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prophetisches Gedankenfeuer
"Nein!" schreit der Schwindende, prustet es zum ersten und zum letzten Male in die Welt hinaus, das Wort der Taten und des Willens, Protestaktion gegen den schicksalhaften Vorgang des allzu täglichen Verderbens. "Nein" zum Vergessen, "Nein" zum Erleben, "Nein" zum Ersterben, "Nein" zum Vergeben. So sinkt er hin, alles und doch gar nichts wollend, allenfalls erdolcht von seiner umgekehrten Hoffnung. Die setzt er in die kleinsten Dinge und erwartet sich nicht viel, doch immerhin ein wenig mehr als er bekommt. Da bricht ihm der Verstand und tausende Gedanken, teils lebendig, teils erschlafft, überfluten nun das schweigende Labyrinth seines Geistes, sein "Ich" hinfortgetragen in den schmetternden Wogen chaosartiger Erkenntnis. Blickt er darauf in den Spiegel sieht er alles ausser sich, ganz unfassbare Klarheit deren Antwort auf die Frage seines Sinns doch zu verschlungen und verbreitet ist, in der er bloß versinkt in dem Anblick und ertrinkt in der Fülle ihrer Existenz. So kennt er nur die Flut und ahnt nicht viel vom Tropfen der sie formt. Ja zum Leben heisst ihn nun dasselbe - damit ist er einverstanden und spricht darauf sein Ja zum Nichts; denn das ist ihm das Leben und der Tod und das ganze Sein der Dinge. Ein fröhliches Nichts: denn in seiner Freiheit liegt zugleich die erste, eigne Wahl, die daraufhin zum weitren Sein, einfach fragt ob "Ja", ob "Nein"?
Doch unsere Art ergötzt sich ihr Leben lang an der vorhersehbaren Tragik ihres Todes, was ihr zugleich die einzige schmerzliche Süße ihres verbitterten Daseins ist; und also gedeihen wir im Schatten der Unausweichbarkeit des Sterbens unserer Leiber, und trauern dennoch mehr um den Geist als dem Leibe nach. Denn Geist ist niemals erdgebunden - der jagt und lebt in Träumen und Gedanken. Und sucht dabei die vergebliche Kombination unseres Traumes perfekter Utopie mit der Unzulänglichkeit wirklichen, zermürbenden Seins. Scheitern heisst uns Sterben, und darum Leben wir um zu scheitern, und sterben, um zu leben. Denn stirbt man täglich, so ist der Tod das Leben selbst. Flüchtig sind wir, funkengleich, doch lösen wir uns aus der Flamme. Zu verlockend ist sie uns, die Existenz in unsrem eignen, schöpferischen Licht. Und so vergehen wir um zu Schöpfen, und scheitern und sterben um darauf zu vergehen. In diesem Akte aber liegt das Leben: denn indem wir sterben sind wir Gebärende und Zeugende der Hoffnung - und die ist unser Sinn; so hoffen wir auf die Unsterblichkeit unseres Sinns, die Rückkehr des beseelten Geistes in ihr zehrendes Feuer, auf dass die Flamme kühl werde und genährt durch unseren Willen. Was kümmern da die Leiber, wen das verottende Fleisch, wenn der Sinn unsres Seins hineingepflanzt ist in die ewige Erde, die Stätte allen Gedeihens? Und damit in die Herzen der kommenden Sprösslinge?