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Prinz Neunmalklug
In einem fernen Königreich lebte einmal ein Prinz, der immer alles besser wusste.
Wenn der Koch einen Braten zubereitete, so stand der Prinz hinter ihm und sagte:“Da gehört aber noch mehr Pfeffer dran!“ Der arme Koch musste dann mehr Pfeffer an das Essen machen, ob er wollte, oder nicht.
Spielten die Prinzessinnen im Garten Federball, so rannte der Prinz hinzu und nahm ihnen den Schläger weg. „So wird das nie etwas!“, konnte man ihn dann hören. „Ihr müsst den Schläger viel höher halten.“ Er fing an, ihnen zu zeigen, wie sie spielen sollten und hüpfte so lange allein herum, bis die Prinzessinnen die Lust am Spiel verloren.
Den Soldaten machte er das Marschieren vor, dem Hofpoeten strich er alle Gedichte durch und ersetzte sie durch seine eigenen Verse, dem König zeigte er, wie er das Zepter richtig halten sollte und dem Kindermädchen nahm er das Baby aus dem Arm und erklärte ihm, dass kleine Kinder am besten wachsen, wenn man sie zweimal täglich mit Waser begiesse. Von dem Geschrei des Babys kam die Königin herbeigerannt, aber noch bevor sie etwas sagen konnte, meinte der Prinz: „Mama, diese Krone sieht an dir nicht so gut aus, du solltest lieber Silber tragen, das macht jünger.“
Voller Empörung lief die Königin zu ihrem Mann und beschwerte sich. „Unser Sohn ist so richtig neunmalklug!“, ärgerte sie sich. „Immer hat er etwas zu verbessern, auch wenn es ihn gar nichts angeht! Er geht allen auf die Nerven.“
„Ja, ich fürchte, du hast Recht“, antwortete der König bedauernd. „Ich glaube, wir müssen uns etwas einfallen lassen. Lass mich mal nachdenken.“ Hier blinzelte der König verschwörerisch und ging in seine Bibliothek, welche er immer aufsuchte, wenn er wichtige Dinge entscheiden musste.
Am nächsten Tag schickte das Königspaar den Prinzen auf eine Reise um die Welt.
„Ich hoffe, du lernst etwas, mein Sohn“, sprach der König und wischte sich mit einem himbeerroten Taschentuch eine winzige Träne aus den Augen.
„Das glaube ich kaum Vater“, sprach der Prinz und lachte herzlich. „Ich weiß ja schon alles!“
Die Königin schluchzte und drückte ihn an sich. Der Prinz hatte nämlich noch nie in seinem Leben das heimatliche Königreich verlassen. Trotz seiner Besserwisserei liebten ihn seine Eltern sehr und dachten nun, dass sie ihn wohl vermissen würden. Die Kapelle spielte: „Nun ade, du mein lieb‘ Heimatland“ und der Prinz stieg voller Vorfreude in die Kutsche ein, aber nicht, ohne vorher noch einmal kurz dem Kapellmeister den Taktstock aus der Hand zu nehmen. Er schwang den Stock durch die Luft. „So geht das richtig“, sagte er zu dem Kapellmeister. Der König und die Königin nickten sich heimlich zu. Die Reise würde dem Prinzen sicher gut tun.
Der Prinz fuhr gut gelaunt durch das Land und kam schließlich zum benachbarten Königreich.
Wie erstaunt war er, als er bemerkte, dass alle Menschen dort ihre Hüte verkehrt herum trugen!
Als er sie gerade darauf hinweisen wollte, kam eine Frau zu ihm gelaufen und riss ihm seinen eigenen Hut vom Kopf. „Junger Mann“, sagte sie freundlich aber bestimmt, „wie Sie ihren Hut tragen, dass sieht ja ganz unmöglich aus. Andersherum ist es richtig!“
„Was fällt Ihnen ein!“, rief der Prinz zornig, „Ich bin ein Prinz!“
Die Leute um ihn herum lachten nur, denn sie kannten ihn ja nicht.
„Der Prinz der falschen Hüte!“, rief ein kleiner Junge keck und die Menge um ihn herum hielt sich die Bäuche vor Lachen.
Verwirrt stieg der Prinz wieder in seine Kutsche ein. Sie fuhren weiter und sahen herrliche Landschaften, seltsame Tiere und Leute mit Hüten, die falsch auf dem Kopf saßen. Der Prinz aber verspürte keine Lust mehr, noch einmal auszusteigen.
Bald kamen sie in ein sehr warmes Land. Dort liefen die Leute auf riesig hohen Schuhen herum und kamen nur ganz langsam vorwärts. Das konnte der Prinz gar nicht mit ansehen. „Warum zieht ihr nicht eure Schuhe aus, da könnt ihr viel schneller laufen!“, rief er und machte es ihnen vor. Da biss ihn eine der winzigen Spinnen, die es in diesem Land gab, in den Fuß. Der Prinz schrie erschrocken auf und eine Frau sagte: „Nun weißt du, warum wir so hohe Schuhe tragen.“
Auch dieses Land gefiel dem Prinzen nicht so recht und er fuhr verlegen weiter.
Nach einer langen Reise über ruckelnde Landstraßen erreichten sie schließlich ein Land, in dem die Leute ganz normal aussahen. Auf den ersten Blick war es fast, wie zu Hause. Man spielte hier eine lustige Sportart mit kleinen bunten Kugeln. Der Prinz schaute dabei gern zu, er merkte sich alle Regeln und beschloss, diesen Sport auch in seinem Königreich einzuführen.
Allerdings war das Essen ungewöhnlich und schmeckte dem Prinzen überhaupt nicht. Irgendein schreckliches Gewürz war an allen Speisen, das seiner Meinung nach alles verdarb. Obwohl man ihn freundlich aufgenommen hatte, konnte er seine Besserwisserei nicht unterdrücken und verkündete all seinen neuen Freunden, dass er für sie ein Festmahl kochen wollte. „Damit ihr mal wisst, was gut schmeckt“, meinte er gönnerhaft und bemerkte nicht die seltsamen Blicke der Leute um ihn herum. Als er aber sein Essen fertig hatte, kostete ein jeder nur ein winziges bisschen und spuckte es sofort wieder aus. „Igitt“, hörte er ein paar Leute sagen, „es ist ja völlig ungewürzt.“ Der Prinz stand da und hätte beinahe geweint. So fühlte sich also der arme Koch, wenn er ihn immer belehrte.
„Tut mir leid, mein fremder Freund“, sagte ein alter Mann zu ihm. „Aber das können wir einfach nicht essen. Wir haben eben einen anderen Geschmack.“ Der Prinz nickte nur stumm. Und in diesem Moment hatte er furchtbare Sehnsucht nach seiner Heimat, nach seiner lieben Mutter, nach den lustigen Prinzessinnen mit ihrem graziösen Federballspiel und nach dem leckeren Essen vom Hofkoch. Und so machte er sich wieder auf die Heimreise.
Endlich erreichte er das heimatliche Schloss, wo schon alle auf ihn warteten. Sie feierten ein großes Fest zu Ehren seiner Rückkehr. Der Prinz lobte das Essen, schaute klatschend dem Federballspiel der Prinzessinnen zu und machte seiner Mutter Komplimente über ihren schönen Goldschmuck.
Am Abend saß er neben dem König auf dem Balkon und dieser fragte ihn: “Nun, mein Lieber, hast du viel auf deinen Reisen gelernt? Gibt es etwas, was wir in unserem Land noch verbessern könnten?“
„Nein“, antwortete der Prinz sofort, „hier ist alles wunderbar. Höchstens“, hier zögerte er ein wenig und der König dachte verzweifelt, dass der Prinz ihn wohl wieder belehren wollte. „Höchstens eine neue Sportart könnten wir einführen“, sprach der Prinz. „Aber nur, wenn es alle wollen!“, fügte er hastig hinzu.
„Das ließe sich schon machen“, sprach der König erleichtert.
Der Prinz heiratete bald darauf eine der federballspielenden Prinzessinnen und blieb Zeit seines Lebens ein verträglicher und bescheidener Mensch.