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Pummelpudel
Frank verdiente reichlich, lebte entsprechend gut, kleidete sich perfekt, sah gut aus, hatte eine hübsche Frau, zwei gesunde, herzige Kinder, auffallend weisse Zähne und Pummelpudel, dessen hervorstechende Eigenschaft es war, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Spielgefährten und Postboten am helllichten Tage von hinten anzuschleichen und ohne Grund ans Bein zu pinkeln, was für Entsetzen, Ekel, Ärger oder auch für spöttisches Gelächter sorgte, je nachdem, wen es traf und wer aus sicherer Entfernung zusah, etwa von der gegenüberliegenden Strassenseite oder hinter der Hecke des nachbarlichen Gartens hervor, wo sich zum Beispiel Mina Maienberg in Vorfreude des bevorstehenden Ereignisses so verbergen konnte, dass ihre Zuschauerposition nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ihre Schadenfreude nicht zu offensichtlich wurde, da sie ja nicht den nachbarschaftlichen Frieden aufs Spiel setzen wollte, an dem ihr viel lag, weil sie schon lange ein Auge auf Frank geworfen hatte, den sie seit ihrer gemeinsamen Schulzeit heimlich liebte, um den sie später zutiefst und anhaltend gelitten hatte, als Frank ihr seine Frau vorstellte, die er auf der ersten internationalen Zahnbürstenmesse kennengelernt und vom Fleck weg geheiratet hatte, um sie nicht an einen jungen Mundwasserfabrikanten zu verlieren, der, wenn er lachte, nahezu unheimlich nach chemischem Holunderextrakt roch und daher viel lachte, hoffend, es diene der Werbung für seine Wässerchen, mit denen er nicht einmal am Eröffnungstag der Messe Erfolg hatte, worüber er kein missmutiges Wort verlor, da er natürlich nicht bemerkte, dass er sich selbst mit seinem seltsamen Mundgeruch und einigen violett gefärbten Zahnsteinspuren im Wege stand und niemand ihn darauf hinweisen mochte, schon gar nicht seine Konkurrenten, die sich mit Pfefferminz-, Arnika-, Thymian- und zahnfleischheilenden Knoblauchessenzen in Szene setzten, übrigens seit Jahren mit Erfolg und ansehnlicher Rendite, was man an den schwarzen, goldbronzenen und grauen Mercedes-Limousinen erkennen konnte, die auf dem südlichen Parkplatz des Messegeländes standen, der ausschliesslich für die Aussteller reserviert war und dort von bewaffneten Wächtern im Auge behalten wurde, da sich am vorletzten Tag der letztjährigen Messewoche ein Überfall ereignet hatte, der dem Inhaber eines florierenden Zahnstocher- und Zahnseidenvertriebsbüros gegolten hatte und ihm einen dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt bescherte, von dem er sich, wie man sagte, nie mehr recht erholte, weil er seither unter einer Zahnprothese litt, die zwar gut angepasst war, aber den Gelüsten nach seinen Lieblingskaramellbonbons der Marke Zäh und Süss einen Riegel schob, während sich der smarte Frank, seine Frau, die zwei Kinder und manchmal auch Pummelpudel diesem Genuss allabendlich und ungeschmälert hingeben konnten – natürlich vor dem Zähneputzen, welches in Franks Familie mit elektronischen Zahnbürsten dreimal täglich gehandhabt wurde, einem Zeremoniell, das nur Pummelpudel erspart blieb, weil er einmal jährlich zur tierärztlichen Zahnhygienikerin Annagreta musste, die sich übrigens auch seit zwei Jahren an der Zahnbürstenmesse mit einem eigenen Stand präsentiert hatte und die mit Frank am diesjährigen Messeabschlussabend – aber das ist eine ganz und gar andere Geschichte.