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Positiv denken!
o -- o
Weil ich immer so deprimiert aussah, schenkte mir ein Freund vor zwei Jahren das Buch „Ab heute mache ich alles anders“.
In dem Buch wird erläutert, warum man ein Versager ist - und ein Versager ist man eigentlich nur, weil man glaubt, dass man ein Versager ist. Diese negativen Einstellungen und negativen Bilder, die man von sich selber hat, sind die Grundlagen des Versagerlebens; alleine schon, wie man sich ausdrückt, ist entscheidend. Probleme sind keine Probleme, sondern Herausforderungen. Selbst Leistungsträger der Gesellschaft sind sich dessen nicht jederzeit bewusst. Sogar Lovell, Kommandant der Apollo 13, hat es falsch gesagt; richtig wäre gewesen: „Houston, wir haben eine ... Herausforderung.“
Wenn man also, mal angenommen, statt ein langweiliger Lohnbuchhalter lieber ein interessanter Kommunikationstrainer wäre, also, dann soll man nicht so Sachen denken wie "Ich würde gerne ein Kommunikationstrainer sein"; man soll denken: "Ich bin ein Kommunikationstrainer" und sich ab sofort wie ein Kommunikationstrainer verhalten. Also alles tun, was man glaubt, dass ein Kommunikationstrainer tut und sich den Mitmenschen natürlich als solcher präsentieren. Noch besser ist es, sich gleich zu denken: "Ich bin ein guter Kommunikationstrainer" - und ist somit im Handumdrehen einer.
Die Herausforderung ist sozusagen, den inaktiven negativen Konjunktiv (der die aktive positive Energie mindert) abzuschaffen und in der inneren Kommunikation durch "Ich-bin"-Aussagen zu ersetzen.
Gute Idee, und weil ich als kleiner Junge immer verprügelt wurde und davon träumte, Profiboxer zu sein, denke mir ab heute: "Ich bin ein guter Boxer". Um mich den Mitmenschen möglichst schnell zu präsentieren, besuche ich den Jahrmarkt, wo man automatisch 500 Euro gewinnt, wenn man im Ring drei Runden gegen Gustav, die Eisenfaust übersteht. Ich überstehe auch problemlos drei. Sogar genau drei – drei ganze Sekunden. Nach dem ersten Schlag von Gustav klebt mein Gehirn wie zerquetschtes Plastilin am Inneren meiner Schädeldecke.
Sobald ich es, nach vier Tagen Krankenhausaufenthalt, wieder benutzen kann, erinnere ich mich an die Warnung im Buch, man solle sich vor Generalisierungen hüten. Eine Generalisierung ist, wenn man einen Einzelfall verallgemeinert. Wenn man, beispielsweise, bloß weil es quasi einmal nicht geklappt hat, gleich in Betracht zieht, dass es überhaupt nicht klappt. Eine solche Einstellung blockiert und demoralisiert. Also denke ich mit der "Ich-bin-Technik" was neues Positives und bin ab heute ein guter Skispringer.
Ich stand zwar noch nie auf Skiern, will mein erneuertes Selbstbild jedoch nicht unnütz durch Zweifel schwächen, daher verzichte ich auf einen Skikurs und fahre mit meiner neuen Ausrüstung lieber gleich nach Garmisch-Partenkirchen. Der Sprung von der Schanze vor etwa zweihundert Zuschauern gelingt gut. Anfangs; die später auftretende Herausforderung ist allerdings achtzig Meter weiter unten die Landung, weil ich es nicht schnell genug schaffe, mich im Flug wieder richtigrum zu drehen und mit mehreren verschiedenen Körperteilen gleichzeitig aufschlage.
Wenn etwas schiefgegangen ist, darf man auf keinen Fall die eigene Zuversicht untergraben und das einen "Misserfolg" nennen. Das wäre eine ganz falsche Botschaft an das Unterbewusstsein. Man spricht in einem solchen Fall besser von einem "Resultat, das noch nicht ganz zum Ziel geführt hat". Man erleidet nie einen Fehlschlag. Man macht stets eine wertvolle Erfahrung für die Zukunft.
Außerdem, inneres Glück ist im Grunde sowieso nicht von äußeren Umständen abhängig. Menschen sind glücklich, weil sie sich entscheiden, glücklich zu sein, steht in dem Buch auf Seite 137: "Wenn Sie glücklich sein wollen, können Sie das sofort sein. Warum wollen Sie warten, bis ein äußerer Umstand eingetreten ist? Es ist Ihre alleinige Entscheidung! Fangen Sie einfach an, glücklich zu sein!"
Während ich also im Krankenhaus darauf warte, dass meine zu Zahnstochern zersplitterten Knochen wieder zusammenwachsen, habe ich mich gleichzeitig für inneres Glück entschieden und bin bereit, nach dem Ende der Rehabilitationskur weiter an meiner beruflichen Karriere zu arbeiten. Bloß will ich nichts Sportliches mehr machen. Lieber verwirkliche ich meine künstlerische Veranlagung, denke nun positiv "Ich bin ein guter Schwertschlucker" und lasse mich selbstbewusst von einem renommierten Zirkus engagieren. Dort habe ich zwar nur einen einzigen, dafür aber spektakulären Auftritt, in dessen Verlauf ich die wertvolle Erfahrung mache, mehrere wichtige Teile meines Körpers vom Rest abzutrennen.
Fünf Wochen später, nachdem die Ärzte mir die Eingeweide zurück in den Bauch gestopft haben und leichten Optimismus hinsichtlich meiner Überlebenschancen äußern, fällt mir die Stelle im Buch ein, die ausdrücklich davor warnt, Sätze mit dem Wort „nie“ zu denken. Diese falschen Glaubenssätze, die den Mut kaputtmachen, wie "Ich werde nie eine Gehaltserhöhung bekommen" oder "Das werde ich nie schaffen".
Was ich vielmehr brauche, ist ein neuer positiver Gedanke. Ich besuche einen Berufsberater.
„Nun, sehen Sie“, sagt der nach der Analyse meiner Eignungstests, „Qualifikationen haben Sie zwar gar keine, doch Sie sind wirklich gut darin ... in nichts gut zu sein. Am Besten können Sie nichts können. Sie müssen Politiker werden.“
Obwohl ich weder gut rechnen, reden oder argumentieren kann oder was von Gesellschaft oder Wirtschaft verstehe, dachte ich danach "Ich bin ein guter Politiker", und was bin ich, nur zwei Jahre später? Ich bin Wirtschaftsminister. Es hat funktioniert mit meinem neuen Leben. Man darf eben nie aufgeben.