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Prachtvilla

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19.03.2002
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Prachtvilla

Ich fuhr alleine den dunklen Weg entlang, der zu der eigentlich verlassenen Villa in dem abgelegenen Wald in der Nähe meines Wohnorts führen sollte. Eigentlich verlassen. Heute Abend jedenfalls nicht.
Denn eine gute Schulfreundin von mir hatte das große Haus auserkoren, um hier eine Party zu feiern, die alles bisher da gewesene übertreffen sollte. Sie hatte es irgendwie geschafft das völlig heruntergekommene Haus mit Strom zu versorgen, sodass für Musik und zumindest etwas Licht gesorgt sein sollte.
Ich kannte Sabrina schon seit der fünften Klasse, inzwischen also seit knapp sieben Jahren, und wir hatten schon so Einiges miteinander erlebt. Was an diesem Abend aber passieren sollte, übertraf tatsächlich alles bisher da gewesene.
Es war ein weiter Weg bis zu dem Haus, über das es eine Menge Horror-Geschichten gab, die wir uns früher oft vor dem Lagerfeuer oder auf Klassenfahrten in dunklen, etwas heruntergekommenen Jugendherbergen erzählten. Inzwischen glaubte natürlich niemand aus unserer Clique mehr an Hexen, Werwölfe oder geheimnisvolle Mörder, die ihren Opfern die Kehle aufschneiden. Eigentlich schade, denn diese Erzählungen waren früher immer sehr spannend.
War da was? Ein ziemlich lautes Rascheln ließ mich kurz erschrecken. Ich fuhr weiter, na ja, zugegeben, ich fuhr etwas schneller. Ich schaute mich um. Nichts. Nur Dunkelheit und eine Kälte, bei der mir fast die Ohren abfroren, waren zu sehen. Doch da war es wieder. Dieses Rascheln, obwohl ich schnell fuhr, hörte ich es deutlich. Ich drehte mich nach hinten um und erschreckte erneut. Da war tatsächlich etwas. Ich sah nur zwei grüne Flecken, die sich hinter mir bewegten. Auf den zweiten Blick stellte ich fest – das mussten Augen sein. Ja, es waren Augen. Allerdings überdurchschnittlich groß und in einem merkwürdigen Grün. Sie schienen näher zu kommen. In der Dunkelheit – natürlich hatte ich mein Rücklicht zu Hause liegen lassen – konnte ich nichts weiter als diese Augen sehen. Ich trat wie wild in die Pedale. Als ich mich einige Sekunden später wieder umguckte, waren sie verschwunden. Ich war mir sicher, da waren Augen gewesen. Ganz sicher. Und ich kann versichern, ich war (noch) nüchtern.
Nach einigen Minuten rasanter Fahrt entdeckte ich die Prachtvilla. Früher war es jedenfalls mal eine gewesen. Auch wenn ich nicht viel erkennen konnte, da es in diesem Wald um diese Uhrzeit (Wir hatten gerade 22 Uhr) stockdunkel war, sah ich doch, dass sie dicht mit Moos und Efeu bewachsen und ziemlich heruntergekommen war. Sie erschien mächtig im Mondlicht, die Konturen ließen das verzierte Dach erahnen. Es schien, als throne sie regelrecht im dreckigen Wald, geheimnisvoll, wie in den Geschichten von früher. Der Weg führte direkt vor den Eingang in der Mitte der kleinen Lichtung. Das war mir ganz recht, so musste ich schließlich nicht noch zu Fuß gehen und war schnell im Warmen.
Die anderen Eingeladenen, die ich großteils gut kannte, waren bereits da, ich schien der letzte erwartete Gast zu sein. Ich hätte den Innenraum größer eingeschätzt. Er war zwar sehr hoch, jedoch nicht besonders lang und breit. Für die etwa zwanzig Leute reichte der Platz gerade so. Es gab ansonsten nur eine sehr dunkle Treppe hinunter in den Keller. In die Räume, die sich oberhalb von uns befanden, konnte man nicht vordringen, da die Holztreppe etwa in der Mitte eine große Lücke vorwies.
In den kommenden zwei Stunden vergaß ich schnell das unheimliche Augenpaar vom Hinweg. Dazu trug der Wodka, der an diesem Abend in Mengen floss, Einiges bei. Natürlich erzählte ich niemandem davon, ich legte nämlich keinen Wert darauf, für völlig bekloppt gehalten zu werden. Im Halbdunkeln; es waren an den Wänden Kerzen aufgestellt, für das meiste Licht sorgte eine kleine Lampe in der Mitte des Raumes, tanzten wir eigentlich ununterbrochen. Eine echt tolle Party.
Plötzlich ein heftiger Schlag, so viel Bass hatte eigentlich kein Lied. Die Musik stoppte, Totenstille. Im gleichen Moment wurde es dunkel, man konnte kaum die eigene Hand vor Augen sehen.
Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich dann doch wieder das meiste um mich herum erkennen. Erst mal blieb still, bis Sabrina, die Gastgeberin, das Schweigen brach: „Keine Sorge, draußen an der Hauswand, wo das Stromkabel verläuft, gibt es manchmal einen Wackelkontakt. Ich geh´ schnell raus und bieg´ das wieder hin.“
Dummerweise bin ich doch irgendwie ein Gentleman, und so stand ich kurz darauf mit Sabrina vor der Tür, um das Licht und vor allem die Stereoanlage wieder in Gang zu bekommen. Da sah ich sie wieder. Nachdem ich diese zwei grünen Augen (Ich sah immer noch nur die Augen und sonst nichts) schon fast wieder vergessen hatte, tauchten sie wie aus dem Nichts erneut auf. Funkelnd grün. Diesmal waren sie näher. Viel näher.
„Aaahhh“... jetzt wusste ich, dass ich mir das ganze nicht nur einbildete. Sabrina hatte sie auch entdeckt, starrte in ihre Richtung und drückte sich ängstlich an mich. Ich konnte ahnen, dass ihr Herz nun genauso schnell schlug, wie mein Eigenes. Ich nahm sie an der Hand und zog sie mit mir schnell nach drinnen. Wir schlugen die Tür schnell hinter uns zu. Auch Sabrina konnte sich scheinbar nicht erklären, was das war, was uns da in Angst und Schrecken versetzt hatte. Eine Katze jedenfalls war es nicht, die Augen waren viel zu hoch über dem Boden, und die Augen waren ungefähr dreimal so groß wie die einer Katze. Doch was war es dann, was uns da zu verfolgen schien?
Wir konnten es uns beide nicht erklären und verloren kein Wort darüber. Stattdessen schlug Sabrina vor, dass wir doch vielleicht eher mal im Keller nachsehen sollten, ob nicht vielleicht dort am Sicherungskasten etwas nicht stimmte. Ich folgte ihr die dunkle Treppe hinab. Eine Taschenlampe, die zwar etwas flackerte, da die Batterien sich dem Ende neigten, verhinderte zumindest, dass wir nicht stolperten. Unsere Anspannung hatte sich immer noch nicht gelockert. Wie sollte sie auch? Schließlich waren wir auf dem Weg in das dunkle Kellergemäuer einer verlassenen Villa. Irgendwie schienen die Horrorgeschichten vergangener Tage gar nicht mehr so unrealistisch zu sein, wie man immer der Meinung war. Jedenfalls hatte dieses dunkle Steingemäuer schon etwas Unheimliches.
„Aaahh“... nicht schon wieder, dachte ich, als Sabrina leise aufschrie, nachdem wir gerade unten in einem kleinen Kellerraum ankamen. Augen – da waren sie schon wieder. Wie konnte das sein? Doch als ich Sabrina energisch die Taschenlampe aus der Hand riss und in Richtung der Augen leuchtete, sah ich, dass es sich hier nur um eine Ratte handelte. Eine ziemlich große zwar, aber immerhin kein unbekanntes Wesen mit riesigen grünen Augen. Wir waren scheinbar ziemlich schreckhaft nach unserem Erlebnis draußen auf der Lichtung vor wenigen Minuten. Auch ich hatte erst jene funkelnden Augen gesehen, die mir schon zweimal im Laufe des heutigen Abends begegnet waren. „Nur eine Ratte...“, flüsterte ich. Die konnte uns jetzt wirklich nicht mehr erschrecken. Nach einer kurzen Atempause, in der das pelzige Tier verschwand, tastete ich mit dem immer schwächer werdenden Strahl der Taschenlampe die Steinwände ab. Wie in dieser alten Burg, die wir vor einigen Monaten mit der Schule besichtigen mussten. Irgendwie unangenehm, so kalt. Der Raum hatte nur eine Tür, die scheinbar endgültig in das Kellergemäuer führen sollte.
Von oben waren inzwischen wieder leise Stimmen zu hören. Lauter war allerdings Sabrinas und mein Atmen. Ich kann nicht leugnen, dass wir ziemlich aufgeregt waren. Und das wegen einer Ratte und irgendwelchen Augen...
Ich öffnete vorsichtig die Tür und bekam einen immerhin durch ein paar Kellerfenster leicht beleuchteten, riesigen Raum zu sehen. Eigentlich hätte man hier ziemlich viel Platz, doch die gesamte Fläche war durchkreuzt von Regalen voll mit Büchern, Kartons, Bildern und Flaschen. Die wenigen freien Plätze waren zugestellt mit Kartons, Möbel und Sperrmüll. Der riesige Raum passte wirklich zu dem heutigen Abend. Unheimlich und gespenstig wirkte das ganze. Aber wenigstens hatten wir hier keine merkwürdigen Wesen zu befürchten, wie draußen. Hier würden wir sicher sein, ganz bestimmt.
Wir bahnten uns unseren Weg durch all die Gegenstände und Regale. Sabrina war wohl schon einmal hier, denn sie lief zielstrebig auf den Sicherungskasten zu, wobei sie immer darauf achtete, dass ich noch hinter ihr war. Kurz bevor wir am Sicherungskasten ankamen, fiel die Tür hinter uns zu. Es war wieder völlig still, die Stimmen der Anderen von oben drangen nicht mehr zu uns durch. Ich schaute mich gerade um, als ich Sabrina hörte: „Mist, wie kann denn das sein?“ Als ich zum Sicherungskasten sah, entdeckte ich es auch. Das Kabel, was scheinbar für die Stromversorgung zuständig war und das vom Sicherungskasten bis zur Decke verlief, war durchtrennt. Jemand war hier im Keller gewesen. Jemand hatte uns das Licht ausgeknipst. Jemand wollte, dass wir nichts mehr sehen. Aber warum?
Plötzlich waren Schritte zu hören. Die Laute kamen aus der anderen Ecke des Raumes, nahe der einzigen Eingangstür, durch die wir hier hereinkamen. Dieser Jemand war scheinbar noch hier, schoss es mir durch den Kopf. Vielleicht hat uns dieser Jemand sogar hier erwartet. Die Schritte hielten inne, nachdem sie zuvor stets lauter wurden. Da kam jemand auf uns zu und jetzt stand er da in der Dunkelheit. Vielleicht wartete er auf einen Ton von uns, um zu erkennen, wo wir uns aufhielten. Sabrina kam näher und warf mir einen ängstlichen Blick zu. Doch mir ging es nicht anders und so konnte ich sie in dem Moment nicht beruhigen. Da waren wieder die Schritte, sie schienen schneller zu sein. Da kam jemand auf uns zu. Wer konnte das sein. „Michael?“... Sabrina rief den Namen ihres Freundes. Ich wusste das er sehr eifersüchtig sein konnte. Vielleicht war er uns deshalb gefolgt. Gleich erinnerte ich mich, dass Michael ja noch gar nicht da sein konnte, er wollte erst später kommen, von einer anderen Feier. Wer auch immer da auf uns zukam, er reagierte nicht. Er lief weiter. Nun konnte er wirklich kaum mehr als drei Meter von uns entfernt sein. Da fiel mein Blick auf einen Schrank, gar nicht weit entfernt von uns. Er schien auszureichen, um sich darin zu verstecken. Vielleicht hatten wir eine Chance. Ich nahm Sabrina am Arm und lief mit ihr auf ihn zu und damit vom geheimnisvollen Unbekannten weg. Die Schritte wurden immer lauter. Ich riss die Schranktür auf.
Da war jemand drin. Ich konnte die Person nicht genau erkennen. Im nächsten Augenblick erkannte ich sie. Es war Carmen, Sabrinas beste Freundin. Mir war gar nicht aufgefallen, dass sie nicht oben bei den Anderen war. Aber was war mit ihr geschehen? Ihre Augen waren weit geöffnet. Sie starrten mich an. Ihr Blick schien meinen Kopf zu durchbohren. Dann wurde mir klar: Carmen war tot. Sie lehnte an der Schrankwand. Ich blickte an ihr herunter – und erschrak. Man hatte ihr die Kehle aufgeschlitzt. Das Blut lief an ihrer Bluse herunter. Ich war so schockiert, dass ich alles um mich herum vergaß. Ich vergaß die Schritte, und ich vergaß Sabrina. Sie hatte es auch gesehen. Ihre beste Freundin – tot. In diesem Moment schien sie es begriffen zu haben. Sabrina brach in Tränen aus.
Genau in diesem Moment hörte ich wieder auf die Schritte. Sie waren noch nah, doch sie entfernten sich. Mir wurde klar, dass sie von Carmens Mörder stammen mussten. Er schien jetzt zu rennen, die Schritte wurden leiser und leiser und verstummten schließlich, nachdem dieser Jemand durch die Tür verschwand. Ich nahm die schluchzende Sabrina in den Arm. Doch mir war klar, dass wir jetzt keine Zeit zu verlieren hatten. Der Mörder lief direkt nach oben. Ich kannte Carmen und wusste, dass sie sehr beliebt war und keine Feinde hatte. Warum sollte jemand sie umbringen? Warum ausgerechnet sie? Wir mussten es mit einem Verrückten zu tun haben, anders konnte ich mir das nicht erklären. Obwohl mir klar war, dass ich was unternehmen musste, dass ich nach oben laufen musste, um die anderen zu warnen, stand ich da wie angewurzelt. Vielleicht lauerte der Unbekannte an der Treppe, oder im Vorraum. Und er hatte ein Messer.
Schließlich nahm ich Sabrina am Arm und führte sie durch den Raum vor die Tür. Ich versuchte herauszuhören, ob hinter der Tür jemand stand, doch alles was zu hören war, war Sabrinas Schluchzen direkt bei mir. Der Vorraum musste stockdunkel sein, die Taschenlampe hatten wir vorhin verloren. Schließlich fasste ich mir ein Herz und stieß die Tür auf. Ich ging voran und zog Sabrina hinter mir her. Sie schien am Ende zu sein und wirkte völlig abwesend. Ich sah die Leiche von Carmen vor mir, wie sie etwas zur Seite an der Schrankwand lehnte und mich mit leblosen Augen anzustarren schien. Ich sah ihren blutüberströmten Körper und ihren aufgeschnittenen Hals.
Als wir oben ankamen, wurden wir gar nicht bemerkt. Es waren immer noch die Personen da, die seit Anfang an mitfeierten. Die Gäste standen in kleinen Grüppchen. Sie ahnten nicht, welchen schrecklichen Fund wir eben gemacht hatten und was das für uns alle bedeutete – Lebensgefahr.
Als wir oben angekommen waren, klopfte es an der Tür, die nicht weit von der Kellertreppe entfernt lag. Stefan, ein guter Bekannter von mir, lief auf die Tür zu. „Nein!“ Bevor er sie öffnen konnte, sprang ich zu ihm hin, packte seinen Arm und hielt ihn davon ab. Alle eingeladenen Gäste waren da, ganz sicher. Etwas verwirrt wandte sich Stefan ab und widmete sich wieder den umstehenden Personen, die unbehelligt die Nacht genossen.
Ich wartete kurz ab, aber es klopfte nicht noch einmal. Wer kann das gewesen sein? War es der Mörder? Derjenige, der Carmen auf dem Gewissen hat? War er zurückgekommen? Nach einiger Zeit öffnete ich die Tür einen Spalt. Mir fiel eine Leiche entgegen. Ich erschrak. Doch irgendwie schien es gar nichts besonderes mehr zu sein. Nach dem Anblick von vorhin war ich solche Schreckensbilder gewohnt. Es war eine männliche Person, die da eben neben mich auf den Boden gefallen war. Ich hatte sofort erkannt, dass er tot war. Mit offenen Augen war er mir entgegengefallen, mit dem gleichen Blick, den auch Carmen hatte, die immer noch dort unten im Schrank lehnte. Jetzt wurde mir klar, wer diese zweite Leiche war. Es war Michael, Sabrinas Freund. Die Ereignisse schienen sich zu überschlagen. Ich hatte ganz vergessen, die Tür zu schließen. Schnell schlug ich sie zu. Michael lag nun dort im Halbdunkeln, auch ihm hatte man die Kehle aufgeschlitzt. Ein schlimmer Anblick. Aber ich nahm ihn gar nicht richtig wahr. Ich und auch mein Gehirn schien gelähmt vor Schockierung. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Warum? Warum lief hier jemand umher und ermordete harmlose Teenager?
Ich blickte mich nach hinten um. Hinter mir standen im Halbkreis alle Partygäste. Die, die vorher noch gutgelaunt hier tanzten starrten mit entsetztem Blick auf Michaels Leiche. Ich sah Sabrina, sie kauerte auf dem Boden direkt neben ihm und heulte in ihre verschränkten Arme. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still war es. Totenstille. Bei dem Gedanken wurde mir übel. Erst jetzt realisierte ich, was hier heute Nacht geschehen war. Plötzlich ertönte eine Stimme. Sie schien direkt von Michael zu kommen. Wie war das möglich? „Hallo Sabrina. Wie geht´s? Wahrscheinlich nicht so toll, nicht wahr?“. Die Stimme klang metallisch. „Warum? Warum, fragst du? Warum mussten deine beste Freundin und dein Freund, den du so geliebt hast, sterben? Ich sag´ dir warum. Du hast mein Herz gebrochen. Jetzt habe ich deins gebrochen.“ Nach einer kurzen Pause fuhr die mysteriöse Stimme fort, während wir alle wie angewurzelt stehen blieben: „Wer ich bin? Ja, wahrscheinlich weißt du nicht mal mehr, wer ich bin. Du kanntest mich mal sehr gut. Es ist nur schon über 7 Jahre her. Über 7 Jahre, da hast du mein Herz gebrochen. Es war in der Grundschule. Niemand mochte mich, nur du hast mal mit mir geredet. Ich war allein, sehr allein. Die einzige Person, mit der ich wirklich Kontakt hatte, warst du. Bis du gesagt hast, du wolltest deine Ruhe vor mir. Du wolltest mich nie wieder sehen. Ich war klein, du warst auch klein, aber ich habe es nie vergessen. Das ist die Rache, Sabrina. Wie du mir, so ich dir. Jetzt gibt es zwei gebrochene Herzen. Deins und meins.“ Knack... Das war es. Ich ging auf Michaels Leiche zu, wo die Stimme herkam. An seinem Rücken war eine kleine Ausbuchtung zu sehen. Vorsichtig, und etwas angewidert von der Tatsache, einen Toten zu berühren, zog ich ihm seinen Pulli hoch. Da war ein Funkgerät angebracht. Jemand hatte Michael ein Funkgerät auf dem Rücken festgebunden. Daran war eine Vorrichtung mit einem merkwürdigen Lautsprecher montiert. Daher hörte sich die Stimme so laut an. So ein Funkgerät hat keine unbegrenzte Reichweite, dachte ich mir. Der Mörder musste mindestens noch hier im Wald sein.
Ja, das war es. Jetzt wusste ich, wo er stecken musste. Ich blickte in die Ecke des Raumes, entdeckte ein etwa 80 Zentimeter langes Metallrohr, nahm es und stürmte nach draußen. Erst als ich schon vor der Tür war und rannte, erinnerte ich mich an den Grund, warum wir vor inzwischen schon geraumer Zeit wieder nach innen gegangen waren. Die Augen. Und kaum hatte ich daran gedacht, entdeckte ich sie auch schon. Doch das war mir jetzt auch egal. Ich rannte direkt auf sie zu. Da waren nur Augen. Ich stoppte ab und betrachtete sie mir näher. Es war gar kein Tier oder ein sonstiges Wesen, es handelte sich hier um zwei Lampen, die mit Pappkarton zugeklebt waren, sodass man sie für Augen hält. Das ganze bewegte sich scheinbar durch einen Motor, damit es im Dunkeln echt erschien. Wir hatten es mit einem Technik-Freak zu tun... erst das fingierte Funkgerät und dann das.
Ich ließ das roboter-ähnliche Gebilde hinter mir und rannte jetzt noch schneller. Im Mondlicht konnte man wenig erkennen, doch gerade so viel, um nicht gegen einen Baum zu laufen. Ich bahnte mir einen Weg durch den dichten Wald. Immer weiter, bis ich eine Lichte stelle erkannte.
Das war es. Kurz bevor die Verbindung mit dem Funkgerät unterbrochen wurde, hatte ich es gehört. Ein Zug. Durch einen kleinen Teil des Waldes führten Schienen. Der Mörder musste also hier irgendwo an der Bahnstrecke gestanden haben. Das hatte für ihn den Vorteil, dass er hier was sehen konnte. Ich bremste und schlich mich langsam von Baum zu Baum in die Nähe der Bahnstrecke. Da sah ich ihn. Seine Figur war nur schemenhaft zu erkennen. Ich nahm das Metallrohr fester in die Hand, entschlossen, es im Notfall als Waffe zu benutzen. In dem Moment warf der Verrückte sein Funkgerät übermütig in die Luft. Sekunden später schlug es hart auf den Schienen auf und zersprang in seine Einzelteile. Dann blickte er in meine Richtung. Hatte er mich entdeckt? Es sah so aus. „Hallo. Komm doch mal vor dem Baum hervor, dann können wir uns unterhalten.“ Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, also trat ich aus dem Wald hervor, direkt neben die Schienen. Zwei Meter trennten uns beide nun noch voneinander. Mein Herz schien zu rasen. Wo hatte er sein Messer? Ich entdeckte es in seiner linken Hand. „Aha. Ein Rohr hast du dabei. Du willst mich angreifen, was?“ Ich wusste nicht, was ich ihm hätte antworten sollen. Was redet man mit einem verrückten Mörder, der in dieser Nacht schon zwei Bekannte getötet hat?
Ich lief auf ihn zu, mit dem Rohr in der rechten Hand, das ich wie ein Schwert hielt. Als mein Gegenüber sich bedroht fühlte, wir waren nur noch wenige Schritte voneinander entfernt, zückte er sein Messer. Ich schaltete schnell und schlug ihm das Messer mit voller Wucht aus der Hand. Es fiel ausser Reichweite, doch damit gab sich der Mörder nicht geschlagen. Er sprang auf mich. Nach kurzem Kampf entriss er mir das Metallrohr. Er wollte es allerdings gar nicht gegen mich verwenden. Stattdessen warf er es in hohem Bogen in dem Wald. Den Moment nutze ich, um mich auf ihn zu schmeißen. Wir kamen schmerzhaft auf den Schienen auf. Bevor ich wieder klar denken konnte, traf mich ein harter Tritt in meinen Magen. Ich taumelte zurück. Mein Gegner stand auf. „Wir sind kurze Zeit später weggezogen, nachdem Sabrina nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Ich konnte sie die ganze Zeit nicht vergessen.“ Aus der Ferne sah ich einen Zug. Er kam direkt auf uns zu. Ich verließ die Schienen vorsichtig. „Sie hat mir mein Herz gebrochen. Verstehst du das? Ich hatte nie jemanden, ausser sie. Und dann hat sie mir gesagt, sie hätte nur aus Mitleid soviel mit mir zu tun gehabt. Wärest du da nicht auch enttäuscht gewesen?“ Er erwartete gar keine Antwort. Der Zug kam in rasendem Tempo näher. „Ich habe nur getan, was ihr zusteht. Vielleicht bin ich rachsüchtig. Ja, sicher, du wirst auch meinen, ich sei verrückt. Aber lebe du mal so allein, jeden Tag mit ihrem Satz im Hinterkopf... nur aus Mitleid!“ Während er sprach, schien er alles um sich herum zu vergessen. Er schien den Zug gar nicht zu bemerken, der jetzt ganz nah war. „Der Zug!“, schrie ich ihn an. „Ja, der Zug. Hättest du Lust weiterzuleben, wenn du in meiner Haut stecken würdest? Ich habe keine Lust. Ich bin fertig.“ Im nächsten Augenblick erfasste ihn der Zug.

 

Hallo ocin !

Die Idee ist zwar nicht gerade neu, aber die Spannung ist gut aufgebaut.
Mal wieder eine Geschichte die mir deshalb ganz gut gefallen hat, weil der Mörder nicht grundlos, und wild, die Leute abgeschlachtet hat.

Einige Stellen fand ich jedoch nicht so ganz logisch.

es waren an den Wänden Kerzen aufgestellt ....... Im gleichen Moment wurde es dunkel, man konnte kaum die eigene Hand vor Augen sehen.

Wenn Kerzen angezündet sind, dann ist es normalerweise noch hell genug um die Hand vor Augen sehen zu können.
Denn kurz darauf schreibst du, „als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten“. Und sooo dunkel war es, deiner Beschreibung nach, ja nun wirklich nicht.

Gerade mit der Dunkelheit, und das sie dann doch wieder zwischendurch etwas sehen konnten, hatte ich ziemliche Probleme.

Als die beiden im Keller waren, war da die Taschenlampe noch an? Du schreibst von einem schwächer werdenden Strahl, und das die Batterie allmählich zur Neige ging.
Und trotzdem entdeckt er noch den Schrank und sieht sogar, dass Carmen die Kehle durchgeschnitten war?

Warum hat Sabrina nichts gesagt, als es an der Tür klopfte? Sie wusste doch, es hätte Michael sein können.

Das der Mörder ein Technik-Freak war, finde ich nicht wirklich wichtig zu erwähnen, da es überflüssig ist.

Die Reaktionen der anderen Party Gäste kam auch zu wenig rüber. Niemand schien wirklich erschreckt oder geschockt zu sein. Oder habe ich da was überlesen?

Das dürfte wohl für’s erste mal reichen an Kritik meinerseits. ;)

Gruß

L.o.C.

P.S.: Es wäre aber schön wenn du dich noch irgendwie äußern würdest auf die Kritiken.
Auch Leser bekommen gerne Rückmeldungen. Genausso wie der Autor. ;)

[Beitrag editiert von: Lady of Camster am 28.03.2002 um 17:35]

 

Salut ocin!

Zunächst ganz spontan: Wie sieht Kälte aus, die dir die Ohren fast abfriert?

Außerdem ging mir erst nach einer Weile auf, dass die Ich-Erzählerin mit dem Rad zum Haus fährt. Irgendwie erwartete ich ein Auto, weil das besser in meine Lebenswelt passt. Darum ein Tipp: solche Dinge anfangs erwähnen, damit keine Missverständnisse bei Lesern unterschiedlichen Umfelds aufkommen. Meiner Vorkritikerin ging es offenbar wie mir. :)
Da unterläuft mir gleich der nächste Erwartungsfehler: Bis das Ich sich als Gentleman zu erkennen gibt, ging ich von einer Frau aus... vielleicht wegen der Angst im Wald und besonders, weil du schreibst, das Haus wäre von einer Freundin organisiert worden. Irgendwie klang das nach weiblichen Busenfreundinnen.

Zum Stil fällt mir auf, dass er noch scheinbar ziemlich unverbindlich ist. Zu viel Füllworte, meine ich. Geschwafel, dass überflüssig ist. Wäre es weg, würde die Spannung steigen ... womit ich nicht Adjektive meine, es ist nur irgendwie so, eigentlich und wirklich etwas zu viel dieser Wörtchen.
Wie kannst du eigentlich im Dunkeln sehen, dass Sabrina dir einen Blick zuwirft, während ihr im Keller den Feind nicht ausmachen könnt? Offenbar war da doch Licht und nur das Wort Dunkelheit ist fehl am Platze, wie man erkennt beim weiterlesen.
Wieso wird Michael von einer anderen Fete erwartet, wenn du später schreibst, alle geladenen Gäste seien da? Mir sind noch mehr Ungereimtheiten aufgefallen, Kleinigkeiten wie diese, die du verbessern solltest, damit man nicht nur nach solchem Murkes sucht beim Lesen. Denn die Geschichte ist durchaus spannend trotz des abgegriffenen Themas.

Hoffentlich wirkt meine Kritik jetzt nicht schreibhemmend auf dich, denn ich mag solche Stories und lese bestimmt auch dein nächstes Werk. Den Spannungsbogen hast du nämlich schon ganz gut raus: :) Einleitung, Lokalitäten vorstellen, sich steigerndes Gruseln und ein Finale.
c.u. delphi :)

 

vielen Dank für euer Feedback. So beim Überlesen fällt mir auch auf, dass einiges ziemlich unlogisch ist. Naja, hab die Geschichte vor längerer Zeit einfach mal so drauflosgeschrieben und dachte mir jetzt, dass ich sie doch hier einstellen könnte.

@delphi: wie kommst du darauf, dass es eine Ich-ErzählerIN ist?

gruß,
ocin

 

Ja, wie kommst du darauf?
Aus folgendem Satz geht doch hervor, daß es eine männliche Person ist.

Dummerweise bin ich doch irgendwie ein Gentleman

 

Salut ocin und Loc!
Ist doch klar... habe ich auch geschrieben... ab Gentleman bemerkte ich meinen Fehler, doch bis zu dem Moment war das Ich für mich eine Frau. Darum war ich etwas verwirrt und mußte mich fürs Weiterlesen umorientieren.
c.u. delphi

 

Um ehrlich zu sein, kann ich mich den Meinungen der anderen nicht anschliesen.
Mir hat die Geschichte nicht gefallen.
Erst einmal das Thema. Hundert mal gelesen, hundert Mal den Kopf darüber geschüttelt.
Mord aus Entäuschung ist gut und schön, aber da sollte man die Enttäuschung als Leser auch nachempfinden können. Da bekommt aber nicht die Möglichleit zu.
Man sollte da als Autor mehr in die Tiefe gehen und nicht nur auf Blut und Eingeweide setzen.
Auch würde ich die Ichform weglassen, das gibt der Geschichte noch mehr den Touch des Unglaubwürdigen.
Es kam wenig Spannung auf beim Lesen, was auch daran liegen könnte, das man die Handlung voraus ahnen konnte. Nicht weil die Geschichte schlecht geschrieben ist, sondern weil die Originalität fehlt.
Der Schreibstil war am Anfang richtig gut, lies aber leider bei circa der Hälfte rapide nach. Es hatte den Anschein, als wolltest du unbedingt mit der Geschichte fertig werden und bist dadurch etwas hektisch geworden.
Also im Grossen und Ganzen finde ich die Geschichte nicht gut. Ich glaube du bist zu Besserem fähig.

Nix für ungut!

 

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