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Pizza & Cola

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21.01.2003
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Pizza & Cola

Rod Davis sah auf die Uhr und gab den Männern ein Zeichen, dann blickte er auf die Wohnungstür, die 2112. Seine Leute klappten die Nachtsichtgeräte vors Auge, langten nach ihren Betäubungsgewehren. Gleich würden in dem fünfzigstöckigen Wohnhaus die Lichter ausgehen.
“Jetzt!” rief Davis und trat die Tür ein. Die Kegel der Helmleuchten erfassten eine Frau an der Wand gegenüber. Stöhnen. Das Licht streifte eine Couch. Es klackte. Lichtkegel schwenkten zurück, als die Frau sich von der Wand löste und auf die Männer zu ging. Plötzlich ging das Licht in der Wohnung wieder an. Sie hatten freie Sicht auf ein mit Pizzakartons und leeren Colaflaschen zugemülltes Zimmer.
“Bleiben Sie stehen!,” Davis legte an. Die Frau kam näher. Die Pappe der Kartons gab unter ihren Füssen nach. Davis drückte ab. Die Frau ging weiter. Davis griff nach seiner Pistole und schoss. Das Stahlmantelgeschoss legte ihr Innerstes frei. Qualm kam aus ihrer Brust.
“Was sagt man denn dazu?” Angewidert blickte Davis auf den Roboter, der auf dem Boden lag. Das grellgeschminkte Gesicht, hellblaue Augen leblos gegen die Decke gerichtet, die wirr abstehenden roten Haare, der schlanke Körper im hellgrauen Overall liessen kein Mitgefühl aufkommen. Seine Glieder zuckten, es glimmte und knisterte in dem Gewirr von Drähten, die aus der Einschussöffnung hervorquollen.
Drähte. Davis schüttelte den Kopf.
“Sie wollte sich gerade an der Steckdose aufladen. Dieses Uraltmodell hat den Saft aus dem ganzen Mietshaus abgezogen.
Miller,” wandte sich Davis an einen seiner Männer. “Schaffen Sie den Roboter ins Kybernetische Institut. Sie sollen seine Speicher durchsuchen.”
Erneut vernahmen sie Stöhnen und sahen zur Couch. Jetzt fiel ihnen der alte Mann auf. Er versuchte sich aufzurichten und sank ächzend auf die Liege zurück.
“Ruft nen Krankenwagen!” rief Davis und sah, wie der Mann die Lippen bewegte.
Er beugte sich zu ihm hinab.
“Marisa, wo ist Marisa?”

Davis wartete, bis der Arzt der Notaufnahme aus dem Untersuchungsraum kam.
“Übel dran, der Mann. Mehrere gebrochene Rippen, Pneumothorax und Alzheimer. Der Arme ist schwachsinnig.”
Der Arzt blickte bekümmert. “Ich werde es melden müssen. Der Mann wurde uns nicht rechtzeitig zur Therapie übergeben. Hier wurde ein Verbrechen an der Gesellschaft begangen. Wir hätten ihm helfen können. Jetzt hat das Tau-Gen die Mikrotubuli seiner Gehirnzellen beschädigt.”
Er blieb einen Augenblick stehen und blickte Davis fragend an.
“Sie wissen, unser Gehirn arbeitet wie ein Quantencomputer. Mikrotubuli sind
am Aufbau des Zellskeletts beteiligt. Darüber hinaus verhalten sie sich wie quantenelektrodynamische Hohlräume. Sie gelten aus aussichtsreiche….”
“Nun ist es gut, Doktor,” unterbrach ihn Davis. “Ich nehme mich der Sache an.”

Miller kam mit einer alten Frau auf Davis Schreibtisch zu.
“Die Dame möchte mit Ihnen sprechen, Boss. Sie meint, sie kenne den Mann aus dem Alzheimer-Fall.”
“Bitte nehmen Sie Platz und legen Ihre Hand auf den Scanner.” Davis blickte auf den Bildschirm.
“Nun, Frau Marisa Brown, - Marisa, ein schöner Name -, kennen Sie den Mann?
Wir konnten ihn nicht identifizieren.”
“Als ich sein Bild im Fernsehen sah, wurde die Erinnerung wieder lebendig. Fast hätte ich ihn nicht erkannt, aber es ist Jim Semmler. Wir waren miteinander verlobt.”
Das Gesicht der Frau rötete sich etwas, und es schien, als bräche für einen Moment der Abglanz ihrer Jugend durch die alte Hülle.
“Wir liebten uns, hatten vor zu heiraten. Dann der obligatorische Pre-Hochzeitstest. Er hatte ein deformiertes Tau-Protein, und ich verliess ihn.”
Die Frau schluckte und blickte zu Boden.
“Wenn ich damals gewusst hätte, dass später einmal Hilfe möglich gewesen wäre… Ich glaube, Jim hat nie wieder eine Frau angesehen. Ich weiss nur, irgendwann, viele Jahre später, kaufte er sich von seinem letzten Geld einen gebrauchten, weiblichen Roboter.”

Als Davis und Miller im Kybernetischen Institut eintrafen, erwartete sie Doktor Freeman in seinem Labor.
“Sie werden es nicht glauben, meine Herren. Dieses alte Modell…”, Freemann zeigte kopfschüttelnd auf den Roboter, der auf dem Untersuchungstisch lag, “Semmler hat ihm den Namen Marisa gegeben, den Namen seiner ehemaligen Verlobten, aber sehen Sie selbst.” Er bedeutete Davis und Miller Platz zu nehmen und stellte sich hinter einen Projektor.
“Sie sehen einige Highlights aus Marisas Speicherinhalt.”
Auf der Leinwand erschienen die freundlichen Verkäuferinnen von Pizza Hut. Eine von ihnen schob einen grossen Pizzakarton sowie eine Zweiliter Colaflasche über den Tresen.
Dann sahen sie einen Mann auf einem Sofa, der eine Pizza ass. Es war Jim Semmler. Sein Brustkorb war bandagiert.
“Highlights.” Davis zog müde die Augenbraue hoch. “Früher muss das Leben interessanter gewesen sein. Was meinen Sie? Was ist mit Semmlers Brustkorb? Jetzt hat er wieder ein paar gebrochene Rippen.”
“Marisas defektes Programm. Wenn sie sich liebten, ging sie sofort in Passion Mode 3. Eins und zwei funktionierten nicht.” Freeman schaltete den Projektor aus und setzte sich zu ihnen.
“Im Grunde führten sie ein ereignisloses Leben, abgesehen davon, dass sich die beiden alle drei Wochen eine neue Wohnung suchen mussten, da der Roboter zu viel Energie verbrauchte, und Semmler sich durch die Heftigkeit ihrer Liebesattacken regelmässig ein paar Rippen brach. Das zum Leben notwendige Geld beschaffte sie durch Fälschen von Kreditkarten.”
“Ich verstehe nicht,” meinte Miller, “wieso hat Semmler sich nicht von ihr getrennt?”
Freeman stand auf, ging zum Fenster und zog die Vorhänge zur Seite. Tageslicht fiel in das Labor. Das Licht der Sonne spiegelte sich in den gläsernen Schränken.
“Hat er ja. Er lief davon. Doch da setzte sein Gedächtnis schon aus, er irrte durch die Strassen. Bevor noch jemand auf ihn aufmerksam geworden war, hatte Marisa ihn schon wieder in die Wohnung zurückgeholt. Was für eine Ironie! Marisa wollte nicht, dass er zu Schaden käme und hat damit unterbunden, dass ihm geholfen werden konnte.”
Davis und Miller erhoben sich ebenfalls.
“Jetzt haben wir ein Problem.” Davis ging auf und ab. “Wenn seine Verletzungen geheilt sind, muss er das Krankenhaus verlassen. Was machen wir dann mit ihm?”
Freeman sah zum Roboter hinüber.
“Ich werde ihn reparieren, ein Öko-Energiesystem einbauen, Passion Mode eins und zwei wieder herstellen. Und Sie, Davis, sorgen dafür, dass Marisa eine gültige Kreditkarte erhält. Das weitere ergibt sich.”

Sein Hund bellte, als Davis ihn ein paar Monate später spazierenführte. Duft von heisser Salami zog in seine Nase, während eine hochgewachsene, schlanke, in einen hellgrauen Overall gekleidete Person mit einem Pizzakarton und einer Flasche Cola an ihm vorbei ging. Davis hielt an, blickte ihr nach, sah die wirr abstehenden roten Haare, lächelte und ging weiter.








 

Hallo Claudio.

Die Geschichte hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Das Motiv der Roboterfrau kenne ich persönlich zwar noch nicht, von außerordentlichem Einfallsreichtum zeugt es jedoch nicht (Ich bezweifle, dass der Sex mit einer solchen irgendwem Spaß machen sollte). Das ist hier aber deswegen kein Problem, weil die Ausschmückungen, wie z.B. die gebrochenen Rippen auf Grund eines etwas zu starken "Liebes-Modus'" oder das Eingesperrtsein quasi genial und irgendwie skurril sind und für das minder originelle Motiv entschädigen.

Wenn Du deinen Figuren nur noch ein Quäntchen mehr Persönlichkeit gönnen würdest, hätte ich an dem Gehalt deiner Geschichte nichts zu meckern. Stilistisch gibt es noch hie und da ein paar Schnitzer, die das Gesamtbild schmälern, aber nichtsdestoweniger ist die Geschichte lesbar.

Miller kam mit einer alten Frau auf Davis Schreibtisch zu.
Das hier beispielsweise klingt hölzern oder vielmehr umständlich. Vielleicht: "Miller betrat Davis' Büro, hinter ihm folgte eine alte Frau."

Bitte nehmen Sie Platz und legen Ihre Hand auf den Scanner,” bat Davis freundlich.
Das ist Doppelgemoppel. Obwohl ich auch ein Feind dieser trocken-langweiligen Inquitformeln à la "sagte Meier" bin, lasse ich diese eher ganz weg, anstatt sie gehaltsmäßig noch extra aufzumöbeln. Denn das würde vor allem die Wirkung des Gesagten selbst abschwächen, sowie hier, und man läuft Gefahr, Informationen zu wiederholen.

Danach war es ihm unmöglich, diese allein zu verlassen.

Wie das? Bevormundung? Stacheldrahtverhau? Die Kunst der Prosa liegt in der Schilderung, nicht in der Deklaration. Man kann schreiben: "Das Auto raste durch den Tunnel."
Man kann es aber auch so sagen: "Plötzlich heizte ein Idiot derart durch den Tunnel, dass die Deckenleuchten erzitterten."
Wenn der Autor keine besondere Absicht damit verfolgt, sollte er nicht auf Distanz mit seinen Figuren gehen und seinen Lesen die Identifikation mit ihnen erschweren.

Davis hielt an, blickte ihr nach, sah die wirr abstehenden roten Haare, lächelte und ging weiter.

Die Pointe ist irgendwie frustrierend. Da hat man sich in die Geschichte hineingelesen, ist ihrem Verlauf gefolgt und hat sich eventuell ein bisschen mit deren Figuren identifiziert, und dann wird einem durch so ein lapidares Ende der Boden unter den Füßen weggezogen. Nicht sehr nett ;). Überleg mal, ob Du es nicht noch besser machen kannst.

FLoH.

 

Hi Claudio,

Das ist meine erster Beitrag hier, also sei nachsichtig wenn ich dich zu harsch anfasse :D.

Zunächst einmal das Positive:

  • Schnelle Schreibe, flüssig zu lesen
  • Interessante Story, schönes Ende
  • Die Dialoge sind überzeichnet, aber gut. Ich finde, deine Art die Gespräche wiederzugeben ist der stärkste Part der Story.
  • Der Stil passt zu dem mehrfach erwähnten Bladerunner, typisch auch der harte Bulle mit dem weichen Herz
  • Gute Aussage, ohne zu erhobenen Finger

Gemein wie ich bin, aber auch Kritik. Diese ist länger als das Positive, nicht weil es so viel zu bemängeln gibt, sondern weil ich die detaillierter niedergelegt habe :)

  • Es sind IMHO einige schwache Sätze mit nicht ganz so geschickten Satzkonstruktionen vorhanden, die den Lesefluss stören und den guten Gesamteindruck trüben.

    Dummerweise fand ich leider gerade den ersten Teil nicht so gelungen. Die Spannung vor dem Einsatz kommt aber einfach nicht rüber, zumindest bei mir. Auch das Stakkato Feuer danach finde ich nicht richtig mitreissend, die Dramatik des Augenblicks ist nicht greifbar. Sprachlich stört mich z.B. das Doppelte "auf" im ersten Satz.

  • Dinge die richtig Krach machen handelst du lapidar ab, Kleinigkeiten schmückst du teilweise aus. So wird eine Tür einfach nur eingetreten, eine Pistole einfach nur abgeschossen, ein alter Mann sinkt aber ächzend und Drähte knistern. Wenn du das Stilmittel gebrauchst um die Hektik des Einsatzes und die Ruhe nach Überwältigung zu zeigen (was ich mal vermute), dann solltest du es evtl. etwas stärker ausarbeiten.
  • Die Erwähnung von "Bladerunner" ist überflüssig und ich personlich mag solche "Holzhammerreferenzen" nicht :D. Du hast schön subtil viele typische Elemente aus dem Film eingearbeitet, lass den Teil einfach weg. Fände ich persönlich besser.
  • Den letzten Absatz würde ich komplett streichen. Nachdem Miller seine Anweisungen gegeben hat, weiß der Leser das Ende und so nimmst du ihm die Möglichkeit es selbst in seiner Phantasie auszuschmücken. Die Antwort auf die Frage "Was machen wir jetzt?" würde ich dafür vielleicht etwas umarbeiten, schließlich findet sich hier der Kern der Geschichte.
    "Wir sollten ihm seine letzten Jahre so angenehm wie möglich gestalten. Er ist auf seine Marisa fixiert und der Roboter auf ihn"
    Der Satz ist mir zu lapidar, die Begründung zu kurz. Entweder er überlegt länger - und du lässt uns daran teilhaben - oder er entscheidet einfach, was zu tun ist. Letzteres würde evtl. zum Typus besser passen.

So, das war’s von mir

Gruß

Thomas

 

Floh,

Danke. Jetzt zu einigen Punkten.
>Vielleicht: "Miller betrat Davis' Büro, hinter ihm folgte eine alte Frau."

Das ist schlimmer. Dann haette es schon heissen muessen: 'Ihm folgte eine alte Frau' *g*.

>Das ist Doppelgemoppel.
Nicht direkt, koennte aber besser sein. Ich aendere hier.

>Danach war es ihm unmöglich, diese allein zu verlassen.

Ich sehe, was du meinst. Lasse den Satz ganz weg.

>Nicht sehr nett . Überleg mal, ob Du es nicht noch besser machen kannst.

ich finde die Pointe, im Grunde ist es ja keine, also noch mal: Ich finde den gemaechlichen Ausklang gut. Daher bleibt er so.

Gruss,

Claudio

 

Thomas,
Danke. Den Satz mit dem Bladerunner werde ich weglassen. Der Hinweis auf den Film war wohl nicht so gut. Der letzte Absatz bleibt, weil er mir persoenlich gefaellt.

Den von Dir zitierten Satz lasse ich auch weg, weil er sich aus dem nachfolgenden Dialogteil erklaert.

Gruss,

Claudio

 

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