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Phoenix

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15.11.2002
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Phoenix

Abends. Schon halb neun durch. Die Sonne geht gerade unter. Irgendwo in Arizona. Highway 73. Ein Tramper läuft an der Straße entlang. Er sieht so aus, als ob er schon Wochen, nein, vielleicht Monate umherzieht, ohne Heimat, ohne Ziel. Ein Leben an der Straße. Er trägt eine Jacke der US-Army. Vielleicht gehört sie nicht ihm. Er sieht noch zu jung aus um schon in der Army gewesen zu sein. Er trägt einen Rucksack. Einen großen. So einen wie Wanderer immer aufhaben, so mit Schlafsack oben drauf und so. Er läuft Richtung Westen, genau in den Sonnenuntergang hinein. Wahrscheinlich will er nach Kalifornien, vielleicht aber auch nach Mexiko. Wenn er den Highway 73 in Phoenix verlässt und auf dem Highway 38 weiter Richtung Süden zieht, kommt er nach El Paso.
Der Tramper läuft ruhigen Schrittes. Immer wenn ein Auto von hinten kommt dreht er sich um und hält den Daumen raus. Doch irgendwie hat er heute nicht viel Glück gehabt. Nur zweimal ist er mitgenommen worden. Um die Zeit wird der Verkehr immer weniger, vor allem in dieser gottverlassenen Gegend, denkt der Tramper. Doch da kommt wieder ein Wagen, ein grüner Buick. Der Tramper hält den Daumen raus. Hoffentlich hält er an, denkt er.

Der Fahrer des grünen Buick sitz am Steuer und schaut auf den Tramper. Nehm‘ ich ihn mit. Wer weiß was das für ein Mensch ist, denkt er. Am Ende bin ich noch Opfer eines Killers. Der Fahrer hält nicht an. Er fährt weiter.

Komm schon, komm schon, denkt der Tramper. Doch der Buick fährt durch. Scheiße, du hättest wenigstens mal fragen können wo ich hin will. Der Tramper läuft weiter. Er holt eine Zigarettenschachtel aus der Brusttasche der Jacke, nimmt eine Zigarette heraus und zündet sie an. So läuft er wieder eine halbe Stunde, allein, seine Gedanken ordnend. Es ist schon sehr dämmrig. Da kommt wieder ein Auto. Diesmal ein Ford Pick-Up. Oh ja, diese texanischen Cowboytypen in ihren Pick-Ups sind immer gut zu Trampern, denkt er diesmal. Vielleicht hab ich Glück.

Schon wieder ein Tramper, denkt der Fahrer. Aber nein, ich hab noch nie jemanden mitgenommen, da fang ich jetzt nicht mit an. Meistens sind das irgendwelche kranken Typen, die dich erst schlachten und dann beklauen. Nee, du bist auf dich allein gestellt, Kleiner. Tut mir leid.

Mist, seh‘ ich nur so gefährlich aus?, denkt der Tramper. Aber er läuft weiter. Doch kurz darauf kommt schon wieder ein Wagen. Ach, der hält sowieso nicht an, denkt er. Aber er versucht es trotzdem. Der Wagen fährt vorbei. Scheiße! Doch einige Meter weiter fährt der Wagen rechts ran und hält. Die Beifahrertür öffnet sich. Halleluja! Gott, danke! Der Tramper rennt zum Wagen. „Wo soll’s denn hingehen?“ fragt der Fahrer. „L.A..“ antwortet der Tramper. „Na steig erstmal ein.“ Der Tramper wirft seinen Rucksack auf den Rücksitz und steigt ein. Dann fährt der Buick weiter. „Ich kann dich bis Phoenix mitnehmen, dann fahr ich nach Norden Richtung Las Vegas.“ „Das ist sehr nett von ihnen.“ sagt der Tramper freundlich. „Stört es sie wenn ich rauche?“. Der Fahrer schüttelt den Kopf. „Nein. Im Gegenteil. Wärst du so nett und gibst mir auch eine?“ „Natürlich.“ Der Tramper hält dem Fahrer die Schachtel hin und dieser nimmt sich eine Zigarette heraus. Der Fahrer lässt sie sich vom Tramper anzünden. „Und Kleiner, wo kommst du her?“ fragt der Fahrer. Der Tramper überlegt. „Von Überall und Nirgends.“ Er hebt den Kopf und sieht den Fahrer an. „Und sie? Wo kommen sie her?“ Der Fahrer zieht an der Zigarette. „Aus Nashville in Tenessee. Aus der psychiatrischen Klinik.“ Der Tramper runzelt die Stirn „Arbeiten sie dort?“ Der Fahrer grinst. „Bei Gott, nein. Ich bin geflüchtet. Ich saß zwölf Jahre für Massenmord an meiner Familie in einer Einzelzelle.“ Bleib ruhig. Lass dir keine Nervosität anmerken, denkt der Tramper. „Kommt man dafür nicht auf den elektrischen Stuhl?“ „Eigentlich schon, aber die haben mich für unzurechnungsfähig erklärt.“ Der Tramper merkt nicht, das die Hand, die seine Zigarette hält, zittert. „Warum sind sie ausgebrochen?“ fragte der Tramper. Der Fahrer drückt seine Zigarette aus und greift mit der linken Hand in eine Tasche, die zwischen Sitz und Tür liegt. „Weißt du, es gibt gewisse Urtriebe im Menschen, die nicht für immer unterdrückt werden können.“ Scheiße, er wird mich töten, er wird mich töten. Er holt ein Messer oder eine Knarre aus der Tasche und bringt mich um, denkt der Tramper voller Entsetzen. Er beginnt zu schwitzen. Die Hand des Fahrers kommt wieder zum Vorschein. Sie hat keine Waffe in der Hand. „Willst du auch nen Kaugummi?“ fragt der Fahrer und hält dem Tramper den Kaugummi hin, den er gerade aus der Tasche geholt hat. „Ja,...gern.“ antwortet der Tramper mit zittriger Stimme. „Willst du wissen was mein Urtrieb ist?“ fragt der Fahrer mit leiser aber fester Stimme. „Was denn?“ Der Tramper versucht seine Stimme ruhig zuhalten. Der Fahrer klappt den Sonnenschutz herunter und nimmt ein großes Überlebensmesser ab, das an der Halterung für Kugelschreiber provisorisch befestigt ist. „Mord...“ sagt der Fahrer ruhig und schlitzt dem Tramper so schnell die Kehle auf, das er sich nicht einmal wehren kann. Blut spritzt gegen die Scheibe, auf die Armaturen, auf den Sitz.
Der Wagen fährt unauffällig auf der Straße Richtung Westen. Die Sonne ist nicht mehr zu sehen. Nur noch ein schmaler Streifen Licht am Horizont. Weit weg die Lichter einer Stadt.
Phoenix.

 

Hallo Bill_Denbrough,

die King-Protagonisten lassen grüßen! Jack Torrance ist auch da und grinst um die Ecke. :baddevil:

Deine Geschichte hat gute Ansätze, aber meiner Ansicht nach hast du zu wenig daraus gemacht. Bis zu der Stelle, an der der Fahrer erklärt, dass er aus der psychiatrischen Klinik kommt, passt es in etwa. Ab der Stelle ist mir das Ganze zu kurz. Du hättest so ein schönes Psychospiel draus machen können. Z.B.

Der Tramper sitzt im fahrenden Auto, also in der Falle. Er kommt nicht raus, ahnt langsam, was auf ihn zukommt, fängt an zu schwitzen, der Fahrer erzählt ihm immer mehr Details, der Tramper schwitzt immer stärker; überlegt, ob er aus dem Auto springen soll, gerät in Panik, malt sich in den schwärzesten Farben aus, was ihm passieren kann usw. Vielleicht weißt du, wie ich es meine.

Die Enthüllung, dass der Fahrer Insasse in der Anstalt war, hätte ich etwas hinausgeschoben. So hätte sich der Tramper (in der Sonne Arizonas schwitzend, weil die Klimaanlage defekt ist z.B.) eine Zeitlang fragen können, ob der Fahrer Angestellter oder Insasse der Anstalt war, hätte sich einreden bzw. wünschen können, dass er Angestellter ist etc.

Also massig Möglichkeiten, eine spannende Psychostory draus zu machen. Vielleicht kannst du mit meinen Anregungen ja was anfangen und noch ein bisschen an deiner Geschichte basteln.

so mit Schlafsack oben drauf und so.
Diese Formulierung hat mir nicht gefallen. Klingt einfach nicht gut. Zu umgangssprachlich.

In der zweiten Hälfte fehlen Absätze. War das Absicht? Das würde ich in jedem Fall ändern. Zumindest jeder Dialogsprecher sollte einen eigenen Absatz bekommen. Das erleichtert das Lesen ungemein.

Noch eine Frage: Wie kommst du auf Highway 73? Östlich von Phoenix verlaufen (in Arizona) die Highways 60 und 70. Direkt in westliche Richtung, also in Richtung untergehende Sonne, verläuft der 60er. Nimm vielleicht besser den.

Also, noch viel Spaß beim Schreiben (und vielleicht beim Überarbeiten) und viele Grüße

Christian

 

Ich danke dir. Da dies erst meine zweite Geschichte ist, merkst du vielleicht, dass ich noch viel am probieren bin. Ich denke, dass deine Vorschläge mir enorm helfen können, meine Art zu schreiben zu verbessern. Highway 73 ist ein Produkt meiner Phantasie, da ich nicht wusste welche Highways dort anzutreffen sind.
Also, nochmal vielen Dank. Vielleicht sieht (bzw. ließt) sich mal!

 

Hallo!
Auch deine zweite Geschichte hat mir leider überhaupt nicht gefallen. Es gilt das gleiche wie für deine Horror-Story: Null Spannung, null Nervenkitzel, null eigene Ideen.
Ich fürchte, du lässt dich immer noch beeindrucken von Filmen oder Büchern und versuchst, diesen nachzueifern.
Das ist kein Vorwurfe, nur eine Feststellung. Und glaube mir, ich kenn das! Meine ersten Geschichten waren auch sehr eng an Geschichten gehalten, die mich beeindruckten. Irgendwann merkte ich dann, dass mir das nix bringt, dass ich so schreiben muss, wie ich es für richtig halte. Und das rate ich auch dir: Überlege dir eine spannende Geschichte und entwickle sie. Vergiss die Filme/Bücher mit ähnlichen Themen, sie sind irrelevant für dich. Setz dich hin und beginne zu schreiben. Okay?

Hier: Die Ausgangslage ist hinreichend bekannt und verarbeitet worden. Mal war der Anhalter, mal der freundliche Fahrer der Verrückte. So. Aber dann spiel nicht mit offenen Karten! Lass den Anhalter stückerlweise erahnen, dass der Fahrer total meschugge ist! Wo bleibt die Spannung, wenn du gleich verrätst, dass der Typ ein Mörder ist, der aus einer Anstalt geflohen ist?
Ich nehme an, du magst Stephen King. Lies dir jene Geschichte, die dir am meisten gefallen, ganz aufmerksam durch: Wie schafft King es, Spannung zu erzeugen? Wo setzt er die Anhaltspunkte für den Leser? Wo zieht er das Tempo an, wo lässt er dem Leser Zeit zum Verschnaufen? Warum sind seine Figuren meist sehr glaubwürdig?
Kurzum: Beobachte und lerne aus Kings Werken! Und dann, wie gesagt, versuch deine EIGENE Geschichte zu schreiben. Gut, deine nächsten Geschichten werden vermutlich auch wenig Lob erhalten, aber ich schwör dir: Irgendwann werden deine Geschichten besser, origineller, spannender, flüssiger erzählt!
Okay?
Glaube einem "alten Hasen"! :D

PS: Und bitte nicht zu Fremden in den Wagen steigen!

 

Hallo Bill,

das "Probieren" finde ich gut, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Wenn du eine Geschichte fertig hast, würde ich dir folgenden Tipp geben: Schau dir die Geschichte noch mal an und frag dich, welches der oder die besten Teile sind (oder sein sollten). Dann überleg dir, ob du diesen Teilen so viel Aufmerksamkeit geschenkt hast, wie sie verdienen. Das Beste an einer Story sollte auch den breitesten Rahmen einnehmen (es sei denn, es ist eine Story, die nur auf eine kurze Pointe zusteuert; davon würde ich dir aber abraten, da gibt es einfach schon zu viele).

Bei dieser Geschichte ist das Beste meiner Meinung nach die "Beziehung" zwischen dem Fahrer und dem Anhalter. Rainer hat sicherlich Recht, dass das Thema schon sehr oft verwurstelt wurde (z.B. auch in Kings "Achterbahn"), dennoch wäre es sicherlich spannend, auszuprobieren, was du draus machen kannst.
Keinesfalls darfst du hier zu früh verraten, wer der Fahrer ist (höchstens vage Andeutungen!).

Also viel Spaß noch!

Christian

 

Hallo Bill!

Im Großen und Ganzen kann ich mich Christian und Rainer nur anschließen.

Die Idee mag nicht neu sein, aber werden im Grunde genommen nicht die meisten alten Ideen immer wieder in der ein oder anderen Weise in neuen Geschichten recycelt?
Natürlich ist eine Geschichte fesselnder, wenn sie auf völlig neue Einfälle beruht, aber das ist eben oft sehr schwierig.

Dennoch kam mir hier die Auflösung etwas zu schnell und ich denke ebenfalls, dass man die Geschichte noch spannender und unvorhersehbarer gestalten könnte, sodass sich erst nach und nach alles für den Leser aufklärt.
Vor allem die Idee mit dem Psychospiel und dem Ausbruch aus der psychiatrischen Anstalt gefällt mir gut. Daraus ließe sich einiges mehr machen.

Übrigens schreibe ich auch gerade an einer Geschichte, die aus einem Ausbruch aus einer Anstalt beruht (womit wir wieder beim Thema wären, was neue Ideen anbelangt :D), allerdings liegt meiner Geschichte ein anderer Hauptgedanke zu Grunde.

Den Titel finde ich ein wenig unpassend.
Einerseits macht er neugierig, andererseits trifft er nicht den Kern der Geschichte und es könnte ebenso der Name einer anderen Stadt über den Text stehen.

Mir ist aufgefallen, dass du, vor allem zu Beginn, viele kurze und abgehackte Sätze verwendest. Sie lesen sich zwar sehr verständlich, dennoch würde ich sie nur in bestimmen Fällen verwenden, wenn man z. B. sehr hektische Szenen beschreibt, in denen alles schnell vonstatten gehen muss.
Ist aber nur meine persönliche Meinung.

Sehr oft schreibst du "der Tramper" oder "der Fahrer". Wäre es nicht besser, wenn du deinen Protagonisten Namen geben würdest? Das wäre m. E. persönlicher und du bist nicht immer gezwungen, auf die Formulierungen "Tramper" und "Fahrer" auszuweichen.

Einige Anmerkungen noch:

Der Fahrer des grünen Buick sitz am Steuer und schaut auf den Tramper.
Tippfehler
Der Tramper merkt nicht, das die Hand, die seine Zigarette hält, zittert
dass
Mord...“ sagt der Fahrer ruhig und schlitzt dem Tramper so schnell die Kehle auf, das er sich nicht einmal wehren kann.
dass

Also, dranbleiben und weiterschreiben!

Viele Grüße,
Michael :)

 

Danke euch allen fürs lesen und für die Verbesserungsvorschläge. Habe mich entschlossen, die zweite Hälfte der Geschichte nochmal umzuschreiben (hab aber grad sehr viel um die Ohren, kann ein bisschen dauern).

Auf bald!
Big Bill

 

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