Pippi Langstrumpf ist tot.(Man findet noch nicht einmal mehr Knochen!)
Drei Jahre habe ich in dieser Behörde verbracht. Ich habe etwas gefunden von dem ich lange Zeit schon gewusst habe, ohne es wahrhaben zu wollen.
Es ist meistens keine Freude die Wahrheit zu sagen. Aber ich muss. Gezwungen werde ich nicht gerade, mehr gedrückt, geschoben. Von wem? Von meiner Redlichkeit.
Ausserdem bin ich mutig genug auch die schlimmsten Konsequenzen zu ertragen.
Was liegt an mir?
Andreas war nicht gerade ein Meister der Verstellung, aber wenn er wollte konnte er ganz gut den Dummen spielen. Seine grösste Sorge war weniger die Angst ertappt zu werden, als vielmehr sich sein Gewissen zu erkälten. Der Kampf in ihm war ihm etwas unerträgliches.
Hatte man es ihm nicht als Kind beigebracht? Du sollst nicht lügen etc. pp. !?
Und jetzt muss er doch...."ja ich muss, was bleibt mir übrig? Aber falsch ist's trotzdem. Ach herrje....so ein Mist! Ausserdem macht's ja eh jeder!"
Sicher, ich bin mir bewusst, dass das wie eine Lappalie erscheint. Ein armes, irgendwie christlich erzogenes Wesen hadert mit sich um irgendwelche Kleinigkeiten. Eine Lappalie.
Das ganze begann erst zum Problem zu werden, als Andreas weiterdachte.
"Was wenn alles (oder das meiste) was man mir gesagt hatte, alle die kleinen und grossen Regeln in die ich geboren wurde in Wahrheit Lügen sind? Und überhaupt....kann so etwas wie eine endgültige, immer feste Wahrheit überhaupt existieren? Ja, was wäre zum Beispiel wenn die Regel: DU SOLLST NICHT STEHLEN! grundsätzlich falsch wäre, gar lebensfremd, lebensfeindlich? Na gut,...zumindest nicht immer richtig...?
Sollte man nicht relativieren?
Was wäre wenn mich alle diese kleine Un- und Halbwahrheiten in Wirklichkeit langsam verkümmern liessen? Nicht nur mich, sondern Generation um Generation von Menschen? Was wäre wenn der Ausdruck "Mensch" in Wirklichkeit bereits ein Schimpfwort ist, ein Schandfleck... - der Mensch - eine ausgeartete Laune der Natur...?"
Er war bei weitem nicht so niedergeschlagen, wie manche wohl geglaubt, wenn sie seine Gedanken gekannt hätten. Er war guten Mutes, dass er, ja er!, etwas erreichen konnte.
Er würde sich höflich Gehör verschaffen und den anderen im wahrsten Sinne des Wortes ein Vorbild sein, ihnen vorleben wie man leben kann, wenn man nur will!
"Einsperren werden sie mich schon nicht. Ich kann ihnen ja erklären was ich tue und warum ich es tue!"
Seine Naivität ehrte ihn. Sie machte ihn nicht zum Idioten, wie einige Vorschnelle unter unseren Lesern vielleicht glauben mögen. Um sein Vorhaben allen klar Verständlich zu machen, setze er ein Schreiben auf, von welchem ein kleines Fragment in meine Hände geriet:
Meine Verfassung
1.Ich mache was ich will.
2.Wenn ich Hunger habe esse ich.
3.Wenn ich Durst habe trinke ich.
4.Wo ich schlafen will, schlafe ich.
5.Ich erschaffe meine Realität.
6.Andere sind u.U. eingeladen an meiner Realität teilzuhaben.
7.Nur ich darf über mich richten.
8.Nur ich darf mich verurteilen.
9.Nur ich darf mir etwas befehlen oder von jemandem etwas befehlen lassen.
10.Ich erkenn keine Gewalt (welcher Art auch immer) ausser der meinen an.
11.Meine Regeln sind nur für mich verpflichtend.
12.Wer mich an der Ausübung meiner Verfassung hindert, ist mein Gegner.
Hier endet das Dokument. Es war gewiss noch länger, aber mehr war in den Akten nicht zu finden.
Die Wohnung in der er bis dahin lebte kündigte er. Er verbrannte alle Unterlagen, die ihm der Staat im Laufe der Jahre ausgestellt hatte und verliess seine Heimatstadt in Richtung Süden. Am dritten Tag seiner Reise, gerade hatte er sein Nachtlager am Waldrand aufgeschlagen, erschien ein Polizeiauto und hielt auf ihn zu. Zwei Beamte entstiegen dem Wagen und näherten sich unserem Freund, der den Zweien keine sonderliche Beachtung schenkte und in seinen Schlafsack hineinkroch.
"He, Sie da! Wild Campen ist hier nicht erlaubt! Zeigen Sie mal Ihre Papiere!"
Andreas griff in seinen Rucksack ohne die Polizisten anzuschauen, händigte ihnen ein Exemplar seiner Verfassung aus und drehte sich zur Seite. Diese betrachteten kurz das Schriftstück und....
"Sie spinnen wohl! Das sind keine Papiere, dass ist gar nichts! Stehen Sie auf, los!"
"Na gut, werde ich den Herren eben erklären was hier los ist." Er setzte sich auf.
"Also meine Herren, wenn Sie meine Verfassung studiert haben, wird Ihnen gewiss aufgefallen sein, dass ich mache was ich will. Ihre Rechte und Befugnisse sind null und nichtig wenn es um meine Person geht. Ich tue niemandem etwas, ein Feuer werde ich auch nicht entzünden, also lassen Sie mich bitte schön in Frieden."
Die Reaktion darauf kann man sich ausmalen. Gibt es etwas schlimmeres als Personen die sich ihrer amtlichen, von höherer Stelle verliehenen, Autorität beraubt glauben?
Schliesslich landete Andreas im Gefängnis, allerdings nicht ohne einem der zwei Polizisten die Nase zu brechen.
Der Richter hörte den Fall. Der Angeklagte weigerte sich eine Aussage zu machen. Er verwies stattdessen auf seine Verfassung. Als der Richter diese gelesen hatte, lachte er:
"So, und was wäre wenn das jeder machen würde? Glauben Sie vielleicht Sie stünden ausserhalb des Rechts?"
"Nein, ich stehe in meinem Recht."
"Ihr Recht ist nicht gültig."
"Wodurch wird Recht gültig?"
"Dadurch dass es von einer Gemeinschaft anerkannt wird."
"Muss es jeder anerkennen?"
"Wenn es die Mehrheit anerkennt, ja!"
"Wenn ich aber die Mehrheit nicht anerkenne?"
"Dann werden Sie gezwungen Sie anzuerkennen...oder Sie verlassen das Gebiet welches diese Mehrheit beansprucht."
"Ich war gerade dabei als ich daran gehindert wurde."
"Warum können Sie sich nicht ausweisen?"
"Ich habe alle meine Papiere verbrannt!"
"Wie ist ihr vollständiger Name?"
"Geht Sie nichts an."
"Sie kooperieren besser. Bis jetzt haben wir Widerstand gegen die Staatsgewalt, ein Beamter wurde verletzt...."
"....das war Notwehr..."
"...verflucht nochmal, Sie sagen mir jetzt ihren Namen!!"
"Nein."
Andreas weigerte sich, auch nur noch ein Wort zu sagen, und bald darauf wurde ein psychiatrischer Gutachter eingeschaltet. Andreas kam in die Nervenklinik.
Er wurde unter Drogen gesetzt. Dann sagte er seinen Namen. Jetzt ist er ein sabberndes Wrack. Er ist tot.
Niemand hat davon erfahren. Nur ich. Ich werde seinem Beispiel folgen. Ich bin so gut wie tot...