu können.
Ja, gut.

und wo auf dem Palatin keine Villa der anderen glich,
Also ich find das jetzt nicht so zuviel verlangt, dass man da irgendwie auf "Palatin" = Ortsangabe kommt. Viel mehr muss ja gar nicht, es ist ein Eigenname. Und wenn man's gar nicht mitbekommt, was Palatin heißt, dann ist das doch auch kein Beinbruch, das ist ein bisschen Kolorit, bestenfalls kriegt der Leser halt was mit, aber wenn sowas, dass man einzelne Wörter nicht kennt, den Genuss eines Textes verhindert, dann tjo, dann ist dem Leser halt gar nichts zuzumuten und das wär ja furchtbar.

Ja - hier wieder. Lemure, gut. Ich habe den Eindruck, der Text möchte von mir nicht gelesen werden, weil ich den nötigen Wissensstand nicht habe.
Wieso? Weil es 2 Wörter gibt, die du nicht kennst? :) Und auch hier aus dem Zusammenhang, finde ich: Man kann sich das schon denken, was gemeint ist.
Er spricht zu der Lemure seines lange toten Vaters, wenn das nicht irgendwie die Tante ist, wird's wohl der Geist sein.

Wer sind die Blauen? Sind sie wichtig, oder nur Beiwerk? Und ... hier steht, dass jemand gestorben ist, und sie sind ja auf dem Weg dorthin, oder?
Also bitte. Wenn dort stünde: Bayern hat gegen Köln gewonnen und den Stoiber haben sie mit acht Messerstichen aus der Isar gefischt, da käm keiner Idee auf die zu fragen: Ja, sind die Bayern jetzt wichtig? :)
Die Blauen werden in einem Atemzug mit der Mahlzeit genannt, wie wichtig können die wohl sein? Es ist ein Sport-Team.

Das wird mal so beiläufig erwähnt. An der Stelle weiß ich aber nicht, ob der Tod wichtig ist, oder die Tatsache, dass die Blauen verloren hatten.
Woher auch?
Weil sie wegen dem Mord unterwegs sind, weil der Mord der letzte Satz ist. Natürlich ist der Mord wichtig.

Also merke ich mir beides, oder nichts. Und bin dann natürlich verwirrt, irgendwann, in beiden Fällen. Denn: Nach ein paar Absätzen kann ich mir nicht mehr alle Details merken, und falls ich es nicht tue, verpasse ich Hinweise auf den Plot.
Das Leben ist hart. Es gibt hier nen Arsch voll Larifari-Texte, bei denen man gar nix denken muss. Der hier verlangt dem Leser ab, einen Puls zu haben und kein Alzheimer. Wenn das zuviel ist, dann kann man halt so nicht mehr schreiben.

Aha! Nach einem zweiten Durchgang habe ich dann gesehen, dass Cassia ja die oben erwähnte Sirene ist. Gut, ich hätte von Cassius auf Cassia als Schwester schließen können, und das natürlich auch beim ersten Duchgang. Wieder was, was sich vor mir versteckt.
Hm.


So, du möchtest, dass ich schreibe:

Cassius ging zum Forum, gemeinsam mir Marcus, der enttäuscht darüber war, dass Cassius am Morgen nicht wie versprochen die Rekruten auf dem Schiff verabschiedet hatte.

Und geschrieben hab ich:

Auf dem Weg zum Forum stellte Cassius fest, dass er und sein Sohn sich überhaupt nichts zu sagen hatten. Marcus schmollte wohl, so ließ sich diffus vernehmen, dass Cassius im Morgengrauen nicht zum Fluss gegangen war, um eine Horde Rekruten zu verabschieden. Wie er angeblich versprochen haben solle.
Schlag mich, aber ich find mein's achtmal besser, oder so. Weil da nicht nur die bloße Information drin ist, sondern auch nen Haufen Subtext, dass es eine Spannung zwischen Marcus und ihm gibt, dass er diese Rekruten-Sache ziemlich albern findet usw. Das ist in deinem Satz überhaupt nicht drin.

Ich weiß nicht, warum du dich so umständlich ausdrückst. Ich meine, ja, das ist ganz sicher gewollt, ich verstehe es nur nicht, weil es den Zugang zum Text erschwert. Oder halt, es geht um die Sprache, okay.
Es geht nicht um die Sprache, das hier ist kein Text, der mit der Sprache protzt, es geht um die Figuren, und da kann ich nicht schreiben: Es war so und so und Cassius machte das und das. Das wär ja völlig witzlos. Wer sollte denn daran Freude haben?

Also ich versteh deine Kritik, aber wenn man das berücksichtigen würde, da könnte ich gar nicht mehr schreiben. Das ist eine ganz furchtbare Vorstellung, da alles so platt zu machen, dass ein Leser alles sofort offensichtlich vorfindet. Es ist ja keine Bedienungsanleitung oder ein Radio, das man so mitdudeln lässt.
Der Lesegenuß sollte hier aus anderen Quellen kommen. Das klappt offensichtlich nicht, der Text ist ein Flop. Er war gedacht als ein Spannungstext, der mal was anderes ist. Und kommt irgendwie an als "Quinn möchte mit seinem Bildungsbürgertum protzen" - ja.

Ich befürchte fast, dass du mit deiner Kritik halt auch für viele stehst, die den Text nach dem ersten Absatz weggelegt haben und ich kann das auch verstehen; von daher, danke dass du ihn zu Ende gelesen und auch kommentiert hast, wobei ich manche Aussagen schon bedenklich finde
Quinn

Hallo Kasimir,


Die alternative Welt kommt gut, dem Leser kommen keine Zweifel auf, man kann sich gut darauf einlassen. Das römische Kolorit vor allem - das muss dir ’nen Heidenspaß gemacht haben^^ – funzt durch die Begriffe, Namen, Flüche… Hut ab, das ist geil!
Jo, ich fand's insgesamt ne tolle Geschichte, bis ich sie gepostet hab. :)

Kritik aber gibt auch: Das Andere ist blass. Turnschuhe, Gewehre, Technik, vielmehr ist nicht da, wodurch dein Universum sich vom römischen abgrenzt. Ok, Yoko noch und Amerika, alles aber kleine Details, ich hätte mir mehr Modernes gewünscht zum Kontrast.
Ja, ich hab mit dem Gedanken gespielt, noch mehr Geschichten in diesem Universum da anzusiedeln, weil ich auch eine Geschichte nicht überfrachten wollte. An einer Stelle gegen Ende sagt Marcus ja, dass Rom eben anders ist. Keine Industrie, keine Kraftfahrzeuge. Frau H. hat, als ich ihr davon erzählt hab, gemeint: Eine ganze Stadt als Heimatmuseum.
Also Rom selbst ist da anders.

Vor allem im menschlichen Bereich. Bei Cassius ist das da, er ist zum Beispiel frei vom Aberglaube, ein Menschenrechtler auch, er ist auch modern in dem Sinne, dass er widersprüchlich ist, und sich im Zwiespalt mit der Welt befindet.
Menschenrechtler ... so weit würd ich nicht gehen.

Servius ist auf dem Weg vielleicht zum neuen Menschen. Dieses Motiv ist überhaupt spannend und höchst literarisch. Ich hätte gern mehr davon gehabt, auch bei den anderen, szenisch, in Form von Konflikten untereinander vielleicht.
Hm, wenn man überlegt, wie Pluto reagiert, weil sich da jemand Heroin spritzt, kann man sich vorstellen, wie überhaupt auf "Konflikte" in dieser Richtung reagiert werden würde. Aber klar, es ist ein Szenario, das endlose Möglichkeiten hergibt. Ich wollte es hier halt nicht überfrachten, sondern es nur in einigen Figuren andeuten.

So ist die Bildersprache des Textes noch gefährlich nahe an Fantasy: Historische Kostüme + moderne Technik. – Konkret: Vielleicht böte sich die noch ominöse Opposition an, um da irgendnen Vetreter einer Form von Aufklärung anzusiedeln. Oder, und das werde ich, ich muss das Ganze noch mal lesen, eventuell was verpasst.
Ich fänd das gar nicht so schlimm mit historische Kostüme. Eine Aufklärung ... tja, ich würd fast sagen, in dem Szenario ist eine "Aufklärung" gar nicht möglich, weil es dafür der Bürgerschaft viel zu gut geht. Also in dem Szenario hier ... hat man kein dunkles Mittelalter gehabt, da ist Europa eben nicht jahrhundertelang in Kleinkriegen und Glaubenskonflikten zersplittert, sondern Rom hat alles plattgemacht, wenn da die Hunnen kamen, gab's auf die Socken. Ich würd auch behaupten, das ist aber nicht im Text, dass dort Pompeius und Cäsar, so 800, 900 Jahre her sind, und nicht wie man meinen könnte, 2000. Es werden ja auch nur Techniken angesprochen, die in gewisser Weise zu "Rom" passen. Die Sklavenhalsbänder, Schusswaffen, Granaten und Monitore zur "Volksinformation", man hätte wohl noch auf die Kleidung eher eingehen sollen, die Turnschuhe ragen da tatsächlich etwas unglücklich raus (Muss ich gleich mal irgendwie ändern) Aber es ist schon geplant, dass z.B. Musik gar nicht vorkommt und dass sie eben nicht ins Kino gehen, sondern ins Theater. Und dass Literatur eine ganz andere Rolle spielt. Das ist was für Frauen in dieser Welt.

Ja, zur Aufklärung: Pompeia ist da die Figur, nach der man schauen muss, die vereint Emanzipation und Christentum in sich. Wenn man so möchte. Aber wie auf beides reagiert wird, kommt ja auch ein wenig raus. :)
Es ist natürlich auch sowas, von wem sollten denn Impulse kommen? Die herrschende Kaste da, Popularen und Optimaten, dargestellt durch den Censor, wenn man so will, das ist niemand, der sonderlich viel Verständnis für so etwas wie "Aufklärung" hätte.
Und auch so eine Figur wie Babset, die nur sehr angedeutet zu sehen ist, also eine "Sklavin", die nach oben geheiratet hat, wären da deutliche Hindernisse. Und Cassia, die einzige, die in dem Text überhaupt zu lesen scheint, wird nie irgendeinen Einfluss haben und kümmert sich wohl auch mehr um ihre Libido als sonstwas.
Nichtmal Cassius, den du als "modernen Menschen" bezeichnest, würde sich auf so etwas einlassen, der würde "unrömisch" murmeln und die Löwen kommen lassen, oder so. :) Auch wenn der so locker-flockig rüberkommt, ist das auch niemand, der in unsere Zeit passen würde. Deshalb bin ich froh, dass er als Figur für dich funktioniert, so ganz ohne ist der sicher nicht.

Sonst fand ich die Geschichte etwas schwammig. Weiß nicht, ob ich das erklären kann, vielleicht liegt es an ihrer Länge, vielleicht an der Fülle von Szenen oder auch von Details, vielleicht an der Sprache (wobei ich das letztere nicht glaube, die ist schön homogen und auch nicht verschnörkelt), vielleicht an dem vielen Angedeutetem (d.h. dem vagen politischen Hintergrund bzw. dem vagen Konflikt) oder vielleicht an meinem Geschmack, da ich’s eher minimaler im Ganzen mag.
Ich glaub es liegt an der Kürze der Szenen und dass relativ wenig beschrieben wird. Also auch den Andeutungen dann. War schon eine Idee, dass man beim Lesen das Gefühl hat, die Spitze des Ganzen zu sehen. Aber ich weiß auch nicht, ob es der Geschichte gut getan hätte, sie in einzelnen Aspekten zu vertiefen.

Wie dem auch sei: Toll fand ich, dass es mal nicht um den Plot geht, sondern um einen Menschen! Es ist die Geschichte Cassius, die im Vordergrund steht (– schon wieder literarisch ‚modern’ ). Und da (aber nur in diesem Punkt ) muss ich yours Recht geben, Cassius und mit ihm seine Geschichte sind dir sehr gelungen! Yokos Anziehung auf ihn, der Spruch seines Vaters, den er an den Sohn weitergibt, sein Eskapismus, also das sind schon tolle Kunstgriffe.
Er hat natürlich auch eine arge Ausgangslage. Es gibt in der Geschichte irgendwie 3 Figuren, die ihn nicht zum kotzen finden. Sein ehemaliger Sklave, der irre Hardliner und sein Sohn. Und sein Sohn findet toll, dass er so rigoros gegen den Aufstand vorgeht und sich wie ein ziemlicher Arsch verhält. :)
Es freut mich, dass er so gut bei dir ankommt.

Es gibt auch schöne ausgefeilte Szenen, Cassius und Plutos Frageantwortgespräch und daran dieses „Richtig, man muss …“ – Da kann man losinterpretieren! Oder auch „Jupiter! Warum hast du mich verlassen?“ – Musste so lachen!
Das freut mich, ist natürlich die Hoffnung da, dass sich viele Szenen in der Geschichte finden, die was zu bieten haben.

Fazit: Einzige Kritikpunkte wären eine differenziertere Parallele zur römischen Welt und weniger Ominöses im Handlungskonflikt. Aber ich habe sie gern gelesen, sie ist sauber, gut und fesselnd geschrieben und Gehirnfutter gibt’s auch. *mag
Vielen Dank. Es war für mich auch eine Premiere, sowas zu schreiben, und ich lern da dazu. Es ist halt was anderes, ob man eine Geschichte in so einer "unbekannten" Welt ansiedelt, oder einfach über unsere schreibt, nur mit Monstern oder so. :)

Danke dir für den Kommentar
Quinn

 

Hallo Quinn,

ich bin neu hier, lese aber schon seit ein paar Tagen fleißig die eingestellten Geschichten und möchte nun mal meinen Senf zu deiner dazugeben.

Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich nur das erste Drittel der Geschichte gelesen habe - danach war bei mir irgendwie die Luft raus und ich konnte mich nicht aufraffen, weiter zu lesen, es wurde mir irgendwie zu lang.

Im Gegensatz zu yours finde ich allerdings nicht, dass dies an deinem Sprachstil oder den lateinischen Begriffen liegt. (Auch ich hatte bis heute keine Ahnung, was der "Palatin" ist, hab mir aber gedacht: "Gut, wird irgendein Ort sein, der Sinn ist mir klar" - diese Reaktion lernt man schnell, wenn man viele Texte in einer Fremdsprache liest - da kann man gar nicht alle Worte kennen.)

Vielmehr hatte ich das Problem, dass bei mir keine Spannung aufkam. Irgendwie war ich nicht "drin" in der Geschichte. Ich weiß auch nicht, wie ich es anders sagen soll, aber sie hat mich nicht mitgerissen.

Ansonsten kann auch ich auch nur sagen, dass dir die Beschreibung der alternativen Welt, in der deine Geschichte spielt, gut gelungen ist. Das hat sehr viel Spaß gemacht und ich hätte gerne mehr davon gelesen. Allerdings ist die Idee für mich auch nicht ganz neu, ich habe irgendwann mal ein Buch gelesen, dass ebenfalls in einer solchen "Was wäre, wenn Rom niemals untergegangen wäre"-Realität spielte. (darf man Namen von Büchern hier posten?)

Ansonsten: Mal sehen, vielleicht raffe ich mich doch irgendwann noch mal auf und lese die Geschichte zu Ende, nur um zu sehen, was passiert.

Lieben Gruß,
Feli

 

Hallo Feli,

Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich nur das erste Drittel der Geschichte gelesen habe - danach war bei mir irgendwie die Luft raus und ich konnte mich nicht aufraffen, weiter zu lesen, es wurde mir irgendwie zu lang.
Puh, erstes Drittel, das müsste dann schon nach dem Brandkram gewesen sein, also wenn's bis dahin nicht zieht, dann zieht's ohnehin nicht mehr, glaub ich. Also das ist schon bitter, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.

Vielmehr hatte ich das Problem, dass bei mir keine Spannung aufkam. Irgendwie war ich nicht "drin" in der Geschichte. Ich weiß auch nicht, wie ich es anders sagen soll, aber sie hat mich nicht mitgerissen.
Hm, jo. Das ist schon sehr schlecht für den Text dann. Also da bin ich jetzt auch ratlos. Sonderlich behäbig ist er ja nicht geschrieben für mein Empfinden.

Ansonsten kann auch ich auch nur sagen, dass dir die Beschreibung der alternativen Welt, in der deine Geschichte spielt, gut gelungen ist. Das hat sehr viel Spaß gemacht und ich hätte gerne mehr davon gelesen.
Naja, so sehr scheint das Bedürfnis, mehr davon zu lesen, ja nicht da zu sein. :) Da sind ja noch 2/3.

Allerdings ist die Idee für mich auch nicht ganz neu, ich habe irgendwann mal ein Buch gelesen, dass ebenfalls in einer solchen "Was wäre, wenn Rom niemals untergegangen wäre"-Realität spielte. (darf man Namen von Büchern hier posten?)
Jo, bestimmt. Es werden jeden Tag so viele Bücher veröffentlicht und Kurzgeschichten geschrieben, dass ich nicht damit gerechnet hab, dass über das Feld hier noch nichts geschrieben wurde, aber ich kenn keins und es ist, soweit ich weiß, auch keins so groß, dass man es unbedingt kennen müsste, von daher ist das ein verhältnismäßig frisches Szenario, denke ich.

Ansonsten: Mal sehen, vielleicht raffe ich mich doch irgendwann noch mal auf und lese die Geschichte zu Ende, nur um zu sehen, was passiert.
Na ja, quälen soll man sich ja auch nicht. Wenn die Geschichte keinen Spaß macht, dann bringt's auch nix, dann ist das der Fehler des Autors. Wobei mich die Kritik jetzt wirklich unvorbereitet trifft, das hätte ich nicht erwartet nun, aber klar, ich kann's nachvollziehen.

Danke für den Kommentar
Quinn

 

Hallo noch mal,

nachdem ich mir heute morgen in einem etwas wacherem Zustand doch noch einmal die Zeit genommen habe, die Geschichte zu Ende zu lesen, muss ich meine Kritik von gestern abend noch mal etwas verändern:

Erstens: Ich finde deinen Schreibstil grundsätzlich sehr schön, flüssig, du schaffst es, eine dichte Atmosphäre zu kreieren (schreibt man das so??), deine Charaktere sind sehr glaubwürdig und interessant gestaltet und die Dialoge klingen nicht gezwungen oder gestelzt. Insofern liest sich deine Geschichte wirklich sehr angenehm.

Zweitens: Ich selber bin eher der Typ, der Geschichten/Filme/Bücher mag, die von Spannung leben. Ab diesem Punkt hier:

"Dann ein Klirren und Reißen. Der Redner wie erstarrt. Glassplitter hagelten nach unten. Ein schweres Etwas donnerte nach.
Cassius rang nach Atem.
Als er seinen Blick von der Kuppel lösen konnte, in der übermannsbreit eine Lücke klaffte, sah er, dass ein Mann auf den goldenen Redner gefallen war und ihn zerschmettert hatte."

war bei mir Spannung da, ab da wollte ich wissen, wie die Geschichte zu Ende geht. Das war aber leider doch irgendwie ein bißchen spät.

Drittens: Für eine Kurzgeschichte ist deine Geschichte ein wenig lang geraten. Esw liest sich eher wie ein kleines Buch. Wenn man das vorher weiß, ist es OK, wenn man auf eine kurzweilige Geschichte wartet, wird es etwas langatmig.

Meine Empfehlung: Ein etwas knalligeres Ereignis zu Beginn der Geschichte, um das herum du deine Charaktere dann zeichnest, hätte mich vermutlich eher am Lesen gehalten. Irgendetwas, bei dem ich dann vorm Rechner sitze und mir denke: "Wie geht es weiter, was passiert jetzt, was passiert jetzt?"

Der Mord zu Beginn deiner Geschichte reichte mir dafür nicht. Besser wäre es z.B. gewesen, wenn der ermordete ein guter Freund von Cassius gewesen wäre und man mit ihm leidet bei der Suche nach dem Mörder oder so was in der Art.

Hm, hoffe das hilft dir irgendwie weiter, vom Schreibstil her fand ich es wie gesagt wirklich sehr sehr gut. Nur der Plot war mir nicht spannend genug aufbereitet.

Grüße,
Feli

 

Erstens: Ich finde deinen Schreibstil grundsätzlich sehr schön, flüssig, du schaffst es, eine dichte Atmosphäre zu kreieren (schreibt man das so??), deine Charaktere sind sehr glaubwürdig und interessant gestaltet und die Dialoge klingen nicht gezwungen oder gestelzt. Insofern liest sich deine Geschichte wirklich sehr angenehm.
Das freut mich. :)

"Dann ein Klirren und Reißen. Der Redner wie erstarrt. Glassplitter hagelten nach unten. Ein schweres Etwas donnerte nach.
Cassius rang nach Atem.
Als er seinen Blick von der Kuppel lösen konnte, in der übermannsbreit eine Lücke klaffte, sah er, dass ein Mann auf den goldenen Redner gefallen war und ihn zerschmettert hatte."
Das ist reichlich spät dran, also das war tatsächlich auch als ein Höhepunkt gedacht, allerdings eher als der zweite.

Drittens: Für eine Kurzgeschichte ist deine Geschichte ein wenig lang geraten. Esw liest sich eher wie ein kleines Buch. Wenn man das vorher weiß, ist es OK, wenn man auf eine kurzweilige Geschichte wartet, wird es etwas langatmig.
Ja, aber "kurzweilige" Geschichte, im eigentlichen Sinne, finden sich hier ohnehin nicht so wahnsinnig viele. Wer kurzweilig schreiben kann, bekommt meist schon Geld dafür. :)

Ein etwas knalligeres Ereignis zu Beginn der Geschichte, um das herum du deine Charaktere dann zeichnest, hätte mich vermutlich eher am Lesen gehalten. Irgendetwas, bei dem ich dann vorm Rechner sitze und mir denke: "Wie geht es weiter, was passiert jetzt, was passiert jetzt?"
Ja, ich dachte, ich hätte das, mit dem Brand relativ am Anfang schon, und bis dahin sollte das ungewöhnliche Szenario, die Malta-Geschichte und vor allem das Eingangszitat schon tragen. Ich wollte hier bewusst nicht sofort reingehen, sondern mich dem Beginn etwas langsamer näheren, weil das Umfeld schon ungewöhnlich ist, und ich den Leser dort etwas langsamer heranführen wollte. Aber auch am Ende des ersten Absatzes ist ja schon von einem Todesfall die Rede.

Der Mord zu Beginn deiner Geschichte reichte mir dafür nicht. Besser wäre es z.B. gewesen, wenn der ermordete ein guter Freund von Cassius gewesen wäre und man mit ihm leidet bei der Suche nach dem Mörder oder so was in der Art.
Ja, das hab ich mir auch gedacht. Deshalb stirbt Servius ja auch in der Szene. Ich hab wohl die Wirkung dieser Szene überschätzt. Hatte angenommen, der Auftritt Plutos und das darauffolgende Spektakel zieht schon deutlich, danach kommen ja auch erst wieder ruhigere Szenen.

Danke dir fürs Fertiglesen, und schön, dass es am Ende dann doch keine Enttäuschung war
Quinn

Hallo Aren-Fen!

Du schreibst:

Es gibt neben Boobie-Bumping sogar noch bumptious - self important.
Und ich möchte der erste sein, der dich offiziell dazu beglückwünscht, die Phase überwunden zu haben, in der du in deinen Kommentaren nur frei zum Titel assoziert!

Voltaire sagt: J'aime la pompe du spectacle, mais j'aime mieux le vers passionné. (Ich liebe den Pomp des Spektakels, aber mehr noch den leidenschaftlichen Vers.)
Hebbel sagt über den deutschen Philosophen:
Wenn er selbst nicht mehr weiß, was er schreibt, meint er, der Genius spräche.

Aber du hast recht, natürlich ist die Geschichte ein Spektakel , mir käm es nie in den Sinne, dass jede Geschichte nur flüsternd erzählt werden müsste. Was für eine leise, monotone und arme Literatur wäre das nur? Ich behaupte aber, auch in diesem Text gibt es mehr als eine Lautstärke, mehr als eine Klangfarbe.

Schönes Wochenende :)
Quinn

 

Hallo Quintus ... ähm Quinn,

soeben ist es mir gelungen, diese Geschichte zuende zu lesen. Um alles zu begreifen, müsste sich sie mir sicher zwei- oder dreimal zu Gemüte führen. Die Grundidee hat mir super gefallen. Um die Geschichte am Bildschirm mit Vergnügen lesen zu können, ist sie aber erstens zu lang, wechselt zweitens zu oft den Schauplatz und deutet drittens Zusammenhänge, die für das Verständnis wesentlich sind, nur an. Zur politischen Lage und zur Geschichte hätte ich mir mehr Erklärungen gewünscht. Für Dumme. ;)

Mein Leseerlebnis war also nicht nur reine Freude, sondern eher interessant. Ich liebe Geschichten, die von politischen Intrigen handeln. Wenn sie gut geschrieben sind. Und schreiben kannst Du! Außer Gisbert Haefs kenne ich keinen einzigen deutschen Autor, der mitreißend über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge schreiben kann. Falls es einen deutschen James Clavell oder Robert Ludlum oder Frederick Forsyth gibt, hab ich noch nie von ihm gehört. Sicher ein Zeichen von mangelnder Bildung - die mich dazu gebracht hat, beim Lesen Deiner Geschichte fünf oder sechsmal Wikipedia zu konsultieren.

Die vielen kulturgeschichtlichen Details sind eine der Stärken der Geschichte: Der Puls, den die Römer essen, die auf Sklaverei aufgebaute Wirtschaft, die Circusspiele und die Parteien, die Optimaten und die Popularen und eine Menge historisches. Eine meiner Lieblingsstellen war übrigens:

„Triumvir, drei Männer, ihr habt so lustige Wörter für alles. Was ist das? Eine Frau mit drei Männern gleichzeitig?“
Cassius ließ den Kopf in das Polster des Sofas fallen. „Nein, nein, nichts dergleichen. Vor langer Zeit haben drei Idioten beschlossen, die Welt unter sich aufzuteilen. Und ihnen zu Ehren trinken wir das Zeug jetzt, wenn die Nacht sehr dunkel ist.“
LOL!

Noch eine Anmerkung: Die Einzahl von Equites ist Eques.

Diesen Hintergrund vermischst Du mit Fernsehen, Verkehr, Schusswaffen - alles Dinge, die erst in der Neuzeit auftauchen. Es hat sicher einen Heidenspaß gemacht, sich diese Alternativwelt auszudenken!

Die handelnden Personen sind dagegen blass. Der einzige Protagonist mit etwas Charakter ist Malticus selbst. Wobei ich übelst finde, wie seine Frau (diese miese Schlampe) und seine Kinder ihn runterziehen. Aber genug davon. :)
Man merkt nicht recht, was er fühlt. Außer diesen Äußerungen, was er alles unrömisch findet, die ihn als stockkonservativen Sturkopf erscheinen lassen. Wie passt es im Inneren zusammen, dem eigenen Sklaven die Freiheit zu schenken und die Bevölkerung einer ganze Insel abzumurksen? Hattest Du da Cato Minor vor Augen?

Der Spaß bei der Geschichte liegt natürlich im Spielen mit der Alternativgeschichte. Rom ist also nicht untergegangen, weil die Republik nicht untergegangen ist. Cäsar ist genauso wie Pompeius gestorben. Dadurch sind die Sklaverei und die römische Religion erhalten geblieben. Und Rom konnte ein echtes Weltreich werden. Ist das nun gut oder schlecht?

Toll fand ich auch die Idee mit den heroinabhängigen Senatoren.
Das Sahnehäubchen ist der vereitelte Umsturz durch den Censor (?), der am untadeligen Charakter des Cassius Cornelius Malticus scheitert. Um das besser zur Geltung zu bringen, müssten wir aber mehr über die Prinzipien und Ideale dieses Mannes wissen.
Durch seine häuslichen Zustände und das Verhältnis zu seinem Sklaven erscheint er (bitte nicht böse sein) stellenweise wie ein Pantoffelheld, eine Witzfigur.

Was meiner Meinung nach besser sein könnte, an dieser Geschichte:
* Weniger Schauplätze
* Mehr Erklärungen
* Genauere Ausarbeitung der Protagonisten, besonders des Innenlebens der Hauptfigur
* Messerscharfe machtpolitische Pläne, die aufeinander prallen ;)
* "Echtere" Dialoge, nicht dieses Comedy-Zeug
Der respektable republikanische Politiker erwischt seine Tochter beim Pimpern mit dem Nubier und muss ihr eine Szene machen?! Ich bitte Dich, Quinn! Das ist unwürdig und unglaubhaft. Das hast Du doch nicht nötig. ;)

Was mir noch aufgefallen ist:

Sein Vater hatte ihn lange angesehen, während auf der Bühne die Kulissen in Flammen aufgegangen waren, und sein Vater hatte zu ihm gesagt: „Frag nicht nach einem Grund. Die Welt ist nicht zu erklären. Manche Männer wollen sie einfach nur brennen sehen.“
Zitat aus "The Dark Knight". :)

Alles in allem sehr anregende, stellenweise etwas mühsame Lektüre. Mir hat gefallen, dass Du neue Sachen ausprobiert hast. Wenn Du mal einen Politthriller schreibst, werd ich ihn vielleicht kaufen. ;)

Freundliche Grüße vom

Berg

 

Hallo Berg,

soeben ist es mir gelungen, diese Geschichte zuende zu lesen.
Ja. :) Das klingt schon, wie ein Messer, das sich einem in die Nieren bohrt.

Um alles zu begreifen, müsste sich sie mir sicher zwei- oder dreimal zu Gemüte führen.
Ja, es ist wohl so. Ich dachte: Beim ersten Mal kriegt der Leser schon alles mit und freut sich; und wenn er es wirklich mehrmals lesen würde, könnte er dann noch den Genuß steigern. Dem ist wohl nicht so.

Die Grundidee hat mir super gefallen. Um die Geschichte am Bildschirm mit Vergnügen lesen zu können, ist sie aber erstens zu lang, wechselt zweitens zu oft den Schauplatz und deutet drittens Zusammenhänge, die für das Verständnis wesentlich sind, nur an. Zur politischen Lage und zur Geschichte hätte ich mir mehr Erklärungen gewünscht. Für Dumme.
Ja, mit den Erklärungen ist es so eine Sache, ich fand es reizvoll, das Szenario eben nicht zu erklären, sondern den Leser es selbst entdecken zu lassen, wobei das den Lesererwartungen wohl auch einfach entgegenläuft.
Der häufige Wechsel der Schauplätze - jo ... also da wüsste ich jetzt auch wenig, dagegen zu machen. Also es sind: Das Haus in der Suburba, Yokos Zimmer, Pompeias Villa, die Villa von Malticus, der Senat und das Theater. Das ist eigentlich doch eine überschaubare Anzahl von Orten, die "Zwischenstücke" zähle ich jetzt allerdings nicht dazu, also die Gassen oder Eingangsbereiche, weil sich dort ja auch wenig ereignet. Ich wüsste jetzt nicht, wie man die Zahl der Schauplätze ohne Weiteres verringern könnte. Da müsste man an der Geschichte selbst dann stutzen.

Die vielen kulturgeschichtlichen Details sind eine der Stärken der Geschichte: Der Puls, den die Römer essen, die auf Sklaverei aufgebaute Wirtschaft, die Circusspiele und die Parteien, die Optimaten und die Popularen und eine Menge historisches.
Das freut mich.

Noch eine Anmerkung: Die Einzahl von Equites ist Eques.
Damit hast du Recht, es ist noch ein viel schwerwiegenderer Fehler drin. Cassius ist kein Vor- sondern Familienname. Aber nun gut, das ist mir auch erst spät aufgefallen und da könnte man sich irgendwie noch rausreden, dass Cassius (wie auch Cato) aufgrund von historischen Umständen so populär wurden, dass man sie auch als Vornamen gebrauchte, aber astrein ist das nicht.

Diesen Hintergrund vermischst Du mit Fernsehen, Verkehr, Schusswaffen - alles Dinge, die erst in der Neuzeit auftauchen. Es hat sicher einen Heidenspaß gemacht, sich diese Alternativwelt auszudenken!
Also der Hauptspaß war der Moment, als der Plot zusammengepasst hat.

Die handelnden Personen sind dagegen blass. Der einzige Protagonist mit etwas Charakter ist Malticus selbst. Wobei ich übelst finde, wie seine Frau (diese miese Schlampe) und seine Kinder ihn runterziehen. Aber genug davon.
Na ja, das ist schon ein Gegenpol. Malticus ist, aus meiner Sicht, nicht der "respektable" Senator, sondern schon eine zerissene Figur.

Man merkt nicht recht, was er fühlt. Außer diesen Äußerungen, was er alles unrömisch findet, die ihn als stockkonservativen Sturkopf erscheinen lassen. Wie passt es im Inneren zusammen, dem eigenen Sklaven die Freiheit zu schenken und die Bevölkerung einer ganze Insel abzumurksen? Hattest Du da Cato Minor vor Augen?
Nein; ich hatte Cato den Jüngeren als orlage für diese "Neo"-Catoisten, die nur angedeutet werden vor Augen. Also dass es dort die Jugendkultur, oder zumindest eine Sparte davon, sich auf die Stoa rückbezieht (auch der Censor Cato folgt ja diesem Beispiel).
Dass mit der Insel ist ja eine der Bruchstellen des Textes. Zu Beginn fragt man sich, was in Malta passiert ist und sobald man das Gefühl hat, es nun zu wissen, bricht es schon wieder auseinander. Es sind da einige Hinweise im Text, die man aber auch verpassen kann.
"Was in seinem Inneren vorgeht" sollte in der Geschichte vor allem durch seine Handlungen deutlich werden, durch seine Dialoge und weniger durch solche "Ich zeig mal, was er denkt"-Passagen. Das war eine bewusste Entscheidung, die auch den Lesergewohnheiten entgegen läuft - in der Summe ist es wohl sehr viel, was in den Erwartungen entgegen läuft. Ich fand es so spannender, dass der Leser sich aus Gesten, Dialogen auch den Stimmungsschwankungen ein Bild von Cassius macht.

Der Spaß bei der Geschichte liegt natürlich im Spielen mit der Alternativgeschichte. Rom ist also nicht untergegangen, weil die Republik nicht untergegangen ist. Cäsar ist genauso wie Pompeius gestorben. Dadurch sind die Sklaverei und die römische Religion erhalten geblieben. Und Rom konnte ein echtes Weltreich werden. Ist das nun gut oder schlecht?
Ja, die Frage sollte sich der Leser idealerweise stellen. Kein Holocaust, keine Weltkriege, aber auch keine Emanzipation, keine Freiheit und ein striktes Klassensystem.

Toll fand ich auch die Idee mit den heroinabhängigen Senatoren.
Das Sahnehäubchen ist der vereitelte Umsturz durch den Censor (?), der am untadeligen Charakter des Cassius Cornelius Malticus scheitert.
Das ist eine waghalsige Interpretation. :) Also Cassius ist ganz und gar nicht untadelig. Die Brutalität, die er da im letzten Absatz zeigt, ist schon nicht so ohne und kommt auch aus anderen Quellen als Vaterlandsliebe.

Um das besser zur Geltung zu bringen, müssten wir aber mehr über die Prinzipien und Ideale dieses Mannes wissen.
Ja, das müsste sich der Leser halt selbst aus dem Text holen, Ich hab jetzt nochmal, nach deinem Kommentar, um es zu unterstreichen: Eine Passage eingebaut, einen kleinen Traum, gegen Ende. Die Motivation, die Cassius eigentlich vorantreibt, ist, dass er kein Ungeheuer werden will. Und als ihm sein Onkel da sagt: Hier, wenn bis morgen keine Ruhe ist, kehrst du mit dem ganz groben Besen durch.
Ich weiß nicht, ob es stärker wäre, wenn es introspektiver dargestellt werden würde.

Durch seine häuslichen Zustände und das Verhältnis zu seinem Sklaven erscheint er (bitte nicht böse sein) stellenweise wie ein Pantoffelheld, eine Witzfigur.
Nein, da bin ich nicht böse. Seine Frau buttert ihn unter. Er ist kein Held. Er kann einen Sklaven einschüchtern, wie den Janitor, aber seinem Onkel hat er nichts entgegenzusetzen.

* Weniger Schauplätze
* Mehr Erklärungen
* Genauere Ausarbeitung der Protagonisten, besonders des Innenlebens der Hauptfigur
Ja, ich hab ja versucht, was dazu zu sagen. Es stimmt schon, man könnte all das berücksichtigen und es wäre wahrscheinlich eine klarere, eindringlichere Geschichte. Und ich will das gern auch wieder versuchen. Hier fand ich's in der Anlage interessanter, mit den anderen Sachen zu experimentieren. Unmittelbarer vorzugehen. Wobei das mit den "Wenigen Schauplätzen" ja eigentlich immer besser ist, das hab ich bei der Konzeption nicht in dem Rahmen bedacht.

* Messerscharfe machtpolitische Pläne, die aufeinander prallen ;)
Ja. :) Also da muss man die Kirche auch im Dorf lassen. Das wären dann Geschichten, für die du brav 14,80 Euro zu zählen hättest. Nein, es ist natürlich erstrebenswert, aber, puh, also innerhalb einer Kurzgeschichte, auch von der Länge, die dann noch anders behandeln soll ... es gibt ja in der Geschichte "machtpolitische Pläne", aber sie sind nicht messerscharf; und sie interessieren Cassius überhaupt nicht. Ihn interessieren Pompeias Motive nicht und diese Intrige, die sie da spinnt, mit vier-/fünf Säulen und dem Christentum.


* "Echtere" Dialoge, nicht dieses Comedy-Zeug
Der respektable republikanische Politiker erwischt seine Tochter beim Pimpern mit dem Nubier und muss ihr eine Szene machen?! Ich bitte Dich, Quinn! Das ist unwürdig und unglaubhaft. Das hast Du doch nicht nötig. ;)
Ich fand das nicht schlecht. Also es gibt die eine Szene, nachdem er aufgewacht ist und mit seiner Frau konfrontiert wird, die solche "Comedy"-Züge trägt, aber das wird ja immer wieder durch Servius gebrochen.
Die Szene, wenn er seine Tochter mit dem Nubier erwischt, fand ich nicht so zum lachen, das sollte, zum Beispiel, seinen Charakter zeigen. Er ist eben nicht der "Kreuzige jetzt, frage später"-Römer, sondern er ist in dieser Situation hilflos, es entgleitet ihm alles. Er kann die Welt nicht mehr erklären oder in Ordnung bringen.

Was mir noch aufgefallen ist:
Zitat aus "The Dark Knight". :)
Ja. Und die einzige Erklärung für Neros Verhalten.

Alles in allem sehr anregende, stellenweise etwas mühsame Lektüre. Mir hat gefallen, dass Du neue Sachen ausprobiert hast. Wenn Du mal einen Politthriller schreibst, werd ich ihn vielleicht kaufen. ;)
Ja, ich würde lügen, wenn ich jetzt sagte: Das ist das Urteil, das ich angestrebt habe. Natürlich ist mir allumfassender Jubel lieber. Wem nicht?
Allerdings es hätte schlimmer kommen können.

Der Text erwartet einiges vom Leser, er verlangt ihm einiges ab. Zum Teil mag das meiner Faulheit geschuldet sein, zum Teil auch meiner Borniertheit, es eben so - und auch mal anders - zu machen, als man es gewohnt ist.
Ich wollte nicht den hundersten historischen Krimi schreiben, der im alten Rom spielt, sondern schon ... jo ... halt mal was Besonderes machen. :)
Ich hab aufgrund deiner Kritik und aufgrund anderer Dinge, den Text nochmal überarbeitet, eine Szene eingebaut und die Sprache sonst etwas entschlackt, jetzt nachträglich noch Introspektiven einzuführen würde den Charakter des Textes arg ändern, wahrscheinlich verbessern, aber so richtig glaub ich nicht dran.

Ich danke dir für deine Kritik
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn!

Ich spüre in dem Text eine unbändige Erzählfreude, die aber oft über das Ziel hinausschießt oder sich nicht um die Kohärenz kümmert, aber das mit der fehlenden Kohärenz ist vielleicht sogar Absicht.
Ich hab die Geschichte jetzt zweimal sehr genau gelesen, lesefreundlich ist sie nicht, obwohl sie tatsächlich einen einfachen Stil hat.

Aber sie folgt einer Verschleierungstaktik, und das macht das Verständnis so schwierig: Sie erzählt viel von Details, sie wendet sich einmal dahin und dorthin, bringt Nebensächlichkeiten, die wichtigen Dingen kommen nur sehr knapp und man übersieht sie leicht. Ich denke, das hat Methode: Rom ist ein absolutes Zentrum, es gibt nur sie und alles andere ist eben nur das andere - aber in diesem Zentrum ist tatsächlich alles im Begriff zusammenzustürzen: Die Ordnung der Geschlechter und die Religion, die gesellschaftliche Ordnung - alles wollen die Unruhestifter zum Einsturz bringen. Am Ende erkennt Cassius das Ende der römischen Welt und bringt sich um.
Auch die Figur des Cassius hat kein Zentrum mehr, man weiß nicht recht, gehört er eigentlich zu den Guten oder zu den Bösen, er folgt am Ende der alten Tradition, und willigt in den Zweikampf mit Pluto ein, um ihn dann doch völlig unehrenhaft und unrömisch mit der Pistole zu töten. Auch in seinem Verhältnis zu den Frauen ist er zwiegespalten: Da die "alte" Vorstellung, dass Frauen inferior sind und mit den wirklich wichtiges Dingen nichts zu tun haben sollten, dort die "moderne" Vorstellung von der tiefen Liebe zu einer Frau, die das Wichtigste im Leben ist.

Die Geschichte spiegelt als Ganzes in ihrer Erzählweise diese Unsicherheiten einer Übergangszeit wieder, sie will sich auf nichts festlegen, deckt mit diesen zahlreichen Schauplätzen und Themen und Szenen zu, um was es eigentlich geht. Vielleicht weil der Erzähler selbst nicht weiß, was noch wichtig ist, auf was es wirklich ankommt. Alles wackelt, und so erzählt er einfach drauflos. Die hier beschriebene Welt hat eben kein Zentrum, kein Rom mehr, dieses Zentrum hat Risse wie die Kuppel im Senat, und die Geschichte hat zum Zentrum, dass alles in Veränderung begriffen ist, dass es nichts Festes gibt.

Die Idee ist toll, wenn auch noch ausbaufähig, ich habe sie auf jeden Fall spannend gefunden, fand es nie langweilig, eigentlich ein gewaltiges Vorhaben, so etwas zu schreiben, dass muss man schon anerkennen. Aber dein Stil lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig, auch wenn du dich mit Händen und Füßen wehrst. ;)


Die Suburba war so gesetzlos, dass Jugendbanden wagten, imperiale Glühbirnen aus den Straßenlampen zu schrauben
Jugendbanden würden die zertrümmern und nicht rausschrauben
dass Jugendbanden wagten, imperiale Glühbirnen aus den Straßenlampen zu schrauben, so dass Servius mit einer Stabtaschenlampe den Weg leuchten musste
das doppelte "dass" ist nicht schön
Außerdem war der Fußweg marathonischlang
was? wahrscheinlich bildest du dir auf diesen Neologismus auch noch was ein :p
Die Suburba war so gesetzlos, dass Jugendbanden wagten, imperiale Glühbirnen aus den Straßenlampen zu schrauben, so dass Servius mit einer Stabtaschenlampe den Weg leuchten musste. Unrömisch bis in den letzten Ziegelstein. Nicht einmal ehrbare Straßenhändler hielten es hier aus, dabei hätte Cassius nun einiges für dalmatische Feigen gegeben oder für eine Handvoll dieser Barbecue-Chips, die ihm so schmeckten.
Und dass Cassius nun aufgrund einer Tradition, die seit Jahrhunderten überholt war, als Amtsträger in Toga und Sandalen über das Pflaster schreiten musste, war schlicht ein Skandal. Zumindest regnete es nicht, die verdammte Toga saugte sich dann voll und wog so viel wie ein samnitischer Gladiator in voller Rüstung.
Außerdem war der Fußweg marathonischlang, die Blauen hatten verloren und bis zur nächsten Mahlzeit waren es noch gut neun Stunden! Das alles nur, weil irgendein Emporkömmling nicht einmal den Anstand aufgebracht hatte, wie ein aufrechter Römer zu sterben!
da scheint mir ein Widerspruch drin zu stecken: Römisch zu sein ist doch gleichzusetzen mit nach der Tradition zu leben, oder? Also müsste Cassius doch stolz drauf sein, dass er die Toga trägt, oder? (das hab ich zu Beginn geschrieben, wahrscheinlich deutet es aber schon darauf hin, dass alles in Auflösung ist)
und wo auf dem Palatin keine Villa der anderen glich, so sah hier jede Behausung elend wie die andere aus.
Vorschlag: auf dem Palatin glich keine Villa der anderen, hier sah jede Behausung gleich elend aus.
ein Klagen durch die Menge als hätten sich die Pforten zur Unterwelt aufgetan und der Totenchor beweine sein Schicksal
Komma: Menge, als ... Konjunktiv: beweinte
beweine sein Schicksal.
Ein Sklavenmädchen, kaum älter als sieben oder acht, presste sich an den Rocksaum ihrer Nachbarin und weinte, dass es die Stille der Nacht zerriss
Wortwiederholung
Servius ließ die Heraldpose fallen
auf den Boden? :)
weil sie sich den Zeh an etwas gestoßen hatte
streichen: an etwas
weil der Bruder ihr an den Haaren gezogen hatte
"sie" statt "ihr"
während Cassius daneben stand und versuchte, zu ergründen,
zusammen: danebenstand, ohne Komma, besser: zu ergründen versuchte
Es gefiel Cassius ihm die Welt zu erklären
es muss nicht sein, aber mir würde hier ein Komma gefallen: Cassius, ihm ...
Schaue dich mal weiter hier um
Schau
der bäuchlings in einem üppigen Schlafzimmer lag
hat das Schlafzimmer die Kurven an den richtigen Stellen? ;)
sondern drehte mit einem Ruck und ohne jede Spur von Aberglauben den Leichnam um.
Vorschlag: sondern drehte den Leichnam mit einem Ruck und ohne jede Spur von Aberglauben um
Die Popularen mochten solche Geschöpfe zwar in ihren Reihen dulden, aber auch sie versteckten Ungetüme wie dieses in den hintersten Winkeln der Kurie.
"auch" würde ich streichen, denn in Bezug worauf auch? wer noch?
„Natürlich, kenne ich ihn
ohne Komma
Der Fluch Cäsars!“ Vor dem Namen „Cäsar“ spie Cassius aus.
dann würd ich vor "Cäsar" drei Punkte machen
Servius ließ die Spritze fallen wie eine Giftschlange.
Giftschlangen schleudert man weit von sich weg, die lässt man nicht einfach fallen, lass dir da einen anderen Vergleich einfallen ;)
Zeus, mal wieder
ohne Komma
–und schaute
Space fehlt
Einige Minuten überlegte er gleichsam fieberhaft und ergebnislos, was zu tun sein
sei
ganz in schwarz gekleidet
groß: Schwarz
Prätor“, sagte der Mann. „Es ist mir eine Ehre
Mann, "es ist ...
Das war ein Schreckgespenst der Republik.
das Schreckgespenst, da es das einzige ist, im Sinn von: das (eigentliche) Schreckgespenst
Ohrenbetäubend zündete sich Pluto eine Zigarette
du übertreibst es immer ;)
du bist wo anders
zusammen: woanders
Doch so sehr sich Cassius in Yokos Arme dachte, so sehr stand er auf einer Straße, der ein Gemetzel dräute
:dozey: Vorschlag: er stand trotzdem auf einer Straße, in der ein Gemetzel bevorstand.
Jeder mit einem Schwert bewaffnet und mit einer Pistole. Schwerter für Römer, Kugeln für Sklaven.
lol
Jedem das seine
groß: Seine
Sie nahmen jedermann und jeder Sklavin und jedem Kind das Halsband ab
"jedem Mann" statt "jedermann"
Die Frau saß auf der Straße und starrte mit handtellergroßen Augen in die Gegend
tatsächlich hat deine Geschichte oft etwas Comichaftes, aber es stört nicht
und er schritt stolz mit seiner Geisel, wie ein
ohne Komma
Seht, Seht!
klein: zweites seht
„Aber nein, Pärtor. Er kann kein Bürger gewesen sein
Prätor
Cassius wünschte sich weg, weit weg, und blieb doch dort.
streichen: dort
Cassius wandte sich zum gehen
groß: Gehen
in einem dieser lächerlichen östlichen Kostüme, die sie einen Kimono nannte, nickte ihm
ohne Artikel: die sie Kimono nannte ... nickte ihm zu
fragte sie, mit einem Augenaufschlag
ohne Komma
mischte einen Drink zu Recht
zurecht - aber ich würde das ohnehin streichen
deren Einwohner Augen wie Mandeln hatte
Plural: hatten
Ein Mischling wie jede Nacht
Komma: Mischling, wie ...
Sie drückte ihn gegen seinen Hintern.
auf seinen Hintern, da sie ja oben ist
der reichte Mann der Welt.
reichste
du bist so frei wie du nur sein kannst
Komma: frei, wie ...
Wütend, als sei er der erste
groß: Erste
bevor er den Anstand aufbrachte, zu verschwinden
ohne Komma
Babset flüsterte etwas, Diana sagte
wer zur Hölle ist Diana?
Flüstern „Mama
da fehlt ein Punkt
Marcus schmollte wohl, so ließ sich diffus vernehmen, dass Cassius im Morgengrauen nicht zum Fluss gegangen war, um eine Horde Rekruten zu verabschieden. Wie er angeblich versprochen haben solle.
ich weiß, was du meinst, ist aber schlecht gesagt, du hast überhaupt zuviele dass-Konstruktionen, steht nichts davon in deinem Stilratgeber? ;) und: Wie er angeblich versprochen hatte.
Es gäbe einen Potentanten
Potentaten
Marcus sah ehrfürchtig auf die Kuppel
in die Kuppel
In drei Jahren kannst du schon kandieren
lol - kandidieren
die Mühsal, den das Amt mit sich bringt.
die das Amt
auf das Forum gehen und raus finden
zusammen: rausfinden
danke stumm den Göttern
dankte
Im Gegensatz dazu sein Onkel. Schon lange kahl, der mit raumgreifenden Schritten und flatternder Tunika auf Cassius zusteuerte
so geht das nicht - Schon lange kahl steuerte er mit raumgreifenden Schritten auf Cassius zu.
Gestern nacht
groß: Nacht
das kam davon wenn man einen Jungen losschickte
Komma: davon, wenn ...
Manche sagen Vulcan habe
Komma: sagen, Vulcan
Warum sollte irgendjemand, bei klarem Verstand, woanders sein wollen?
ohne Kommas
Hört, Hört
zweites "hört" klein
und ein unverschämt gutaussehender Senator stolzierte auf die Kuppel
auf die Kuppel? nicht an die Kanzel?
Erschlagen sie, an Ort und Stelle
ohne Komma
meinem Vater zu liebe
zusammen: zuliebe
Wenn morgen um die Zeit da draußen, irgendjemand
ohne Komma
deine Mutter ist die gute
groß: Gute
Er war der erste
groß: Erste
allein dank ihren Reizen war es Cleopatra gelungen
dank ihrer Reize
Cassius versuchte, um sich abzulenken,
Um sich abzulenken versuchte Cassius zu erkennen
Du hast versucht, zu improvisieren
ohne Komma
dass du so dumm bist, hierherzukommen.“
ohne Komma

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

Ich spüre in dem Text eine unbändige Erzählfreude, die aber oft über das Ziel hinausschießt oder sich nicht um die Kohärenz kümmert, aber das mit der fehlenden Kohärenz ist vielleicht sogar Absicht.
Die Geschichte ist einfach da, ja. :)

Ich hab die Geschichte jetzt zweimal sehr genau gelesen, lesefreundlich ist sie nicht, obwohl sie tatsächlich einen einfachen Stil hat.
Dass mit dem zweimal lesen freut mich natürlich.

Aber sie folgt einer Verschleierungstaktik, und das macht das Verständnis so schwierig: Sie erzählt viel von Details, sie wendet sich einmal dahin und dorthin, bringt Nebensächlichkeiten, die wichtigen Dingen kommen nur sehr knapp und man übersieht sie leicht.
Also, Malta zum Beispiel, eins der "wichtigen" Dinge in diesem Text wird schon häufiger erwähnt, schätze mal neun oder zehn Mal. Aber natürlich kann man diese Wendung dann auch übersehen. Der Text zwingt sie einem nicht auf.
Aber was ja zum Beispiel eine einheitliche Meinung ist: Die Figur des Cassius ist gebrochen.
Und da halte ich es schon für zumutbar, genauer hinzusehen. Wie das in der Figur zusammenpasst. Also wenn Malta und das Geheimnis darum im ersten Textdrittel weggegeben würden, hätte doch die Figur lange nicht diesen Reiz. Und es gibt doch tausende Geschichten, die hier gar kein Geheimnis haben; und wenn sie eins haben, dann nur auf einer symbolischen Ebene: Für was steht der Kakadu? :) So möchte ich nicht schreiben.
Das ist auch eine Schwierigkeit der Rezeption, auf der einen Seite werden Geschichten, die nichts zwischen den Zeilen haben, achselzuckend mit einem "Und nu?" abgetan; und solche, wie die hier, dann: Moah, Text komm raus, du bist umzingelnd. Man müsste also in der Konsequenz daraus, nur Texte schreiben, mit genau so einem Maß an "Verborgenem", dass der Leser mehr oder weniger mühelos dem Text das Geheimnis entreißen kann, um dann zu schreien: Da! Da hab ich's! Riesen Text. :) Wie bei Kreuzworträtseln. Sie müssen leicht genug sein, damit keine Frustration aufkommt, aber schwer genug, damit man das Gefühl hat, irgendeine Leistung erbracht zu haben.
Und ja, das ist Publikumsbeschimpfung!
Eine andere Sache, die im Text verborgen ist, weil sie auch Cassius verborgen ist, sind die Hinweise auf den Plot. Mit dem dreimaligen "Satan" zum Beispiel. Sowas hat man aber auch in jedem 48 Minuten Fernsehkrimi.

Ich denke, das hat Methode: Rom ist ein absolutes Zentrum, es gibt nur sie und alles andere ist eben nur das andere - aber in diesem Zentrum ist tatsächlich alles im Begriff zusammenzustürzen: Die Ordnung der Geschlechter und die Religion, die gesellschaftliche Ordnung - alles wollen die Unruhestifter zum Einsturz bringen.
Das Komplott, das dort an der gesellschaftlichen Ordnung rütteln soll, ist weit verzweigt. Das erste Mal, wenn Pompeia auftritt, ist von einem Oktopus die Rede. Sie hat da ein halbes Dutzend oder mehr Eisen im Feuer. Das zwingt den Text dann in verschiedene Schauplätze. Wobei die ja durchaus auch einen gewissen Sinn haben, also der Text springt ja nun nicht irrwitzig hin und her, sondern da ist schon eine Methode drin.

Am Ende erkennt Cassius das Ende der römischen Welt und bringt sich um.
Das würd ich nicht unterschreiben. Das römische Reich verteidigt sich in der Geschichte mit Gestapo-Methoden. Und die Angreifer auf diese Ordnung schlagen zu wie Terroristen.
Und Malticus ist in einer unhaltbaren Position dazwischen; und sein Onkel verlangt ja von ihm, zu so einem "schwarzen Mann" zu werden. Die Rolle spielt er schon, bevor der Text einsetzt, und jetzt soll er es wirklich werden.

Auch die Figur des Cassius hat kein Zentrum mehr, man weiß nicht recht, gehört er eigentlich zu den Guten oder zu den Bösen, er folgt am Ende der alten Tradition, und willigt in den Zweikampf mit Pluto ein, um ihn dann doch völlig unehrenhaft und unrömisch mit der Pistole zu töten.
Wie der Servius getötet hat und das müsste so ziemlich der einzige Freund sein, den er je hatte.

Auch in seinem Verhältnis zu den Frauen ist er zwiegespalten: Da die "alte" Vorstellung, dass Frauen inferior sind und mit den wirklich wichtiges Dingen nichts zu tun haben sollten, dort die "moderne" Vorstellung von der tiefen Liebe zu einer Frau, die das Wichtigste im Leben ist.
Tiefe Liebe zu der Frau ... ich meine, man sieht ja später Babset. Es ist natürlich in dieser Beziehung zu der Phillipinin Yoko auch ein nicht zu lösendes Dilemma. Er kann ihr nicht von Malta erzählen. Er kann keinem von Malta erzählen. Servius weiß es wohl und auch sein Onkel.

Die Geschichte spiegelt als Ganzes in ihrer Erzählweise diese Unsicherheiten einer Übergangszeit wieder, sie will sich auf nichts festlegen, deckt mit diesen zahlreichen Schauplätzen und Themen und Szenen zu, um was es eigentlich geht. Vielleicht weil der Erzähler selbst nicht weiß, was noch wichtig ist, auf was es wirklich ankommt.
Na ja. Wo's dem Erzähler viel wurde - und wo es auch Cassius zu viel wurde - ist die Passage, wenn er zu Hause auf dem Sofa liegt und die Sklaven kommen. Und nacheinenader war dann dort: seine Tochter, der Tod Yokos und die Vorstellung dieses Blutbades.
In der Szene resigniert er und schreit nur nach Wein. Da ist er fertig mit der Welt.
Sonst vorher ... moah, naja. Also es ist klar: wenn man irgendeinen 300 Seiten Roman aufschlägt, dann dauert die Szene, wie sie das Haus da anstecken, 20 Seiten. Wenn's ein Amerikaner, in der guten Tradition der Beschreibungsliteratur verfasst hat, wahrscheinlich 40.
Deshalb ist das natürlich ein kompakter Text, der dem Leser viel abverlangt, das bestreite ich auch nicht. :)

Alles wackelt, und so erzählt er einfach drauflos. Die hier beschriebene Welt hat eben kein Zentrum, kein Rom mehr, dieses Zentrum hat Risse wie die Kuppel im Senat, und die Geschichte hat zum Zentrum, dass alles in Veränderung begriffen ist, dass es nichts Festes gibt.
Im Zentrum steht Cassius, im Zentrum der ganzen Geschichte. Es gibt keine Szene ohne ihn, es gibt keine Szene, in der man ihm nicht über die Schulter sehen könnte. Bis auf zwei Raffungen (Was für Befehle er den Sklaven erteilt; und was er im Theater ausruft - und beides wird relativ bald aufgelöst) bekommt man alles mit, was er macht.
Und die Figur des Cassius ist, so etwa nach dem ersten Viertel der Geschichte, unter einem fast ununterbrochenen Bombardement.
Ich fand das sehr reizvoll, anscheinend steh ich da relativ alleine mit. :)

Die Idee ist toll, wenn auch noch ausbaufähig, ich habe sie auf jeden Fall spannend gefunden, fand es nie langweilig, eigentlich ein gewaltiges Vorhaben, so etwas zu schreiben, dass muss man schon anerkennen.
So so, aber man liest dann doch lieber das Beschauliche? :)

Aber dein Stil lässt an vielen Stellen zu wünschen übrig, auch wenn du dich mit Händen und Füßen wehrst.
Ja, gut. Ich bin deine lange Liste durchgegangen und da waren schon nen paar ziemlich blöde Dinger bei ...
Es ist sprachlich sicher nicht so "schön" wie eine 8.000 Zeichen Figurenstimme-Geschichte, dann würde man von dem Text auch kaum noch was mitkriegen. Die eignet sich nicht sehr gut, um Handlungen zu beschreiben und die Handlung in dem Fall ist ja schon recht komplex.
Na ja, find's schade um den Text einfach, aber da kann man wohl nix machen.

Danke dir für den Kommentar und deine lange Liste :)
Quinn

 

Hey Quinn,

ich habe die Kommentare zu der Geschichte überflogen, und bin doch ziemlich überrascht über das zerrüttete Feedback.
Ich habe die Geschichte verschlungen! Ich finde, das ist ein sehr starkes Stück Geschichte, das du hier anbietest. Habe den Text allerdings auch in ausgedruckter Form gelesen. Bei längeren Geschichten mache ich das häufig, irgendwie kann man dem Text dann auch den entsprechenden Raum geben, nach dem sie verlangen. Zumindest geht mir das so.

Ich bin mir nicht sicher,aber die Idee scheint mir nicht absolut neu.Gab es da nicht mal einen Roman, der dieses Szenario des überlebten Roms zum INhalt hatte? (und nein, ich verwechsle das nciht mit dem Film Vaterland, bin jetzt aber z faul zum googeln)
Seis drum, deine Darbietung hat mich vollauf überzeugt. Allein mit welcher Akribie du da die römisch anmutenden Namen streust, finde ich sehr gelungen. Obwohl akribisch nicht passt, denn das würde ja Überladung suggerieren. WÜrde meinen, genau richtig eingesetzt. Durch die Begriffe wird das römische Bild deutlich, wirkt aber an keiner Stelle aufgesetzt.
Gut, irgendwer hat den Einfluss der Moderne bemängelt, das käme zu kurz. Mjoa, weiß nicht, es fehlt eigentlich nix, aber so ein bis zwei mehr Sätze in dieser Richtung (nicht mehr) können da vielleicht noch rein. Der Gedanke zuckte zumindest auch bei mir kurz auf.
Kompakt. Hm, weiß nicht, hier wird ständig davon gerdet wie viel doch hier drin wäre und was der Text alles vomLeser abverlangen würde ... Entweder bin ich so ein Simpel, dass ich gar nicht begreife, was hier so "..." wäre, oder ich bin dein idealer Leser :D
Ich fand den Stoff zumindest sehr gut vermittelt. Die Perspektive ist gut gewählt. Mit Cassius begleitet der Leser ja eine zerrüttete Figur, die ziemlich reflektiert ist. Die erschaffene Welt wird dadurch in stimmigen Farben beleuchtet. Man weiß nicht, wie man zu Cassius stehen soll, aber man kann sich in ihn hineinfühlen. Und letztlich befreit er sich ja aus seiner ihm aufgezwängten Rolle, die ihm an sich sehr zuwider ist. Zumindest in meiner Lesart.
Da ist echt eine Menge drin, aber überfprdert gefühlt habe ich mich nicht. Habe mich viel mehr an deiner Vision erfreut und die Zuspitzung mit Spannung verfolgt. Kurz fürchtete ich schon, dass die Lösung enttäuschend sein muss, weil der Bogen so großartig gespannt ist, aber das Ende finde ich gut in Szene gesetzt und macht aus der Geschichte eine runde Sache.
Dass du Malta immer wieder andeutest, gibt dem Ganzen einen viel düsteren Touch, als wenn du lang und breit berichten würdest, was denn dort für Qualen stattgefunden haben.

Genial sind die Dialoge. Die Idee mit der über die Tochte sprechende Mutter, einfach nur stark. Aber an den Dialog zwischen Cassius und Pluto kommt nichts ran:

„Man kuriert ihn.“
„Ganz recht“, sagte Pluto. „Man schneidet ihn raus.“
usw
besser hättest du diese Situation kaum zeichnen können.

NUn ja, hört sich jetzt vielleicht etwas überschwnglich an, aber die Geschichte hat mich echt mitgerissen. Respekt

Edit: mein Kom bezieht sich auf die ältere Version, habe gelesen, dass du da noch mal was nachgebessert hast.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo weltenläufer,

Ich habe die Geschichte verschlungen! Ich finde, das ist ein sehr starkes Stück Geschichte, das du hier anbietest.
Das ist natürlich super.

Habe den Text allerdings auch in ausgedruckter Form gelesen. Bei längeren Geschichten mache ich das häufig, irgendwie kann man dem Text dann auch den entsprechenden Raum geben, nach dem sie verlangen. Zumindest geht mir das so.
Ja, ich les sowas langes auch ungern am Rechner, ich verlier dann immer einzelne Zeilen und werd ungeduldig.

Ich bin mir nicht sicher,aber die Idee scheint mir nicht absolut neu.Gab es da nicht mal einen Roman, der dieses Szenario des überlebten Roms zum INhalt hatte? (und nein, ich verwechsle das nciht mit dem Film Vaterland, bin jetzt aber z faul zum googeln)
Ich kenne echt nichts. Ich wollte schon was schreiben, dass sich in dieser Phase 70 bis 40 vor Christus abspielt, weil ich das schon immer für eine der interessantesten Epochen der Meschheitsgeschichte gehalten habe und in den Wochen vor dem Text einiges darüber gelesen habe. Aber die Vorstellung, Historie da nachzuerzählen, behagt mir nicht so. Weil man da viel Recherche betreiben müsste, um dann doch nur in sehr engen Parametern erzählen zu können.
Mich hat aber immer mehr der Gedanke gereizt, einen Gegenentwurf zu unserer heutigen Welt zu zeichnen, in der ja auch vieles gründlich schief läuft; in der Welt, in der diese Geschichte spielt, läuft auch vieles gründlich schief, aber anderes.
Das waren also ein Haufen Ideen, die dann im Hintergrund rauschten, die aber bei der eigentlichen Geschichten immer weiter hinter dem Plot zurücktraten - was ich auch ganz gut so fand.
Es hat mich dann eigentlich, als ich das Ding fertig hatte und es rund fand, in den Fingern gejuckt, noch mehr dazu zu schreiben, auch mehr in diesem Bereich, ja, was das eigentlich für eine Welt sein muss, in der zwar ein Frieden herrscht, in dem vieles, was wir heute als schlimmste Zeit der Geschichte in Erinnerung haben, sich nicht ereignet hat, aber dafür werden, das ist das Eingangszitat ja, sowas wie "Menschenrechte" einfach beiseite geschoben, das gibt es da nicht. Auch keine Gleichberechtigung von Mann und Frau, oder der Gedanke, jeder Mensch sei gleich.
Und in dieser Geschichte, kasimir fordert das ja, gibt es nichtmal einen, der sich für so etwas auch nur einsetzen könnte. Denn der "Menschlichste", wenn man so will, der Blutvergießen verhindern möchte, käme nicht im Traum darauf, an der Ordnung etwas zu verändern.
Und die Frau, die an der Ordnung etwas verändern will, also Pompeia, greift zu drastischen Maßnahmen, der ist das Leben von ein paar Unschuldigen völlig wurst.
Das kommt in der Geschichte nicht so raus, war aber im Hintergrund schon deutlich da. Dass sich also Ziel und Methoden der Figuren überhaupt nicht, in unserem Verhältnis, decken. Und das macht für mein Empfinden ja auch einen Großteil der Tragik der Hauptperson aus. Er ist da mit Malta, mit der Illusion von Malta, zu einer Figur geworden wie bei uns Vlad der Pfähler oder Nero, aber im Ziel mit der Idee, durch diese Illusion tatsächliches Blutvergießen zu vermeiden. Und nun, wo das nicht mehr reicht, soll er es dann Wirklichkeit werden lassen. Und dann tickt er gegen Ende hin ja schon ziemlich aus.

Seis drum, deine Darbietung hat mich vollauf überzeugt. Allein mit welcher Akribie du da die römisch anmutenden Namen streust, finde ich sehr gelungen. Obwohl akribisch nicht passt, denn das würde ja Überladung suggerieren. WÜrde meinen, genau richtig eingesetzt. Durch die Begriffe wird das römische Bild deutlich, wirkt aber an keiner Stelle aufgesetzt.
Ja, wobei das sicherlich auch nicht so astrein sein kann. Wenn man da Cäsarenstück statt Husarenstück schreibt, also ein Sprachhistoriker könnte den Text sicher total vernichten, welche Redewendungen, welche Wörter niemals zustande gekommen wären, wenn sich die Geschichte so entwickelt hätte wie angenommen.
Als Historikstündchen eignet sich der Text natürlich auch nicht. Ich wunder mich fast, dass mir noch keiner vorgeworfen hat, Gnaeus Pompeius Magnus heiße eben nur Magnus und nicht Maximus wie in der Geschichte. Und dass mit Cäsar und Cleopatra ist historisch auch ziemlicher Unfug. :) Die hat ihren machtpolitischen Zenit - und auch Untergang - erst nach Cäsars Tod erreicht mit Marc Anton an ihrer Seite. Und dient jetzt in dieser Geschichte den Herrschenden auch so ein bisschen als Schreckgespenst: Das kommt dabei raus, wenn Frauen das Sagen haben. Da guckt!

Gut, irgendwer hat den Einfluss der Moderne bemängelt, das käme zu kurz. Mjoa, weiß nicht, es fehlt eigentlich nix, aber so ein bis zwei mehr Sätze in dieser Richtung (nicht mehr) können da vielleicht noch rein. Der Gedanke zuckte zumindest auch bei mir kurz auf.
Man könnte da noch ewig Dinge einbauen. Der ganze Hintergrund, die ganze Dynamik. Man könnte da sicher eine Serie draus machen. Das muss man mal schauen, nur so für mich schreiben, ist ja auch immer doof. :)

Ich fand den Stoff zumindest sehr gut vermittelt. Die Perspektive ist gut gewählt. Mit Cassius begleitet der Leser ja eine zerrüttete Figur, die ziemlich reflektiert ist.
Ich finde auch, dass man über seine Handlungen schon mitbekommt, was in ihm vorgeht.

Die erschaffene Welt wird dadurch in stimmigen Farben beleuchtet. Man weiß nicht, wie man zu Cassius stehen soll, aber man kann sich in ihn hineinfühlen. Und letztlich befreit er sich ja aus seiner ihm aufgezwängten Rolle, die ihm an sich sehr zuwider ist. Zumindest in meiner Lesart.
Ja, es ist aus meiner Sicht auch eine "volle" Figur, die schon dazu einlädt in ihrer Widersprüchlichkeit, ihn zu hinterfragen. Also Berg sagt ja zum Beispiel, dass er da zwischen Pantoffelheld und respektablem Senator hin und herschwankt. Das finde ich auch. Er wird ja auch den Ansprüchen seines Vaters nicht gerecht, also er kann nicht so sein wie sein Vater oder wie sein Onkel. Er versagt in diesen Momenten jedesmal. Er kriegt's ja nichtmal hin, die Sklavin da zu ... nehmen. Und eigentlich immer nur, wenn er wirklich den "Helden" gibt, dann ist das aus einer Position der Wut heraus. Also zu Beginn, wenn er Pluto da zusammenstaucht und kurz darauf Pompeias Janitor. Später wenn er da Pompeia hart angeht und gegen Ende im Finale nochmal. Da sind jedesmal Situationen vorausgegangen, die ihn richtig in Rage versetzt haben müssen.

Da ist echt eine Menge drin, aber überfprdert gefühlt habe ich mich nicht. Habe mich viel mehr an deiner Vision erfreut und die Zuspitzung mit Spannung verfolgt. Kurz fürchtete ich schon, dass die Lösung enttäuschend sein muss, weil der Bogen so großartig gespannt ist, aber das Ende finde ich gut in Szene gesetzt und macht aus der Geschichte eine runde Sache.
Danke, das baut mich auf. Ich fand auch, es war der komplizierste und dabei rundeste Plot, der mir gelungen ist. Das ist ja auch ein Muskel, der zum Schreiben, nichtmal zum guten Schreiben, nicht zwingend notwendig ist, den man als Autor auch nicht so gerne trainiert, aber den auszubilden auf lange Sicht schon ein wichtiges Ziel von mir ist.

Aber an den Dialog zwischen Cassius und Pluto kommt nichts ran:
Ja, da sollte schon diese Mentalität Plutos rauskommen. Die Vorlage ist da ein Gestapo-Mann, ein "Linientreuer". Mit dem will man da nicht in einem Zimmer sein.

NUn ja, hört sich jetzt vielleicht etwas überschwnglich an, aber die Geschichte hat mich echt mitgerissen. Respekt
Nein, das hat mich gefreut. Man merkt ja an meinen ewigen Antworten auch, dass ich gar nicht genug über gerade diese Geschichte reden kann, auch mit einigem Überschwang sicherlich. :)

Also vielen Dank für deine Kritik und es freut mich, dass dich die Geschichte so erwischen konnte
Quinn

 

Ach, Quinn, ach, Quinn.

Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mich zu hundert Prozent Weltenläufers Kommentar anschließe: eine tolle Geschichte ist dir da gelungen. Ich muss ja zugeben, dass der Anfang mich abgeschreckt hat (das Gesetz gegen Hunde und der furchtbar lange Name Cassius Cornelius Malticus).
Auf das Setting muss sich eben einlassen, ganz ehrlich, aber du hast es geschafft, meine innere Abneigung innerhalb weniger Sätze (zwei Absätzen, um genau zu sein) in Luft aufzulösen. Ab dem dritten Absatz hab ich gespannt weitergelesen, ab dem Auftauchen Plutos war ich richtig begeistert. Ich kann nur sagen: Dieser Dialog!

Natürlich muss ich zugeben, dass ich mit Sicherheit nicht alles kapiert habe (hab sie jetzt einmal gelesen), ich bin allerdings mit Geschichte nicht sonderlich gut vertraut (ja, ich war teilweise etwas "faul" in der Schule und hab mich schon immer mehr für fiktive Geschichten interessiert). Merkwürdigerweise hat es mich jedoch nicht gestört, dass du dem Leser alle diese Namen hinknallst und einfach davon ausgehst, dass er sie kennt. So mag ich es lieber, als würde der Autor den Leser für dumm halten und alles haarklein erläutern.


Also, du siehst, mir hat es richtigen Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen. :)


Liebe Grüße
Tamira

Ein paar Kleinigkeiten:

„Verzeiht Prätor, es ist nur: Ihr seht aus wie eine Schildkröte, die auf den Rücken gefallen ist.“
Das gefällt mir nicht, es vermittelt einfach das Bild, dass Cassius wirklich auf dem Rücken liegt. Ein kleines "Ihr seht so hilftlaus aus wie eine ..." würde Wunder wirken.

Die Männer in Schwarz verriegelten die Tür von außen und spritzten vom Haus weg.
Örks, so schöne Sätze und dann so eine Metapher. ;)

Was mich ein wenig durcheinander gebracht hat, ist, dass jemand die Witwe Pompeia als "schön" bezeichnen konnte. Ehrbar usw. ja, ok, aber wenn sie so

Und inmitten des sonst nackten Saals saß sie dort fett wie eine Qualle auf ihrem Diwan. Die Tentakel in Dinge gesteckt, die sie nicht das Mindeste angingen. Fulvia Pompeia Maxima. Purpur! Das Flittchen trug ein Kleid aus reinstem Purpur!
aussieht, finde ich das äußerst seltsam.
Übermannsbreit klaffte eine Lücke in der Kuppel.
ein furchtbares Wort, bei dem man sich beim Lesen verhaspelt.

Grübelte noch, während sie die Plätze einnahmen.
Das fehlende "Er" macht den Satz unpassen für diese Geschichte.

Cassia schluckte schwer. Cassius drückte ihr einen Kuss auf die Wange und stand, während sich Cleopatra die gewaltige, zischende, purpurne Schlange an die Brust hielt, auf. Cassius rief mit fester Stimme, Babset versank aus Scham in ihrem Sessel.
Was rief er mit fester Stimme? Ist das auf seinen Satz zuvor bezogen?

Putz bröckelte von der Wand hinter ihm, Pluto fiel.
Hier ist der Bezug falsch, denke ich. "ihm" bezieht sich ja auf Cassius, aber der Putz bröckelt ja hinter Pluto.
Glaube ich zumindest ...

 

Eine tolle Geschichte, Quinn! Rom wurde nicht vom Christentum erobert, sondern von dem genauen Gegenteil: der Unterwelt. Aber das ist fast egal, deren Priester haben jetzt das Sagen und herrschen wie weiland Päpste über das Abendland. Auf jeden Fall ist Rom nicht untergegangen, beherrscht Europa und die Mittelmeeranrainerstaaten wie zur Zeiten Trajans.

Die Zeit, in der die Geschichte spielt, ist trotz der Pistolen und des Fernsehens schwer zu bestimmen, denn die technische Entwicklung könnte genauso gut andere Wege gehen wie die gesellschaftliche offenbar gegangen ist: Sklavenhaltergesellschaft, Frauen haben nichts zu sagen, und Senatoren korrupt wie eh und je, bei Laune gehalten durch Privilegien und die Vorstellung, sie regieren das Ganze.

Malta habe ich die ganze Zeit als den roten Faden empfunden, immer wieder lässt du ein paar Wörter darüber fallen, so dass nach und nach das ganze Ausmaß der Härte, die Rom seine Provinzen spüren lässt, sichtbar wird: Wie nach dem (echten) Spartakusaufstand wurden auf Malta alle aufständische Sklaven gekreuzigt.

Und wie im echten Rom, lebte auch deine Stadt in Saus und Braus, mögen Ernteausfälle die Versorgungslage schwerer machen, Rom kann seinen Bürgern trotzdem Brot und Spiele bieten, denn das war damals – und ist es heute bei uns – das Wichtigste, um die Bürger ruhig zu halten.

Und selbst die Moral ist die gleiche wie immer und auch heute: Es wird gemordet aus Staatsräson und wenn die Macht selbst bedroht ist, lässt sie die Truppen einmarschieren – darum ist es so wichtig, dass bei uns dem Militär per Gesetz verboten ist, im Innern polizeiliche Aufgeben wahrzunehmen, denn das echte Rom ist nicht zuletzt daran gescheitert, dass jeder dahergelaufener Militärtribun in Provinz sich von seinen Truppen zum Kaiser ausrufen ließ und anschließend damit drohen konnte, nach Rom zu marschieren, falls ihn der Senat nicht anerkennen sollte.

Am Anfang habe ich gestutzt, weil ich dachte, Cassius wäre ein Prätorianer (wegen der Anrede Prätor), aber als der schwarzgekleidete Pluto als Gegenspieler erschien, war für mich klar, dass er nur ein ziviles Amt innehatte.

Die Geschichte hat eine gesunde Mischung aus show und tell. Dass das meiste aus den Gedanken des Cassius zu erfahren ist, kann man wohl nicht ändern, sonst müsste die Geschichte noch länger werden. Ein großes Lob für das Entwerfen dieser Welt, die gar nicht so anders ist als die echte es noch bis zur Aufklärung war.

Wenn nicht das Beste, so doch das Lustigste ist auf jeden Fall das obligatorische Spucken bei Erwähnung des Namen Cäsars – ein Glück, dass wir das bei einem anderen Namen nicht machen müssen :D

 

Hallo Tamira,

A

Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mich zu hundert Prozent Weltenläufers Kommentar anschließe: eine tolle Geschichte ist dir da gelungen.

Ich finde auch, das ist das Beste, was ich dieses Jahr geschrieben habe. Und ich scheue mich nicht, das wieder und wieder zu sagen. :)

Ich muss ja zugeben, dass der Anfang mich abgeschreckt hat (das Gesetz gegen Hunde und der furchtbar lange Name Cassius Cornelius Malticus).
Auf das Setting muss sich eben einlassen, ganz ehrlich, aber du hast es geschafft, meine innere Abneigung innerhalb weniger Sätze (zwei Absätzen, um genau zu sein) in Luft aufzulösen. Ab dem dritten Absatz hab ich gespannt weitergelesen, ab dem Auftauchen Plutos war ich richtig begeistert. Ich kann nur sagen: Dieser Dialog!
Ja, so war es auch gedacht, dass man ab dem Dialog spätestens weiterlesen will. Der zähe Anfang - ja, ich seh das gar nicht so, mich hätte das Ungewöhnliche eher gereizt, für viele wirkt es zäh.

Merkwürdigerweise hat es mich jedoch nicht gestört, dass du dem Leser alle diese Namen hinknallst und einfach davon ausgehst, dass er sie kennt. So mag ich es lieber, als würde der Autor den Leser für dumm halten und alles haarklein erläutern.
Ja, so seh ich das auch. Man muss die ganzen Namen ja auch nicht kennen, sie erhöhen den Lesegenuß, wenn man sie kennt, aber auch sie zu kennen, sollte der schon da sein.

Also, du siehst, mir hat es richtigen Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen. :)
Das ist immer das Wichtigste, vielen Dank, dass du der Geschichte eine Chance gegeben hast, nachdem ich inm Chat total zufällig ständig über sie gesprochen habe. :)
Um die Detailanmerkungen kümmere ich mich, wenn ich wieder schreibe.

Danke dir!
Quinn

Hallo Dion,

Eine tolle Geschichte, Quinn! Rom wurde nicht vom Christentum erobert, sondern von dem genauen Gegenteil: der Unterwelt. Aber das ist fast egal, deren Priester haben jetzt das Sagen und herrschen wie weiland Päpste über das Abendland. Auf jeden Fall ist Rom nicht untergegangen, beherrscht Europa und die Mittelmeeranrainerstaaten wie zur Zeiten Trajans.
Ja, Pluto steht schon für diese instutionalisierte Religion. Der ist Priester und gleichzeitig Staatsbeamter. Die Römer hatten da eine sehr pragmatische Vorstellung von Religion, das war sehr viel stärker mit dem Staat verwoben als in der heutigen Zeit.

D

ie Zeit, in der die Geschichte spielt, ist trotz der Pistolen und des Fernsehens schwer zu bestimmen, denn die technische Entwicklung könnte genauso gut andere Wege gehen wie die gesellschaftliche offenbar gegangen ist: Sklavenhaltergesellschaft, Frauen haben nichts zu sagen, und Senatoren korrupt wie eh und je, bei Laune gehalten durch Privilegien und die Vorstellung, sie regieren das Ganze.
Ja, genau. Man muss sich auch vor Augen halten, dass diese Welt nicht die dramatische Erschütterungen und die Stagnationen erlebt hat, wie wir sie kennen. Also kein "finsteres Mittelalter", keine Weltkriege. Weil schon alles platt war, bevor es dazu kommen konnte.

Malta habe ich die ganze Zeit als den roten Faden empfunden, immer wieder lässt du ein paar Wörter darüber fallen, so dass nach und nach das ganze Ausmaß der Härte, die Rom seine Provinzen spüren lässt, sichtbar wird: Wie nach dem (echten) Spartakusaufstand wurden auf Malta alle aufständische Sklaven gekreuzigt.
Ja, wobei es da mit Malta schon etwas mehr auf sich hat. Denn der Held hat Malta nur vorgetäuscht. Er ist der Buhmann der Sklaven für Malta, hat aber keinen dort umgebracht. Es war ein Fake. So ähnlich wie die Gerüchte, um die Mondlandung der Amerikaner, die in einem Hollywood-Studio stattgefunden haben muss.
Und nun steht ihm es bevor, tatsächlich das zu tun, was ihm alle vorwerfen.
Den kleinen Twist haben irgendwie nur die wenigsten gelesen aus dem Text, da muss ich mir auch an die eigene Nase greifen: Solche Twists sollte man immer deutlich auflösen und nicht nur an Andeutungen, sonst entgehen die zu leicht und zu vielen.


Und wie im echten Rom, lebte auch deine Stadt in Saus und Braus, mögen Ernteausfälle die Versorgungslage schwerer machen, Rom kann seinen Bürgern trotzdem Brot und Spiele bieten, denn das war damals – und ist es heute bei uns – das Wichtigste, um die Bürger ruhig zu halten.
Ja. Es ist dem Römer auch scheißegal, wie es dem Rest der Welt geht. Alle Wege führen nach Rom, auch alle Versorgunswege, deshalb spielt der Rest der Welt in Rom selbst keine Rolle. Man erfährt auch nichts darüber, nur dass es dort eben anders zugeht und dass in Rom selbst Industrie und Autos verboten sind, so eine Art Schutz-Zone.

Und selbst die Moral ist die gleiche wie immer und auch heute: Es wird gemordet aus Staatsräson und wenn die Macht selbst bedroht ist, lässt sie die Truppen einmarschieren – darum ist es so wichtig, dass bei uns dem Militär per Gesetz verboten ist, im Innern polizeiliche Aufgeben wahrzunehmen, denn das echte Rom ist nicht zuletzt daran gescheitert, dass jeder dahergelaufener Militärtribun in Provinz sich von seinen Truppen zum Kaiser ausrufen ließ und anschließend damit drohen konnte, nach Rom zu marschieren, falls ihn der Senat nicht anerkennen sollte.
Ja, Rom ist auch gescheitert, weil es nicht in der Lage war in 800 Jahren die Antwort auf die Frage "Was machen wir eigentlich gegen berittene Bogenschützen?" zu finden. Also das was Crassus da gekillt hat, die Parther, deren Nachkommen haben dann Gulasch aus dem alten Rom gemacht.
Die Staatsgewalt, hier durch den Censor dargestellt, ist in diesem Rom natürlich noch um einiges skrupelloser und pragmatischer als bei uns.
Der hat ja auch keine Opposition, der Senat besteht auch dekadenten Deppen und so etwas wie eine freie Presse oder so ... na ja. :)

Die Geschichte hat eine gesunde Mischung aus show und tell. Dass das meiste aus den Gedanken des Cassius zu erfahren ist, kann man wohl nicht ändern, sonst müsste die Geschichte noch länger werden. Ein großes Lob für das Entwerfen dieser Welt, die gar nicht so anders ist als die echte es noch bis zur Aufklärung war.
So war es gedacht, freut mich, wenn es funktioniert hat.

Wenn nicht das Beste, so doch das Lustigste ist auf jeden Fall das obligatorische Spucken bei Erwähnung des Namen Cäsars – ein Glück, dass wir das bei einem anderen Namen nicht machen müssen .
Ja, die Römer haben ja mit der damanto memoriae experimentiert, also einfach einen Namen dann zu "verbannen", das hat sich in der Praxis als untauglich erwiesen (wir haben so ziemlich das Gegenteil mit Hitler, über den wir pausenlos sprechen); da fand ich die Idee mit dem Ausspucken sehr passend. Das Ironische ist es ja, dass in den zwei Figuren, Pompeiius und Cäsar, der Unterschied letzlich nur in der öffentlichen Wahrnehmung zu finden ist. Das sagt Cassius ja an einer Stelle. In der Geschichte ist vieles nur angedeutet, weil es zum Ausführen gar keinen Platz gegeben hätte.

Freut mich sehr, dass sie dir so gut gefiel! Vielen Dank für deinen Kommentar, die Geschichte liegt mir auch sehr am Herzen
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

Nun dachte ich, ich muss mir mal diesen Purpur anschauen, den hast du ja ein paar Mal erwähnt. Und man muss sagen, es ist wirklich ein geiler Text.

Man merkt, du hast auf jeden Fall Ahnung von dem Stoff, überhaupt die ganze Idee mit Rom in der Zukunft, das finde ich klasse, und wie du es machst auch, mit den ganzen Göttern und Anspielungen, das ist lustig und macht Spaß, auch wenn man gar nicht alles versteht. Das ist ja fast ein neues Genre, das du hier erschaffen hast. Rompunk könnte man es nennen. Oder gibt es so was schon? Mal abgesehen von Asterix und Obelix? An deiner Stelle würde ich mir überlegen, ob ich das Setting nicht noch mal aufsuchen möchte.

Ich fand die Familiengespräche super, und auch den Dialog mit Yoko voll spannend, dieses Gespräch über das mythische Arkadien, das hab ich dann gegoogelt, Arkadien an sich schon ein tolles Wort. Und dass Yoko behauptet sie sei reinen Blutes, und dann die Todesmedlung ... und wie du sie beschreibst, auch der schöne Janitor (!) vor dem Puff, ich mag allgemein diese etwas ausgefallene und bunte Beschreibungen, die du für Menschen verwendest ... also echt, da steckt ja so viel drin in dem Text ...

„Wir möchte alle irgendwas. Ich wäre gern Ringrichter bei den Meisterschaften auf Lesbos“, murmelte Cassius, während er nach etwas Strauß griff.

Der Nubier, eine pechschwarze Unverschämtheit sondergleichen, zeigte ein makelloses Lächeln.

:)

Cassius ist eine ganz tolle Figur, da hat er keinen Plan, wie er mit der Tochter umgehen soll, das kann der Sklave besser ... richtig zerrissen ist er, der leidet unter seiner Stellung und hat keinen Draht zu der Familie, ist aber stets bemüht, auch mit dem Sohn ... Cassius ist sympathisch, den verfolgt man gerne, das ist gut.

Also das ist wirklich eine sehr seltene Mischung aus Wissen, Erzählfreude, Spannung, Witz und Ideenreichtum, die hier zusammenkommt, das sieht man ja nicht alle Tage. Diese Geschichte liegt ja mal ganz ganz weit über Forumsniveau.

Ein paar Kleinigkeiten:
Als Babet Marcus sagt, er dar nicht zum "Militär" darf, da wusste ich erst nicht, wer spricht. Und das mit Malta hab ich auch nicht gecheckt, dass es ein Fake wie die Mondlandung sein soll und gar nicht passiert ist ... hab mich halt gefragt, wieso es passiert ist, er meint ja auch an einer Stelle, er könne nichts dafür.

Sorry, muss früh raus, kann jetzt nicht auf alles eingehen, vielleicht komme ich wieder drauf zurück, wenns ichs nochmal gelesen hab. Auf jeden Fall eine ganz tolle Story, du weißt ja, dass Bozo mir gefallen hat, dieser Text erinnert daran, die Intrigen, auch Yoko und die Frau mit den roten Haaren, dieses Gespräch, das die Liebhaber führen, da gibts Ähnlichkeiten ... aber es ist halt viel umfassender und größer und tiefgreifender als Bozo. Besser könnte man auch sagen. Ich frag mich jetzt, warum da manche nicht reingekommen sind. Ich hab auch bei Weitem nicht alles verstanden bzw. den mythischen/geschichtlichen Hintergrund gekannt, hab aber schon Latein in der Schule gehabt und war auch in Rom, kann mich also durchaus von so was anstecken lassen. Aber trotzdem, Rom ist Rom, kennt ja jeder ein bisschen. Eventuell war einfach die Länge für manche abschreckend. Vielleicht fällt mir später noch was dazu ein.


Okay, jetzt habe ich mir auch die Kommentare dazu reingezogen und so. Also der Text verlangt dem Leser schon was ab, aber so megakrass ist er jetzt auch nicht. Er ist kompakt, beim zweiten Lesen sind mir ein paar Sachen klarer geworden ... ich finde die Figur Cassius immer noch richtig gut. Man merkt ihm seine Gefühle nicht so richtig an, aber natürlich auch weil er ein Senator ist, der um ein Image bemüht ist. Aber natürlich leidet er, als der Sklave umgebracht wird, und auch bei Yoko. Und am Ende nimmt er sich das Leben sogar. Sein Sohn wird das überhaupt nicht checken – er denkt er ist jetzt ein Held. So gibt er sich halt in der Öffentlichkeit, auch vor seiner Familie, der kann sich gar nicht leisten, was anderes zu sein, Schwäche zu zeigen. Und dann schwebt noch der Vater im Hintergrund. Der Sklave war wahrscheinlich wirklich der einzige, eben weil ein Sklave war, womit er sich unterhalten konnte. Sie verarschen sich auch ein bisschen zu Beginn, wobei auch da wohl eine gewisse Distanz eingehalten wird. Und dann geht er natürlich zu Yoko, die ihn für einen Massenmörder hält, aber halt auch eine Sklavin ist; dort kann er sich auch entspannen und ein bisschen reden, da geht's auch gar nicht so sehr um Sex, oder jedenfalls nicht ganz, habe ich das Gefühl. Als sie stirbt, da habe ich auch mehr Leid von ihm erwartet ... aber das kommt dann eben zum Schluss. Das ist schon eine interessante Figur, der Cassius, der ist schon auch stur und arschig, der könnte sich mehr öffnen, auch irgendwie stärker und souveräner sein, vielleicht auch wenn er sich seinen Mitmenschen mehr zutrauen würde ... aber vielleicht ist das in seiner Lage auch gar nicht möglich. Da mit den Halsbändern, diese Attrappe, die gebaut wurde. War das wirklich nur irgendeine unsinnige Idee, oder überlese ich da was? Wie passt das in Pompeias Plänen?

Dass er mit 16 Jahren nicht mit seiner Frau redet, wegen dem Arzt. Das verstehe ich so, dass er unbedingt Cassia retten wollte und der Arzt deswegen – auf Kosten der Mutter – eingegriffen hat. Und der Mutter wäre es lieber gewesen, das Kind wäre einfach gestorben. Da steckt überall so ein Geschlechterkampf drin, verkuppelt mit dem Christentum irgendwie. Und dann Satan. Hier sind doch die Frauen die Sataniker eigentlich, sie kommen mit dem Apfel daher und betreiben Puffs und lesen Bücher und wollen Rom umstürzen. Satan bringt ja auch Aufklärung und Licht, er rebelliert.

Vielleicht kommen hier noch ein paar Kommentare rein .. würde mich jetzt wundern, wenn der Text wirklich so wenig begeistern konnte. Das ist ein großer, gewagter Text mit marmornen Brüste und asiatische Nutten und große Nubier und Söhnen in Togas und Sachen zum Mit- und Nachdenken ... was geht Leute? Die Kritiken kann ich nur bedingt nachvollziehen. Gibt so viele saubere Text, die sind zwei Seiten lang, und so richtig rein und makellos und perfekt und ungefähr so prickelnd und spannend wie ne achtzig-jährige Nonne. Diese Geschichte gibt Gas, geht ab, traut sich was, hat vielleicht die eine oder andere Neurose, so wie sie alle schöne Frauen haben, dann verwirrt sie leicht und man muss sich um sie kümmern, ihr ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken, dafür ist sie aber erstaunlich gut durchstruktiert, keine betrunkene Stripperin, sondern eher eine einsame, versaute und richtig heiße Geschichtslehrerin.


MfG,

JuJu

 

Hallo, lieber Quinn,

das fand ich jetzt doch erstaunlich.
Ich las Jujus Empfehlung und dachte mir ok: Der Quinn, der hat, glaub ich, nicht nur was drauf beim Auffinden stilischer Holperfallen, sondern auch was bei Charakterisierungen und bei dem Aufbau der Handlung, liest du mal, lernst was dabei für dich über gute Charakterisierungen, amüsierst dich nebenbei noch ein bisschen, indem du dir mal eben die Geschichte einverleibst, und dann - verleibt sich die Geschichte mich ein.

Ja, eine sehr spannende, schön geschriebene Geschichte über hadernde Männer mit keifenden Ehefrauen, Heldentum Tragik und fiese Intrigen.

Erst mal wollte ich es dir auch so ein bisschen „heimzahlen“ (nicht ernsthaft natürlich, nur so ein unschöner, kleiner gehässiger Charakterzug) :baddevil:, weil du mal geschrieben hattest, man könne nicht aus der Perspektive einer anderen geschichtlichen Situation schreiben. Zumindest müsse man davor einen gediegenen Respekt haben. Ich dachte: Der Schlawiner, jetzt macht er es selbst. Mal gucken, ob ich da nicht was finde, was nicht geht. Ok, ich habe auch gleich was gefunden, dachte ich zumindest, nämlich einen wurschtigen Kommissar im Römerröckchen (die Anfangssequenz).
Als ich aber meinen innerlich gespitzten Bleistift schon senken wollte, musste ich so schmunzeln, dass der Stift sich in Luft auslöste. Schnell war klar, dass du ein Rom mit alten Zutaten in eine neue Zeit versetzt hast. Und man merkt, wie liebevoll und einfallsreich du da zu Werke gegangen bist.
Sehr trickreich, denn damit sind natürlich alle modernen (oder auch gar nicht so modernen) Konflikte wie Gatte-Gattin, Vater-Kinder wieder möglich und man kann mit diesen altertümlichen Requisiten spielen.

Es ist einfach so, diese eigenartige Mischung aus römischen Elementen und Moderne, das fand ich schon gleich am Anfang sehr unterhaltsam. Lustig, weil ich gespannt war, was du nun wieder miteinander verquicken wirst. Bei den Blauen beispielweise dachte ich, haha, meine Güte, jetzt bringt er sogar Fußball mit rein (von den Azzurri bis zum antiken Schalke wär ja alles möglich gewesen). Drauf kam ich, weil mir der Prätor am Anfang wie gesagt wie ein unwirscher Kommissar vorkam, der zum Job muss und sich über die Hundehaufen ärgert. Und lieber auf dem römischen Diwan Fußball gucken will, das Lauftraining immer nur als zukünftiges Vorhaben angeht und der sich nur sehr unlustig an seinen „Arbeitsplatz“ begibt, ein etwas hochnäsig/väterlich/zugetanes Verhältnis zu seinem Untergebenen Servius (schon allein der Name) pflegt und so ein wenig über allem zu stehen scheint.
Im Charakter des Prätors gab es gleich zu Anfang diese modernen Züge im humorvollen Sinn (s.o.) und gleichzeitig das Spiel mit und die Distanz zu Denkgewohnheiten wie dem Aberglauben, die aus eher anachronistischen Gesellschaften stammen, also im ernsthafteren Sinne, wieder eine modernere Charakterisierung.
Und sehr interessant, wie du dann etwas Dunkles in diesen eher humorvollen Anfangsdialog reinbringst. Das Mädchen, das bei seinem Namen in Tränen ausbricht und Cassius, der das für sich als etwas reflektiert, zu dem er nicht vorbehaltlos zu stehen scheint. Was aber wohl etwas ziemlich Übles gewesen sein muss. In gewisser Weise bereitest du den Leser ja auch durch das Eingangszitat des maltesischen Sklaven vor.
Und da war ich dann vollends drin in deiner Geschichte und hab nicht mehr aufhören wollen zu lesen. Und mich gefreut, wie schön du das gemacht hast, was die Charakterisierung betrifft: ein liebevoll beschriebener abgeklärter Typ mit durchaus sympathischen und lustigen Eigenheiten, der aber eine echt dunkle Seite hat, die ihm sehr zusetzt.
Der Fortgang war dann ungemein spannend. Die Szene vor und in dem Haus mit dem Höllenhund Pluto. Der immer alles ausräuchern oder ausmisten will, so ein richtig scharfer Hund und ihm gegenüber der eher reformerische Cassius, der reparieren und heilen möchte. Ja, da verstehe ich jetzt so ein bisschen, was du mit dem indirekten Sprechen meintest (ist gerade eine kleiner Bezug auf deinen Kommentar zu meiner Geschichte).
Dann der Paukenschlag, den beiden nörgelnden römischen Bürgern das Genick zu brechen. Richtig fies.
Immer wieder fiel mir auf, wie einfallsreich du diese für mich neue Idee (Rom in die Gegenwart zu versetzen) umgesetzt hast: Einige Einfälle, die sehr humorvoll sind, ein Beispiel dafür der absolut witzige „Dialog“ zwischen Cassius und seiner Frau. Dann aber andere Stellen, das Gespräch mit seinem Onkel, Stellen, die ja überhaupt nicht humorvoll, sondern spannend und tragisch sind.
Auch die Satansandeutungen, die so schön en passant eingestreut sind, nie mit der Wumme, aber doch so, dass sie im Leserauge einen winzige Haken hinterlassen. Schön.
Eine Sache, die ich irgendwie klasse fand, betrifft den Namen: Cassius denkt von sich selbst immer nur als Cassius. Alle anderen Personen außer seinem Onkel sprechen ihn gar nicht an oder nennen ihn Prätor oder Herr. Wenn er von sich als Malticus spricht und denkt, dann ist es immer seine dunkle Seite. Sein Onkel spricht ihn „Malticus“ an. Schon ist klar, dass damit eine furchtbare, blutige Aufgabe auf ihn wartet. Hast du das extra gemacht?


Was zu meckern hab ich aber auch:

dass er kicherte wie eine Hyäne im Theater.
Finde ich zu viel. Im Theater könntest du weglassen. Wirkt auf mich leider unfreiwillig komisch.

Ohrenbetäubend zündete sich Pluto eine Zigarette an und blies Rauch gegen das Deckengemälde.
Habe ich da was verpasst? Zündet Pluto der alte Höllenhund sich die Zigarette mit einer Kanone an? Ne, nicht böse sein, aber wirkt auf mich hier unpassend und übertrieben


Der Nubier, eine pechschwarze Unverschämtheit sondergleichen, zeigte ein makelloses Lächeln.
Die pechschwarze Unverschämtheit finde ich super, das „sondergleichen“ passt mir gefühlsmäßig hier nicht. Ich weiß, es ist grammatikalisch richtig gesetzt, aber es ist mir zu viel. Vielleiht aber auch nur eine Geschmackssache.


Marcus musterte ihn misstrauisch. Völlig zu Recht.
Ich fände es hier stärker, wenn du „Völlig zu Recht“ weglässt. Das kannst du doch dem Leser überlassen, der erklärt sich das schon von ganz alleine.

Marcus strahlte übers Gesicht wie ein Welpe.
Das ist auch eher eine Geschmackssache. Ich weiß schon, was du meinst, Welpen haben diese unvergleichlich fröhlichen Gesichter, wenn sie rumhecheln und nach dem nächsten Ball schnappen, trotzdem ist es im strengen Sinne ja kein Lachen. Von daher passt mir der Vergleich nicht so recht.

Eine Sache noch, die ich höchst erstaunlich fand:
Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass man so gut wie jeden Charakter, der eine etwas größere Rolle in der Geschichte spielt, nie so ganz eindimensional zeichnen dürfe, sondern er müsse immer ambivalent werden. Und – was ist dann mit Pluto? Wenn einer echt schwarz ist, dann doch wohl der. Nachvollziehbare Motive alles klar, auch vorstellbar, aber tintenschwarz.
Versteh mich nicht falsch, ist keine Forderung von mir, dass der nun vielschichtig sein müsste. Ich finde es sehr gut, wie du es gemacht hast. Ich stelle es nur einfach mit Erstaunen fest, dass dir das offenichtlich niemand angekreidet hat (erschien mir ein bisschen wie eine ungeschriebene Autorenregel: charakterisiere nie nur zwei- oder gar eindimensional) bzw. dass du das einfach so gemacht hast. Fand ich auch gut so. Dieser komische Vater von Lisbeth Salander in der Romantrilogie , ich komme gerade nich auf den Namen des Schreibers, ist ja auch abgrundtief böse.

Und hier noch so ein paar Lieblingsstellen, Beipsiele aus den vielen:

- Freigewordene, dachte er. Abergläubisch bis in die letzte Faser. Man musste sie einfach gern haben.

- Das haben sie aus deinem Sohn gemacht, dachte Cassius. Ein Schreckgespenst des Imperiums. Einen schwarzen Mann.

- Cassius wünschte sich weg, weit weg, und blieb doch dort. Endlich verstummten die Schreie.

- Der gesamte Dialog zwischen ihm und seiner Gattin

. Rom brannte, als sie nach Hause gingen. Kein Feuer loderte, aber die Gemüter der Männer auf den Straßen waren entflammt. An jeder Ecke schrien Männer, stiegen auf Podeste und brüllten falschen Zorn über echtes Unrecht in die Welt hinaus. Auf jedem Bildschirm, der zu sehen war, in Auslagen von Geschäften, flimmerte Malta. Die gekreuzigten Sklaven zu Tausenden.

Ja, ich habe deine Geschichte sehr, sehr genossen, vielen Dank für ein römisch-modernes Lesevergnügen
Lieben Gruß Novak

 

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