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Serie Pseudoparanoide passivphilanthropische Psychopathenposse

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10.04.2002
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Pseudoparanoide passivphilanthropische Psychopathenposse

Ich leide unter extremen Schlafstörungen, deren Ursache ich bislang nicht in Erfahrung bringen konnte. Ich habe bereits unendlich viele Dinge versucht, um meinem Leiden ein glückliches Ende zu setzen. Erfolglos.
Mein Arzt, ein durchaus hassenswerter Zeitgenosse, dessen Ratschläge ich jedoch immer gewissenhaft und unvoreingenommen befolgte, empfahl mir bereits Baldriantee und mit Honig versüßten Melissenblättertee zu mir zu nehmen und ich soff diese widerliche Brühe literweise, spielte mit dem Gedanken es mir zu fixen, mir einen Einlauf mit dem Zeug zu verpassen, beließ es letztendlich der Vernunft halber nur beim Trinken, obgleich ohne Maß, doch nichts tat sich.
Ich aß ausgewogen, besinnte mich auf das Wesentliche, ja, ich meditierte sogar, und trotzdem tat sich nichts. Es folgten die von Onkel Doc verschriebenen Schlaftabletten, eine lebensmüde Runde Dauersport bis zur totalen Erschöpfung, sämtliche Fernsehsendungen bis meine Augen zu zerplatzen drohten und ich mir einbildete, dass Blut aus meinen Ohren sickerte. Ich blieb wach. Zuletzt versuchte er mir weiszumachen, dass eine Massage mit Saunabesuch und Dampfbad genau das Richtige für mich wäre. Es war jedoch nichts weiter als ein vollendeter Griff ins übelriechende Klo. Zu sagen, dass ich sauer, enttäuscht oder in irgendeiner Weise neuerlich demotiviert bin, könnte durchaus zutreffend sein, aber eigentlich bin ich noch immer jener kleine, süße Racker in Mamas sicherem Schoß, der gutmütig alles glaubt, sogar die Legende vom Guten im Menschen, der an die Fähigkeit dilettantischer Ärzte glaubt und der wohl niemals seine imaginäre rosarote Sonnenbrille abziehen wird, um die Welt unverfälscht und in all ihrer heuchlerischen Unvollkommenheit und grenzenlosen Arroganz zu betrachten.
Okay, vielleicht doch. Aber egal.
Ich gehe bei meinem Arzt auf Toilette, pisse in einen milchigen Plastikbecher, zwinkere und winke ernsthaft erfreut meinem menschenunwürdigen Spiegelbild zu und schüttele alsbald mit der Hand, in deren Innenfläche ich bewusst einige Tropfen meines stark duftenden Urins gerieben habe, freundschaftlich die meines Arztes und klopfe ihm kameradschaftlich auf seine schmächtige Schulter.
Er sagt: „Nichts gebracht? Sie sind aber ein hartnäckiger Fall.“
Ich frage: „Hm?“
Er geht nicht auf meine perfekt ausformulierte Frage ein und sagt: „Sie sollten in Therapie gehen.“
Ich sage: „Hm. Okay. Wo?“
Er reicht mir eine Visitenkarte.
Ich spiele mit dem Gedanken seine Hand festzuhalten und ihm solange in sein Gesicht zu schlagen bis es so aussieht wie ein stilvoll vollgekotzter Kackhaufen. Ich mache den Arzt zur modernen Kunstattraktion. Das Modell „Zahnloser Medizinmann ohne Gedärme“. Über den Titel kann man noch verhandeln.
Ich nehme die Visitenkarte entgegen. Es ist die Karte eines äußerst angesehenen Diplompsychiaters, spezialisiert auf seltene und außergewöhnliche Krankheiten, Neurosen, Beeinträchtigungen, Leiden und derlei Zeugs.
„Dort ist es sehr gut. Das wird ihnen bestimmt helfen.“
„Hm.“ Sein hartnäckiges Grinsen ließe sich wohl nicht einmal mit einem Brecheisen aus seinem hässlichen Gesicht herausmontieren. Da bedarf es wahrscheinlich schon härterer Methoden.
„Was genau ist das?“, frage ich, diesmal tatsächlich ausformuliert.
„Hypnose.“
Sein aufgeschlossener und zugleich fachmännischer Tonfall wirkt mehr lächerlich als professionell und seriös und ich habe wieder den Drang ihm richtig böse wehzutun.
„Das funktioniert bei mir nicht“, merke ich beiläufig an.
„Es wird funktionieren. Vertrauen sie mir.“
Er grinst.
Ich denke mir wieder ein paar Gemeinheiten aus, die ich mit ihm anstellen könnte, wenn er sich nicht endlich dieses penetrante Grinsen abgewöhnt.
Er grinst weiter.
Ich grinse und sage danke und tschüs und gehe.

Dann stehe ich also vor diesem Hochhaus an der Hauptstraße.
Nr. 47.
Ich drücke die Klingel und der Summer öffnet mir sogleich die Tür, just nachdem mich eine liebliche Frauenstimme knapp fünfzehn Sekunden lang über Anliegen und Termin ausgefragt hat.
Ich trete ein und gehe die Treppen hoch bis in den siebten Stock. Der Fahrstuhl ist außer Betrieb. Dann gehe ich durch die Glastür zur linken mit dem Schriftzug der Praxis.
Der Arzt erwartet mich bereits.
Ich bin sein erster Patient nach der Mittagspause.
Er reicht mir mit einem freundlichen Lächeln seine große, manikürte Hand.
Ich strecke ihm meine gleichgültig entgegen.
Er nimmt sie mit einem breiten Grinsen, umschließt sie als hätte er monatelang nur auf diesen speziellen Augenblick gewartet und schüttelt sie wild auf und ab während er mir mit seiner äußerst maskulinen Stimme Auskunft über seine Identität und sein halbes Leben gibt.
Ich versuche ihn dabei halb interessiert halb aufmerksam anzusehen, was mir jedoch nicht einmal ansatzweise gelingt.
Dann, etwa zehn Minuten später – vielleicht mehr, vielleicht weniger -, zeigt er auf ein Zimmer auf der anderen Seite des Flures und bittet mich in aller aufgesetzten Höflichkeit dort solange Platz zu nehmen, bis er kommt.
Er wendet sich von mir ab und tuschelt noch etwas mit der attraktiven Dame am Empfang, die mich eben noch so misstrauisch ausgefragt hat.
Sie ist seine Ehefrau und bestimmt fünfzehn Jahre jünger als er. Sie will das Geld, er den Sex. Solche Beziehungen sind alles andere als schwer zu durchschauen.
Ich gehe in das Zimmer und lege meine Jacke über einen Stuhl in einer Ecke des Raumes.
Dann setze ich mich in einen breiten Sessel und sehe mich um.
An der Wand hängen einige Auszeichnungen und Diplome.
Ein Foto über dem Schreibtisch zeigt ihn mit seiner Frau vor einer durchaus imposanten Landschaft, wie sie – zweifellos abgesprochen – mit einem verabscheuungswürdigen Wir–gehören–zu–denen–die–schlafen–können–Grinsen auf mich herabblicken und ihr unüberschätzbares Privileg sichtlich genießen.
Ich hasse es wenn andere Menschen mich so angrinsen.
Vielleicht hasse ich aber auch nur andere Menschen.
Menschen allgemein.
Möglich wäre das.
Er kommt grinsend herein und begrüßt mich nochmals.
Ich mustere ihn einmal ausführlich.
Er ist ein etwa fünfundvierzigjähriger, erfolgreicher, braungebrannter, glattrasierter, sauber gekämmter Geschäfts- und Ehemann mit absolut unbefleckter, weißer Weste.
Gott, wie ich diese Typen hasse.
Er ist genau wie mein Arzt. Ich hasse ihn.
Der Diplompsychiater setzt sich immerzu freundlich lächelnd auf einen anderen Sessel und streicht mit der linken Hand seine dunkelblaue Seidenkrawatte zurecht. Sie passt ausgesprochen gut zu seinem hellblauen, weißgestreiften Armani-Hemd mit weißem Kragen.
Entweder brauchte er heute morgen einige Minuten um sich das zusammenzustellen oder, was wahrscheinlicher ist, er hat alle Sachen mindestens dreifach und schon immer passend in kleine Grüppchen zusammengelegt, so dass er sich nur noch die entsprechende Kollektion aus dem Schrank greifen muss und praktisch sofort fertig ist.
Ich hasse diesen Diplompsychiater. Man muss ihn einfach hassen.
Er sagt: „Und? Sie haben also Probleme, Schlaf zu finden.“
Ich reiße mich etwas zusammen, um ihm nicht gleich an die Gurgel zu springen.
„Ja, die habe ich allerdings.“
„Nun. Ich möchte ihnen gerne helfen.“
„Nun. Schön.“ Dafür bekommst du ja schließlich auch monatlich Unmengen von Geld in deinen haarigen Rektalausgang geschoben. „Toll.“
„Wollen sie sich helfen lassen?“
Was ist das denn für eine dämliche Frage du mieser, kleiner... „Ja.“
Er hält selbstverliebt und subtil-arrogant einen halbstündigen Vortrag, wichst mir zahllose Fachbegriffe ins Gesicht und fragt mich, offensichtlich maßlos von sich selbst aufgegeilt, indiskret über mein (hauptsächlich Sexual-) Leben aus.
Ich sage ihm was er hören will und gebe mich alles in allem geduldig.
Als er fertig ist mit seinem routinierten Verhör, will er mit der Hypnose, die er „Sitzung“ nennt (ich kenne diesen Begriff tatsächlich nur als Synonym für das geduldig angegangene loswerden fäkalischer Exkremente), beginnen.
Ich denke an Mord. Totschlag.
Ich frage mich, ob er weiß, was ich denke. Als Psychiater.
Ich sage mir, dass er sterben müsse wenn er es wüsste. Er weiß aber nichts.

Wir fangen an.
Ich lege mich hin und entspanne mich.
Er redet auf mich ein.
Ich liege da und höre ihm zu.
Er redet weiter.
Ich mache mir Gedanken über dieses und jenes.
Er redet weiter.
Wie kann man einen Mann wohl am schmerzhaftesten mit einer Schere töten? Ohne zuviel Blut zu vergießen, denn das kann man ja schließlich später noch trinken.
Er redet weiter.
Wie kann man einen Menschen am besten ausweiden, ohne zuviel seiner Haut oder gar seiner Knochen zu beschädigen, um ihn dann ausgestopft neben sich mit fernsehen zu lassen?
Ich bin kein Sadist. Ich bin nur müde.
Er redet weiter.
Was kann man alles an welchen natürlichen oder auch unnatürlichen Körperöffnungen mit einem Klistier anstellen, wenn man dem Patienten nur genug Schmerzen zufügen will und dafür sehr viel Zeit hat?
Er hält kurz ein und betrachtet mich mit seinem geübten, analysierenden Diplompsychiaterblick.
Dann redet er weiter.
Wie lange kann man einen Menschen unter größten Qualen am Leben erhalten, ohne dass er in Ohnmacht fällt, aber trotzdem seine blutigen Eingeweide rauskotzt und halbtot um Gnade winselt?
Wirklich, ich bin kein Sadist, kein Misanthrop, kein Kannibale oder so etwas Ähnliches.
Ich bin nicht so.
Ich bin doch einfach nur etwas übermüdet.
Schlafen ist das Normalste der Welt.
Ich bin unnormal.
Was ist schon unnormal? „...-“
„Hm“, höre ich mich sagen, oder nein, eher flüstern, beinahe hauchen.
Hat er das gehört? Habe ich gesprochen? Habe ich geschlafen?
Er hört auf zu reden und sieht mich an.
Ich sehe ihn an, fragend.
Er muss doch wissen, was ich denke. Als Psychiater.
Er lächelt wieder sehr freundlich, ein Lächeln, das zum Reinschlagen provoziert.
Er zuckt mit den Schultern und fragt: „Was?“
Ich sage nichts.
Nichts.
„Nichts.“
Ich greife mir den schweren Glasaschenbecher auf dem kleinen Tisch vor mir, stehe auf, gehe einen Schritt auf den Diplompsychiater zu und schlage ihm so fest ich nur kann den Aschenbecher ins Gesicht.
Er stöhnt kurz während er mitsamt seinem Stuhl umkippt.
Der Aschenbecher liegt schlecht in der Hand. Er rutscht hin und her.
Ich stelle mich über ihn.
Zwei Zähne habe ich ihm halb ausgeschlagen.
Die blutigen Stümpfe hängen nur noch halb im Zahnfleisch und bohren sich etwas in seine bereits leicht angeschwollenen Lippen.
Ich rümpfe mir die Nase und lege den Aschenbecher etwas in meiner Hand zurecht.
Dann hole ich wieder aus und schlage zu.
Der Aschenbecher geht auf seine Nase nieder.
Sie bricht unter der Wucht wie ein Streichholz und der gesplitterte Knochen bohrt sich ein Stück weit durch seinen gebräunten Nasenrücken, wo sofort ein kleiner Blutstrahl hervorquillt und an seinem Nasenflügel herunterläuft.
Aus seinen Nasenlöchern fließt in einem dicken Strom sein dunkelrotes Blut und tropft auf seinen weißen Kragen.
Er hustet, verschluckt sich jedoch an einem Stück des abgebrochenen Zahnes, das ihm in den Rachen gerutscht ist, und so spuckt er eine ordentliche Ladung Blut direkt auf seine sorgfältig ausgesuchte, dunkelblaue Seidenkrawatte.
Es sieht genauso aus wie einer dieser Rohrschachtests.
Ob er mit denen wohl auch arbeitet?
Ich hole wieder aus.
Der Aschenbecher trifft mit einer spitzen Kante sein Jochbein.
Es bricht ebenfalls und schwillt sofort an, so dass sein linkes Auge komplett zugeschwollen ist. Das Blut aus der Wunde läuft seine Wange entlang in seinen Mundwinkel, wo seine Zunge sofort die kupfrig schmeckende Masse zu spüren bekommt.
Mit einem kurzen Winseln windet er sich verzweifelt auf dem Boden vor mir und versucht wie ein fetter, dämlicher Käfer, der auf dem Rücken liegt vor mir wegzukrabbeln.
Ich kann ein gewisses Lächeln nicht unterdrücken.
Er röchelt und hält sich mit der linken Hand sein Auge während er sich mit der rechten Hand versucht langsam von mir wegzuziehen.
Meine Hand tut etwas weh, da der mittlerweile blutverschmierte Aschenbecher viele Kanten hat und zudem sehr unhandlich ist.
Ich lasse den Aschenbecher also fallen und gehe zu seinem Schreibtisch.
Dort greife ich mir eine Schere und einige Kugelschreiber und gehe wieder zu ihm zurück.
Er hat sich leise verhalten als ich ihn nicht im Auge hatte.
Ein feiner Zug von ihm.
Kein Schreien, kein Weinen, kein Winseln, kein Jammern.
Tapferer Mann.
Seine Hand befühlt ungläubig sein schmerzendes, mittlerweile dunkel unterlegtes Auge. Er nimmt die Hand kurz weg und betrachtet das Blut, das an seinen Fingern bereits geronnen ist.
Mit seinem zugeschwollenen Auge blinzelt er mich schockiert an. Seine blutiggeschlagenen Augen sind für mich die Zeugen seiner blanken Angst. Sein halb geöffneter Mund vermittelt den Eindruck, als wolle er mich etwas fragen.
Jetzt ist nicht die richtige Zeit für Fragen, Doc.
Ich nehme seine Hand und halte sie fest.
Er sieht mich an.
Ich sehe ihn an.
Ob er wohl weiß, was ich denke. Als Psychiater.
Ich nehme einen Kugelschreiber mit dem Schriftzug seines Ladens und ramme ihm den Kuli tief in die Handinnenfläche, direkt in die vielgedeutete Lebenslinie. Dabei halte ich ihm den Mund zu, so dass er nicht zuviel Lärm macht und seine Frau womöglich etwas mitbekommt.
Der Schriftzug seiner Praxis ist bis auf die letzten beiden Buchstaben vollkommen in seiner großen, gepflegten Hand verschwunden.
Die beiden letzten fett aufgedruckten, dunkelroten Buchstaben werden von seinem dicken, klebrigen Blut kontinuierlich umspült.
Er holt gerade Luft um einen Schrei loszulassen.
Ich erkenne das jedoch gerade noch rechtzeitig und schlage ihm daher einmal schnell mit der geballten Faust auf den Mund.
Seine Oberlippe platzt auf und zwei weitere Zähne lösen sich aus seinem Kiefer.
Die blutigen Stümpfe graben sich noch ein Stück weiter in seine Lippe. Ich presse meine flache Hand gegen seine Unterlippe, die Zähne bohren sich noch weiter in seine Lippe, und ich drehe meine Hand mit steigendem Druck über seinen rot schimmernden Mund. Seine Zähne reißen erst noch tiefe, blutüberströmte Löcher in seine Lippe, lösen sich jedoch schließlich mit einem leisen Knirschen von seinem Zahnfleisch, um entgültig verhakt in seiner schmalen Lippe stecken zu bleiben.
Er verzieht vor Schmerz sein Gesicht.
Dabei spannt sich die violett verfärbte Haut um sein Auge und eine kleine Blutfontäne spritzt aus seiner Wange in mein Gesicht.
Sein Blut klebt auf meiner Stirn und sickert über meine Augen und meine Nase hinweg auf meinen Mund zu, in dem ich es mit geschlossenen, von Blut überlaufenen Augen koste.
Die warme, rote Substanz beginnt bereits auf meiner Haut zu verkleben und sich in sie hineinzusaugen.
Ich wische mir sein Blut nicht ab.
Es ist schön warm.
Es ist wie eine Maske.
Was fehlt, sind die Gurkenscheiben für die Augen.
Ich lasse seine Hand los und den Stift stecken. Sie fällt nahezu leblos zu Boden.
Er versucht etwas hochzuwürgen. Vielleicht ein Stück von dem Zahn, der sich jetzt entschlossen durch seine Lippe bohrt und ihm dabei recht starke Schmerzen zufügt.
Vielleicht auch nur einen Gallebrocken, so wie ich es noch vor kurzem tat.
Will er mir etwas sagen?
Egal.
Ich glaube ein weiteres Knirschen aus seinem Unterkiefer heraus zu vernehmen.
Er scheint auch gebrochen zu sein.
Um sicher zu gehen schlage ich ihm noch zwei- bis dreimal mit der Faust gegen den Kiefer, so fest es mir nur irgendwie möglich ist.
Beim zweiten Schlag höre ich ein deutliches Krachen und er muss augenblicklich eine große Ladung Blut ausspucken um nicht an ihr zu ersticken.
Seine Zunge hängt weit aus seinem Mund hervor und er ringt röchelnd nach Luft. Die riesige Zunge ist komplett von Blut überströmt und bewegt sich mit gleichmäßigen Zuckungen, begleitet von luftlosem Stakkatoröcheln, von vorne nach hinten, von oben nach unten und von rechts nach links.
Aus der dickflüssigen Soße, die sich über seinen gesamten Oberkörper ausgebreitet hat, schimmert ein kleiner weißer Zahn hervor. Sein Armani- Hemd ist komplett versaut.
Tut mir leid.
Sei nicht albern.
Bin ich nicht.
Ich mache weiter.
Ich nehme einen Kuli in meine Faust und schlage ihm mit der Spitze voraus mit aller Kraft gegen seine glattrasierte Wange.
Der Kugelschreiber durchdringt die Hautschicht problemlos.
An der Muskelschicht gibt es kleine Probleme, weil der Muskel angespannt ist, aber nichts, was nicht zu bewältigen wäre. Es ist nur etwas zäh. Ich übe mehr Druck aus.
Schließlich durchdringe ich auch die Muskelschicht und stoße auf seine Zähne.
Seine Zähne sind aufeinandergepresst und der Kugelschreiber kratzt mit seiner Spitze an ihnen entlang bis er schließlich einen weichen Punkt findet, an dem er noch ein Stück eindringen kann – rosa schimmerndes, schnell blutendes, schutzloses Zahnfleisch.
Er dreht seinen Kopf weg.
Ich drehe den Kuli mit ihm.
Er stöhnt auf und windet sich.
Ich halte ihn fest und stoße fester zu, und noch fester, bis ich den Kugelschreiber weit genug in seinem Zahnfleisch stecken habe um den Zahn, der in ihm steckt, mit wenig Kraftaufwand auszuhebeln.
Der Zahn bricht mit einem Knirschen und einem Krachen aus seinem Kiefer heraus und bleibt an ein paar blutigen Fäden unbeholfen hängen.
Ich ziehe den Kuli wieder raus und werfe ihn zur Seite.
Es ist Zeit das Ganze abzuschließen.
Ich nehme wieder den Aschenbecher, der jetzt neben seinem rechten Knie liegt und dort auf seinem dunkelgrünen Teppich einen breiten Blutfleck hinterlassen hat.
Er ist so unhandlich wie zuvor, dafür jedoch sehr effektiv in der Erfüllung seines von mir erhaltenen Sinn und Zweck.
Ich stelle mich über ihn, hole aus und gucke ihn noch einmal mit einem Tut–mir–ja–Leid–aber–jetzt–gibt–es–auch–kein–zurück–mehr–Blick an.
Moment.
Falsch geguckt.
Ich werfe ihm schnell noch den Es–tut–mir–kein–Stück–leid–und–es–wird–mir–eine–große–Freude–sein–dich–zu–töten–Blick zu und schlage dann mit dem Aschenbecher solange auf sein blutendes, geschwollenes Gesicht ein, bis er so aussieht wie das, was ich aus moralischen Gründen und aufgrund meiner harmoniebedürftigen Lebensattitüde nicht so freizügig wiedergeben darf wie ich es eigentlich denke.
Er ist nicht wiederzuerkennen.
Schönheitschirurgie mal anders.
Sein Gesicht ist eine einzige durchgemanschte Masse aus Hautfetzen, Blut, Zähnen, Knochen, Knorpeln, Fleisch und allerlei interessanter Kleinigkeiten, die wohl nicht mal ein gelehrter Mediziner identifizieren könnte.
Er sieht gut aus.
Moderne Kunst.
Dass man aber auch nie einen Fotoapparat dabeihat, wenn man mal einen braucht.
Ich überlege, ob ich mir nicht noch mit der Schere von seinem Schreibtisch ein Stück von ihm abschneiden soll, damit ich zu Hause nicht wieder ohne Essen dastehe.
Vielleicht packe ich mir mal ein Bein ein.
Ich möchte gern mal wissen wie ein Diplompsychiater so schmeckt.
Etwa auch nach Rind?

Dann kommt seine Frau.
Ihr Mann liegt auf dem Boden, von Blut überströmt.
Er ist tot, durchlöchert, zermantscht, geprügelt, blutig geschändet und ich bin gerade im Begriff sein Bein mit einer großen Papierschere abzutrennen.
Ich kann das erklären.
Wirklich.
Sie sagt: „Möchten sie vielleicht einen Kaffee?“
Ich sage nichts und sehe sie nur voller Erwartung an, bereit aufzuspringen und ihr die Schere in den zarten Hals zu rammen.
Ich spüre wie das Blut meines Psychiaters und ihres Mannes an meinen Händen gerinnt und wie sich meine Haut unter der dicken Blutkruste leicht spannt. Ein merkwürdiges Gefühl.
Sie sieht mich mit einem unglaublich freundlichen Lächeln an.
Ihre blauen Augen funkeln in dem hellen Licht, das durch die Jalousien einfällt und ihr blondes Haar leuchtet wie Gold.
Sie sagt: „Möchten sie Kaffee?“
Für einen kurzen Augenblick bin ich nirgendwo.
Sie steht vor mir, ich knie auf dem Boden und um uns herum ist nichts.
Gar nichts.
Weder ein Raum noch ein Boden noch eine Wand noch Weiß noch sonst was. Nichts.
Ich verliere mich.
Ich verliere den Kontakt zur Realität.
Und dann ist da noch weniger.
Nur noch ihr Mund, wie er im goldenen Licht der Sonne zu mir spricht und lächelt. „Möchten sie Kaffee?“ Ihr Mund spricht zu mir. „Möchten sie töten?“ Ihr Mund lächelt mich an. „Töten sie!“ Ihr Mund beginnt zu lachen. „Töten sie, los, töten sie!“ Der Mund lacht. Das irre Lachen hallt durch das Nichts, das uns umgibt. „Töten, töten, töten, töten, töten, töten, töten Sie...!“ Sie lacht weiter und weiter und lauter und irrer und sie lacht und schreit und kreischt und quiekt und-
„Ja, bring uns doch bitte einen Kaffee mit Milch und Zucker, okay? Danke, Schatz.“
Ich bin wieder da.
Ich sehe ihn an.
Er sitzt neben mir in seinem Sessel.
Für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl dringend mal eben kotzen zu müssen.
Ich bekomme keine Luft.
Er lebt.
Kein Blut.
Keine Wunde.
Kein Toter.
Keine moderne Kunst.
Kein Mittagessen.
Ich schlucke und mein Brechreiz geht vorüber.
Habe ich etwa geträumt?
War das seine Hypnose?
Ich bin kein Mörder.
Ich bin nicht normal.
Was ist schon nicht normal?
Ich habe niemanden getötet.
Seine Frau geht wieder. Ich sehe auf den kleinen Tisch vor mir.
Da steht er: Der Aschenbecher.
Ich strecke meine Hand nach ihm aus um zu fühlen, ob er real ist.
Er ist definitiv real.
Meine Finger gleiten langsam über seine kalte Oberfläche und befühlen alle seine Kanten, die noch vor einer Sekunde von dem Blut des Diplompsychiaters verklebt waren.
Es ist keine Spur von Blut an ihm zu finden.
Der dunkelgrüne Teppich scheint noch reiner zu sein, als zu dem Zeitpunkt, zu dem ich die Praxis betrat.
Er fragt: „Ist alles in Ordnung?“
Ohne ihn wirklich zugehört zu haben sage ich: „Nein danke, ich rauche nicht.“
Sein weißer Kragen ist immer noch weiß. Die Kugelschreiber liegen sorgfältig nebeneinandergereiht auf seinem hölzernen Schreibtisch. Sein widerliches Grinsen wird nicht durch einen einzigen, fehlenden Zahn unterbrochen.
Ich traue mich nicht zu fragen, ob ich bereits unter Hypnose stand.
Es ist alles zu wirr.
Ich warte nicht einmal bis der arabische Gourmetkaffee fertig ist, sondern mache mich sofort los.
Ich muss klar werden.
Ich brauche dringend Schlaf.
Das Normalste der Welt.
Ein alltäglicher Vorgang.
Man muss es nicht einmal lernen.

Ich schon.
Ich hasse die Menschen, die es können.
Ich muss es lernen und zwar ganz von vorne.
Die besseren Menschen können es von Anbeginn ihres ekelhaften Lebens.
Ich weiß nichts mehr, nur dass ich sie hasse.
Jeden einzelnen von ihnen.
Jeden, der schlafen kann.
Vollkommen verstört gehe ich nach Hause und tue nichts.
Mein Leben, insofern es überhaupt noch kategorisch als solches zu bezeichnen ist, ist ebenso sinnlos wie das deinige.

Naja, Hauptsache gesund.

 

Tach Detlef!

Selten habe ich so gelacht. Deine Geschichte war echt lustig, vielleicht solltest du sie in ne andere Kategorie verschieben lassen, auch wenn dein subtiler Humor sehr gewöhnungsbedürftig ist, er hat meinen genau getroffen.

Dein Protagonist ist mir aus irgendeinem Grund sympatisch, erst die Tatsache, dass er nicht schlafen kann, von Arzt zu Arzt rennt, sich dabei die "schönsten" Tode für sie vorstellt.
Dann kam der Teil, wo er seinen Seelendoc tötet. Mein erster Gedanke war, dass das nicht in die Geschichte passt, weil du den Leser (zumindest mich) in dem Glauben lässt, es sei Realität und der Protagonist würde seine Gedankenwelt verlassen. Erst wenn man ein Stück weiterliest weiss man irgendwann, dass er unter Hypnose steht und es wieder nur seine kranken Gedankengänge sind.
Das hast du meiner Meinung nach sehr gut gemacht.
Auch der Wechsel von der Hypnose in die Reale Welt zurück hat mir sehr gut gefallen.

Ich sage nichts und sehe sie nur voller Erwartung an, bereit aufzuspringen und ihr die Schere in den zarten Hals zu rammen.
Ich spüre wie das Blut meines Psychiaters und ihres Mannes an meinen Händen gerinnt und wie sich meine Haut unter der dicken Blutkruste leicht spannt. Ein merkwürdiges Gefühl.
Sie sieht mich mit einem unglaublich freundlichen Lächeln an.
Ihre blauen Augen funkeln in dem hellen Licht, das durch die Jalousien einfällt und ihr blondes Haar leuchtet wie Gold.
Sie sagt: „Möchten sie Kaffee?“

:lol:

Nun ja, deine Geschichte hat mich auf jeden Fall sehr zum schmunzeln gebracht, ob du das nun damit erreichen wolltest oder nicht.
Vielleicht bin ich einfach nicht normal! :D

Gute Nacht und Schöne Träume,
Sam Gamdschie.

PS.: Willkommen auf kg.de!

 

Ja, imposanter Einstand, hier bei uns! Gratuliere! :)

Deine Geschichte hat mich sehr an "Fight Club" erinnert. Bist du von diesem Film/Roman inspiriert worden?

An einigen Stellen habe ich, wie Gamdschie69, auch spontan lachen müssen. Die Idee, sich "Baldriantee und mit Honig versüßten Melissenblättertee" vor lauter Verzweiflung ob seiner chronischen Schlaflosigkeit gleich fixen zu wollen!! :sconf: :eek: Wirklich super!

Aber noch eine kleine Kritik: Der Storytitel ist zwar durchaus... wie soll ich sagen... selbst schon etwas psychopathisch :susp: , aber du musst zugeben, dass er doch eigentlich gar nicht zu deiner Geschichte passt. Ich kann darin jedenfalls weder eine (Pseudo)Paranoia, ein "passivphilanthropische" Haltung (bitte was? :confused:) noch eine "Psychopathenposse" entdecken (noch deren Kombination). Origineller, auffälliger Titel, aber irgendwie fehl am Platze.
Außerdem fand ich die Szene während seiner Hypnose doch ein wenig zuuu ausgedehnt, für meinen Geschmack. Ich finde, es wird dann zu eintönig.

Aber ansonsten: wirklich gut gelungen!

 

Hallo Detlef! :aua:

Kindergärtner? Ich hab Angst! Und Zahnweh! Ich will nicht mehr!

Das war ein Hammer Ding, du! Ich fands klasse! :D

Das ist schon fast Satire, oder?

Er ist tot, durchlöchert, zermantscht, geprügelt, blutig geschändet und ich bin gerade im Begriff sein Bein mit einer großen Papierschere abzutrennen.
Ich kann das erklären.

Ich finde das echt super! Hammer geschrieben! Hat echt Spaß gemacht, das zu lesen!


A liebs Griasle!
Korina

Ob er wohl weiß, was ich denke. Als Psychiater.

Das ist zu komisch! Der Hammer! :D Ich könnte deine ganze Geschichte noch mal zitieren! ;)

 

Salem aleikum!

Erst einmal danke für die bekomplimentierende Diagnose meines bescheidenen Werkes.
Ich fühle mich über alle Maßen geehrt und bin sehr beruhigt, dass man meinen zugegebenermaßen eigenwilligen Erzählstil und die daraus hervorgehende Kurzgeschichte offensichtlich nicht misszuverstehen scheint.

Bezüglich der Frage, ob ich mich von Chuck Palahniuks leider erfolgsosem Roman "Fight Club" oder von der, unter der Regie des virtuosen Ausnahmekünstlers David Fincher entstandenen, gleichnamigen Gesellschaftssatire habe inspirieren lassen, vermag ich nur zu erwidern, dass dem zweifellos nicht so ist, wenngleich ich mich auch an dieser Stelle ein weiteres Mal zutiefst geehrt fühle, da die meisterliche Genialität beider Werke gleichermaßen außer Frage steht.

Schalom euch allen.
Lebt die Liebe!

 

Hi Detlef!

Alles in allem hat mir Deine Geschichte ziemlich gut gefallen! Richtig schön krank, wie Du das beschrieben hast... :D Konnte ich mir so richtig vorstellen... ;)
Aber ich muß zugeben, daß ich mit Deinem Stil (vor allem am Anfang der Story) nicht soviel anfangen konnte... Obwohl die Story jetzt wirklich gepaßt hat! Und ab der Mitte fand ich ihn (also Deinen Stil) wieder richtig gut. Nur am Anfang eben weniger... :(

Gruß und weiter so!
stephy

 

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