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President Bamarama
Obwohl Präsident Bamarama seit zehn Tagen vermisst wurde, war sein Fehlen nicht die größte Story in den Nachrichten. Die Welt hatte sich zu sehr an seine Kunststücke gewöhnt. Dem Nahen Osten hatte er den lang ersehnten Frieden gebracht, Afrika hatte er aus der Armut befreit, und das Thema "globale Erderwärmung" gehörte zusammen mit Begriffen wie DVD-Player und Internet schon längst zur Vergangenheit. All dies hatte Bamarama geschafft, und zwar fast immer die auf dieselbe Art. Er setzte sein großes Lächeln auf, ließ seinen grenzenlosen Charme spielen, und erklärte dann eindringlich und mit poetischer Stimme, warum die Welt genau das tun müsse, was Bamarama für richtig hielt.
Nun, hatte man sich in der Zwischenzeit von der Bama-manie erholt? Hatte ihn die Menschheit langsam satt?
Nein, in Bamaramas achtem und letztem Amtsabschnitt wurde er so geliebt wie eh und je. Man sprach sogar davon, die Verfassung erneut zu ändern, damit er weiterhin Präsident bleiben konnte.
Aber die Welt hatte so langsam von ihm gelernt, das Unerwartete zu erwarten. Bamarama wurde vermisst? Na und…
2009 hatte er Osama Bin Maden in Handschellen höchstpersönlich auf einer Bühne vorgeführt. 2015 hatte er der Welt die Heilung von HIV/AIDS geschenkt, und das nachdem wochenlang das Gerücht in den Zeitungen kursierte, das Bamarama selbst infiziert war.
Wen interessierte schon heutzutage noch die Schlagzeile: Wo ist Bamarama? Das war so uninteressant wie 2D Kino oder Alkohol. Bamarama würde schon auftauchen.
„Findest du nicht, dass er es etwas übertreibt?“ fragte Harry, sich Tom zuwendend, seinem Copiloten auf der allerersten bemannten Fahrt zum Mars. Sie saßen nebeneinander in einem luxuriösen Cockpit und tranken Kaffee. „Ich meine, klar, Bamarama war derjenige, der diese Mission gefördert hat. Er war es, der unbedingt vor den Chinesen auf dem Mars landen wollte. Das schätzen wir ja, aber komm schon! Muss er wirklich kurz vor unserem großen Auftritt verschwinden. Wer weiß was für ein Spektakel er zu Hause geplant hat? Dabei ist das hier unsere Show sein, Tom, unsere Show! Neil Armstrong und Buzz Aldrin mussten sich nicht mit so einer Scheiße abgeben!“
Tom zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Schau dir die Zeitungen and, Harry, wir sind überall auf dem Titelblatt. Was könnte Bamarama schon tun, um das hier in den Schatten zu stellen?“
Henry schnaubte. „Sei dir da nicht so sicher. Irgendwas sagt mir, dass die Welt morgen von Bamarama reden wird, und nicht von uns.“
Tom schüttelte den Kopf. „Das ist lächerlich. Und außerdem, du darfst ja als
erster raus. Beschwer dich lieber nicht.”
„Dafür darfst du die berühmten Worte sagen…“
„Nur so ist es fair.“
„Natürlich ist das fair, aber was meinst du? Wer hat diese Worte geschrieben?“
Im NASA-Hauptquartier in Houston war die Aufregung kaum noch zu zügeln.
Die vielleicht bis dato fortschrittlichste Errungenschaft der Menschheit, die Space Bama 3000, hatte auf dem Mars aufgesetzt. Die komplette Welt, mit Ausnahme des Chinesischen Blocks, schaute zu.
Tom Durden war soeben auf den sandigen roten Planeten getreten und hatte erklärt: „Die Hoffnung hat mich weit getragen, weiter als je ein Mann zuvor, aber erst mit diesem Schritt weiß ich, dass ich kann. Liebe Weltbürger, ja wir können!“
Rund um die Welt stürmten die Menschen auf die Straßen.
Yes, we can!
Nun begann aber die eigentliche Mission. Henry Bauer and Tom Durden sollten das Terrain untersuchen, ein paar Experimente durchzuführen, und etwas vom Mars zurückzubringen. Aber sie hatten Schwierigkeiten mit der Satellitenverbindung. Das Display in der NASA-Zentrale flackerte ständig.
Ein paar Stunden später, nach einem fünfzehn-minutigen Aussetzer in dem es überhaupt kein Bild gegeben hatte, leuchte der Bildschirm plötzlich wieder auf. Henrys Gesicht war auf dem Bild zu sehen, erkennbar bleich sogar durch seinen Weltraumhelm.
„Houston, wir haben ein Problem,“ sagte Henry.
„Was denn?“ fragte der leitende NASA Kommandant.
„Wir haben Bamarama gefunden.“
„Ihr habt was gefunden?“
„Wir haben den Präsidenten gefunden.“
„Auf dem Mars?“
Die Kamera bewegte sich langsam nach links... Und dann sahen sie es. Da war Bamarama. Er lag auf dem Rücken im Sand.
Die komplette NASA Zentrale erstarrte.
Bamaramas Augen waren weit aufgerissen und rot unterlaufen, in seinen Händen hielt er einen orangefarbenen Basketball, und er trug ein Michael Gordan Trikot mit einer Sporthose.
Das geheime Treffen fand in einem kleinen Raum in einem versteckten Winkel des Weißen Hauses statt. An einem einfachen Tisch sitzend, der eher in eine Studentenbude gepasst hätte, saßen: Präsident Joe Belt, der CIA-Chef, ein vier Sterne General und Chief Investigator Stackhouse.
Stackhouse saß zurückgelehnt in seinem Stuhl und rauchte eine Zigarre.
„Was war die Todesursache?” fragte Präsident Belt.
„Im Bericht von der Klinik steht, dass er erstickt ist,” sagte der CIA Chef. „Auf Mars gibt es keine Luft, also das macht ja Sinn… irgendwie.”
Belt nickte. „Und Marcella Bamarama sagt, dass er nach unten gegangen war, um in seiner Halle Basketball zu spielen.”
„Genau.“
„Und er ist einen Tag vor dem Start des Space Bama verschwunden?”
„Richtig.”
„Und das war kein Grund zur Sorge?”
Der General und der CIA-Chef zuckten beide mit den Achseln. Stackhouse reagierte nicht.
„Bamarama hatte so viele Geheimnisse,” erklärte der General, ein großer, bulliger Mann mit einer Glatze. „Unsere Ermittlungen zeigen, dass jeder davon ausging, dass jemand anderes wusste wo Bamarama steckte, aber so wie es aussieht, wusste es in Wahrheit keiner.“
Belt wollte irgendjemanden feuern. Irgendjemanden musste er ja feuern. Er war sich bloß noch nicht sicher wen.
„Kommen wir doch endlich zur Sache,“ brummte nun der General. „China ist offensichtlich für das hier verantwortlich. Wer denn sonst? Zuerst müssen wir akzeptieren, dass wir das Mars Race verloren haben, und dann müssen wir uns auf das Schlimmste vorbereiten. Das ist eine eindeutige Kriegserklärung!“
Der CIA-Chef, ein schmaler Mann mit einem feinen Gesicht und einer dicken Brille, schüttelte seinen Kopf. „Alle unsere Informationen weisen darauf hin, dass China weit hinter uns lag im Mars Race, mindestens anderthalb Jahre. Und außerdem, wäre China wirklich vor uns am Mars gewesen, hätten sie das doch lauthals als Sieg erklärt! Warum sollte man sich so viel Mühe geben, das Mars Race zu gewinnen, nur um hinterher den Sieg zu vertuschen.“
Der General war wütend. “Dann wie zum Teufel ist Bamarama auf den Mars gekommen?”
Der CIA-Chef warf dem General einen selbstgefälligen Blick zu. “Es gibt nur eine plausible Erklärung, er muss mit an Bord der Space Bama gewesen sein.“
Der kleine Raum wurde kurz still.
„Glaubst du etwa, dass die Astronauten die Mörder sind?“ fragte Belt.
„Wenn sonst niemand an Bord war, dann ja.“
„Tom Durden und Henry Bauer werden schon seit Stunden verhört,“ sagte der General. „Sie haben ganz sicher keinen Motiv und auch nicht die Ressourcen, um so etwas durchzuziehen.“
„Aber wer könnte es dann gewesen sein?“ fragte Belt.
Im Raum war es wieder still. Stackhouse paffte weiter leise an seiner Zigarre.
“Warte kurz!” schrie der CIA-Chef plötzlich auf und nahm seine Brille ab. “Ich habe ein Motiv für die Astronauten! Vergessen wir ja nicht: sie waren zur zweit, und das Ding flog ja im Grunde automatisch. Bamarama muss auf sie zugegangen sein. Er hat ihnen gesagt, dass einer hier bleiben müsse, weil er als erster Mann auf dem Mars in die Geschichte eingehen wollte. Daraufhin schlugen sie ihn in Rage zusammen, und töteten ihn aus Versehen. Dann nahmen sie ihn mit zum Mars, um die Leiche zu entsorgen. Voila!”
Der General konnte sein Verachtung kaum unterdrücken. “Dann müssen sie aber ziemlich gut darin sein unsere Verhörmethoden auszutricksen, meinen Sie nicht?”
“Denken Sie wir könnten dieselben Methoden an Frau Bamarama anwenden?” fragte plötzlich Stackhouse.
Alle schauten ihn entsetzt an.
„Das kommt nicht in Frage!“ erklärte Belt.
„Nun, das ist aber furchtbar schade,“ sagte Stackhouse gelassen. „Denn sie ist offensichtlich die Mörderin.“
Der CIA-Chef fiel beinahe von seinem Stuhl.
„Er hat Recht!“ kreischte er. „Er hat Recht! Deshalb trug Bamarama auch ein Gordan Trikot, denn, wie wir all wissen, ist er großer Chicago Bells Fan. Aber Marcella ist ein Likers Fan! Sie hält Adobe für den besten aller Zeiten! Es muss ein Streit zwischen ihnen gegeben haben. Deswegen wollte Bamarama auch ein Paar Körbe werfen gehen… um sich einen klaren Kopf zu verschaffen! Aber es kam zu einer Rangelei, als er gehen wollte. Bamarama wurde bewusstlos geschlagen, und dann hat sie ihn mit einem Kissen erstickt!”
Alle im Raum blickten den CIA-Chef konfus an. Konnte Belt vielleicht ihn feuern? Er war noch nicht so lange im Amt, er würde nachprüfen müssen.
“So hatte ich mir das nicht vorgestellt.” sagte Stackhouse. “Aber warum holen wir nicht Marcella?“
Belt gab nach mit einem leisen Seufzer. „Okay, aber machen Sie nichts allzu Komisches...“
„Ich bringe sie schon nicht um. Versprochen.“
Ein paar Minuten später wurde Marcella Bamarama von zwei Secret Service Agenten in den Raum geführt. Sie trug ein schwarzes Kleid und ihre Augen waren angeschwollen. Sie hatte erst vor kurzem geweint.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“ fragte sie und setzte sich.
Stackhouse erhob sich aus seinem Stuhl. „Marcella, wissen Sie wer Bamarama umgebracht hat?“
Marcella schüttelte ihren Kopf. „Nein, natürlich nicht.“
„Marcella…“ Stackhouse lehnte sich über den Tisch und schaute ihr direkt in die Augen. „Marcella, lügen Sie mich nicht an.“
„Ich weiß es nicht!“
„Ich sagte, lügen Sie mich nicht an!“
Marcella hielt seinem Blick stand und antwortete nicht.
„Sie sind eine Marsianerin, nicht wahr Marcella?“
„Was?”
„Sie sind eine Marsianerin!“
„Nein, das bin ich nicht!“
„Doch, das sind Sie!“ brüllte Stackhouse und zog zugleich eine Pistole aus seinem Mantel und richtet sie auf ihren Kopf. „Deswegen hat Bamarama so viele wundersame Dinge erreicht! Er war kein Mensch! Und deshalb hat er diese Mission auch so sehr gefördert, nicht wahr? Er war ein ausgestoßener Marsianer! Und nun, weil er zurückkehren wollte, brachten sie ihn um! Und du wusstest davon, nicht wahr, weil auch du kein Mensch bist!“
„Schießen sie nicht! Bitte! Schießen Sie nicht!“ Tränen rollten ihre Wangen hinunter.
Nun stand der General auf und richtete seine Pistole auf Stackhouse. “Das reicht! Leg die Waffe ab, oder ich schieße!“
„Es ist doch egal!“ schrie Stackhouse. Er hatte offensichtlich den Verstand verloren. „So oder so, es ist egal! Schauen Sie nur zu! Ich schieße ihr direkt ins Gesicht uns sie wird noch nicht einmal zucken. Mit bloßen Metal kann man ein Marsianer nicht verletzten!”
“Nicht schießen!” schrie Marcella. “Nicht scheißen! Also gut, also gut... Ich sag’s Ihnen!”
„Beeilen Sie sich!“ brüllte Stackhouse.
„Bamarama wollte auf dem Mars sterben!“ kreischte Marcella und nun strömten ihre Tränen noch mehr. „Er war ja nun im fortgeschrittenen Alter, und sein Wunsch war es schon immer gewesen im Himmel zu sterben, denn dort gehörte er hin, wissen Sie? Er gehörte zu den Sternen. Er hat sich an Bord der Space Bama geschlichen, und irgendwann nach der Landung ist er einfach hinausgerannt.“
Ein schmales Lächeln glitt über Stackhouse Lippen. „Und er trug einen Jordan Trikot, weil er kurz vorhin gespielt hatte, und er sich von den Dingen, die er am meisten liebte noch einmal verabschieden wollte. Habe ich Recht?”
Marcella nickte. „Es war ja seine achte und letzte Amtszeit, verstehen Sie? Die Mars-Mission war seine letzte große Tat. Er hatte eingesehen, dass es mit einer erneuten Verlängerung seiner Amtszeit nicht funktionieren würde. Und so wollte er auschecken solange er noch oben auf war. Und er wollte ja schon immer die Erde verlassen. Und ich meine wörtlich die Erde verlassen. Er meinte zu mir, er könne nicht länger bei uns sein, wenn er nicht dienen dürfte, und so musste er gehen. Es war ja so eine romantische Vision! Ich musste ihn unterstützen.
Er rief mich von der Space Bama an, und sagte, er sei noch nie so glücklich gewesen in seinem Leben, und dass es sein Herz mit Freude erfüllte, die Erde aus so großer Entfernung zu sehen, und zu wissen, dass sie seinetwegen ein besserer Ort war.“
Marcella Bamarama senkte langsam ihren Kopf, und weinte leise vor sich hin.
Stackhouse lächelte. “Voila.”
Die Aufnahme mit Marcellas Geständnis wurde am nächsten der Presse übergeben, und die Welt weinte. Sogar ein paar Chinesen konnten sich nicht halten.
Aber Harry zuckte zusammen als er es im Fernsehen sah. Er überlegte sich, Tom anzurufen, um mit ihm über ihre doch ziemlich gekürzte Zeit im Rampenlicht zu scherzen, doch dann traf seine Kinnlade fast den Boden.
„Bamarama ist der erste Mann auf dem Mars gewesen,” sagte die Fernsehsprecherin.
„Neue Hinweise deuten darauf hin, dass er vor Tom Durden and Henry Bauer aus dem Space Bama gerannt ist…“
„Nein!“ schrie Henry auf. „Neiiiiiiiiiiiiiiiiin!“