Pingi, der kleine Pinguin
Einsam und verlassen saß der kleine Pinguin auf der Eisscholle. Aus seinen großen Augen kullerten die Tränen in einem Fort über seine Wangen und ab und zu war ein leises Schluchzen zu hören. In diesem Moment kam ein kleiner Eisbär um die Ecke und erblickte die traurige Gestallt. Komisch, dachte er bei sich. Normalerweise sind doch junge Pinguine lustige und vitale Gesellen, die nichts als Unsinn im Kopf haben. „Was ist mit dir?“ Der kleine Pinguin schaute traurig auf und antwortete: “Die Anderen wollen nicht mit mir spielen, weil ich nicht schwimmen kann“. „Was bist denn du für ein komischer Pinguin, alle Pinguine können doch schwimmen“ entsetzt schaute der Eisbär den Vogel an. „Ach lass mich doch in Ruhe!“ schrie Pingi und watschelte so schnell er konnte davon. Der Eisbär, Bilo, hatte ein schlechtes Gewissen. Es war nicht nett von ihm gewesen, so etwas zu sagen. Er hatte doch gesehen wie traurig Pingi war und er hätte besser erst überlegen und dann reden sollen.
Das schlechte Gewissen ließ Bilo auch in den nächsten Tagen nicht mehr los. Immer wieder musste er an Pingi denken. Von den anderen Eisbären und von einigen Seevögeln hatte er erfahren, dass Pingi schon früh seine Eltern verloren hatte. Da alle anderen in der Kolonie genug mit dem eigenen Nachwuchs zu kämpfen hatten, hatte keiner die Zeit Pingi das schwimmen beizubringen. Als die Kleinen größer wurden, begannen sie Pingi zu hänseln. „Bist wohl Wasserscheu“ oder „Landratte“ waren noch die nettesten Ausdrücke die sie verwendeten. Kein Wunder, war der Kleine so traurig.
Bilo hatte mit jedem bisschen der Geschichte dass er erfuhr, ein noch schlechteres Gewissen. Eines Tages beschloss er, dem kleinen Pingi zu helfen. Nur wie? Nacht um Nacht wälzte er sich in seinem Lager aus Schnee und überlegte fieberhaft. „Genau!“ mit diesem Wort setzte er sich hastig auf. Er hatte die Lösung gefunden.
Am nächsten Tag machte er sich auf den Weg zur Pinguinsiedlung. Er hoffte, dass ihm Pingi sein schlechtes Benehmen verzeihen und ihn anhören würde.
„Ich suche Pingi“ rief er so laut er konnte in die laut schnatternde Kolonie hinein. Auf einmal waren alle Vögel, ruhig. „Der ist nicht mehr da“ sprach ein alter Vogel, der schon ganz grau um den Schnabel war. „Wo ist er den hin?“ wollte Bilo wissen. „Keine Ahnung, ist auch egal. Ein Pinguin der nicht schwimmen kann und somit auch nicht zur Nahrungssuche beiträgt, hat hier nichts verloren“. „Ich möchte ihm aber Helfen, bitte!“. Ohne ein weiteres Wort drehte sich der Alte um und setzte sein Gespräch mit einer Vogeldame fort. Auch die Anderen folgten seinem Beispiel und bald war der Eisbär vergessen und das Geschnatter wieder auf altbekannte Lautstärke angewachsen.
Nur eine kleine Pinguindame, Isabel, schaute scheu in die Richtung von Bilo. Es schien als ob sie gerne mit ihm gesprochen hätte, sich aber nicht getraute. Der Eisbär bemerkte sie jedoch und lief zielstrebig auf sie zu. „Weist du wo er ist?“ erschrocken schaute Isabel ihn an. „Komm, gehen wir ein Stück, hier ist es zu laut um miteinander Sprechen zu können ohne zu schreien“. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Eisgebirge. Während der Wanderung erzählte ihm Isabel was sie wusste. Eigentlich mochte sie Pingi, aber weil die Anderen so gemein zu ihm waren, getraute sie sich nicht mit ihm zu sprechen. Sie hatte Angst auch ausgeschlossen zu werden.
In der Nacht als Pingi verschwand, hatte sie ihn beobachtet wie er traurig und schluchzend das Lager Richtung Norden verlassen hatte.
Nachdenklich betrachtete Bilo die kleine Pinguindame, sollte er sie in seinen Plan einweihen, Pingi das Schwimmen beibringen zu wollen? Ihre Hilfe könnte er gut gebrauchen. Entschlossen blieb er stehen und erläuterte ihr seinen Plan. Isabel war begeistert. Natürlich würde sie ihm helfen.
Da ja Pinguine nicht allzu gut zu Fuß sind, kletterte Isabel auf den Rücken von Bilo und dieser trabte schnell in Richtung Norden. Zum Glück schien die Sonne und bald konnten sie die kleine Gestallt von Pingi in der Ferne ausmachen.
„Schneller Bilo, schneller!“ rief Isabel vom Rücken des Bären. Pingi hatte in der Zwischenzeit bemerkt, dass da jemand auf dem Weg zu ihm war. Zuerst war er erschrocken, so ein komisches Tier, mit zwei Köpfen aber nur einem Körper, hatte er noch nie gesehen. Als die Beiden näher gekommen wahre, sah er aber wer da in solch einem Höllentempo über das Eis lief. „Was wollt ihr“ Pingi war nicht gerade erfreut sie zu sehen. Aber das war ja auch kein Wunder, hatte sie ihn in der Vergangenheit nicht gerade nett behandelt. „Nur mit dir Sprechen“ versicherte Isabel. „Keine Lust“ und mit diesen Worten drehte sich Pingi um und lief weiter. „Warte“ riefen da Isabel und Bilo im Chor. Mit dem Rücken zu ihnen blieb Pingi erneut stehen. „Wir wissen, dass wir uns nicht gerade nett verhalten haben. Wir möchten uns entschuldigen. Außerdem wollten wir dich fragen, ob wir dir dabei helfen dürften schwimmen zu lernen.“ Isabel nickte heftig und ergänzte „Außerdem wissen wir, dass das die Gemeinheiten der Vergangenheit nicht wider gut machen kann, aber es ist ein kleines Zeichen der Entschuldigung“. „Ich weis nicht“ meinte Pingi und drehte sich langsam um. „Warum sollte ich euch vertrauen?“. Darauf wussten die Beiden keine Antwort.
Stumm setzten sich die drei in den Schnee. Jeder hing so seinen Gedanken nach und keiner getraute sich das Schweigen als Erster zu brechen. Irgendwann wurde es aber Pingi zu blöd und er meinte: „Na schön, einen Versuch kann nicht schaden. Wen ich nicht schwimmen lerne, kann ich nicht in die Kolonie zurück und wenn ich nicht zurück kann, werde ich verhungern“. Glücklich schauten die beiden auf und erklärten Pingi in Windeseile wie sie ihm das Schwimmen beizubringen gedachten. Zuerst sollte auf dem Trockenen geübt werden. Isabel machte ihm die Schwimmbewegungen vor und Bilo korrigierte Pingi wenn er etwas falsch machte. Natürlich lobte er ihn auch wenn er was besonders Gut konnte. Bald waren die drei so mit ihren Übungen beschäftigt, dass sie gar nicht merkten wie die Nacht hereinbrach. Erst also die Sicht so schlecht wurde, dass man die Hand nicht mehr vor Augen sah, legten sich die Drei schlafen.
In den nächsten paar Tagen übten sie fleißig weiter. Dann war es endlich so weit, Pingi sollte zum ersten Mal im Meer schwimmen. Etwas Angst und Bang war ihnen schon, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Isabel und Bilo drückten ihrem Freund, das waren sie nämlich jetzt, Freunde, beide Daumen als er ins Wasser stieg. Zuerst sah es so aus, als ob er es nicht schaffen würde. Hustend und würgend tauchte Pingi immer wieder unter Wasser und Isabel wollte schon zu seiner Rettung eilen, als er sich fing und richtige Schwimmbewegungen machte. Er hatte es mit Hilfe seiner Freunde geschafft!
Als die drei zurück zur Kolonie kamen, staunten die Anderen nicht schlecht. Pingi, noch nass vom Schwimmen, Isabel auf dem Rücken eines Bären und Bilo der das auch noch zu dulden schien. Noch nie hatten die andere so mutige Pinguine gesehen. Als dann auch noch Pingi ins Wasser stieg und ihnen zeigte, wie toll er schwimmen und tauchen konnte, wagte es niemand mehr sich über ihn lustig zu machen. Glücklich gesellten sich Pingi und Isabel zu den anderen Pinguinen und winkten Bilo zu Abschied noch lange nach. Bald würden sie sich wider sehen, denn sie hatten beschlossen, zusammen eine Schwimmschule für Pinguine zu eröffnen.