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Prioritäten

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22.04.2017
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Prioritäten

Eine kühle Brise umspielt seine Backen, während er genüsslich seine Nase rümpft. Zwischen den Schlieren des kalten Rauches seiner Zigarette vernimmt er dumpf den Klang der Stimme seines Gegenübers.
Ab jetzt nur noch halbtags. "Wie verweichlicht", denkt er sich und nimmt einen weiteren tiefen Zug. Er hatte damals noch seine Wochenenden in der Kanzlei verbracht, Interviews gegeben, der Presse eben das gesagt was man so sagt wenn man groß rauskommen möchte. Keine große Sache, das übliche Palawer, nur ein paar Stündchen mehr in der Kanzlei.

Der fragende Blick seines Gegenübers reißt ihn aus seinen Gedanken. "Ja ja... sehr gut. Bin stolz auf dich." Stolz. Was weiß der schon davon? Mit seinem einfachen Beruf als Handwerker gibt es doch überhaupt nichts, worauf man sich etwas einbilden könnte.

Finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Ein weiteres Nase rümpfen, dann drückt er den Stummel in der schwarz gefärbten Schale des Aschenbechers aus. Seinen Lebensstandard hatte er seinem größten Coup zu verdanken, ein Mann aus Dresden, soll seine Frau und seinen Sohn erschossen haben. Ob sein Mandant schuldig gewesen ist, weiß er nicht. Es spielt aber auch keine Rolle für ihn. Tatsache ist, dass er es geschafft hat, den Freispruch zu erwirken. In dubio pro reo. Großer Presserummel, viele Interviews, viele Wochenenden in der Kanzlei. Keine große Sache, jeder einzelne Cent entschädigte ihn für die investierten Stunden.

Er verschränkt die Arme und sinkt tiefer in seinen Schaukelstuhl, während er den Monolog des Anderen über sich ergehen lässt. Mehr Zeit. Zeit ist Geld, hat er ihm schon immer gesagt. Lisa war da anderer Meinung, hatte ihn ständig gebeten doch etwas mehr Zeit mir ihr zu verbringen. Nur gut dass sie irgendwann ihre Sachen gepackt hat. Er seufzt auf. Sonst hätte er niemals den Aufstieg zum Unternehmensjuristen geschafft.

Sein Gegenüber erhebt sich unterdessen aus seinem Stuhl und schiebt diesen bedächtig an den Tisch. "Na ja... also gut Papa, ich gehe dann mal langsam. Habe Thomas versprochen ihn nachher noch zum Fußball zu fahren." Der Alte beendet das nervöse Ziehen an der Tischdecke und richtet sich auf. "Ja ja... ist gut.", er ist bereits zur Tür hinaus, "sag deiner Frau liebe Grüße von mir."

Als nun Stille eintritt, beginnt er bitterlich zu weinen.

 
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Meine Absicht war eben genau das mit dieser Geschichte, die Charaktere genau nicht auszuschmücken, damit sie als universal zu verstehen sind und auf jede beliebige Person zutreffen können. Ich möchte genau diesen "What the fuck?"-Moment am Ende der Geschichte produzieren, der einen dazu verleitet, die Geschichte nochmal zu lesen und diesmal auf die Details zu achten. Ich möchte dass die Geschichte Interpretationsspielraum bietet und eben genau nicht alles glasklar am Ende ist.
fxdysprosium
Diese ganzen Fragen die du gestellt hast, sind genau das, was ich bezwecken wollte - sie sind nun Interpretationssache, wobei es zu ziemlich jeder deiner gestellten Fragen eine Andeutung in der Geschichte gibt, die eine Antwort vermuten lässt.

Was ich damit sagen möchte: diese "Seelenlosigkeit" und "Mangel an Information" ist an dieser Stelle als bewusstes Stilmittel eingesetzt worden, bzw. habe ich das zumindest versucht. Falls das nicht geklappt hat, ist das natürlich schade, stilistisch hatte ich versucht mich an Kurzgeschichten zu orientieren, die ich in meiner Schulzeit gelesen hatte. (z.B. "Sie verlangen zu viel" von Gabriele Wohmann), wo sich die Charaktere ebenfalls duch großen Mangel an Informationen auszeichnen.

Würde mich freuen wenn mir jemand nochmal erläutern kann, weshalb das hier nicht funktioniert hat :)

 

Hallo dwhite97,

Meine Absicht war eben genau das mit dieser Geschichte, die Charaktere genau nicht auszuschmücken, damit sie als universal zu verstehen sind und auf jede beliebige Person zutreffen können.
und damit wird auch deine ganze Geschichte beliebig.

Ich möchte genau diesen "What the fuck?"-Moment am Ende der Geschichte produzieren, der einen dazu verleitet, die Geschichte nochmal zu lesen und diesmal auf die Details zu achten.
Nur gab es keinen What-the-fuck-Moment, sondern ein höchstens ein "Achso". Das Motiv der späten Reue und die Figur des karrieregeilen Mannes, der seine Familie im Stich lässt, sind fast so alt wie die Literatur selbst. Also, zumindest das Motiv. Die Figur hat aber auch schon n ziemlich langen Bart. Deswegen schockt es halt auch niemanden, eine Geschichte über einen auf den ersten Blick eiskalten Kerl zu lesen und dann zu sehen, dass er am Ende doch n bisschen emotional ist. Kennt man halt. Reißt einen nicht mehr vom Hocker.


Ich möchte dass die Geschichte Interpretationsspielraum bietet und eben genau nicht alles glasklar am Ende ist.
Das ist gut und richtig, aber man darf Interpretationsspielraum nicht missverstehen mit absoluter Beliebigkeit. Man muss dem Leser schon wirklich konkrete(!) Dinge liefern, die interpretierbar sind, sonst funktioniert das nicht.

Wenn du sowas machen willst, also dem Leser Interpretationsspielraum geben, dann musst du dir schon vorher klar machen, welche Interpretation(en) DU 'zulassen' willst. Bzw welche du mindestens(!) beim Leser hervorrufen willst. Welche du als Leser wählen würdest. Und dann ist die große Kunst, genau so viel wegzulassen, dass man noch über Interpretation drauf kommen kann, ohne ins Beliebige abzurutschen.

(z.B. "Sie verlangen zu viel" von Gabriele Wohmann), wo sich die Charaktere ebenfalls duch großen Mangel an Informationen auszeichnen.
ich hab mir die Geschichte gerade mal durchgelesen und sehe da einen ganz, ganz großen Unterschied zu deiner: Dein Thema wurde schon unzählige Male in diversen Adaptionen aufgegriffen und ausgeschlachtet. Das Thema ist langweilig und ausgelutscht. Wenn du darüber schreiben willst (was du natürlich kannst), dann musst du dem Leser die Geschichte so erzählen, wie er sie noch nie gelesen hat.
Wohmann nimmt sich das Thema Kommunikation, bzw genauer: Das Aneinander vorbeireden, und sie nimmt das Thema, klatscht das mit Schmackes auf den Boden, fährt da mit dem PKW drei mal drüber und bastelt es dann wieder zusammen.
Ich kann nicht sagen, dass mich ihre Geschichte emotional mitgerissen hätte. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich so einen Plot zu dem Thema noch nicht vorher gelesen habe.

Ich weiß, dieses "och, ich lass das Ende mal offen und den Leser das interpretieren" ist so schön bequem, weil man sich dann selbst nicht so viel Gedanken darüber machen muss, was man eigentlich erzählen will. Und genau darum funktioniert es nicht. Erstmal musst du wissen, was du erzählen willst. Dann erzählst du das. Und dann kannst du vielleicht wieder etwas eindampfen und den Interpretationsspielraum erweitern. So rum wird ein Schuh draus ;)

So, genug gemeckert, es ist spät, und nach müde kommt ja bekanntlich blöd.
Ich hoffe ich konnte dir trotz ggf. scharfem Tonfall ein bisschen weiterhelfen & du nimmst das nicht persönlich, so war es nämlich nicht gemeint.
Liebe Grüße,
Sommerdieb

 
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Lieber dwhite97
ich begrüße dich bei den Wortkriegern.
Schon gestern habe ich einen Kommentar auf deinen Text geschrieben, wollte aber erst einmal schauen, ob du an Antworten interessiert bist und habe ihn deshalb zurückgehalten.
Am Ende gehe ich auf deine Antwort an fxdysprosium ein.

Hier mein Kommentar von gestern:
Ein sehr interessantes Thema hast du dir für deine Kurzgeschichte ausgesucht. Welche Prioritäten setzen wir uns in unserem Leben? Was soll für uns wichtig sein? Wie werden wir unser Leben im Rückblick bewerten? Der Tag ‚Philosophisches’ ist hier schon richtig gewählt.
Allerdings finde ich, dass du aus deiner guten Idee zu wenig gemacht hast. Ich hätte gerne mehr von den Gedanken des Vaters gelesen, mehr vom Sohn gehört, kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Diskussion der beiden so wortkarg verläuft.

Ab jetzt nur noch halbtags.

"Ja ja... sehr gut. Bin stolz auf dich."
"Na ja... also gut Papa, ich gehe dann mal langsam. Habe Thomas versprochen ihn nachher noch zum Fußball zu fahren."

"Ja ja... ist gut.",

"sag (Sag) deiner Frau liebe Grüße von mir."

Ich hatte beim ersten Lesen große Verständnisprobleme. Mir war nicht gleich klar, wer wer war, wer da dachte bzw. sprach.
Dass da auf der einen Seite ein Sohn ist, der den Anforderungen des Vaters nicht entspricht, und auf der anderen Seite ein Vater, der den ‚Prioritäten’ des Sohnes das eigene Leben gegenüberstellt, das erschloss sich mir erst, nachdem ich deinen Text mehrmals gelesen hatte. Das liegt mMn daran, dass du dich zu kurz fasst. Ich hätte gerne mehr vom Sohn erfahren, hätte z.B. gerne seinen Monolog gehört. Und vielleicht hätte ein ausgeführter Dialog mir die Gegensätzlichkeit der beiden Lebensentwürfe deutlicher erschließen können. So servierst du mir alles bruchstück- und lückenhaft und ich werde so völlig überrascht vom abrupten Ende.

Ich habe das Gefühl, dass du deine interessante Idee nicht lange genug hast reifen lassen.
Als Leser möchte ich teilhaben an der inneren Entwicklung des Vaters, ich möchte nachvollziehen können, warum er zum Schluss bitterlich weint. Ich kann es mir zwar denken, aber im Rahmen deines Textes finde ich vorher nichts, was diese starke Reaktion wirklich erklärt.

Noch ein paar Anmerkungen:

Eine kühle Brise umspielt seine Backen, während er genüsslich seine Nase rümpft.
Warum ‚genüsslich’? Was ist das für ein Charakter, der hier noch genüsslich über den eigenen Sohn die Nase rümpft, später aber bitterlich (vermutlich über sich selber) weint. Das kann ja schon sein, aber dann müsstest du mMn diese Widersprüchlichkeit auch im Folgenden stärker verdeutlichen.

der Presse eben das gesagt was man so sagtK wenn man groß rauskommen möchte.
, das übliche Palawer,
Palaver

Ein weiteres Nase rümpfen, dann drückt er den Stummel in der schwarz gefärbten Schale des Aschenbechers aus.
Ein weiteres Naserümpfen …

hatte er seinem größten Coup zu verdanken, ein Mann aus Dresden,
… zu verdanken: Ein Mann aus Dresden, …

Lisa war da anderer Meinung, hatte ihn ständig gebetenK doch etwas mehr Zeit mir ihr zu verbringen. Nur gutK dass sie irgendwann ihre Sachen gepackt hat.

Nun zu deiner Frage in deiner Antwort:

Würde mich freuen wenn mir jemand nochmal erläutern kann, weshalb das hier nicht funktioniert hat

Ich kann natürlich nur für mich sprechen: Für mich hat es nicht funktioniert.

Ich wurde weder unterhalten (das Geringste, was ich von einer KG erwarte) noch zum Nachdenken gebracht. Deine Geschichte löst allenfalls ein Kopfnicken bei mir aus: Ja, die Menschen setzten unterschiedliche Prioritäten und erkennen am Ende ihres Lebens manchmal, dass sie die falschen gesetzt haben. Das ist trivial.
Diese Weisheit erschließt sich aufgrund der sperrigen Art, mit der du deinen Text aufziehst, natürlich erst nach zwei- bzw. mehrmaligem Lesen, aber sie bleibt für mich leider auf dieser recht platten Ebene.
Das wäre gar nicht schlimm, wenn mir die Kurzgeschichte an sich etwas gebracht hätte, wenn sich mir als Leser die Gegensätzlichkeit der beiden und ihrer Lebensentwürfe erst nach und nach und sehr allmählich (am liebsten subtiler) erschlossen hätte, wenn ich mir insgesamt ein differenzierteres Bild von beiden hätte machen können.

Meine Absicht war eben genau das mit dieser Geschichte, die Charaktere genau nicht auszuschmücken, damit sie als universal zu verstehen sind und auf jede beliebige Person zutreffen können. Ich möchte genau diesen "What the fuck?"-Moment am Ende der Geschichte produzieren, der einen dazu verleitet, die Geschichte nochmal zu lesen und diesmal auf die Details zu achten. Ich möchte dass die Geschichte Interpretationsspielraum bietet und eben genau nicht alles glasklar am Ende ist.

Was heißt denn ‚universal’? Als Begründung dafür, dass ich keinen Charakter entwickle, halte ich das für ein fragwürdiges Argument. Das würde ja bedeuten, dass alle Menschen entweder so oder so sind, entweder handeln und denken sie wie der Vater oder wie der Sohn. Das erscheint mir in der Tat eine sehr universale, undifferenzierte Betrachtungsweise aller Menschen.

Und ja, ich habe beim zweiten oder dritten Lesen auf die Details geachtet. Aber es wurden nicht mehr und sie wurden nicht aussagekräftiger. Das einzige, was sich mir allmählich erschloss, war, dass ich nun besser zuordnen konnte, wer sprach und wer dachte. Ja, ich wusste dann, dass da ein Vater war, der rauchte, die Nase rümpfte, sein Leben Revue passieren ließ und zum Schluss weinte, und ein Sohn, der ganz andere Prioritäten setzte als sein Vater. Aber mehr leider auch dann nicht. Nein, du hast es dir zu leicht gemacht.
Und der Interpretationsspielraum bleibt auch sehr eng, da auch die Aussage des Textes simpel ist (natürlich nur, wenn ich deinen kurzen Text richtig verstanden habe, s.o.).
Und was soll im übrigen nicht glasklar sein an deinem Text? Der Vater Jurist, dem Geld wichtiger war als seine Zeit, als seine Frau, der Sohn Handwerker, dem seine Zeit und seine Familie wichtiger ist als das Geld. Habe ich da Wichtiges überlesen?

Ich bin gespannt auf deine Antwort.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo dwhite97,

ein kurzes Überfliegen Deiner Geschichte, der Kommentare und Deiner Reaktion und wenig Zeit, lässt mich auch wenig sagen zu dem, was Du möchtest, nämlich wissen, warum Dein Text nicht funktioniert.

Nehmen wir uns die ersten zwei Sätze vor, die mein Sprachempfinden strapazieren:

Eine kühle Brise umspielt seine Backen, während er genüsslich seine Nase rümpft. Zwischen den Schlieren des kalten Rauches seiner Zigarette vernimmt er dumpf den Klang der Stimme seines Gegenübers.

Das Wort "Backen" ist nicht gerade schön, spielt es doch eher auf das Gesäß an und nicht auf die Wangen. Nun magst Du einwenden, dass dies Absicht sei, aber mögen tue ich es dennoch nicht, rückt es doch den Menschen in die Nähe des Schweines, wo die Backen Genuss versprechen, hier aber - schon fast prophetisch - beim Genuss die Nase gerümpft wird.

Auch der nächste Satz lässt mein Empfinden zucken, so ist die Schliere doch kein Gas, sondern eine geschmierte Substanz, was bei sich gasförmigen ausbreitenden Rauch schlicht nicht möglich ist. Zwischen den Schlieren, was schon ein merkwürdiges Bild ist, denn steigt der Rauch doch eher als Fahne nach oben und zerteilt sich selten in separate Untergebilde, soll dann etwas vernommen werden, was impliziert, dass die Ohren des Hörenden zwischen den Schlieren sitzen, was vielmehr einen Lacher provoziert als Gedanken über den Sinn des Geschriebenen.

Du siehst, möchtest Du durch Reduktion der Information Deinen Leser zum Nachdenken ermuntern, so funktioniert dies bei einem Leser wie mir nur, wenn der Text auch nachdenkenswerte Gedanken verspricht, was sich hier aber nicht gerade als Versprechen aufdrängt, wenn der Leser mit seinen Backen zwischen den Schlieren sitzt und dumpf den Klang des Gesprochenen vernimmt, was verbunden ist mit verstopften Ohren, denn die Rauchschlieren verändern die Akustik wohl kaum in einem solchen Maße, dass der Klang des Gesprochenen nur noch dumpf ankommt.

Nichts für ungut, aber nun ahnst Du vielleicht, warum Deine Geschichte bei mir nicht funktioniert.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo dwithe97!

Eine kühle Brise umspielt seine Backen, während er genüsslich seine Nase rümpft.
Dieser Einstieg ruft ein ekliges Bild hervor. Schreib doch Wangen, das ist eindeutiger, insbesondere in Verbindung mit Naserümpfen..

Zwischen den Schlieren des kalten Rauches seiner Zigarette vernimmt er dumpf den Klang der Stimme seines Gegenübers.
Wieso kalter Rauch? Wer interessiert sich je für die Temperatur des Zigarettenrauches?
Warum vernimmt er die Stimme nur dumpf? Hat er was in den Ohren?
Wieso ertönt die Stimme nur zwischen den Schlieren?

Vieles ist sehr unsauber formuliert, auch die Regeln der Zeichensetzung sind stellenweise vernachlässigt.
Die Aussage des Textes erschließt sich mir überhaupt nicht. Warum heult er am Ende? Er hat doch sein Leben geführt, wie er es wollte.

Gruß

Asterix

 

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