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Politik: Benutzt (Sequel zu "Politik")
Benutzt
Es ist angenehm zu erwachen. Meine Unterlage ist warm, und weich. Allerdings nur ihre Oberfläche, übe ich festeren Druck aus, wird die Haut, auf die ich gebettet bin, hart und unnachgiebig. Sie sieht so anders aus als meine. Sie ist weiß, grob porig und im Vergleich zu meiner geradezu erschreckend trocken.
Doch für ihn ist es normal, wie es für mich normal ist ständig eine feuchte Haut zu haben. Um ihn nicht zu wecken gleiten ich behutsam von seiner breiten Brust, nicht ohne noch einen sehnsüchtigen Schmatzer darauf zu hinterlassen.
Ich gehe in's Bad, bewege mich immer noch ein wenig hölzern, da ich ihn immer noch in mir spüren kann. Als ich zurück komme ist er noch nicht wach. Er der Terraner. Der Krieger. Der Abschaum. Das Relikt aus einer vergangenen Epoche. Der Mann, von dem ich mir erhofft hatte, er wäre mir nützlich einen Umbruch herbei zu führen, der mir zur Seite stünde wenn ich eine von Dekadenz und Selbstsicherheit degenerierte Herrscherdynastie versuchte neu zu begründen.
Ich hatte es versucht, und es war mir gelungen. Die anderen Aristokraten waren tot, auf Exilwelten tief im Halo der Galaxis, oder gehörten -pro forma natürlich- zu meinem Beraterstab. Die Macht zu übernehmen war nicht schwer, schließlich war ich das jüngste und Tatenhungrigste Mitglied des alten Herrschergeschlechts, überdies hatten sie den Fehler gemacht mir den Oberbefehl über die Thronflotte zu erteilen. Ich kann nur vermuten, was sie sich dabei gedacht hatten. Vermutlich, dass mein Pflichtbewusstsein gegenüber der Familie groß genug war, dass ich meine Befugnisse ausschließlich dazu nutzen würde den Wohlstand und die Souveränität sämtlicher Aristokraten bis in alle Zeit zu sichern. Recht hatten sie, mit Ausnahme eines Denkfehlers: meine Pflicht gilt nicht der Dynastie der Aristokraten, sondern dem Bestand der Koalition der Edlen.
Nur glaube ich nicht, dass sie bestand hat, solange realitätsferne, egozentrische Hedonisten die Geschicke einer ganzen Galaxis lenken, denen kaum mehr bewusst ist, dass sie für Millionen Welten, von denen jede nochmal mit Millionen von Individuen bevölkert ist, verantwortlich sind. Und das, wo doch ein einzelnes Individuum so viel bewirken kann. Wo ich allein es schaffte mich gegen die anderen meines Volkes zu behaupten, und ihnen jeglichen politischen Einfluss zu entziehen. Die Lordgenerälin wurde zur Lordaristokratin!
Mitten in diesen Reminiszenen fällt mein Blick wieder auf das Bett, in dem mein terranischer Sicherheitschef immer noch döst. Mit ihm hatte ich mich absichern wollen. Wie konnte man die Individuen besser davon abhalten etwas am Status Quo verändern zu wollen, indem man ihnen jeden Grund dazu gab? Indem man sich um sie kümmerte, und ihnen Wohlstand gab?
Da ich nicht wusste, wo ich da ansetzen sollte, hatte ich Alec, den Terraner -MEINEN Terraner- zum Kommandanten meiner Leibgarde ernannt, um von seinem Wissen um das Leben vom "anderen Ende der Nahrungskette" zu profitieren. Er konnte mir sagen, was sich die Bewohner unzähliger Ghettowelten, in denen schmierige Kleinkriminelle und die in Ungnade gefallenen Statthalter mächtiger Verbrecherorganisationen das alltägliche kontrollierten, von ihrem Dasein versprachen.
Sicher, es hätte genügt ihn zu einem Berater zu machen, ihn in einen goldenen Käfig zu stecken und bei Bedarf die eine oder andere Meinung von ihm zu erfragen, doch... da bestand noch etwas anderes. Kaum befand er sich in einem anderem Raum als ich, da vermisste ich ihn schon. Bei jeder seiner geschickten, eleganten Bewegungen stellte ich mir vor, welche seiner ausgeprägten Muskeln in Aktion treten würde, um seinen nahezu titanenhaften Körper eben diese Bewegung ausführen zu lassen. Wie sehr ich mir wünschte seine warme, raue, trockene und geradezu vor Narben entstellte Haut zu berühren, und wie sehr es mir gefiel von ihm berührt zu werden, wie sehr es mir schmeichelte zu wissen, dass ich es geschafft hatte einen der Angehörigen der, aufgrund der reinen physischen Überlegenheit, meist gefürchteten und deshalb meist gehassten Spezies der Galaxis soweit "dressiert" zu haben, dass eine brutale Tötungsmaschine wie er so sanft, behutsam, geradezu liebevoll sein konnte, dass sogar auf meiner empfindlichen Haut seine Berührungen eine Gänsehaut hinterließen.
Im Laufe unserer Beziehung -eine zu leugnen war absolut blödsinnig, da wir schlicht eine Beziehung miteinander hatten- hatte es sich sogar gezeigt, dass das allgemeine Bild von Terranern, sie verstünden sich nur auf's Kämpfen, Töten, und Praktizieren sämtlicher Grausamkeiten, die man sich vorstellen konnte, falsch war. Zumindest Alec war nicht die hirnlose, brutale Bestie, für die Terraner im allgemeinen gehalten wurden, sondern durchaus intelligent, ein aufmerksamer Zuhörer und scharfsinniger Gesprächspartner, sich mit ihm zu unterhalten war geradezu ein Vergnügen.
Wieder muss ich seufzen. Sicher, der Mann, der noch schlaftrunken in meinem Bett liegt, ist intelligent, aber weltfremd. Die Ironie liegt, darin, dass er es aus demselben Grund ist, wegen dem ich auf ihn aufmerksam geworden bin. Er kennt zwar das Leben als unterster sozialer Dreck, den sich die meisten Aristokraten von ein wenig höherem Dreck von der Schuhsohle kratzen lassen, ohne ihn überhaupt wahr zu nehmen, er kennt NUR dieses Leben. Sein politisches Verständnis geht gerade soweit wie es nötig ist, um ein Sonnensystem zu verwalten, doch Galaktopolitik entzieht sich leider gänzlich den Dimensionen, in denen er gewohnt war seine Überlegungen anzustellen.
Ich mache ihm keinen Vorwurf, sein Lebensstil erlaubte es ihm einfach nicht Gedanken an ein besseres Universum zu verschwenden, wo er sich meistens um das Überleben des nächsten Tages sorgen musste, doch seinen Wert als Berater hat er verloren. Allein, dass er darauf geradezu bestand eine demokratische Staatsform einzuführen zeigt auf, wie wenig er sich der Tragweite von Entschlüssen, die jedes der Billionen von Lebewesen in der Galaxis betreffen, bewusst ist. Wenn man wirklich JEDEM Individuum zugesteht seine Meinung in einem politischen Forum zu vertreten, wirklich JEDEM einzelnen von BILLIONEN von Individuen, jedes mit unterschiedlichem Betrachtungswinkel, einer eigenständigen Meinung, einem ausgerpägten Ego, dass den Willen heraufbeschwört die eigenen Ansichten durchzusetzen, dann paralysiert das eine Zivilisation, da sämtliche Beschlussentwürfe von den Opositionen abgelehnt werden werden. Dieses Szenario beschreibt noch den harmlosesten Fall, sobald sich die Vertreter ähnlicher Meinungen zusammen schließen entsteht eine Masse, aus der Masse würde Macht entstehen, und diese würde sich mit den opositionellen Mächten in einem Bürgerkrieg nie erahnten Ausmaßes bekämpfen.
Ich kann nur den Kopfschütteln. Wieso verschließt er sich so der Einsicht, das ein zentrales Individuum nötig ist, um die stabile Einheit der Lebensgemeinschafft zu gewährleisten, in der die Völker der Koalition der Edlen miteinander Leben? Ich weiß nicht wieso, doch es tut weh, dass er so uneinsichtig ist, und wir darüber immer wieder in Streit geraten, sodass ich mich schließlich von unserer persönlichen Liebesbeziehung in die Beziehung von Lieutenant Colonel der Garde und Lordaristokratin flüchten muss. Wieso ziehe ich mich in diese ihm absolut übergeordnete Position zurück? Wieso finde ich nicht die richtigen Worte ihn zu überzeugen? Wieso müssen wir beide so ein trauriges Beispiel dafür liefern, wieso Demokratie nicht funktioniert?
In diesem Moment wacht Alec auf, streckt sich und stutzt. Gestern Nacht bin ich auf ihm zusammengebrochen, als die orgiastische Explosion, die er in mir ausgelöst hat wie eine Naturgewalt kosmischen Ausmaßes über mich herein brach. Überdeutlich erinnere ich mich an das Gefühl, wie er mich so sehr ausfüllte, dass die Intensität an den Empfindungen, nach denen ich gierig war, beinahe schon schmerzhaft war. Unbewusst versteife ich mich wieder, und muss breit lächeln. Das letzte woran ich mich erinnern kann, sind seine weichen Hände auf meinem Rücken. Vermutlich rechnet er damit mich immer noch auf seine Brust gebettet vorzufinden. Da dem nicht so ist, da ich immer noch im Türrahmen zum Bad stehe, richtet er sich auf und sucht mit seinen Blicken den Raum ab. Deutlich kann ich die straff über die harten Muskeln seiner Brust und seines Bauches gespannte, zernarbte Haut sehen. Oh, wie anziehend sie trotz unserer gelegentlichen Streitereien auf mich wirkt. Wie neugierig ich immer noch bin sie zu sehen, zu riechen, den Schlag seines Herzens zu hören, seine Haut zu berühren, sie zu schmecken.
Ich weiß nicht woran, doch er scheint genau zu erkennen, was ich in diesem Moment fühle. Er lächelt höflich und einladend, will mich zu nichts auffordern, geschweige denn drängen, will sich einfach nur zur Verfügung stellen. Versteift wie ich bin gehe ich langsam zurück zum Bett. Seinen Wert als Berater hat Alec, der Terraner, verloren, doch ich brauche ihn immer noch. In diesem Moment denke ich nicht daran, was sein wird, sollte ich ihn einmal nicht mehr brauchen. Ein Individuum, in der richtigen Position, kann vieles erreichen. Vermutlich wird es zu gefährlich in weiterhin mit den Befugnissen auszustatten, die er jetzt hat. Sehr wahrscheinlich würde er sich dann nicht damit abfinden, dass -und vor allem- warum ich seine Rechte beschneide. Höchstwahrscheinlich werde ich ihn töten müssen.
Trotzdem bin ich immer noch Faoran, Lordaristokratin dieser Galaxis. Und ich liebe einen Terraner. Eben dieser legt so sangt und zärtlich seine langen, beeindruckend starken Arme um meine Hüften, dass ich es selber nicht glauben würde, dass er dazu in der Lage ist, würde ich es jetzt nicht am eigenen Leib spüren. Die Notwendigkeit ihn besser früher als später aus meinem Leben zu entfernen habe ich fast wieder vergessen. Eines Tages werde ich mich wieder daran erinnern, und sollte ich Alec um unserer Liebe Willen von der Sinnlosigkeit einer demokratischen Staatsform überzeugt haben, sodass er seinen Nutzen als Berater wieder gewinnt.