Mitglied
- Beitritt
- 13.06.2003
- Beiträge
- 226
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 10
Poeten der Nacht
Poeten der Nacht
Die Nacht hing tief über den hohen Dächern der Stadt.
Im Laufe des Abends war die Zeit schon soweit fortgeschritten, dass sich die Menschen des Tages schon nicht mehr auf die Straße wagten. Nur vereinzelt noch sah ich kurz zwielichtige Gestalten aus dem Schatten der Laternen auftauchen, die jedoch schon nach kurzem Zucken der Augen wieder verschwanden.
Der Mann, der sich tief in seinen Mantel kauerte, fühlte sich in diesem malerisch atmosphärischen Umfeld sichtlich unwohl, sagte sich jedoch fortwährend, dass seine Nervostät lediglich auf Paranoia beruhte. So eilte er schnellen Schrittes weiter durch die spärlich erleuchteten Gassen dieser mondlosen Nacht.
Nur weil er seinem Geschäftspartner das Wort gegeben hatte, war er überhaupt aus der Tür seines Hauses getreten. Er tat dieses hier zum ersten Mal, und freiwillig war auch sein Wort nicht gekommen.
Wenn es vorbei ist, so dachte sich der Mann, werde er es gewiss nicht wieder tun, aber es musste vollbracht werden.
Es war nicht mehr weit.
Erkennbar war dies an den immer dunkler und größer werdenden Schatten, deren Wachstum sich proportional zur Vergrößerung des Abstands der Laternen verhielt.
Der Platz war erreicht, nur von dem erleuchteten Wasser des Springbrunnens auf seiner Mitte erhellt. Am anderen Ende konnte der Mann eine zweite Gestalt ausmachen. Sie stand ruhig da, eine Zigarette in der linken Hand. Hastig stolperte der Mann über den Platz, den Kopf eilig in alle Richtungen drehend, so als fürchte er eine unbestimmte Gefahr.
Endlose Sekunden auf ungedecktem Terrain später erreichte er die andere Gestalt.
"Haste das Geld?" - "Ja."
Der Mann nahm einen Umschlag aus seiner Innentasche, übergab ihn der Gestalt, die ihn gegen ein Plastiksäckchen eintauschte, welches der Mann wieder in seiner Innentasche verstaute.
Morgen wird er das Säckchen seinem Kollegen übergeben und so tun, als sei nichts gewesen in dieser Nacht.
Doch etwas ist geschehen,
der Mann wurde gesehen,
von mir, dem Poeten der Nacht,
er tat, was Hundert vor ihm gemacht.