Prolog für eine Chaos Narration
Es gibt Geschichten, die sind so unglaublich unglaubwürdig, dass sie in den Augen vieler schon wieder äußerst glaubwürdig erscheinen, ja, eigentlich sogar glaubwürdiger als solche, die sich redlich um Glaubwürdigkeit bemühen. Sie erzählen von so absonderlichen Begebenheiten, in ihnen wandeln so skurrile Figuren, sie sind von so verschrobener Eigenwilligkeit, dass eben all dies sie so verwirrend unnormal wirken lässt, dass sie schon wieder erscheinen als seien sie das Normalste der Welt.
Es sind die Art von Geschichten, deren Geschehnisse allein niemand glaubt, deren Personen als solche von jedermann die Berechtigung zu existieren abgesprochen würde und deren Erzähler schlicht und einfach als Lügner hingestellt würden. Wenn, ja wenn da nicht diese schier wunderbare Verquickung all dieser Elemente wäre, die zusammenfinden wie von einer kosmischen Intelligenz getrieben, um sich zu einem farbenfrohen Spiel der Unwahrscheinlichkeiten zu vereinen. Gewinnen kann dabei nur der geneigte Leser, der, von übermächtiger Unvernunft überrumpelt, nur noch glauben kann, es sei die Wahrheit, die er dort liest.
Und nichts als die Wahrheit.
So gilt als populärstes Beispiel dieser Gattung , wollen wir ihr für einen kurzen Moment einmal den Namen ?Chaos-Narration? geben, eine uralte Schrift, die in einigen, für Chaos-Narration besonders anfälligen Kreisen, gar als heilig angesehen wird (was wiederum wahrscheinlich auf die immense Unglaubwürdigkeit in Wechselwirkung mit einem besonders anfälligen Personenkreis zurückzuführen ist). Nennen wir diesen Text darum einfach einmal heilige Schrift.
Der Protagonist dieses Buches erzählt eine Menge bilderreicher Geschichten und kam auf die Welt, ohne dass seine Eltern wirklich jemals zusammen in wilder Kopulation übereinander hergefallen wären.
Eigentlich kann man sie sogar als außerordentlich prüde bezeichnen, etwa von der Art verklemmtes pickelbehaftetes Mädchen, das sich für die Ehe aufhebt, nur um dann festzustellen, dass sie besser doch mal ein paar mehr Vertreter des männlichen Geschlechts Einlass bewilligt hätte, weil ihr vermeintlicher Erlöser eine Nullnummer ist. Nein, auch künstliche Befruchtung kommt nicht in Frage, denn das ganze spielt in einer Zeit, in der dieser Terminus zumindest auf Stirnrunzeln und bei näherer Erläuterung wohl auch zur Steinigung geführt hätte.
Kurz und gut: Der Typ ist ein unwahrscheinlich unglaubwürdiger Kerl, der zu allem Überfluss auch noch übers Wasser geht und noch einige andere höchst merkwürdige Aktionen bringt. Der Punkt unglaubwürdiger Protagonist wäre damit also bestens bedient.
Die Handlung als solche könnte ebenfalls archetypischer für dieses Genre kaum sein: Nachdem besagter Held ohne erkennbaren Grund geboren wurde, kommen drei willkürlich gewählte Könige des Weges, schenken ihm vollkommen unbrauchbaren Krempel und dampfen ihn mit Weihrauch zu, woraufhin sich Mutter und Vater, der sich im übrigen nicht wundert einen Sohn zu bekommen, ohne jemals auch nur einen Blick auf die süßen Früchte seiner Angetrauten geworfen zu haben, tierisch freuen. Dieses Kind wird alsbald groß, freut sich seines Lebens, erlebt ein paar Abenteuer, geht hier und da mal übers Wasser, findet Anhänger, die für ihn den Job schmeißen und wird eines Tages an ein Kreuz genagelt. So weit, so skurril, doch dann wird?s erst richtig absonderlich: Er wird zum Zombie (der; von den toten auferstandenes Wesen mit normalerweise unbändigem Appetit auf Gehirn, vorzugsweise humanoides; vermutlich eine Ableitung von zumbi, einem Wort aus Zaire, das ein Medium, einen Geist oder Totengeist bezeichnet.), will aber niemanden seines Hirnes berauben, sondern noch ein paar neunmalkluge Geschichten daherreden, nur um irgendwann mit Getöse zu seinem eigentlichen Vater, einer übermächtigen Gestalt irgendwo in den Wolken, zu entschwinden. Jedermann kann sich einen Reim darauf machen dass diese Handlung nichts ist als die Perversion der Unglaubwürdigkeit. Leider gibt es in allen menschlichen Sprachen keinen adäquaten Ausdruck für Abscheulichabsonderlicheriesenunwahrscheinlichkeit, wie ihn etwa Biber haben, doch in etwa so etwas ist es. Ohne Frage.
Bleibt noch die dritte Instanz zu klären, die eine simple Narration erst zu einer Chaos Narration macht: Der Erzähler. Bei diesem absonderlichen Beispiel kommt gleich ein ganzes Quartett daher, jeder erzählt die gleiche Geschichte, aber jeder halt doch ein bisschen anders. Als wäre dies nicht hirnrissig genug, basiert ihre Geschichte auf gesammelten Papierfetzchen und Geschichten seniler Großväter. Und das alles nur, um die absolut verrückte Geschichte eines absolut verrückten Typen festzuhalten.
Purer Wahnsinn.
Mit diesem Beispiel, einem Paradestück für die Chaos Narration hoffe ich Dir, geneigter Leser, diese Gattung ein wenig näher gebracht zu haben.
Im folgenden möchten wir uns jedoch einer ganz anderen Geschichte widmen, die ebenfalls zu dieser Gattung gezählt werden kann, nein, muss.