Mitglied
- Beitritt
- 20.09.2002
- Beiträge
- 10
Politik: Politik
Ich bin Terraner. Vielleicht bedeutet das nicht viel; ich werde deswegen gefürchtet, verachtet gemieden, und befinde mich in ständiger Lebensgefahr, denn immerhin bin ich kein Sklave, und habe meine Freiheit. – Nun gut, man könnte sagen, das macht mich zu einem armen Mann, denn Freiheit ist – in Zusammenhang mit dem Wort ‚Terraner’- identisch mit dem Wort ‚Vogelfreiheit’.
Was mich in diese Lage bringt: ich bin mindestens einen Kopf größer, als alle anderen Anwesenden, und anderthalb mal so breit. Es gibt Legenden, dass vor der Dynastie der Aristokraten Kriege innerhalb der Galaxis geführt wurden. Kriege, bei denen Terraner Ressourcen und Technologien bekamen, wofür sie sich als Soldaten zur Verfügung stellten. Ich setze diese Tradition fort; man könnte sagen, ich bin der letzte terranische Söldner. Allerdings gibt es keine Kriege mehr, sodass ich mich weitgehend für andere Dinge bezahlen lassen muss. Es macht mir nicht viel aus, ob ich dafür bezahlt werde zu töten, oder die Fetische abstrakter Aliens zu befriedigen; in jedem Fall prostituiere ich mich, so oder so.
Ich seufze leise. Ich werde hier gemieden. In dieser dunklen Kellerkneipe, in diesem Randbezirk eines Raumhafens, wimmeln mindestens 200 verschiedenen Spezies rum, genauso... ‚verwegene’ Halunken, wie ich einer bin, und doch finden sie sich alle zusammen, trinken, lachen, kiffen oder konsumieren andere Drogen. Sie tun es zusammen, für sie zählt es nicht, was wer getan hat, woher wer kommt. –Nur ich nicht. Sofern ich jemanden –in einem Winkel von mindestens 45 Grad- in die Augen blicke, werden diese angewidert zur Seite gewandt. Am liebsten würde mir jeder einzelne sofort eine Klinge in den Rücken stoßen, doch dazu bin ich zu groß, zu stark, und meine Panzermontur schützt mich. Partikelwaffen müssen draußen abgegeben werden.
Wenn ich sehe, dass dem Abwenden der Blicke folgt, dass sie ihre Kapuzen tiefer ins Gesicht ziehen –es ist ihnen wie eine zweite Natur ihr Gesicht zu verbergen, was mir nichts nützt, da mich meine Statur allein schon verrät- kann ich nicht anders, ich muss abfällig Lachen. Sie haben so wenig Rückgrat, soviel Furcht, soviel unterdrückten Hass!
Ich lasse meine Blicke weiterschweifen, um diese lächerliche Reaktion auszulösen. Es klappt noch ein paar mal, und ich werde immer gehässiger. Bis ich etwas Eigenartiges entdecke. Jemand erwidert meinen Blick, hält ihm stand. Neugierig und interessiert erwidere ich den Blick. Die Kapuze ihres Mantels ist tief ins Gesicht gezogen –wie bei allen Anwesenden-; ich kann das Gesicht dieser Person kaum erkennen. Zudem ist sie am anderen Ende des Raumes, ich habe meinen Ecktisch, der andere sitzt am Tresen. Alles was ich ‚sehen’ kann, ist sein durchdringender Blick. Ich versuche ihn zu ergründen, versuche herauszufinden, was diesen Blick ausmacht. Ist es Neugier, Faszination, Interesse... oder etwa wieder nur ein Fetisch?
Verdammt! Er steht auf, und kommt auf mich zu. Ich habe viel zu lange, und viel zu intensiv gestarrt. Aber was will er? Ist er so dämlich, und will Streit, oder bietet er mir Geld an, und will mit mir auf die Toilette? Zur Zeit habe ich keine Anstellung, Geld kann ich generell immer brauchen... –aber irgend einem Perversling diverse exotische Körperöffnungen zu stimulieren, und das heute Abend noch? –Nein, danke, darauf kann ich jetzt echt verzichten!
Er setzt sich zu mir an den Tisch, und bleibt ganz ruhig. „Verschwinde!“ meine ich barsch. „Wieso?“ erkundigt er sich erstaunt. Diese weiche, sanfte, hohe Stimme lässt mich erkennen, dass es sich bei meinem kleinen Perversling um eine Frau handelt. Kein Wunder, dass sie so vermummt ist. Als Frau in diesem Teil des Planeten braucht man gar nicht erst allein vor die Tür gehen.
„Du hast mich ziemlich intensiv angeguckt“, merkt sie an, „Gerade du kannst dir damit eine Menge Ärger einhandeln, Terraner.“ „Oh, Hilfe“, höhne ich, „Habe ich dich etwa mit meinem Blick angegriffen? Hat die Bestie dich zerfleischt?“ Einen Moment sieht sie mich an. Ich kann es nicht sehen, aber ich glaube, sie schmunzelt. Dann hebt sie ihre Hände zum Gesicht, greift den Saum ihrer Kapuze, und will sie runter ziehen. Ich gucke neugierig hin. Was soll dieses Spiel, warum macht sie so eine Show daraus, warum antwortet sie nicht einfach?
Schließlich hat sie nur einen kleinen Teil ihres Gesichts freigelegt. Dieser Teil reicht völlig, um mir einen Schock durch alle Glieder zu jagen, und mir jede Farbe aus dem Gesicht zu nehmen. Rasch fahren meine Hände zu ihren –ich berühre ihre Haut nicht, da sie Handschuhe trägt- und hindern sie daran, ihre Kapuze abzunehmen. Dieser blaue Schimmer hat völlig gereicht, um genug über sie auszusagen, dass man sie hier besser nicht erkennt, dass sie besser gar nicht da ist. Nicht, dass ich mich um sie sorgen würde, aber ein Terraner, und eine wie sie in einem Raum, und ihr geschieht etwas. Die Menge würde nach Blut schreien, und es würde keinen geeigneteren Sündenbock geben, als mich. Immer noch erschrocken, nahezu entsetzt, stammele ich: „Du bist eine... –eine...“ „Vorsicht“, unterbricht sie mich, „Sprich es aus, und wir beide stecken in großen Schwierigkeiten.“ Ich höre sie kichern. „Du hättest mich fast berührt“, sagt sie, „Du müsstest wissen, was das für dich bedeutet.“ Etwas gefasster erwidere ich schnippisch: „Was hast du hier verloren? Das nächste Hochkommissariat ist auf der anderen Seite des Planeten, und die hiesigen Behörden sind nicht ganz so zuverlässig, wie deine Bluthunde! Du dürftest hier mehr zu befürchten haben, als ich.“ „Wovor?“, erkundigt sie sich ironisch und fragt schalkhaft, „Vor dir? Du dumme, gewalttätige, primitive Bestie?“ Gerade, wo ich mich für sie interessiere, wo ich wissen will, was sie hier tut, wo sie mir beinahe durch ihre stets spöttische Art sympathisch ist –man begegnet mir nicht häufig mit Humor, das können sie sich sicher denken- kommt so etwas. So reagiere ich etwas heftiger, als ich es sonst tue. Ich lehne mich zurück, und verschränke meine muskulösen Arme vor meiner breiten Brust. Ich ‚schenke’ ihr einen abfälligen Blick und meine: „Du kennst also alle gängigen Vorurteile. Von einer Aristokratin nicht anders zu erwarten!“ „Schweig!“ herrscht sie mich erschrocken an, dass ich das Risiko eingehe und den gebräuchlichen Namen ihrer Spezies so unverblümt ausspreche. In dieser für sie lebensfeindlichen Umgebung. Unter der Kundschaft dieser Kneipe gibt es bestimmt nur Vereinzelte, die nicht ihr Leben riskieren würden, um die Gelegenheit wahr zu nehmen durch das Töten einer Aristokratin einen unsterblichen Ruhm zu erlangen. Sie blickt sich schüchtern und vorsichtig um. Ein breites, hämisches Grinsen erscheint auf meinem Gesicht. Unter der Kapuze sehe ich ihre Augen hervorblitzen. Erschrocken, und wütend auf mich. „Alleine dafür könnte ich dich töten lassen!“ zischt sie mir zu. Ich lache leise und meine höhnisch: „So? Von wem?“ Sie lehnt sich zurück und meint, zwar immer noch leise, aber nicht mehr ganz so emotional: „Ich weiß nicht. Gewohnheit eben.“ Ich schweige, sage lange Zeit gar nichts, bis sie mich aus meinen Gedanken reißt: „Was ist?“ „Ich frage mich gerade, wie das ist“, antworte ich wahrheitsgetreu. „Wie was ist?“ will sie wissen. Ich hole tief Luft und meine wie beiläufig: „Wie das ist mit einem Befehl zu töten. Ein Wort reicht, man muss sein Opfer nicht mal kennen, nicht dabei sein, wenn es getötet wird. Ein kleines Wort zwischen Aufstehen und Frühstück, dann wendet man sich einem weiteren Volk zu, dass man zum Abschaum der Galaxis deklassiert.“ Jetzt ist sie es, die schweigt. „Du glaubst das ist einfach für mich, vielleicht sogar, dass es mir Vergnügen bereitet so leichtfertig mit den Leben derer umzugehen, für die ich verantwortlich bin.“ Ich höre einen leichten Vorwurf in ihrer Stimme. „Ist es denn nicht so?“, frage ich mit gespieltem Erstaunen. Sie funkelt mich böse an und meint: „Das kannst du niemals begreifen, Terraner!“ „Alec!“, werfe ich ein. Ich kann ihr Gesicht kaum sehen, doch meine ich Erstaunen aus ihrer Körperhaltung erkennen zu können. „Mein Name“, führe ich aus, „Ich bin es leid zu hören, was ich bin, das bekomme ich täglich zu spüren.“ Sie schweigt einen Moment, verbleibt nachdenklich. Schließlich meint sie nur warm –wobei ich mir gerne vorstelle, dass sie lächelt-: „Faoran.“ Jetzt bin ich es, der sich zurück lehnt, und meine: „Klingt hübsch.“ Das ist keineswegs eine Floskel, ich kann diesem Namen tatsächlich einiges abgewinnen. Er klingt für mich so weich und sanft wie ihre Stimme, so weich und sanft, wie sich ihre Haut anfühlen würde, wenn ich sie berühren würde. In Verbindung mit meiner ‚Freiheit’ wäre das allerdings ein Frevel erster Güte, also werde ich das nie erfahren. Ich ertappe mich bei einem leisen Seufzen darüber. Sie hat es gehört. Erstaunt höre ich sie fragen, ob etwas wäre. Um vom Thema abzulenken –ihr zu erzählen, dass ich mir vorstelle sie zu berühren käme denkbar schlecht für mich, trotz meines ‚Heimvorteils’- komme ich auf die Frage zurück, die seit ich sie erkannt habe, stellen will:
„Was tust du hier.“ „Lange Geschichte“, wiegelt sie ab. „Ich habe Zeit“, höre ich mich erwidern. Sie guckt sich wieder schüchtern und vorsichtig um, als sie sagt: „Ich aber nicht.“
Ich sehe mich ebenfalls um, und bemerke, dass sich der Raum geleert hat. Sie ist nicht mehr im Schutz der Menge, da die Menge einfach nicht mehr existent ist. Sie bemerkt, dass ich ihr Problem erkannt habe und meint: „Komm mit mir, dann erzähle ich dir, was ich hier wollte.“ „Was, wenn man uns zusammen sieht?“, äußere ich Bedenken. Irgendwie erkenne ich durch ihre Kapuze hindurch, dass sie spitzbübisch grinst. „Dann bist du mein Sklave“, sagt sie nur. Wir erheben uns nacheinander und ich folge ihr nach draußen.
Die frische Luft nach der abgestandenen, von Rauch, Dunst und Alkoholfahnen miefenden Atmosphäre der Kneipe zu atmen tut mir gut. Ihr auch, denn ich höre sie tief einatmen. Beim Ausatmen entdecke ich, wie sich der Stoff ihrer Kapuze um den Hals aufbläht und wieder zusammen fällt. Mir kommen sofort Gerüchte über die Anatomie der Aristokraten in den Sinn, aber ich will sie nicht danach fragen. Sie ist sich nicht zu fein mit mir zu reden, warum sollte ich dann so unhöflich sein, und sie zu einem Objekt meiner wissenschaftlichen Neugier degradieren? Sie geht raschen Schrittes voraus, und es bereitet mir keine Mühe ihr Tempo zu halten, ich kann während dessen sogar mein Kombinations-Gewehr in die dafür vorgesehenen Scharniere auf dem Rücken meiner Montur hängen, während ich laufe. Generell ist es verhängnisvoll als Terraner bewaffnet durch die Gegend zu laufen, doch ich trage eine Kampfmontur, und habe zur Not einen perfekt gefälschten Ausweis, der mich als Gardisten eines Hochkommissars ausweist. Wir laufen eine ganze Weile, die Straßen werden breiter und heller, erst recht, nachdem wir die Kanäle benutzen, und damit insgesamt bis zu 2000 Kilometer zurück legen. Schließlich werden wir von einem Polizisten der regionalen Behörde angehalten, der als einfache Wache in diesem nobleren Teil des Planeten eingesetzt wird. Er spricht uns beide an, doch sein Blick bleibt starr auf mich, seine Hand liegt leicht zitternd auf seiner Dienstwaffe. Er reicht mir gerade bis zur Brust! Seine Stimme zittert kaum, als er uns anfährt: „Was tut ihr hier!“ Interessiert gucke ich nach meiner Aristokratin. Wird sie die Situation lösen wollen, oder wird sie hilfesuchend zu mir blicken, damit die geistig zurückgebliebene Bestie ihrem Ruf Ehre macht. Ich sehe nur, wie sie einen Moment reglos dasteht. Dann hebt sie ihre Hände wieder langsam zu ihrem Gesicht. Ich hindere sie nicht, ich nehme an, wir haben bald ihre Unterkunft erreicht. In die Slums und Raumhäfen traut sich schon lange kein Polizist mehr, und auch, wenn diese Gegend noch von örtlicher Polizei bewacht wird, so muss das nicht heißen, dass sie hier die Exekutivgewalt besitzt. Als schließlich ihre Kapuze auf ihren schmalen Schultern landet erbleicht der Polizist, genau wie ich vorhin. Ich kann mir ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. „V-... verzeihen sie, m-... my Lady, ich hatte ihre Herkunft n-...“ stammelt er und wird von ihr unterbrochen: „Schon gut. Seien sie das nächste Mal etwas aufmerksamer. Nicht alle Aristokraten sind so nachsichtig wie ich.“ Ich kann ihren Ton, mit dem sie das sagt, nicht einordnen. Meint sie das wirklich, oder hat sie ihm gedroht. „D-... der dumme Große...“ fragend blickt er mich an, und seine Hände legen sich etwas enger um den Griff seiner Dienstwaffe. Ich ignoriere ihn, ich bin das gewohnt. –Und so satt...
„Er gehört zu mir“, antwortet Faoran, „Hat er sie erschreckt?“ „Nein“, antwortet der Polizist, „Kommen sie sicher nach Hause.“ „Danke, Officer.“ meint sie und geht weiter. Laut genug, dass der Wachmann es noch mitbekommt meint sie zu mir: „Du wirst trotzdem diszipliniert!“ Ich fühle geradezu, wie sich seine Blicke in meinen Rücken bohren. Ich kann mir vorstellen, wie seine Hände zu seinem Neurostimulator greifen, bereit mich zu foltern, sollte ich nicht den ihr zustehenden Respekt zeigen. „Sehr wohl... my Lady!“ bringe ich ebenso hervor und verbeuge mich. Sie dreht sich nicht zu mir um, doch daran, wie sie sich spannt und löst, wie sie sich leicht schüttelt, sehe ich, dass sie ein Lachen unterdrückt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie kann ich ihr diesen wirklich derben Scherz nicht übel nehmen. Wir gehen noch ein Stück, dann halte ich es nicht mehr aus, diese feine Gegend bereitet mir Unbehagen. „Wo willst du hin?“ frage ich. Sie dreht sich zu mir um –ihr Hals schmiegt sich in den Stoff ihrer zurückgeschlagenen Kapuze, ich kann nicht erkennen, ob stimmt, was ich gehört habe- und diesmal sehe ich, dass sie lächelt. Mich anlächelt. Ich weiß nicht wieso, nur kann ich mich diesem Eindruck nicht entziehen. Nur warum wünsche ich mir, dass es so ist?
„Zu mir.“ reißt mich ihre Antwort aus meinen Gedanken. Ich kann es mir nicht leisten schwer von Begriff zu sein, also dauert es nicht lange, bis ich den richtigen Gedankenfaden gefunden und an ihn angeknüpft habe. „Na, da bin ich ja mal gespannt.“ denke ich laut. „Worauf genau denn?“ fragt sie mich. Ich höre den Schalk in ihrer Stimme. „Wie du mich dort reinbringen willst“, erwidere ich, „Immerhin...-“ Sie dreht sich wieder zu mir um und fährt mir barsch über den Mund: „Immerhin bist du mein Sklave, Alec!“ Ich kann nicht verhindern, dass meine Mundwinkel spöttisch zucken. „Sehr wohl, my Lady.“ Mehr fällt mir dazu nicht ein. Auch sie lacht spöttisch und setzt eine Spitze drauf: „Oh, der vertrottelte Riese lernt schnell.“ Ich habe schon längst ein dickes Fell entwickelt, was die Verachtung betrifft, die man Terranern im allgemeinen entgegen bringt. Doch dieser Spruch –war er doch nur als Scherz gemeint- verletzt mich. Ich weiß nicht, wieso. Ich gebe ein abfälliges Knurren von mir und meine nur: „Arroganz steht dir nicht.“ Immer noch schnippisch entgegnet sie: „Vorhin hast du noch etwas anderes behauptet.“ ‚Da warst du mir noch nicht sympathisch.’ Bevor ich das ausspreche beiße ich mir jedoch auf die Unterlippe, und gebe ein bestätigendes Brummen von mir.
Schließlich kommen wir bei einem Hotel an. Ich kenne mich mit noblen, vornehmen Hotels nicht aus, aber ich habe in meinem ganzen Leben noch kein nobleres und vornehmeres gesehen, als das, in dem sie untergebracht war –schon gar nicht von innen! An der Rezeption läuft das gewohnte Spiel ab:
- er gehört zu ihnen?
- Ja.
- Sehr wohl, my Lady.
Mein Kombinationsgewehr muss ich abgeben; es wird zu ihren Wertsachen gebracht. Wir gehen in ihre Suite. Ich fühle mich unbehaglich; ich habe selten zuvor so luxuriöse Wohnräume gesehen. „Bitte, nimm Platz.“ Ich soll Platz nehmen? Eine Aristokratin bietet einem Terraner an in ihrer Suite Platz zu nehmen? Langsam erscheint es mir unwirklich, wodurch die Situation für mich noch unangenehmer wird. Ich bewege mich hölzern und sinke langsam in den nächstbesten Sessel. Kaum, dass mein Hintern das weiche Polster berührt, versinkt er auch schon darin. Es ist für Wesen gemacht, die die Hälfte meines Gewichtes auf die Waage bringen. Meine Montur tut ihr übriges, um mich in den Sessel zu ziehen. Sie streckt ihren Kopf aus dem Flur am Eingang, wo sie ihren schweren Mantel abgelegt hat. Sie sieht mich in meiner Hilflosigkeit. Ich sehe ihr hämisches Schmunzeln und belle: „Was ist daran bitte so witzig!“ Ich weiß es ganz genau. Auch kann ich über mich selbst lachen. Ich weiß nicht, wieso ich darauf eingehe, aber ich beginne übertrieben mit den Beinen zu zappeln, um den Eindruck meiner Hilflosigkeit zu verstärken. Sie lacht leise und kommt auf mich zu. Ich frage mich, ob sie sich herunter bückt, mir zu helfen. Stattdessen verschränkt sie die Arme vor der Brust, und kratzt sich nachdenklich am Kinn. „Wenn du deine Rüstung ablegst würdest du vielleicht aufstehen können.“, erklärt sie mir. „Ich habe kaum etwas drunter“, eröffne ich ihr, „Willst du immer noch, dass ich sie ablege?“ „Gehe ich denn ein Risiko ein?“, fragt sie kokette zurück. „Du wirst doch keine Aristokratin berühren wollen?“ Während ich die Magnetscharniere der Montur deaktiviere erwidere ich schalkhaft: „Was nützt dir das im Moment? Glaub mir, kein Hochkommissar ist schnell genug hier, dass er verhindern könnte, dass ich dich töte.“ „Wenn du wolltest“, ergänzt sie und zieht erst meinen Handschuh, dann meinen Ärmel von mir. Ich hindere sie nicht daran. Ich will es aus irgend einem Grund, den ich mir nicht erklären kann nicht, und auch glaube ich, dass ich nicht die Kraft dazu aufbringen könnte, wenn ich wollte –dabei gibt es kaum eine Spezies, die einem Terraner an physischer Kraft auch nur ebenbürtig ist!
Während sie mir die Kampfmontur von Armen und Beinen streift betrachte ich sie ausgiebig. Ich sehe deutlich ihre marineblaue Haut, ihre himmelblauen Augen. Ihr schlohweißes, bis zu den Ohren reichendes, gescheiteltes Haar schlägt mich in seinen Bann. Ihre kleine, süße Stupsnase, die feinen, weichen Konturen ihres Gesichts, ihr kleiner, schwarzer Leberfleck auf der Oberlippe... das alles wirkt, als hätte ich so etwas noch nie zuvor gesehen, bzw., als hätte ich noch nie zuvor die Schönheit dieser kleinen, verführerischen Details erkannt, und erst recht nicht das berauschend ästhetische Gesamtbild, dass aus dieser Komposition entsteht, und ihr Gesicht darstellt. Meine Augen fahren mit einem verklärten Ausdruck an ihr herunter, den ich im nachhinein als zärtlich beschreiben möchte. Doch sie kommen nicht weit, denn dicht an ihren Schultern, an ihrem Hals, entdecke ich die Quelle zahlreicher, halbwahrer Gerüchte: rückentwickelte, nur noch rudimentär vorhandene Kiemen. Die Aristokraten waren also Aquanoide! Atemlos bestaune ich diesen Beweis für den Stoff aus dem Legenden sind; Aquanoide sind selten, und meistens nicht intelligent. Aus diesem Grund werden Aquanoide als begehrte Haustiere und Souvenirs betrachtet. –Und dann beherrschten sie eine ganze Galaxis!
Was Aquanoiden für mich so interessant macht: ich habe noch nie einen gesehen... –bis jetzt! Ich sehe Faoran mit ganz anderen Augen, als hätte ich etwas unglaublich wertvolles, etwas unwirkliches vor mir, dass bei der geringsten Berührung davon schwebt, wie ein Tagtraum. Dennoch zieht sie mich magisch an, vor allem ihr Hals, an diesem besonders die Kiemen. Vorsichtig strecke ich meine von der Montur befreite Hand danach aus. Das tue ich so langsam und ungelenk, dass sie es einfach sehen muss, doch sie scheint es gar nicht wahr zu nehmen. Sie muss doch bemerken, dass ich sie berühren will. Verwundert gleitet mein Blick von den Kiemen ab, und trifft sich mit ihrem. Sie beäugt mich mindestens ebenso fasziniert, wie ich sie. Nur sie hängt an meinen Armen, meiner Brust, meinem Nacken, meinen Beinen, an eben allen Körperteilen, die mein halsbrecherischer Lebenswandel auf Kraft und Ausdauer trainiert hat. Ich erachte das nicht als besonders, doch sie kennt nur die überwiegend dekadente und herablassende Aristokratengesellschaft –wobei selbst ein Aristokrat, wenn er sein Leben lang trainiert hätte, höchstens soviel Kraft aufbringen könnte wie ein später Teenager.
„So kräftig... so groß...“ murmelt sie ehrfurchtsvoll und streckt ihre Hände nach mir aus. Behutsam, als wäre ich es, der unwirklich ist, betastet sie meine Oberarme und meine Brust. Obgleich der Festigkeit des Gewebes zucken ihre Arme erschrocken zurück. „Oh, wie hart!“ ruft sie erstaunt aus... oder ist es Begeisterung? Ich jedenfalls kann ihre Neugier, ihren Forscherdrang, ihre Besessenheit nur allzu gut nachempfinden, so nähern sich meine Finger weiter ihren Kiemen, und haben sie schließlich erreicht. Kaum, dass ein Kontakt besteht, kaum haben meine Fingerspitzen sie berührt, da zuckt sie wieder, diesmal vor Schreck. Aus diesem Grund auch atmet sie tief ein und hält den Atem an. Was war sie dort empfindlich...
„Entschuldige bitte, ich hatte nicht vor dir weh zu tun.“ Beschwichtige ich sofort besorgt, doch sie winkt nur ab: „Schon gut, du hast mir nicht weh getan, Alec. Du hast nur ein... ein anderes extremes Gefühl ausgelöst.“ „Oh“, mache ich und nicke, dann begreife ich, was ich getan habe, „Oh! Verzeih bitte, ich wollte dich nicht beleidigen.“ Konsequent und abrupt ziehe ich meinen Arm zurück, doch unerwartet hastig greift sie nach ihm und hält ihn fest.
„Nein, nein, schon gut“, erklärt sie genauso hastig. Wieder verwundert sehe ich in ihre Augen. Dort entdecke ich pures Verlangen. Nicht etwa das sexuelle Verlangen eine so abstrakte und exotische Lebensform wie einen Terraner zu lieben, sondern das verlangen danach mich als Person zu erforschen... und die Bereitschaft sich erforschen zu lassen. In ihrem Blick steht die stumme Einladung sich von mir mit allen Sinnen wahrnehmen zu lassen, und zugleich die drängende Aufforderung eben solches mit mir zu zulassen. Langsam strecke ich meine Finger wieder nach ihren Kiemen aus, betaste sie vorsichtig, berühre sie kaum. Faoran schließt die Augen, zieht scharf die Luft in ihre Lungen, und seufzt leise. Ihre Hände, die nach wie vor über meine Brust streichen, krampfen sich ein wenig zusammen, wobei ihre Finger über meine Brustwarzen streichen. Ein warmes, angenehmes Gefühl entsteht, eines, dass ich nicht kenne. Zwar habe ich schon unzählige Kunden gehabt, die dafür bezahlten von mir stimuliert zu werden, jedoch haben die sich ihrerseits –zu meiner Erleichterung- nicht um mich bemüht, und dass es mir Vergnügen bereiten würde mit statischer Elektrizität kleine Brandblasen auf meiner Haut zu hinterlassen bezweifle ich stark.
Das Gefühl, dass die Aristokratin auslöst, entsteht in meiner Brust und kriecht langsam in meinen Unterleib, wo sich diese nie gekannte, wohlige Wärme ausbreitet. Überwältigt werfe ich den Kopf in den Nacken, meine Puls rast, als hätte ich Kilometer im Laufschritt zurück gelegt; ein Ächzen entringt sich meiner Kehle. Auch, wenn ich nicht weiß, wie genau, oder was genau sie mit mir macht, sie weiß es offenbar ganz genau. Ein mutwilliges Funkeln blitzt in ihren Augen auf, im nächsten Moment sitzt sie auf meinen Beinen, und zieht mir das graue Untershirt –das einzige, das ich unter der Kampfmontur trage- über den Kopf, um meine nackte Brust zu betrachten. Sie rekelt sich etwas auf mir, da sie nicht so recht weiß, wie sie bequem sitzt, ohne dass das, was sich gegen meine Untershort presst, von ihr eingeengt wird. Ich bin ihr dankbar darum, da ich auch so weiß, dass das sehr empfindlich ist, und wenn sie es nicht weiß, so kann sie es sich scheinbar denken.
Es scheint wie in Zeitlupe, als sie ihren Kopf vorreckt, sich ihr hübsches, weiches Gesicht meiner Brust nähert, sich ihre vollen Lippen öffnen, und eine bereits verspielt zuckende Zunge in der Farbe ihrer Haut sichtbar wird. Das geht mir zu schnell... und zu weit! Ich packe sie sanft und vorsichtig an den Schultern, um ihr Einhalt zu gebieten. Ich will sie sovieles fragen, doch nur eine Frage dringt über meine Lippen: „Warum tust du das?“
Sie blickt mir tief in die Augen, und ihre Neugier, sowie die in den letzten Momenten entstandene Erregung rücken in den Hintergrund dieses unendlichen Blau. Stattdessen scheint sie mich mit tiefer Wahrheit anzublicken und meint: „Du bist wie ich. So neugierig, so weltoffen... und so allein.“
Ich habe keinen blassen Schimmer was diese Antwort bedeuten soll. Jedoch sollte die Aristokratin nicht mehr dazu kommen mir eine weiter Auskunft zu geben, da der Mund, den sie dazu benötigt, sich viel zu gierig über meine Lippen stülpt.
Ich weiß kaum, was danach noch passiert ist. Was mich erstaunt ist, wie empfindlich ich an einigen Stellen bin, wie genau sie weiß, wo diese sind, und wie sanft und behutsam ich jemanden berühren kann. Ich atme tief und zufrieden ein. Dabei stelle ich fest, dass es mir ungewohnt schwer fällt Luft zu holen. Ich neige meinen Kopf nach vorne und blinzele. Sie liegt auf mir, hat ihre Arme um meine Hüften geschlungen, und ihren Kopf –mit ihrem wundervoll duftenden, exotisch weißem Haar- auf meine Brust gebettet. Ob ich immer noch in der Lage bin jemanden so zärtlich zu berühren? Langsam und vorsichtig strecke ich meine Hand aus und streiche ihr über ihren Kopf. Sie neigt ihn zu mir hoch, blinzelt, wobei sie wieder spöttisch lächelt, sich jedoch glücklich in meine Hand schmiegt. „Lass uns aufstehen“, meint sie. Unbehagen macht sich in mir breit. Wieso will sie diese Behaglichkeit zerstören? Erwartet sie jemanden, der mich nicht zu Gesicht bekommen darf? Niemand hat das Recht sie zu kritisieren, oder ihre Vorlieben in Frage zu stellen, also wird niemand Anstoß daran nehmen, wenn sie einen terranischen Callboy bei sich hat. Ich will sie nicht verlassen, noch nicht; hier ist es so ruhig, ich bin so geborgen –ein Gefühl, von dem ich nicht wüsste, es je empfunden zu haben. Ich habe noch so viele Fragen an sie... Ich will ihr erklären, welche innere Unruhe mich packt, doch, was ich heraus bekomme, ist nur ein fast weinerlich klingendes: „Wieso?“ Ihr spöttisches Lächeln wird zu einem wissenden. Das beunruhigt mich ein wenig. Was enthält sie mir? Faoran richtet sich auf, gähnt herzhaft und streckt sich. Schier überwältigt von ihrem Anblick schließe ich die Augen und atme gepresst aus. Sie ist zu wunderschön, als dass ich, ein Terraner es auch nur wagen dürfe sie anzublicken. Wie als erkenne sie meine Gedanken lacht sie leise auf und legt sich wieder hin. Sanft fühle ich ihre Hand, die über meine Wange streicht. Sie hält an meinem Kinn inne und dreht mit behutsamer, aber bestimmter Gewalt mein Gesicht zu ihr. Sie küsst mich, wodurch mir ein Schauer über den Rücken läuft. „Zieh dich an, Alec“, meint sie nur und blickt mir vertrauenswürdig in die Augen. Es funktioniert; ich vertraue ihr, viel zu sehr, als mir lieb ist. Sie erkennt auch das, und steht auf, verschwindet im Bad. Langsam verlasse auch ich das Bett... –wie bin ich überhaupt da rein gekommen? Nach und nach suche ich die verschiedenen Teile meiner Montur aus allen mögliche und unmöglichen Ecken des Quartiers... –wie sind die da überhaupt hingekommen?
Schließlich bin ich fertig angezogen. Kaum, dass ich wieder in meinen Stiefeln stehe erscheint auch Foaran wieder. Sie trägt eine kleinere, nicht so klobige Montur, mit weinrotem Umhang. Sie blickt mich an, sagt kein Wort, und bedeutet mir stehen zu bleiben. Ich bin viel zu überrascht, dass sie die klassische Kriegskleidung eines Aristokraten trägt, als dass ich mich rühren könnte. Zielstrebig geht sie auf die Tür zu und öffnet sie. Ich erlebe eine weitere Überraschung, als mindestens ein Dutzend Soldaten in den Raum stürmt, auf mich zu, bereit mich zu Tode zu prügeln. Ich konnte es mir noch nie leisten lange geschockt zu sein, so schüttele ich meine Starre relativ schnell ab, aber der Verdruss, darüber hintergangen und benutzt worden zu sein wiegt ungemein schwer. Ich empfinde regelrecht Wut! Ich bedenke die Aquanoide mit einem hasserfüllten Blick, doch sie blickt nur flehend zurück, so als wolle sie mich bitten abzuwarten. Das tut sie so eindringlich, dass ich mein ursprüngliches Vorhaben noch ein paar Genicke zu brechen, bevor ich erschossen werde aufgebe, und abwarte. Die Soldaten drehen unerwartet nach rechts ab, wodurch sie eine exakte Linie vor Faoran bilden. Sie räuspert sich und meint zu dem Soldaten, der als erster den Raum betrat: „Capain, ich konnte Lieutenant Colonel Alec für meine Garde gewinnen. Er löst sie als Kommandanten ab und wird mein persönlicher Leibwächter! Haben sie ein Problem damit?“ Pflichtbewusst schaut der Offizier gerade aus, meidet ihren Blick, als er antwortet: „Nein, Glanzvolle, es ist schließlich ihr Wunsch.“ „Akzeptieren sie ihn als direkten Vorgesetzten?“ „Natürlich!“ „Gut“, meint die Aristokratin, an deren Montur ich die Dienstzeichen eines Lordgenerals erkenne, „Sie werden nämlich eng mit dem Colonel zusammen arbeiten, und ihn mit seinen Pflichten vertraut machen!“ Ich bin viel zu baff um die Situation zu begreifen. Warum lässt sie ihre Garde hier antreten? Was habe ich damit zu tun? Und warum hat sie den Oberbefehl über die galaktische Flotte? Ich komme erst wieder zu mir, als sie mir einen Kuss auf die Wange haucht und mir stolz zuflüstert: „Meinen Glückwunsch, Erster Schützer der Glanzvollen.“ Ich versuche zu antworten, zu fragen, was das alles soll, was sie vorhat, doch wieder ist alles, was über meine entsetzlich trockenen Lippen geht: „Wieso?“ „Ich brauche deine Hilfe, Alec“, meint sie und sieht mir bittend in die Augen, „Ich brauche dich an meiner Seite. Ich brauche jemanden, der mir die Dinge aus der Sicht des Volkes erklärt. Hilf mir zu herrschen!“ Sie bekommt ein stummes Nicken zur Antwort, doch so richtig begreife ich immer noch nicht, was sie sagt...