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Projekt 2030
3. Juni 2030
Ein silbernes Objekt begann den Landeanflug in einer unwirtlichen Welt.
„Starte Bremsdüsen!“
Captain Samuel Cooper und seine Crew trennten nur noch Minuten davon, für immer in die Geschichte der menschlichen Zivilisation einzugehen.
„Unsere Geschwindigkeit beträgt 1100 Milen pro Stunde, weiter sinkend!“, bestätigte Commander Daniel Andrews, nachdem Coopers Blick mehrfach auf die Geschwindigkeitsanzeige des Flugobjektes gewandert war.
„Gut“ Cooper wirkte euphorisch, „dann wollen wir das Baby mal landen!“
Das silberne Objekt, das aussah, wie ein überdimensionales Dreieck, war eine Innovation auf dem Gebiet der bemannten Raumfahrt. In Kooperation zwischen der amerikanischen und der europäischen Raumfahrtbehörde war die neuartige Konstruktion, die den Namen Desert Star trug, neun Jahre zuvor entstanden.
Nach mehreren Testflügen und besseren Modifikationen, war schon 2027 klar, dass die Raumfähre, die von den Ingenieuren den Spitznamen Silverbird erhalten hatte, die ersten Menschen zum Mars fliegen würde.
„600 Milen pro Stunde. Landezone in Sicht!“, erklärte Andrews.
Die Landung war schon vor zwei Jahren in zahlreichen Stunden im Flugsimulator in Houston trainiert worden, doch eine echte Landung war mit der in einem Flugsimulator nicht zu vergleichen. Das Adrenalin, das durch den Körper strömte, hatte im Simulator nicht die Ausmaße angenommen, welche gerade jetzt durch Coopers Körper jagten. Voller Konzentration steuerte der Captain der Desert Star sein Schiff auf das Zielgebiet zu. Einem Gebiet, das auf Landkarten des roten Planeten aussah wie ein gigantischer See, der schon vor Jahrtausenden ausgetrocknet zu sein schien.
Allerdings konnte es sich bei diesem Gebiet einst um einen See gehandelt haben, nachdem die vierte Mars-Mission der amerikanischen Weltraumbehörde NASA eindeutig festgestellt hatte, dass es vor Tausenden von Jahren Wasser auf dem Mars gab.
„250 Milen pro Stunde!“
Cooper nahm nichts mehr wahr. Er sah auf den zwanzig Zoll Display vor sich, auf dem die bizarre Landschaft des Mars wiedergegeben wurde. Diese Technologie basierte auf einer kleinen Digitalkamera am Rumpf der Desert Star, die die Signale via Funk auf den Display weitergab.
Das Steuer in Coopers Händen fing an zu ruckeln. Für den erfahrenen Astronauten nichts Besonderes. Er betätigte einige Schalter an der Decke, die für die Stabilisierung der Raumfähre zuständig waren. Mit einem Mal verschwand das Ruckeln und Cooper hatte das Gefühl in einem alten Cadilac durch die Straßen New Orleans, seines Heimatortes, zu steuern. Das liebte er an diesem Raumgefährt. Alles ließ sich durch die brillante Technik an Bord sofort ändern, so dass auf allen Stationen des Fluges stets eine angenehme Atmosphäre herrschte.
Nachdem die Desert Star die Mondbasis verlassen hatte, begann für die dreiköpfige Crew ein Abenteuer, das mit der Verewigung ihrer Namen in den Geschichtsbüchern der Erde enden würde. Samuel Cooper, Daniel Andrews und Jan Berger. Diese Namen müssten irgendwann einmal zum Allgemeinwissen irdischer Schüler gehören. Cooper und Andrews wären bei ihrer Rückkehr und Landung in den Vereinigten Staaten von Amerika im eigenen Land populärer als Michael Jackson in seinen besten Tagen. Berger, der auf diesem Flug die europäische Weltraumbehörde ESA vertrat und aus Köln in Deutschland stammte, wäre für seine Nation eine Legende, wenn nicht sogar für den gesamten europäischen Kontinent.
Diese und andere Gedanken wirbelten Cooper durch den Kopf.
„120 Milen pro Stunde! Ich beginne damit das Fahrwerk auszufahren.“
Andrews Finger huschten über eine Konsole, die sich vor ihm befand. Ein leises akustisches Signal bestätigte die Einstellung.
Im Gegensatz zu einem Space Shuttle brauchte die Desert Star keinen Treibstoff. Ihr Triebwerk bestand aus einem Atomreaktor, der unter ständiger Kontrolle des Systems stand. Während ein voll getanktes Space Shuttle knapp sechshunderttausend Tonnen wog, brachte es die Desert Star auf lediglich vierhundertzehntausend Tonnen Gesamtgewicht. Ihre Maße betrugen in der Länge vierzig Meter. Die Spannweite des Raumfahrzeugs betrug sechsundzwanzig Meter. Demnach war die Desert Star größer als ein herkömmliches Shuttle, konnte aber durch eine neuartige Metalllegierung gewichtsmäßig eine schlankere Taille als ein Space Shuttle vorweisen.
„Landezone in 30 Sekunden erreicht. Geschwindigkeit bei 55 Milen pro Stunde. Weiter sinkend.“
Andrews wischte sich mit einem Taschentuch, das er kurz nach Abflug neben die Konsole gelegt hatte, über die Stirn.
Captain Cooper ließ sein Raumfahrzeug eine Schleife fliegen, um die Ladezone in einem besseren Winkel ansteuern zu können.
„Ist das Fahrwerk ausgefahren?“, fragte er, seinen Blick konstant auf den Display haltend.
Andrews nickte und sagte: „Ja, Sir. Fahrwerk ist ausgefahren!“
Die Desert Star befand sich nun über dem Landegebiet, als Andrews mehrere Schalter über sich an der Decke betätigte. Die Raumfähre verlangsamte ihr Tempo und blieb wie ein Helikopter auf der Erde in der Luft stehen. Die Antriebsdüsen drehten sich um neunzig Grad und das Raumschiff begann seinen langsamen Sinkflug.
Der Sand am Boden wurde durch die Antriebsdüsen aufgewühlt, sodass die Desert Star wenige Sekunden lang in einem kleinen Sandsturm gefangen war. Die Kufen des Fahrwerks gruben sich einige Zentimeter tief in den Boden ein und nachdem die Düsen verloschen, drehten sie sich in ihre ursprüngliche Position zurück.
„Houston? Hier spricht die Desert Star!“, sprach Jan Berger, für die Kommunikation an Bord zuständig, in sein Head-Set hinein.
Sekunden vergingen. Nichts! Der Funkkanal blieb still.
„Houston? Desert Star erbittet Antwort.“
Erneut vergingen Sekunden und Berger schloss seine Augen. Bitte nicht jetzt, dachte er. Jetzt, wo wir die Mission zu einem Erfolg geführt haben.
Zehn Sekunden vergingen, bis Berger seine Augen wieder öffnete.
„Versuchen Sie es noch einmal und diesmal auch über einen visuellen Kanal“, befahl Cooper.
Berger nickte und tat wie ihm aufgetragen wurde. Ein kleiner Bildschirm neben seiner Konsole blieb allerdings schwarz. Erneut vergingen Sekunden, Sekunden voller Hoffnung endlich ein Signal zu erhalten.
Was die Techniker in Houston jetzt wohl machen, fragte sich Andrews. Wahrscheinlich versuchen sie ebenfalls Kontakt mit uns aufzunehmen. Vielleicht macht sich in den Köpfen mancher schon der Gedanke breit, dass die Schlusssequenz der Mission fehlgeschlagen sei. Das die Desert Star durch irgendein Phänomen auf dem roten Planeten, das bislang unerforscht war, zerstört wurde.
„Houston! Desert Star ist erfolgreich gelandet. Ich wiederhole, Desert Star ist erfolgreich gelandet!“, sprach Berger in sein Head-Set. Vielleicht, so dachte er, hört man mich in Houston.
Möglicherweise gab es ein Problem beim Empfang innerhalb des Computersystems der Raumfähre.
„Desert Star… hier spricht Houston Control. Bitte melden“, klang es rauschend durch die Lautsprecher.
Bergers Augen funkelten.
„Houston Control. Hier spricht Desert Star. Wir sind erfolgreich gelandet!“
Die drei Astronauten vernahmen lautes Klatschen und Grölen durch die Lautsprecher.
„Desert Star… wir dachten schon, wir hätten euch verloren.“
„Keine Sorge, Vince. Ich habe die beiden Jungs behutsam runter gebracht… und mein Baby natürlich auch“, sprach Cooper durch ein Head-Set, das er sich gerade aufgesetzt hatte.
„Das habe ich auch nicht anders erwartet, Samuel.“
Vince Dawson, Leiter von Houston Control, saß aufrecht in seinem Rollstuhl und ließ sich von mehreren Mitarbeitern auf die Schultern klopfen.
„Leider haben wir ein Problem mit der visuellen Übertragung, sodass wir momentan nur die Außenbordkamera nutzen können. Ich würde sagen, wir fahren wie geplant im Programm fort. Seit ihr bereit in die Geschichte einzugehen?“
„Ja, das sind wir, Vince.“
Es verging eine halbe Stunde, bis alle drei Astronauten ihre Raumanzüge ordnungsgemäß angezogen hatten. Die letzte Handlung bestand darin, sich den Helm aufzusetzen. Dabei half einer dem anderen, weil der Helm auf der Rückseite mit dem Rest des Raumanzuges hermetisch verschlossen werden musste.
Cooper atmete tief durch und öffnete Einstiegsluke. Das bizarre Bild des Mars offenbarte sich ihnen. Der Himmel war durchzogen von einem blass wirkenem Schimmer. Der Boden erinnerte Cooper mit seiner kaminroten Farbe an den Tennisplatz zuhause in New Orleans, der mit einer kaminroten Gummimatte überzogen war.
Die kleine Metalltreppe, die sich völlig ausgefahren hatte, schien die drei Astronauten förmlich zu einem gemütlichen Spaziergang einzuladen. Langsam setzte Cooper einen Fuß vor den anderen, bis er die letzte Sprosse der Treppe erreicht hatte. Nun war er nur noch einen Schritt entfernt.
„Houston!“, sagte er. „Ich habe schon immer von diesem Moment geträumt. Dieser Traum ist nun Wirklichkeit und erst jetzt begreife ich, welch ein Glück ich hatte unter siebenhundert der besten Astronauten der Erde ausgewählt zu werden, um nun hier zu stehen. Ich weiß nicht, ob jeder auf der Erde dieses Gefühl mit mir teilen kann… Ich war noch nie jemand, der große Reden aus dem Stehgreif präsentieren konnte, aber stellvertretend für alle Menschen auf der Erde haben wir diese strapaziöse Reise auf uns genommen, um diesen Planeten zu einer neuen Kolonie der menschlichen Rasse zu machen.“
Captain Cooper atmete mehrmals durch. Er schloss seine Augen und setzte als erster Mensch einen Fuß auf den roten Planeten.