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Piratenprobleme
Pelle und Pax waren Piraten. Pelle fehlte die Spitze seines kleinen Fingers und Pax trug eine Augenklappe. Warum, das wusste keiner so genau, aber eines war klar: Wer keine Narben hatte, konnte kein echter Pirat sein.
Es musste ja keiner wissen, dass Pelle sich seinen kleinen Finger beim Zwiebelschneiden verletzt hatte und dass Pax seine Augenklappe nur trug, weil sie ihm so gut gefiel.
„Wir sind echte Piraten“, rief Pelle als sie gemütlich bei Eistee und Torte auf ihrem Steg saßen.
„Sobald der Wind aufkommt, stechen wir in See! Potztausend, heute entern wir ein Schiff!“
„Muss das sein“, maulte Pax, „mir wird immer so furchtbar übel, wenn wir mit dem Boot unterwegs sind.“
„Papperlapapp, ein echter Pirat kennt keine Seekrankheit“, schimpfte Pelle.
„Können wir nicht an Land nach Beute suchen?“
„Piraten überfallen Schiffe und Schiffe schwimmen auf dem Wasser.“
„Manchmal liegen sie aber auch an Land, wenn sie kaputt sind, zum Beispiel.“
„Echte Piraten überfallen keine kaputten Schiffe!“, Pelle schlürfte seinen Eistee und lehnte sich in seinem Liegestuhl zurück. Der Himmel war blau wie das Meer.
„Manche Schiffe können auch fliegen“, sagte Pax, „vielleicht sollten wir uns die fliegenden Schiffe vornehmen.“
„Raumschiffe?“, Pelle rieb sich den Bart, „Potztausend, gar keine schlechte Idee. Nur wie kommen wir da ran? Wir sind zwar echte Piraten, aber fliegen können wir noch nicht.“
„Wir müssen nur ganz hoch hinauf, dann erwischen wir schon eins.“
„Wie hoch?“
„Mindestens baumhoch.“
Pelle aß das letzte Stück Torte. Schon bei dem Gedanken an einen hohen Baum wurde ihm mulmig.
Beide setzten ihre Piratenhüte auf, Pax kontrollierte seine Augenklappe und Pelle wetzte sein Piratenschwert. Dann zogen sie los. Am Rand des nahen Waldes fanden sie einen Baum, der so hoch war, dass seine Spitze in den Wolken steckte.
„Wenn wir ein Raumschiff entern können, dann dort“, Pax deutete nach oben. Dann stieß er einen echten Piratenschrei aus und kletterte den Stamm hinauf. Pelle kletterte langsam hinterher. Schon bei der ersten Astgabelung brauchte er eine Pause.
„Verflixt und zugesäbelt, ein Pirat gehört aufs Wasser und nicht auf einen Baum.“ Er rutschte mit geschlossenen Augen und wackeligen Knien langsam den Baum hinunter. Sollte Pax doch alleine auf ein Raumschiff warten. Pelle versuchte sein Glück auf See.
Nach drei Tagen wollten sie sich mit ihrer Beute wieder zu Hause treffen.
Pax saß schon auf einem Liegestuhl im Garten, als Pelle eintraf.
„Heiliges Kanonenrohr, das war kein Piratenwetter“, motzte er, „Flaute, von back- bis steuerbord. Ich bin am Ufer entlanggedümpelt und – Donnerwetter noch mal – die Kapitäne der anderen Boote haben mir freundlich zugewunken. Mir, einem echten Piraten. Pelle, dem Schrecken aller siebzehn Meere.“
Auch Pax hatte schlechte Laune.
„Drei Tage ohne Wasser und Brot auf diesem Baum und dann, als endlich etwas angeflogen kam, war es nur ein Vogel. Ein großer Vogel. Er kreiste über mir und dann … und dann … “
„Ja, was dann?“
„Dann hat er mir auf den Kopf gekackt.“
„Hossa“, rief Pelle und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Pax seufzte. Hier im Garten, zusammen mit Pelle, war wieder alles in Ordnung.
Sie beschlossen, für eine Weile das Piratenleben an den Nagel zu hängen, um etwas Neues auszuprobieren. Sie bepflanzten den Garten vor ihrer Hütte. Pax züchtete Tomaten und Pelle vertrieb die Schnecken.
„Was sind das für Piraten?“, fragten sich die Leute kopfschüttelnd, wenn sie an der Hütte vorbei kamen.
Eines Nachts zog ein fürchterliches Gewitter auf. Pelle und Pax schlossen die Fensterläden und verriegelten die Tür. Dann schlüpften sie in ihre Betten und zogen sich die Decke bis über die Ohren.
„Wir sind echte Piraten“, flüsterte Pelle, „und echte Piraten haben keine Angst.“
Der Sturm ließ die Fensterläden klappern, die Blitze krochen durch jede Ritze und der Donner grummelte im Kamin.
Plötzlich krachte es gewaltig. Die Betten wackelten und die alte Glühbirne an der Decke schaukelte quietschend hin und her.
„Was war das?“, flüsterte Pax.
„Hoffentlich ein Baum weniger “, antwortete Pelle.
„Ich fühle mich gerade nicht so mutig“, flüsterte Pax,
„Papperlapapp, echte Piraten haben niemals Angst“, sagte Pelle und verkroch sich vorsichtshalber noch tiefer unter seine Bettdecke.
Am nächsten Morgen war alles ruhig. Die Vögel hatten wieder ihre Plätze eingenommen und zwitscherte fröhlich einen Morgengruß, als Pax und Pelle vorsichtig ihre Nasen zur Türe hinausstreckten.
„Potzblitz“, rief Pelle, „sieh dir das an!“
In ihrem kleinen Garten Stand ein Segelschiff. Groß, prächtig und voll beladen. Es hatte leuchtend rote Segel an drei hohen Masten. Auf einem davon steckte ein rundes Ding aus Metall. Rundherum blinkten bunte Lichter und seine Antennen vibrierten, wenn es von Zeit zu Zeit piepste.
„Was ist das?“, fragte Pax.
„Das muss ein Raumschiff sein“, antwortete Pelle.
„Fette Beute“, sagte Pax.
„Schade um die Tomaten“, sagte Pelle und zog die Reste eines Strauches unter dem Boot hervor.
„Was sind das für Piraten!“, riefen die Leute nun und nickten beim Anblick der Schiffe im Garten anerkennend mit den Köpfen. Pelle und Pax setzten sich endgültig zur Ruhe, Platz für weitere Beute hatten sie ohnehin nicht. Nach all den wilden Abenteuern hatte sie sich nun wirklich Erholung verdient. Nur manchmal, im Morgengrauen, kletterte Pax auf einen der Masten und stieß sein Piratengebrüll aus. Es sollte nur niemand vergessen, dass hier Piraten wohnten. Echte Piraten.