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Protokoll einer Online-Suche
Protokoll einer Online Suche
„Dauerhaft kostenlos – Finden Sie jetzt Ihren Traumpartner – Zum Login“
Spätestens bei dem Wort „Traumpartner“ hätte Maximillian, nennen wir ihn der Kürze wegen „Max“, daran denken können, dass es sehr unterschiedliche Arten von Träumen gibt. Aber was tut man(n) oder Frau nicht alles, um sich selber vorzumachen, dass nichts unmöglich ist, dass man seinem Schicksal auch online begegnen könnte.
Max klickte sich durchs Menue, stellte sich in einem sogenannten „Profil“ dar. Mehrfach löschte er den Text wieder, um ihn in veränderter Form wieder einzugeben. Bei dieser Tätigkeit merkte er, wie er immer mehr über sich nachdenken musste, seine Worte mit immer mehr Bedacht setzte und je stärker er dies tat, umso unschlüssiger wurde er. Auch ein passendes Pseudonym, den sogenannten „Nick“ hatte er noch nicht parat. Auf ein Foto verzichtete ebenfalls. Er vertagte die differenziertere Darstellung seiner Person mit innerlichen und äußerlichen Merkmalen, Besonderheiten, Neigungen sowie Stärken und Schwächen. Stattdessen widmete er sich nun den interessanten Profilen der suchenden Frauen in „Blue Ocean“, klickte an „mit Foto“ und „online“, und vorteilhafte Abbildungen beflügelten seine Fantasie, ließen Hoffnungen in ihm aufkeimen, die sehr bald in zum Teil heißes Begehren umschlugen.
"Feeling 1963" ,blondes Haar,1,72m groß mit nur 52 kg Biomasse gefiel ihm auf Anhieb, erinnerte ihn an eine in schwarzem Lack gekleidete Dame, die er vorabends gegen 24.30 Uhr auf DSF gesehen hatte und die wiederholt sofortige Anrufe befahl. Er las und rieb sich die Augen: „Akzeptanz, Nähe, Respekt, Sehnsucht, Sex, Sinnlichkeit, Stärke, Sicherheit“. So viele „S“, oha!
Er sollte noch häufig lesen, dass Frauen sowohl das Meer als auch die Berge lieben und gerne auch mal wuschig sind. Nun ja, dass war er ja auch oft, und zwar unabhängig davon, ob er Urlaub auf Norderney oder der Zugspitze machte, oder im Verbrauchermarkt einkaufte.
In gehobener Stimmung blätterte er weiter, traf auf verschiedene Hexen, Hexchen, eine Hexeline und eine HexeHexe, vermutlich eine mehrfach und intensiv verhexte Weiblichkeit. Auch Schnulli ohne Bild entdeckte er und eine komplette Galaxie von Sternen und Sternchen, Heerscharen von Engeln, Angels sowie diverse und z. T. auch perverse Teufelinnen.
"BabyBabsi 61" meinte: „Der Mann, der mich kennen lehrnen will sollte einen guten Karackter haben und inteligent sein“. - Ups!- "Mammut Elfe 43" kam zu der Erkenntnis: „Wer einen Engel sucht, und nur auf die Flügel schaut, kann leicht eine Gans mit nach Hause bringen“. Max musste laut lachen. Die Elfe suchte einen Liebhaber weiblicher Sumoringer, hatte einen BMI von 42, machte einen ziemlich gescheiten Eindruck, war aber lebensmitteltechnisch wahrscheinlich ein ziemlicher Kostenfaktor. "Hypnose 2", Fließbandarbeiterin im Verpackungsbereich, sah sehr gut aus: „Berühre niemals ein Herz, wenn Du nicht in der Lage bist, es zu ehren und zu schützen“, hatte 3 Kindern von 3 Männern und war bereit, den Wohnort zu wechseln.
Er lernte viel in diesen Tagen, über sich, aber auch über die Marktgängigkeit diverser Wünsche und Neigungen; letztendlich beschloss er, eine Hitliste der Wörter anzulegen, die ihm immer wieder begegneten und eine weitere mit Weisheiten, die sich ebenfalls in den Selbstdarstellungen befanden. Schließlich ein 3. Liste mit Erlebnissen, Dates und sonstigen Vorkommnissen, von der er noch nicht so ganz genau wusste, was da alles rein sollte. Ja, so wollte er es machen. Müde führ er seinen PC herab und legte sich ins Bett. Mit Gedanken an "Ich möchte es 1968" kroch er unter die Bettdecke, sackte weg und träumte sich zu
"sehr einsam 48", die riesige Tränensäcke in den Winkeln ihrer mit verwischter Maskara verdunkelten Augen trug. Traumpartner eben.
Zwei Tage später hatte Max sich mit mit einem vollständigen Persönlichkeitsprofil bei Ocean Blue angemeldet. „Du bist Du, und ich bin ich, und wenn wir uns treffen, ist es gut. Suche selbstständige schlanke und selbstbewusste Frau ohne Altlasten, die keinen Versorger sucht aber auch nicht alleine sein möchte.“ Max beschrieb sich genau 3 cm größer und konnte so die 1,80m-Marke knapp überwinden, bei seinem Gewicht schwindelte er so 10% runter und das Bild hatte ein Freund vor 6 Jahren auf Mallorca von ihm geschossen. Der Tag war schön gewesen , und Max schaute glücklich und zugleich verwegen darauf aus. Ja, es war ein echtes unbearbeitetes Foto von ihm. Genau dieses Foto liebte er, zeigte es ihn doch mit einer Ausstrahlung, die er sich immer gewünscht hatte. Noch am selben Tag hatte er eine Mail in seinem Postfach: "Ladyshark 007" schrieb: „Hallo Unbekannter, dein Profil gefällt mir sehr gut, es weist starke Überseinstimmungen mit dem meinen auf. Würde mich über eine Mail freuen!“ . Sein Herz klopfte, als er ihr Profil aufrief: „Wir haben alle den gleichen Himmel, aber nicht den gleichen Horizont,“ stand dort als Leitsatz von Monika, 43 Jahre, getrennt/geschieden, 160 cm, 48 kg. Charmant, und lieb, aber manchmal auch frech. Hobbys: Kino, kochen, kuscheln.“ Geht doch, dachte er und machte sich an die Antwort. Was schreibe ich nur? Nicht zu forsch aber auch nicht langweilig, grübelte er. Neugierig ist sie ja schon, sonst hätte sie nicht gemailt, aber wie mag sie sein, wie mag sie aussehen?
Er schrieb: „Hallo Moni“ – Moni fand er super, klang so vertraut und locker- also, „Hallo Moni, schön, dass Du mich angeschrieben hast, würde dich gerne kennen lernen. Hast du ein Bild von Dir? Freue mich auf Antwort, bis bald, Max“
Monika schickte noch am selben Abend 3 Bilder von sich. Auf dem ersten hatte sie einen Anorak mit Pelzkragen an, stand auf einem Gletscher mit Skiern; das zweite Bild zeigte Monika in Gesellschaft beim Apres Ski ausgelassen auf einem Wirtshaustisch tanzend und das dritte Bild, Max rieb sich die Augen, das dritte Bild zeigte Monika, wie sie sich mit einem kurzen, ja sehr kurzen Rock auf einem Sofa irgendwo in Gelsenkirchen, da wohnte Monika, räkelte. Ihr Blick umflort, ihr Mund ein wenig aufgeworfen, eine echte weitere Traumvorlage befand Max, nachdem er das Bild mehrfach an- und wieder weggeklickt hatte.
Sie trafen sich 1 Woche später in Recklinghausen. Monika sah wirklich gut aus, hatte ein rattenscharfes Outfit, Max fragte sich, ob sie nicht vielleicht eine Nummer zu groß (nicht körperlich) für ihn sei. Monika grinste, Max grinste- so standen sie voreinander, und bestellen Kaffee sowie Latte Macciatto. Heimlich scannte Max ihre Figur, stellte fest, dass es eher 65 kg waren, aber gut verteilt. Monika setzte sich neben Max und sie unterhielten sich wider Erwarten ungezwungen und ohne peinliche Redepausen. Monika liebte das Meer, die Berge und, das hätte Max überhaupt nicht erwartet, sie mochte auch gemeinsam Fernsehen bei Rotwein. Max erzählte von der großen weiten Welt, immerhin war er einmal in der Dominikanischen Republik gewesen, 2 Wochen pauschal. Die Menschen dort, wie liebenswürdig- die Kleine aus der Hotelbar verschwieg er- und gastfreundlich seien sie, und die Natur, die Berge und das Meer…..
Es wurde später und Max schlug einen Lokalwechsel vor, so hatte er es in einem Datingführer empfohlen bekommen. Das nächste Lokal, es befand sich 10 Gehminuten entfernt, war ein Argentinisches Steakhouse. Sie bestellten, aßen und betrachteten sich aufmerksam. Die Gespräche wurden intensiver, Monika zeigt immer wieder ihre gepflegten Zähne beim Lachen und legte dabei ihre Hand auf seinen Unterarm. Max glaubte zu träumen. Gegen 23.00 Uhr verließen sie das Lokal und checkten in einem billigen Hotel um die Ecke ein. Monika ließ sich nicht viel Zeit, zog sich aus, legte sich dekorativ aufs Bett und Max küsste sie. Fremde Haut, Freiheit, Leben pur, wilder Sex, so und nicht anders hatte Max es sich immer vorgestellt. Sie waren wie von Sinnen und taten Dinge, die er sich schon immer einmal gewünscht hatte; gleichzeitig hatte er den Eindruck, dass sie ihn gar nicht mehr richtig wahrnahm und fühlte sich ein wenig einsam. Max spürte, dass er bald kommen würde aber danach gerne gehen wollte. Danach schauten sie sich verschämt an und jeder wusste, dass es vorbei war, bevor es richtig begonnen hatte.
Sie gingen zu ihren Autos und verabschiedeten sich ungelenk. Max fuhr durch die Nacht heim, duschte lange und legte sich bedrückt ins Bett.
Einige Tage loggte Max sich nicht mehr bei Blue Ocean ein. Das Erlebnis mit "Ladyshark007" hatte seine Spuren bei ihm hinterlassen und er sinnierte darüber, ob es einen Zusammenhang zwischen Monikas Nick und dem Eindruck gab, den sie bei ihm hinterlassen hatte.
Dann hatte er einen Chatt mit "Saufziege", die noch sehr spät im Netz war. Ihr Motto: „Traue nie den leuchtenden Augen eines Mannes! Es könnte auch die Sonne sein, die durch seinen hohlen Kopf scheint“. Saufziege soff während des Chatts trockenen Rotwein und beschimpfte Max stellvertretend für alle Männer dieser Welt, die nur „das Eine“ wollten. Er klickte sie einfach weg und spürte, wie das erleichterte. Wenn doch nur alles auf der Welt so zu lösen wäre, klick und fertig.
Dann begegnete er an einem verregneten Sonntag einem "Eisengel 1962". Sie verabredeten sich im Cafe de Soleil in Osnabrück, unverbindlich und eigentlich hatte er keine große Lust aber auch nichts Besseres vor, also warum nicht?
Er saß schon als sie rein kam und erkannte sie sofort. Eine ältere resolute Mittvierzigerin, ein wenig maskulin auf den ersten Blick, sportliche Figur, ansonsten eher unauffällig bis langweilig. Als sie Kurs auf seinen Tisch nahm, stand Max brav auf, Küsschen, Küsschen, „ein Cappucino“ bitte, sie stellte ihre Handtasche auf den Nachbarsessel und schaute ihn sehr direkt an: „Und, was jetzt?“ Ein unbehagliches Gefühl beschlich Max. Was will die? „Schaun wir mal“, meinte Max und setzte sein souveränes Grinsen auf. Sie musterte ihn wie ein Raubvogel und verzog amüsiert den Mund. „Aha, wir schaun mal, auch gut“, meinte Barbara spöttisch, zündete sich eine Zigarette und blies den Rauch in seine Richtung.
Max spürte ein leichtes Ziehen in den Lenden, diese Zigarettennummer war vielleicht ein wenig primitiv, verfehlte aber keinesfalls ihre Wirkung. Sie unterhielten sich noch ein wenig, wobei Barbara ihn konzentriert anschaute, wenig lachte aber ab und zu wie zufällig seinen Fuß unter dem Tisch berührte. Ein bieder anmutendes Weib, das es faustdick hinter den Ohren hat, entschied er. Irgendwann schaute er sie direkt und ziemlich unverschämt an, taxierte ihre kleinen Brüste und den ganzen Rest abwärts. Als wäre es ein Signal, stand sie auf: „Ich muss mal eben weg, kommst du mit?“ Nein, er kam nicht mit und sie verschwand alleine Richtung Damentoilette. Als sie wieder raus kam, saß Max schon in seinem Wagen und steuerte die Autobahn an.
Davon musste er sich erst einmal erholen. Spät abends dachte er darüber nach, wie es wohl gewesen wäre, wenn er mit ihr gegangen wäre. Er wusste nicht, ob er froh oder traurig über seine Entscheidung sein sollte.
Die Tage bei Blue Ocean brachten sein komplettes Weltbild durcheinander. Hatte er doch immer verinnerlicht, dass es die Männer sind, die immer nur das eine wollen, stellte er nun Mitte 50 fest, dass die Frauen nicht viel anders waren, als er es gerne gewesen wäre und nahm sich jetzt fest vor, zukünftig mehr zu seinen Gefühlen und Wünschen zu stehen, seien sie auch noch so abwegig oder unanständig.
In den folgenden Wochen verfeinerte Max seine Suche und schaltete Suchfilter ein. Unter „Erweiterte Suche“, das kannte er schon von diversen Automobilplattformen“ gab er als Kriterien ein: Frau 43 bis 52, bis 172cm, bis 52 kg, Umkreissuche max. 30 km, online und mit Bild: Enter
Der PC ließ sich, wie um die Spannung zu steigern, ein wenig Zeit, dann kam eine Liste von ca. 20 Damen hoch, die zeitgleich mit Max im Netz bei Blue Ocean waren. Max beschloss nun systematisch vorzugehen, verfasste einen ziemlich duseligen Text, kopierte ihn und schrieb alle an: „Nett schaust Du aus, magst Du mit mir erzählen?, Max“ Es dauerte genau 30 Sekunden, bis die Bombe platzte. "Sub-Miss-Eve", "Silvermoon86" und "Nurmalso" (" Ich lache sehr gerne und unterhalte mich gerne über Gott und die Welt.....")
Charmant und lieb ,aber auch manchmal frech , Emanzipiert,aber keine Emanze.Und das wünsch ich mir: Leben,genießen,lachen und auch mal weinen mit einem Partner.) ließen sich zu einem Chatt herab: „Hasse Bild ohne Sonnenbrille?“, fragte "Nurmalso" nur mal so, und "Sub-Miss-Eve" wollte wissen: „Was suchst Du?“, während "Silvermoon86" zu Einwortsätzen, wie „Hallo!“ oder „Genau“ und „Spinner!“ neigte. Die Konversation nahm Fahrt auf und Max hatte alle Finger voll zu tun, die Fragen und Unverschämtheiten zu beantworten. Es war wie bei der Flugsicherung an einem internationalen Flughafen, alles ging gleichzeitig und war sehr gefährlich. Er durfte die einzelnen Teilnehmer nicht verwechseln, wenn es nicht zu Kollisionen kommen sollte, er musste sich gut merken, was er jeder einzelnen Dame vorgeschwindelt hatte und bekam langsam eine Vorstellung davon, was Fluglotsen leisten. Dann passierte es- "Silvermoon86" wollte gerne wissen, was er beruflich mache und "Sub-Miss-Eve" erkundigte sich gerade nach seinen sexuellen Vorlieben. Max hatte wieder einmal wie rasend auf die Entertaste gedrückt. Die Mitteilung „Exhibition“ erreichte "Silvermoon86" und er hörte ein lautes Hupgeräusch, als sie ihn auf die „Schwarze Liste“ setzte, nicht ohne vorher noch „Drecksschwein“ zu schreiben.
Max holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Danach sah er eine Reihe von Fragen auf dem Schirm. Nurmalso hatte offensichtlich eine Art Fingerepilepsie und Sub-Miss-Eve war ein klarer Fall behandlungsbedürftiger Sexsucht. Er rülpste laut und freute sich, dass er so respektlos vor dem Monitor rülpsen durfte, ohne dass Konsequenzen zu befürchten waren. Auf Schweinigeleien hatte er heute keine rechte Lust, außerdem war "Sub-Miss-Eve" von pyknischer Statur und mit einer bäuerlichen Physiognomie, eine Art weiblicher Dirk Bach, und dies zerstörte jede Illusion in ihm. Hätte sie mir bloss nicht diese Bilder von sich geschickt, dachte er noch, verabschiedete sich dennoch höflich unter irgendeinem Vorwand und fuhr seinen PC runter.
Irgendwie war die Sache doch schwieriger, als er gedacht hatte, weil:
1. die meisten schwindeln
2. viele keine Bilder von sich schicken wollten
3. manche besser keine Bilder von sich geschickt hätten
4. die ganze Onlinesuche nach einiger Zeit ermüdete und er merkte, bestimmte Verhaltensmuster zu entwickeln, die seine Wahrnehmung einschränkten.
5. Die interessanten Frauen zu weit weg wohnten
6. Die schönen Frauen meist einen an der Klatsche hatten
7. er nur noch vor dem PC hing und kaum noch mitbekam, ob es regnete oder die Sonne schien.
8. er spürte, dass er langsam einem Abstumpfungsprozess anheimfiel und vermutete, dass die Wahrscheinlichkeit, hier eine schlanke, intelligent-kultivierte Seelenverwandte mit schönen Brüsten und langen Beinen zu finden, nicht sehr groß war.
Max gönnte sich eine längere Auszeit, löschte seine „Favoritinnen“ und machte einen Kurztripp ins Allgäu, wo er seit vielen Jahren eine Ferienwohnung kannte, die seinen Bedürfnissen entgegenkam. Sein Notebook nahme er mit und am letzten Tag ging er ins Netz und begegnete "Keinetollefrau", alias Carla aus Rüsselsheim. Keine Floskel, keine Klischee, kein unnützes Füllwort duldete diese Kommunikation, sie redeten miteinander und verstanden sich auf Anhieb. Mehr noch, sie verstanden sogar Dinge, die nicht ausgesprochen wurden. Von Anfang an war Nähe und Verständnis da, Zuwendung und Respekt, all das, was er in den letzten Monaten entbehrt hatte. Sie chatteten nächtelang, Max ging müde zur Arbeit und wenn er heimkam war sein erster Weg an den PC um zu sehen, ob er Post hatte.
In den nächsten Tagen erzählten sie sich ihr Leben, ihre Wünsche und ihre Gefühle. Sie hatten Onlinesex von ungeheurer Intensität. Ihre Gedanken übertrugen sich, es kam häufiger vor, dass sie nur um wenige Minuten versetzt ihre virtuelle Welt betraten, als ob sie über eine geheime Hotline miteinander verbunden gewesen wären. Sie kannten den Freundeskreis und die familiären Strukturen des jeweils anderen, wussten, was der andere gerne aß, wohin sie gerne einmal fahren mochten, ihr schlimmstes Erlebnis und das schönste Gedicht, der Lieblingspopinterpret und einiges, was jetzt nicht mehr aufgezählt werden kann, weil es nicht mehr aufhören würde. Carla war spindeldürr und nicht hübsch, sie hatte 5 Kinder zur Welt gebracht, lebte unter prekären Umständen und Max konnte sich nicht erklären, warum es so war, wie es war.
Beziehungen verändern sich, wie sich alles verändert. Und nach 3 Monaten legte sich eine gewisse Schwere auf ihre Gespräche. Sie tauschten sich über alltägliche Dinge aus, was er gekocht hatte, welche Noten ihre beiden jüngsten Töchter mit nach Hause gebracht hatten. Max begann zu grübeln, Carla ging es nicht anders.
An einem Samstag chatteten sie ein wenig lustlos miteinander, Spannung lag in der Luft. Irgendwann gab es ein Missverständnis und Carla meinte, wenn es ihm nicht passe, dann müsse er ja nicht mit ihr chatten. In diesem Augenblick brach die Wlan-Verbindung von Max PC ab und er flog aus dem Netz.
Als er es nach 20 Minuten geschafft hatte, sich wieder einzuloggen, war Carla weg. Max hatte keine Telefonnummer, keine Adresse und eine schreckliche Angst stieg in ihm hoch.
Er versuchte es im Abstand von 30 Minuten immer wieder, Carla blieb verschwunden.
Er versuchte es immer wieder, tagelang, wochenlang. Er schrieb Mails, die zurück kamen, weil die Emailadresse nicht mehr existierte.
Nach 3 Monaten meldete Max sich bei Blue Ocean ab und dachte noch sehr oft an Carla.