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Pure Magie ...
Pure Magie ...
„Hör auf, an deinen Fingernägeln zu knabbern,Tim!!“ Tim war genervt. Hatte seine Mutter ihn dabei also schon wieder erwischt!
„Ich bin so aufgeregt“, meinte er reumütig. „Samstag ist doch der Schwimmwettbewerb und ich bin so nervös, weil ich nicht weiß, ob ich das schaffe ...“ Tims Mutter schüttelte den Kopf. „Du bist der beste Schwimmer deiner Klasse, warum machst du dir darüber Sorgen?“ Trotzdem verknotete sich Tims Magen, wenn er nur an Samstag dachte. „... aber die ganze Schule guckt zu und wenn mir dann vor Angst die Knie wackeln, komme ich doch gar nicht vom Fleck ...“ Ach, dieses verflixte Lampenfieber, dachte Tims Mutter mitleidig, wenn man dagegen doch etwas tun könnte!
Am Freitagabend kam Tim vom letzten Schwimmtraining vor dem großen Tag nach Hause, mutlos und blass. „Das schaffe ich nie“, murmelte er beim Abendbrot vor sich hin.
Seine Mutter klopfte ihm tröstend auf die Schulter und hielt ihm ein Päckchen vor die Nase. „Guck mal, ich habe hier eine Überraschung für dich“, sagte sie. Tim öffnete gespannt die Verpackung und wickelte ein blau-rotes Kleidungsstück aus. Och nö, dachte er ein wenig enttäuscht, ausgerechnet eine Badehose, davon hatte er doch wirklich genug - in allen Farben und Formen!
Nur mäßig begeistert hielt er sie hoch. Doch dann entdeckte er etwas Interessantes! Vorne an der Seite prangte eine mit wasserfestem Filzer hingeschriebene Unterschrift.
„Ma... Spi...“, versuchte Tim zu entziffern. „Das gibt’s doch nicht! Mark Spitz? Der echte siebenfache Gold-Medaillen-Schwimmer?“ Als glühender Schwimm-Fan wusste Tim natürlich, dass seitdem kein einziger Schwimmwettkämpfer mehr, auch nicht bei der letzten Olympiade, sieben Goldmedaillen auf einmal gewonnen hatte, und er bewunderte diesen Sportler sehr. Seit Monaten hatte Tim schon versucht, über das Internet ein Autogramm seines großen Vorbildes aus Amerika zu ergattern und ausgerechnet heute vor seinem Wettkampf hatte es geklappt! „Wo hast du denn das nur her, Mama?“ Jetzt hatte Tim vor Freude wieder ganz rote Wangen.
„Heute Morgen in der Stadt habe ich zufällig gesehen, dass ein Sporthaus zur Eröffnung eine Autogrammstunde mit Mark Spitz abhielt. Da habe ich gleich an dich gedacht! Und wo könnte das Autogramm besser aufgehoben sein als auf einer neuen Wettkampfhose für dich?“, schmunzelte seine Mutter.
Obwohl ihn Tim so heiß aus dem Kalender weggewünscht hatte, kam er doch, der Samstag: Schlotternd vor Aufregung zog sich Tim kurz vor dem Wettkampf um. Hätte er doch nur nicht den Fehler gemacht, aus der Umkleidekabine einen Blick auf die Zuschauer zu werfen! Jede Menge Leute, die ihn anstarren würden, und, so kam es ihm mit seinen elf Jahren vor, alles voll mit kichernden Mädchen ...
Er zog die Mark-Spitz-Hose aus seiner Sporttasche und sogleich überkam ihn eine eigenartige Ruhe: tief drinnen wusste er plötzlich genau, es würde alles gut werden. Er streifte die Badehose über – da passierte es: Ob eingebildet oder nicht, das Lampenfieber war weg!
Sein Name wurde aufgerufen, und mit erhobenem Kinn ging er die wenigen Schritte, ohne auszurutschen oder zu stolpern, von der Kabine zum Beckenrand. Er meinte, in der Ferne eine Hymne zu hören, brausenden Zuschauerapplaus, seine Armmuskeln schwollen an und er hatte plötzlich das Gefühl zu wachsen ... Endlich selbstbewusst kletterte er die zwei Stufen zum Startblock hinauf, atmete tief durch und – schwamm so schnell wie noch nie! Pure Magie ...
Susafee/okt2004