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Pilze im Vondelpark

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28.01.2013
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Pilze im Vondelpark

Pilze im Vondelpark

Maxi war 20, als er, an einem schönen Sommernachmittag, das erste Mal Pilze nahm. Er hatte kurz zuvor Huxleys „Doors of perception“ gelesen, und war nicht wenig begierig darauf, die dort beschriebenen transzendenten Erfahrungen einmal selbst zu machen. So war er nach Amsterdam gereist. Und hatte sich eines schönen Nachmittages, ein Tütchen mit Pilzen in der Tasche, in den Vondelpark gesetzt.

Er saß, an einen dicken Baum gelehnt, im Schatten, und vor ihm war ein Teich. Die Dinger schmeckten übrigens reichlich sonderbar, nicht nach japanischen Tintenfisch-Snacks, nach Leder aber auch nicht, nicht süß, und nicht bitter. Maxi kaute, schluckte, und trank dann aus seiner Cola-Flasche. Wartete. Und wartete. Also sehr transzendent ließ das Ganze sich ja nicht an! Da vor ihm war der Teich, Enten schwammen darauf, und wenn zuweilen etwas Wind aufkam, verursachten die scharfen, an einander sich reibenden Kanten der länglich geformten Schilfblätter, die dort drüben zur Linken zu Hauf wuchsen, ein mahlendes Geräusch. In den Wipfeln hoch über ihm aber war es wie Rauschen einer Menschenmenge, einer Menschenmenge etwa, die zu einem Konzert sich eingefunden hat, und nun schwatzend, lachend, aber unverkennbar gespannt darauf wartet, dass es endlich losgeht. Tssstza-tssstza-tssstza-tssstza... Das war die Hi-Hat. Und schau mal da, ein gelbes Blättlein! Es musste sich eben von da oben gelöst, und heruntergefallen sein, direkt vor seine Füße... Eine leichte Übelkeit befiel Maxi, oder etwas wie Seekrankheit. Vielleicht besser etwas rüber in die Sonne gehen, sich dort ein Plätzchen suchen. Maxi nahm die Cola-Flasche. Dann stand er auf.

Da es Sonntagnachmittag war, war der Park reichlich bevölkert. Den unterschiedlichsten Beschäftigungen gingen die Menschen nach. Manche spazierten, die Frauen mit großen Hüten, einfach auf den Wegen umher, während andere sich auf den Grünflächen niedergelassen hatten, sich sonnten, picknickten, lasen, Karten spielten. Da jonglierte jemand mit Keulen; da hatte man ein Seil ausgespannt, darüber zu balancieren; und dahinten standen drei, die sich eine Frisbee-Scheibe zuwarfen. Ein leichter Geruch von Grillfleisch lag in der Luft. Und über alldem strahlte, vom blauen Himmelszelt herab, die Sonntagnachmittagssonne, niemanden bevorteilend, niemandem arg, sondern allen, wie es schien, wohl gesonnen.

Maxi streckte sich, es lag sich weich auf der Grünfläche, in der Sonne aus, vor sich, einem Leuchtturm ähnlich, schwarz und weiß und rot die Cola-Flasche. Es war angenehm, anders als Alkohol, nicht so sinnlich, und sinnlich doch auf eine brillante, exzeptionelle Weise. Maxi fühlte sich beschwingt, sah aber keinerlei Anlass, seiner inneren Beschwingtheit irgendwie körperlich Ausdruck zu verleihen. Ein bisschen war es, als habe sich ein Ameisenstaat in seinem Nervensystem eingenistet, und nun zögen die Tierchen, emsig-eifrig, allerlei Geschäfte und Verabredungen in ihren Köpfchen, auf seinen Nervenbahnen hin und wider, mit ihren vielen kleinen Beinchen ein leises Prickeln verursachend. Maxi erschrak. Denn für einen Moment war ihm gewesen, als habe der bleiche Mensch dort drüben, der übernächtigt aussah und nicht recht hierher zu passen schien, ihm zugenickt, so, als sei Maxi ein Mitwisser, wisse, welche Bewandtnis es habe mit seiner Blässe, und wie der längliche, kirschrote Blutstropfen in einem der Winkel seines schmallippigen, halb geöffneten Mundes, zu deuten sei... Maxi hatte sich rasch abgewandt und zur Cola-Flasche gegriffen, jedoch mit Entsetzen festgestellt, dass dem schwärzlichen Getränk urplötzlich jener kirschfarbene Rotschimmer eignete, der genau demjenigen des Blutstropfens im Mundwinkel des – „Huoha“, machte Maxi, und schüttelte sich. Nur ruhig bleiben, dachte er. Was waren das auf einmal für fatale Vorstellungen, welche Entstellung der Welt ins Grauenhafte! Er sah sich um, und es kostete ihn einige Mühe, zu erkennen, dass alles um ihn her seinen friedlichsten Gang ging. Es komme auf die innere Einstellung an, erinnerte er sich nun gelesen zu haben. Schwachsinn!, sprach Maxi, sprach es trotzig dem noch immer rot schimmernden Getränk in seiner Cola-Flasche entgegen, trank, und merkte gleich, wie ihm das guttat. Er hatte das Bedürfnis, pinkeln zu gehen, blieb aber für's Erste doch liegen auf seiner Matte, und rollte sich einen Joint – sollte ja, neben Zuckerzufuhr, ein probates Mittel sein, einen etwas überhand nehmenden Pilzrausch wohltuend abzudämpfen – wie es wirklich dann auch geschah.

Einige Meter rechts von der Stelle, wo er lag, hatte kürzlich ein Grüppchen Picknick-Volks, vier Kerle, tätowiert und sonnenbebrillt, und eine Frau, Stellung bezogen, und als Maxi aus seinem Blut-Schrecken plötzlich hochgefahren war, hatten sie, ihm war das nicht entgangen, eine Weile misstrauisch ihn beäugt, um dann im Lachen, Schwatzen und Biertrinken fortzufahren. Maxi überlegte jetzt, ob es besser wäre, umzuziehen, da das Grüppchen ihm nicht sonderlich behagte, diese Kerle nicht in ihren Muskel-Shirts, und auch die Frau nicht, die in ausnehmend gemeiner Weise lachte, und deren Mund und Ohren mit Piercings übersät waren. Aber wie er noch dagelegen, und die Abneigung gegen das Grüppchen, die ihn fortgehen hieß, in ihm mit der Trägheit gekämpft hatte, ohne dass eine von beiden die Oberhand hätte gewinnen können, da war auf einmal ein leiser warmer Wind durch den Park gegangen, über die Wiese hin und durch die vielen Bäume, ein besänftigend und gleichsam versöhnlich stimmender Wind, und so war Maxi denn doch liegengeblieben und hatte, beschäftigt auf einmal und in Anspruch genommen durch ganz andere Eindrücke, das Grüppchen alsbald vergessen.

Da war nämlich die Wiese, der Rasen, auf dem er lag – ein freilich in keiner Weise ungewöhnlicher, wenn auch gut gepflegter Park-Rasen, mit Halmen, um ein Weniges länger als diejenigen auf einem gut bespielbaren Fußballfeld. Zu nichts weniger als körperlicher Bewegung, wir sagten es bereits, war Maxi jetzt aufgelegt, und obwohl er gerne Fußball spielte und da hinten auch welche sah, die, über ein ausgespanntes Netz hinweg, „Luft-Ball“ spielten, was, wie er wusste, großen Spaß machen konnte – er hätte jedes Angebot, bei solch fröhlichem Treiben mitzutun, dankend abgelehnt, und die Abneigung gegen jede Art körperlicher Bewegung, die seinen Organismus in schweißtreibenden Aufruhr versetzt haben würde, war, recht besehen, nicht mal der stärkste Grund. Der stärkste Grund war, dass er einfach hier liegen und schauen, einem Schauspiel beiwohnen und es aufsaugen wollte: dem Schauspiel nämlich des – seltsam genug, es zu sagen – sacht windbewegten Rasens und seiner Halme. Es entzückte ihn und dünkte ihn höchst bedeutsam, und er gedachte einer antiquierten wissenschaftlichen Theorie, die, vor Einstein, die Ablenkung und nachweisliche Krümmung des Lichtstrahls im Raum durch den „Ätherwind“ zu erklären versucht hatte – den Fahrtwind also, den die Erde auf ihrem Weg durch den Raum erzeugen, und der dafür verantwortlich sein sollte, dass der Lichtstrahl, diesem Wind ausgesetzt, sich bog...

Was hier, vor Maxis Augen, sich bog, wippte, schaukelte, schwankte, sich senkte, duckte, und dann wieder aufrichtete – das war allerdings nicht das Licht, nein, obwohl das Licht es war, das alldem allererst seine tiefe, herzentzückende Bedeutung gab. Die Hälmchen waren es, Millionen windbewegter Hälmchen, und ihr Glitzern, Funkeln, Schimmern im Licht... Dass ihm das niemals aufgefallen war, dachte Maxi. Dass ihm niemals aufgefallen war, wie nahe das Wunder lag. Als Kind hatte er, auf Bootsfahrten, immer schon die glitzernden Lametti-Teppiche auf dem Wasser bewundert, die an Weihnachtsschmuck erinnerten, und doch ungleich kunstvoller und vielsagender als aller Weihnachtsschmuck waren. Aber das war ein vergleichsweise dumpfer, diffuser Eindruck gewesen im Vergleich zu dem, was er jetzt sah. Denn es war an dem – und dies war das eigentlich Wunderbare –, dass er, zugleich und im selben Moment, das Ganze und jedes Einzelne wahrnahm, die Gesamtheit und Vielheit auf einmal und in einem Zuge. Mehr noch, dass... dass beide nur rein theoretisch zu trennen, zu unterscheiden... dass sie vielmehr... vielmehr... Dies war überwältigend! Ganzes und Teil waren zugleich da, vielmehr: Sie waren identisch, zu scheiden nur rein verstandesmäßig. Und wenn Maxi auch sehr viel später erst fähig sein sollte, dieses sein Erlebnis in philosophischen Begriffen sich zu explizieren – begriffen hatte er es hier schon. Er sah es, sah die Einheit, sah im Glitzern dieses Vondelpark-Rasens die Illusion der Zeit aufgehoben, begriff, dass es nicht dies oder das war, was es zu erkennen galt – verheerender Irrtum! –, sondern dass... sondern dass...

Maxi hatte sich eine Tüte gebaut, ein stark qualmendes Ding, und man hatte ihn, von Seiten des Grüppchens her, wieder misstrauisch beäugt, und einige Gesprächsfetzen, die er aufgefangen, hatte er sich als Vorwurf gegen sein Sein und Treiben hier gedeutet. Es war, er wusste es, Zeit, aufzubrechen. Er verbrannte sich ein bisschen, als er, mit ungeschickten Fingern, den Joint in der Erde zwischen den Grashalmen auszudrücken versuchte. Dann wollte er aufstehen. Allein – es ging nicht! Sein Oberkörper, nun ja, der war da, hier war alles in Ordnung. Aber seine Beine! Da lagen sie, ausgestreckt vor ihm, eine Art Skulptur, die er, wie er sich jetzt entsann, schon seit längerer Zeit als gar nicht mehr recht zu ihm gehörig betrachtet hatte! Aber dann ging es doch, und Maxi schaffte es sogar, im Schatten eines Strauchs, sich zu erleichtern, wenngleich er dabei die Befürchtung nicht ganz loswerden konnte, im nächsten Moment würde eine Schlange aus dem Geblätt hervorkriechen.. Brainwashed, dachte Maxi, als er sich dann in Bewegung gesetzt und Kurs auf seine Unterkunft genommen hatte, wo ein älterer Typ, der mit ihm das Zimmer teilte, gleich hatte wissen wollen, wie es denn gewesen. Maxi kam jetzt langsam runter, lehnte das nicht ab, begrüßte es aber auch nicht sonderlich. Es dauerte etwas, bis das Bier ihm wieder schmeckte. Und Musik ging ihn, zu seiner Verwunderung, erstmal gar nichts an.

 

Hallo Makksi,

ich finde es schade, dass sich die Geschichte nicht zu mehr entwickelt. Es bleibt bei einem Drogentripp mit der Erkenntnis: "Ganzes und Teil waren zugleich da, vielmehr: Sie waren identisch, zu scheiden nur rein verstandesmäßig". Das ist zwar schon philosophisch - siehe Monismus -, aber das in Verbindung mit Drogenerfahrungen ist so dermaßen Klischee. Wäre an sich auch nicht schlimm, wenn es beim Text nicht bei einer Beschreibung geblieben wäre. Spannend wäre es aber gewesen, wenn er zum Beispiel mit anderen Menschen interagiert, wenn etwas mehr über das Betrachten hinaus passiert wäre. Sicher wäre es schwieriger gewesen, diesen philosophischen Gedanken auf diese Weise zu vermitteln. Aber weniger langweilig.

Sprachlich ist auf jeden Fall was drin. Die "Lametti-Teppiche auf dem Wasser" mochte ich. Unter anderem.

Gruß
Kasimir

 
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Servus makksi (oder gar Maxi?)

Williiam S.Burroughs, Carlos Castaneda, Aldous Huxley, ja, auch das Magische Theater in Hesses Steppenwolf, dieser ganze Lektürekram aus Jugendzeiten kam mir schon beim Anblick des expliziten Titels in den Sinn, und im Amsterdamer Vondelpark hing ich in den Osterferien vor ziemlich genau fünfunddreißig Jahren herum, dazu du als Autor der Geschichte, also ich war einigermaßen gespannt und neugierig, was ich hier zu lesen bekäme.
Halluzinogene Erfahrungen aus deiner Sicht? Geschrieben in dieser eigenwillig antiquiert-eleganten Sprache, die ich in Ente Fisch schon so mochte? Ja, ich muss sagen, meine Erwartungen waren wirklich hoch.

Und die Erwartungen wurden leider enttäuscht ...

Also sprachlich und stilistisch mochte ich auch diesen Text wieder, da sind schon ganz entzückende Formulierungen drin, z.B. das Geblätt (meine Güte, wie schön, ein Wort, das sich wahrscheinlich hartnäckig jeder Rechtschreibprüfung widersetzt)

Den ersten Absatz würde ich ersatzlos streichen.
Mit der quasi die Situation erklärenden Einführung nimmst du schon einmal sehr viel an möglicher Spannung aus der Geschichte, die bekommt dadurch sowas Reportagehaftes. (Titel: „Psychotrope Pilze. Ein Selbstversuch.“)
Also wenn du dich getraut hättest, diese Erläuterungen wegzulassen, wenn du direkt eingestiegen wärest erst zu einem Zeitpunkt, an dem die Wahrnehmungen deines Prot schön langsam ins Schleudern geraten, könnte das weit interessanter sein, glaub ich, vor allem auch, weil du gezwungen gewesen wärest, die zwangsläufig sich steigernde Rätselhaftigkeit des Geschehens, die Realitätsverschiebung, die verquere Gedankenwelt Maxis mir subtiler zu vermitteln. Und, wenn überhaupt, sollte eine Erklärung erst ganz zum Schluss erfolgen.
Ja, ich weiß natürlich, Texte über Drogenerfahrungen so zu schreiben, dass sie für andere erfahrbar und lesenswert sind, das ist schon eine ganz spezielle Kunst und für mein Gefühl ist dir hier nichts wirklich Besonderes gelungen, abgesehen von deinem Schreibstil, den ich echt mag, da wiederhole ich mich gerne. Und auch der philosophische Erkenntnisgewinn hält sich in Grenzen.

Nun ja, zumindest konntest du in mir die Erinnerungen an lang zurückliegende Zeiten wecken, und schon dafür will ich mich bedanken.

Und schon wieder bin ich neugierig auf deinen nächsten Text, makksi.

offshore

 

Hallo Kasimir, hallo offshore,

ich kann eure Enttäuschung bzw. euer Gelangweiltsein verstehen - und auch wieder nicht. Ganz bewusst habe ich hier keinen sonstwie abgefahren-knallbunt-abgespaceten Drogenerfahrungstrip aufs Papier zaubern wollen. Darum ging es mir nicht. Ich wollte ein kontemplatives Erlebnis schildern, das stille, unaufgeregte Glück "reiner" Betrachtung. Vermitteln wollte ich, dass, um Wesentliches zu erfahren, durchaus keine irgend gearteten sensationellen Wahrnehmungen / Erlebnisse notwendig sind, im Gegenteil: Offenbarung erschließt sich über das Bestaunen des Allergewöhnlichsten.

Trotzdem kann ich euch, wie gesagt, verstehen. Das Kontemplative eignet sich womöglich nicht recht als Sujet einer Geschichte. Bei meinen nächsten Versuchen werde ich das im Hinterkopf behalten.

Vielen Dank jedenfalls euch beiden für Lektüre und Feedback!

Peace
makksi

 

Hallo makksi,

mit Interesse lese ich deine Geschichte mit den Pilzen in Amsterdam. Ich habe als Student selbst eine Zeit lang mit den Dingern experimentiert; konnte in deren Wirkung auf mich aber weiß Gott nichts Philosophisches entdecken. Ich sah halt viele bunte Bilder und kicherte stundenlang wie ein kleines Mädchen. Deshalb habe ich die Sache damals schnell wieder drangegeben. Ich musste in den 80-ern allerdings nicht bis in den Vondelpark fahren, um mir die Psilos zu besorgen. Die gab's auch bei uns im Rheinland.

Du startest mMn (zu) langsam in die Story. Nach dem ersten Absatz hätte ich normalerweise wieder aufgehört und weitergezappt, wenn mich das Thema als solches nicht interessieren würde. Ein Einstiegssatz wie:

Maxi war 20, als er, an einem schönen Sommernachmittag, das erste Mal Pilze nahm.
liest sich bieder. Sorry.

Es geht sehr bedächtig weiter:

Er hatte kurz zuvor Huxleys „Doors of perception“ gelesen, und war nicht wenig begierig darauf, die dort beschriebenen transzendenten Erfahrungen einmal selbst zu machen. So war er nach Amsterdam gereist. Und hatte sich eines schönen Nachmittages, ein Tütchen mit Pilzen in der Tasche, in den Vondelpark gesetzt.
In diese Passage gehört mMn (deutlich) mehr Speed hinein.
Was der Prota vorher gelesen hat, interessiert mich persönlich nur am Rande.
Spannender hätte ich es gefunden, wenn er mir was über die spezifische Pilzmischung verraten würde.
Bei Nachmittages bin ich mir unsicher, ob man das „e“ nicht streichen sollte.

Mir fällt auf, dass du völlig dialogfrei schreibst. Kann man tun. Ich habe prinzipiell kein Problem damit, wenn bloß erzählt wird. Trotzdem frischen direkte Rede und Gedanken einen Text auf. In diesem hier ist nur Show enthalten. Damit läufst du Gefahr, dass die angestrebte Romanform vom Leser eher für ein Sachbuch gehalten wird.

Du verwendest sehr viele Hilfszeitworte. Diese Vorgehensweise wirkt auf mich immer so, als habe es der Verfasser sehr eilig beim Formulieren gehabt.

Mit so einem Satz werde ich nicht warm:

Es entzückte ihn und dünkte ihn höchst bedeutsam, und er gedachte einer antiquierten wissenschaftlichen Theorie, die, vor Einstein, die Ablenkung und nachweisliche Krümmung des Lichtstrahls im Raum durch den „Ätherwind“ zu erklären versucht hatte – den Fahrtwind also, den die Erde auf ihrem Weg durch den Raum erzeugen, und der dafür verantwortlich sein sollte, dass der Lichtstrahl, diesem Wind ausgesetzt, sich bog...
Dünken ist ein merkwürdiges Verb. Passt nicht ins 21-ste Jhrd.
Dasselbe gilt für gedachte
Ein 20-jähriger, der sich an einem schönen Sommertag in Amsterdam eine Tüte Pilze kombiniert mit einem Joint reinzieht, denkt so ein Zeug? Im Leben nicht!! Das tut vllt der (ältere) Autor. Und zwar im Nachhinein. Bestimmt nicht im Zeitpunkt des Erlebens.

Es geht verquast weiter:

Sie waren identisch, zu scheiden nur rein verstandesmäßig. Und wenn Maxi auch sehr viel später erst fähig sein sollte, dieses sein Erlebnis in philosophischen Begriffen sich zu explizieren – begriffen hatte er es hier schon. Er sah es, sah die Einheit, sah im Glitzern dieses Vondelpark-Rasens die Illusion der Zeit aufgehoben, begriff, dass es nicht dies oder das war, was es zu erkennen galt – verheerender Irrtum! –, sondern dass... sondern dass...
Die Grashalme erinnern ihn an Weihnachtslametta, scheinen ihm vollkommen identisch zu sein (was sie in realiter nicht sind) und nur verstandesmäßig zu unterscheiden. Klar, verwechselt er in diesem Moment – zugedröhnt wie er ist – die Gruppe neben ihm mit dem Gefangenenchor aus Nabucco. Nur: was ist daran Philosophisch?? Was hat das Glitzern des Rasens mit der Zeitillusion zu tun? Überhaupt nichts.
Explizieren ist ein dummes Verb in einem belletristischen Text.

In der finalen Passage sind einige grammatikalische Unkorrektheiten enthalten.
Es hört ähnlich einschläfernd auf, wie es angefangen hat:

Es dauerte etwas, bis das Bier ihm wieder schmeckte. Und Musik ging ihn, zu seiner Verwunderung, erstmal gar nichts an.

makksi, ich würde den Text eine Spur munterer formulieren. Mehr Action hineinbringen. Vllt ein witziges Gespräch mit der gepiercten Dame integrieren. Die m.E. falschen philosophischen Reflektionen komplett rauswerfen und den Drogenrausch besser und farbenfroher schildern. Den Prota sich zum Schluss evtl einnässen lassen, weil er nicht mehr in der Lage ist, sich die Hose zu öffnen. Er könnte den picknickenden Leuten auch neben den Grill kotzen. Was man in Belletristik eben alles so machen kann. Das hier liest sich wie der Erfahrungsbericht eines Oberstufenschülers, der einen Aufsatz für seinen Philosophielehrer geschrieben hat.

Ist bloß meine persönliche Meinung. Das Thema als solches finde ich nämlich spannend. Wenngleich ich völlig andere Erlebnisse mit Pilzen gemacht habe als dein Prota. Nun ja, jeder Organismus reagiert anders auf psychotrope Substanzen. Manche meinen nach dem Genuss von Psilos, sie seien Batman, springen vom Dach runter und sitzen danach lebenslang im Rollstuhl. Hat’s alles schon gegeben.

Hoffe, du kannst mit einigen meiner Anmerkungen was anfangen. Ansonsten einfach in die digitale Mülltonne werfen.

Vg sinuhe

 

Hallo sinuhe,

danke für die Lektüre und deinen Kommentar, zu dem ich folgendes zu sagen habe:

In puncto Biederkeit, Aufsatzhaftigkeit verweise ich auf meinen obigen Kommentar, wo ich, denke ich, das Notwendige dazu gesagt habe. Übrigens weiß ich, dass ich einen unmodischen Stil schreibe, und eine Schwäche habe für ein unzeitgemäßes Vokabular (dünken, gedenken). Vielleicht wird sich das im Laufe der Zeit noch geben, vielleicht behalte ich es aber auch als persönliche Note bei, mal sehen!

Ich kann dir allerdings, sinuhe, nicht folgen, wenn du den Abschnitt, in dem es um das Rasen-Erlebnis meines Prot geht, als „verquast“ (=verworren) bezeichnest:

„Die Grashalme erinnern ihn an Weihnachtslametta, scheinen ihm vollkommen identisch zu sein (was sie in realiter nicht sind) und nur verstandesmäßig zu unterscheiden. Klar, verwechselt er in diesem Moment – zugedröhnt wie er ist – die Gruppe neben ihm mit dem Gefangenenchor aus Nabucco. Nur: was ist daran Philosophisch?? Was hat das Glitzern des Rasens mit der Zeitillusion zu tun? Überhaupt nichts.
Explizieren ist ein dummes Verb in einem belletristischen Text.“

Du hast offensichtlich nicht genau hingelesen: Nicht die Grashalme erscheinen dem Prot identisch, sondern GANZES und TEIL, Gesamteindruck und einzelne Wahrnehmung. Das sollte die Pointe sein, darauf wollte ich hinaus, habe es aber wahrscheinlich nicht richtig rüberbringen können: Entweder wir nehmen etwas, mehr oder weniger diffus, als Ganzes wahr, oder es richtet sich unsere Aufmerksamkeit, analytisch, auf das einzelne Teil bzw. die vielen Teile, aus denen das Ganze besteht – beides aber geht nicht. Entweder die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf den einzelnen Halm in seiner von den Millionen anderer Halme ihn unerscheidenden Eigenart – oder das Zusammenspiel des aus unzähligen Halmen zu dem Gesamteindruck „Rasen“ zusammenfließende Ganze steht im Mittelpunkt der Wahrnehmung. Das mystische Erlebnis des Prot, das ich darzustellen versuchte, bestand darin, dass die Droge das Unmögliche möglich macht: Besonderes und Allgemeines, individueller Halm und überindividuelle Rasenfläche, verbinden sich in einem Erlebnis von Einheit, das sprachlich imgrunde nicht mehr auszudrücken ist, da etwas mit der Sprache einzufangen immer bedeutet, es von etwas anderem zu unterscheiden, die EINHEIT also sprachlich nicht ausgesagt werden kann – ein übrigens ebenso begeisterndes wie gefährliches Erlebnis, da eben die Gefahr besteht, dass man in den zur Orientierung in der Welt notwendigen Sprachkosmos nach einem Pilz-Trip nicht mehr zurückfindet, „hängenbleibt“...

Darin, lieber sinuhe, sehe ich den hauptsächlichen – und durchaus philosophischen – Gehalt dieser Geschichte.

„Was hat das Glitzern des Rasens mit der Zeitillusion zu tun? Überhaupt nichts.“ Auch hier hast du, denke ich, etwas übereilt geurteilt. Staunend nimmt der Prot eine Rasenfläche wahr, die, weil der Wind geht, ein aus unzähligen Punkten sich zusammensetzendes Glitzer-Bild ergibt – das, wohlgemerkt, in keinem Moment völlig mit sich identisch ist, sondern, wie die Oberfläche eines Flusses, sich ständig verändert. Was aber liegt aller Veränderung zugrunde? Nun ja, die Zeit, das Prinzip der Sukzession. Eben dies scheint dem drogeninspirierten Prot aber wunderbarerweise aufgehoben – eben im Sinne oben erwähnten Einheitserlebnisses, welches Mystiker als Erlebnis des „Nunc stans“, des „stehenden Jetzt“, bezeichneten.

Ich hoffe, ich konnte mich halbwegs verständlich machen!

Viele grüße
Maxi

 

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