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Pulver <Experiment>

Beitritt
06.04.2010
Beiträge
9

Pulver <Experiment>

Wache auf. Kaltes Bett.
Kopfschmerzen. Trockener Mund. Pulverkater.
Hab kein Pulver mehr. Muss Pulver kaufen. Später.
Drehung zur Seite. Schwindelig. Falle aus dem Bett. Harter Aufschlag. Schulterschmerzen.
Aufrichten. Gegen den Schwindel kämpfen. Gleichgewicht finden. Schwierig.

Stoße mit dem Fuß gegen Fleisch. Steige darüber.

Laufe Richtung Bad. Sehe den rost-braunen Fleck an der Schlafzimmerwand. Lächle. Ist eine Woche alt. Von Eva. Als ihr Gesicht gegen die Wand schlug. Als ihre Zähne brachen. Toller Körper. Hatte viel Spaß.

Bin im Bad. Kaltes Wasser. Tut gut. Weniger Kopfschmerzen. Aber nur Kurz. Muss Pulver kaufen. Süßer Geruch. Brauch nicht hinzusehen. Badewanne. Vor drei Wochen. Yvonne. Teilweise. Fantastische Augen. Hat sich sehr gewehrt. War schwierig. Drei Bohrer brachen ab. Gehe Duschen.

Küche. Habe Hunger. Schlecht. Pulver vertreibt den Hunger. Hab kein Pulver mehr. Kaffee hilft. Koche Kaffee. Schmeckt furchtbar. Magen macht schlapp. Übelkeit. Muss brechen. Treffe Silke am Arm. Macht ihr nichts aus. Vor zwei Wochen. Schöne Beine. Brachen wie trockene Zweige. Hatte den schweren Hammer benutzt. Erregendes Geräusch. Wunderschöne Farben.

Muss mir was anziehen. Zurück ins Schlafzimmer. Hose. Hemd. Socken. Schuhe. Blick zum Bett. Blick zum Fenster. Sonne. Sonnenbrille. Gute Idee.

Auf dem Weg zum Dealer. Sehr warm. Schlimme Kopfschmerzen. Denke an die Rückkehr ins Schlafzimmer. Lächle. Wird ein Pulvertag. Noch einer.

 

Hallo Zusammen!

Der Text ist ein kleines Experiment und mich würde eure Meinung zum Schreibstil und der Lesbarkeit interessieren.

Danke schonmal!

 

Hallo Schockwellenreiter,

es wundert mich fast selbst ein wenig, aber trotz der abgehackten Sätze kommen emotionale Bilder in meinem Kopf auf beim Lesen. Komisch. Ist aber so.

Ich würde also sagen grundsätzlich funktioniert das, allerdings nur über kurze Passagen. Dein jetztiger Text ist von der Länge her an der Obergrenze würde ich schätzen.

Ein paar Dinge, die ich als Unstimmigkeiten empfunden habe:

Den ersten Teil hast Du anders formatiert als den letzten Teil. Vielleicht war das bewußt, um zu sehen was sich besser lesen lässt? Ich finde die Reihen am Ende besser als die Zeilenumbrüche zu Anfang.

Stoße mit dem Fuß gegen Fleisch.
Du hast sonst immer eine Info pro Satz. Hier sind es zwei - also würde ich zwei Sätze draus machen. Aber selbst dann stellt sich die Frage, ob der Prot im Entzug gleich nach dem Aufstehen sofort weiß, dass es Fleisch ist? Vielleicht wäre "Stoße mir den Fuß. Steige über den Körper." besser?

Vor drei Wochen. Yvonne. Teilweise. Fantastische Augen.
Das "teilweise" verstehe ich nicht.

Sonst finde ich das Experiment gelungen. Hab mir "Pulver" keine Erfahrung, aber es kommt mir passend vor, die Gedanken so auszudrücken.

Liebe Grüße

elisabeth

 

Hallo Elisabeth!

Das ich unterschiedliche Formatierungen verwendet habe ist mir garnicht aufgefallen. Jetz wo du es sagst...hm...der zweite Abschnitt lässt sich wirklich besser lesen.

Zu deiner zweiten Anmerkung: Dein Vorschlag klingt besser. Jetz nach erneutem Durchlesen fällt der Satz schon auf...ist ein Stoplerstein.

Zu "teilweise": Junge Junge wie blind man doch machmal über den eigenen Text liest^^ Sinngemäß sollte es "In Teilen." bedeuten und es in zwei Worten zu schreiben wäre viel besser.

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Hat mir sehr viel gebracht!

Viele Grüße,
Schockwellenreiter

 

Grüzi!

Der Kerl hat ein paar Frauen gekillt und ist darüberhinaus Pulversüchtig, stimmts;)? Na ja, so, als Experiment kann man den schon nehmen, aber ich denke, da gibt es eine eigene Rubrik, wo er eventuell besser aufgehoben wäre. Auch als reines Horrorexperiment. Ich habe da zwar kein Peil, aber das geht doch schon in die Bewusstseinsstromrichtung, oder irre ich fatal? Also, die Lesbarkeit ist schon gegeben, aber da kann auch nicht wirklich was schiefgehen, wenn man ein bisschen Rythmus hat. Zwar ist dieses Stakkatomässige natürlich auch irgendwo Stil, aber es fehlt ein wenig das individuelle - zumindest für mich. Bei einer Story von ungefähr viertausend Wörtern könnte es schwierig werden, den so durchzuhalten.

Laufe Richtung Bad. Sehe den rost-braunen Fleck an der Schlafzimmerwand. Lächle. Ist eine Woche alt. Von Eva. Als ihr Gesicht gegen die Wand schlug. Als ihre Zähne brachen. Toller Körper. Hatte viel Spaß.

Die Passage gefällt mir am besten.

Gruß,
Satyricon

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka,

und ein herzliches Willkommen auf KG.de!

joo, das ist vom Stil her auch was für Experimente, aber wenn Dir die story wichtig genug war, um hier zu posten, kann sie von mir aus auch hierbleiben. Ich finde es gut, wenn man sieht, daß Horror mit ganz verschiedenen Stilen & sprachlichen Formen zum Ausdruck gebracht werden könnte (Könnte, weil ich denke, daß es Dir nicht gelungen ist, aber dazu unten mehr). Falls Du denkst, daß unter Experimente doch mehr zur Sprache kommentiert würde, sag mir Bescheid, dann kann ich auch noch verschieben.

Das ich unterschiedliche Formatierungen verwendet habe ist mir garnicht aufgefallen. Jetz wo du es sagst...hm...der zweite Abschnitt lässt sich wirklich besser lesen.
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Ich bin schlecht im Experimente-Raten: offensichtlich wurden auf Verben, Adjektive, Adverbiale etc. ... teils und auf das Personalpronomen ganz verzichtet. Das war's schon, oder?

Lesbar ist es ohne Frage - was aber nicht weiter schwer ist: die Person wird im Deutschen doppelt gekennzeichnet, einmal durch das Pronomen, einmal durch die Personalendung des Verbs. Eigentlich redundant; und existiert nur "zur Sicherheit" für die Sprechergruppe, da läßt sich also nicht viel mißverstehen. Hier in Finnland wird z.B. in der Alltagssprache das Personalpronomen schon gar nicht mehr genannt. :D Außerdem wird sowas in vielen Texten zwischendrin verwendet, um das Tempo zu erhöhen, oder um bei dieser Erzählperspektive nicht immer Sätze mit Ich beginnen zu müssen. Also ist es kaum experiementell, nur die Häufung macht es hier ungewöhnlich.

Verben weglassen geht natürlich, wenn man sich denken kann, was los ist. "In der Küche" - ja, völlig egal für die Handlung, ob der Erzähler sitzt oder steht; und würde auch in konventionell bestückten Sätzen als Erzählschritt einfach entfallen.

Warum mich das hier nicht vom Hocker reißt:
Klar, man kann sowas machen. Aber die Form sollte den Inhalt verstärken können. Hättest Du einen sehr komplexen, psychologisch ausgefeilten Sachverhalt so verpackt, daß Du mit dieser verstümmelten Sprache dennoch etwas Dahinterliegendes transportieren kannst, wäre das wirklich was gewesen. Aber der Prot ist ziemlich stulle - hm Pulverkater, haben wollen, geh mal, alles togal ... nebenbei stolpert er über ein paar Leichen. Die Tötungsarten werden angerissen, seine etwas schusseligen Gedanken dazu - pointierter gebracht hätte das ja Witz, was Absurdes haben können. Hier hat das so einen Schulterzuckeffekt - na schön, na und?

Was macht also die Sprachform dabei? Wie würde sich die Geschichte lesen, wären die Sätze konventioneller? Ich denke: sterbenslangweilig. Und so sollte es nicht sein - Verkürzung funktioniert als Reduktion, ein "Einkochen" von Inhalt & Aussage, nicht als Abhacken von überschüssigen grammatischen Formen. In diesem Falle scheint mir das Experiment also sinnlos.

Es gibt - das ist jetzt natürlich mein ganz persönlicher Eindruck - eine story, die mit einem Experiment, das die Wortverwendung einschränkt, eine sehr komplexe und für mich unglaublich verdichtete Geschichte transportiert. Es geht um eine Vergewaltigung - ohne daß je eine entsprechende Handlung oder auch nur das Wort erwähnt wird; über das Außen wird ein psychischer Zustand beschrieben, und alles zudem mit einer ungewöhnlichen, individuellen Perspektive. Für mich damit einer der besten Texte dieses Forums: Andrea H.: Stürzende Idylle. (zudem ist auch die Art der Einschränkung weitaus schwieriger als Deine, vllt. hilft Dir der Vergleich ja).

Viel Spaß noch beim Frickeln, und auch beim Lesen und Kommentieren anderer Texte hier!
Katla

P.S. Mich hat der Stil - vor allem die ersten beiden Sätze - an die frühen Rammstein erinnert, aber da kam das knackiger: "Ein Mensch brennt - Fleischgeruch in der Luft - kein Vogel singt ..."

 

Hallo Schockwellenreiter!

(mhm, der Name erinnert mich an jemanden. :) )

Ein herzliches Willkommen von mir hier.

Ich bin ja eher Konsument als Produzent in dieser Rubrik, insbesondere bei Kommentaren, aber manche Geschichte reizt mich doch zum dazusenfen. So wie deine.
Grundsätzlich mag ich solche Kondensate. Diene Sprache triggert einige Bilder bei mir, wohl auch, weil ich vor kurzem an einer ähnlichen Thematik (Drogen, nicht Killer) gearbeitet habe.

Lediglich die letzten zwei Absätze passen nicht für mich. Hättest du eine neue Jagd beschreiben - okay.
Hättest du sie weggelassen - auch sehr gut.
So decken sie den guten Eindruck der vorstehende Absätze zu.

lg
Dave

 

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