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Phoenix

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24.06.2017
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Phoenix

Die Schreie rissen ihn aus dem Schlaf. Chris Engen schlug die Augen auf. Es war eine Frau, direkt vor seinem Haus. Schüsse hallten durch die Straßen und es kehrte sofort wieder Ruhe ein. Chris ließ sich wieder ins Kissen fallen. „Jedes Mal dasselbe“ dachte er. „Aber wieso müssen die immer vor meiner Haustür verrecken?“, fragte er sich, während er den schwarzen Schimmelpilz beobachtete, der sich Tag für Tag weiter an seiner Decke ausbreitete. In so einer Bruchbude hätte man damals nicht mal einen Straßenpenner hausen lassen.
Damals hätte er das Haus höchstpersönlich abreißen lassen, als ehemaliger Bürgermeister ließ sich da so einiges machen. Aber das lag alles in der Vergangenheit. Vor der Pandemie, die alles veränderte. Es war eine scheinbar ungefährliche mutierte Form des schon bekannten H1N1-Virus. Doch als die lange Inkubationszeit vorüber war legte die Krankheit ihren Schleier ab und entblößte ihr wahres Gesicht. Sie endete in einem rasenden Fieber in Kombination mit einer starken Lungenentzündung. Die Menschen starben daran wie Fliegen. Weltweit wurde das Kriegsrecht ausgerufen. Staaten und Regierungen zerfielen wie Kartenhäuser. Der ganze Globus stand in Flammen, auf dicht besiedelte Gebiete wurden Bombenangriffe geflogen. Doch all diese Radikalmaßnahmen änderten rein gar nichts. Es hatte nur ein Ergebnis: Das Niemandsland, das sich jetzt zwischen den übrig gebliebenen Städten erstreckte.
Eine dieser Städte war Seattle in den USA, wo er und 250.000 andere nun lebten. Unter den menschenunwürdigen Umständen, die das Militärregime mit sich brachte. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser und mit Nahrungsrationen, die das Militär in der Größenordnung „Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“ austeilte. Jegliche Auflehnung gegen das System wurde niedergeschossen. Die Gefühle übermannten ihn schon wieder.
Er selbst war bei der Lock Revolution dabeigewesen. Ein paar Hunderte Aufständische hatten sich Anfang November letzten Jahres zusammengeschlossen und unter der Führung eines Mannes der sich hinter einer Guy Fawkes Maske versteckt hielt, eben dieser John Lock, eine Revolution gestartet. Sie wollten den Hauptknotenpunkt der Stadt, das Rathaus stürmen und besetzen. Doch die Wachleute eröffneten das Feuer. Unbewaffnet und ungeschützt standen sie auf dem Vorplatz und wurden von den Kugeln durchlöchert. Um Chris herum fielen die toten Körper zu Boden. Er stand in einem Blutregen und musste zusehen, wie die Leute aus der Gruppe, die er über die Zeit so ins Herz geschlossen hatte mit schmerzverzerrten Gesichtern abgeknallt wurden. Er und eine handvoll Andere hatten Glück und sind lebendig und unverletzt davon gekommen. An diesem grausamen Tag hatten über 200 Männer und Frauen ihr Leben verloren.
Aber es tat nicht mehr weh. Selbst als John Lock, zudem er so oft aufgesehen hatte, sein Idol, den Gnadenstoß bekam, ließ ihn das mehr oder weniger kalt. Er hatte schon soviel gesehen, so viele Menschen hatten ihr Leben verloren.
Angefangen mit seiner eigenen 7-jährigen Tochter. Sie war so unschuldig und noch so jung, sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Sie war sein eigen Fleisch und Blut und er musste tatenlos zusehen wie sie in seinen Armen ihren letzten Atemzug tat und dann für immer aus dieser Welt verschwand. Der Schmerz war unerträglich. Wie ein tiefer Schnitt ins Fleisch mit einer giftgetränkten Klinge. Kurze Zeit später verließ ihn auch seine Frau, auch sie fiel der Krankheit zum Opfer. Es versenkte ihn in Depressionen als er mit zusehen musste wie ihre Zeit ablief und der Tod Sekunde für Sekunde näher rückte und er absolut nichts dagegen unternehmen konnte. Er wollte sie festhalten und für immer mit ihr zusammenbleiben, aber er konnte sie nicht erreichen. Sie war im Delirium, Lichtjahre entfernt als der Tod auch sie zu sich holte. Er erinnerte sich wie er tagelang die alten Fotos anstarrte und sich wünschte nicht sie, sondern er wäre gestorben.
Im Laufe der Pandemie wurden ihm noch alle restlichen Menschen genommen, die ihm jemals wichtig waren. Er sah zu wie seine besten Freunde von ihm gingen. Und immer derselbe Schmerz dieser tiefe Schnitt ins Fleisch, der seinen Körper, seinen Verstand verzehrte. Jedes Mal wollte er, dass nicht er sondern sie diese Immunität hätten. Doch es änderte nichts. Mit der Zeit wurde der Verlust zum Alltag, die Klinge des Schmerzes wurde stumpfer.
Und jetzt nach drei Jahren voller Tod und Verzweiflung war sie so abgewetzt, dass sie nur noch einen roten Striemen auf der Haut hinterließ.
Aber die Erinnerung blieb weiter bestehen. Vor seinem geistigen Auge sah er die Gesichter der ganzen Menschen wie Sterne in der Ferne. Als er die Hand nach ihnen ausstreckte und versuchte ihre Gesichter zu berühren, lösten sie sich plötzlich in Rauch auf und verschwanden.
Die Sonne ging schon unter, aber Chris konnte nicht einschlafen. Er drehte sich von rechts nach links und wieder zurück aber als half nicht. Das, was er gerade vor seinem inneren Auge gesehen hatte beschäftigte ihn zu sehr. Doch seine Reise durch die Vergangenheit wurde durch das Öffnen einer Türe und das laute Trampeln in der Wohnung über ihm abrupt beendet. Er seufzte. In dieser Wohnung über ihm wurden scheinbar nur Psychopathen einquartiert. Die letzten zwei Monate lebte dort ein Mann, der fast jeden Abend eine Frau vergewaltigte. Die schmerzerfüllten Schreie und das ekelhafte laute Stöhnen und Grunzen hallten jeden Abend durch das halb verlassene Haus. Durch die dünnen Wände hatte man praktisch alles gehört. Chris konnte es schon fast gar nicht mehr aushalten, als zum Glück einem anderen Anwohner der Lärm ebenfalls entschieden zu weit ging und dem Störenfried kurzerhand mit sieben Stichen den Gar ausmachte. Am übernächsten Tag durchsuchte dann das Militär auf Anweisung die Wohnung und entfernte die Leiche. Gründe oder Schuldfragen, sowas interessierte die Männer in Grün nicht.
Chris war schon fast froh dass die Wohnung über ihm einem neuen Bewohner zugeteilt wurde. Jedoch war dieser sogar noch schlimmer als der vorherige. Dieser nette Herr hatte es sich nämlich scheinbar zum Hobby gemacht, lebendige Menschen zu zerhackstückeln und aus ihnen Kunstwerke zu bauen. Ganz nach dem Vorbild Körperwelten.
Und heute schien er wieder ein neues Projekt anzufangen. Chris vergrub seinen Kopf unter dem Kissen. Trotzdem hörte er wie über ihm eine Plastikplane auf dem Boden ausgebreitet wurde. Dann schleifte er Irgendetwas oder eher Irgendjemand über den Boden. Es folgte ein kurzer Moment der Stille. Dann fing er mit der Arbeit an, Chris hörte bis unten wie der Mann über ihm mit einer Säge die Knochen seines Opfers durchtrennte. Dieses Geräusch kroch in seinen Gehörgang und gab Chris eine Gänsehaut am ganzen Körper. Bisher könnte man als reiner Optimist noch vermuten dass der Herr völlig besonnen ist und lediglich versucht Stein oder Metall zu sägen.
Jedoch erlangte das Opfer jetzt wieder das Bewusstsein und das markerschütternde Geschrei gesellte sich fortan zu dem kratzenden Geräusch der Knochensäge. Chris Atmung und Puls beschleunigten sich und er musste sich auf die Unterlippe beißen um nicht die Beherrschung zu verlieren. Doch das war ein Akt der Unmöglichkeit, vor allem als oben eine Stichsäge eingeschaltet wurde und die Schreie eine ganz andere Schmerzdimension erreichten. Chris biss die Zähne aufeinander, doch es nützte nichts. Die Wut pulsierte durch seine Adern wie ein Inferno.
„Jetzt reicht's“ zischte er und sprang auf. Er schnappte sich die erstbeste Nahkampfwaffe in Reichweite, einen Schraubenzieher, und jagte die Stufen hinauf. Die Schreie waren mittlerweile verstummt.
Oben angekommen trat er die Wohnungstür ein und erblickte verschieden Leichen, denen Körperteile fehlten und dekadent verziert worden. In der Mitte des Raumes lag eine männliche Leiche, der die Arme fehlten. Der Torso war mit der Stichsäge aufgeschnitten und die beiden Hautlappen zur Seite gefaltet worden, so dass die Organe offen lagen. Links in dem großen Raum stand ein völlig schockierter, asiatischer Mann der ihn nun panisch anstarrte. Chris machte einen Satz auf ihn zu und gab ihm einen wuchtigen Kinnhaken. Der Asiate kippte nach hinten und stürzte auf den Tisch. Er versuchte sich wieder vom Tisch abzustützen, als Chris den Schraubenzieher in seinen Handrücken rammte. Nun war es der Asiate der vor Schmerz das Haus zusammenbrüllte. Blitzschnell zog Chris sein Taschenmesser und legte es ihm an die Gurgel. Der Asiate war auf der Stelle still und hielt die Luft an. Chris blickte zurück auf die zerstückelte Leiche. Wut und Ekel überkamen ihn. Er wollte ihn tot sehen. Er sollte auf dem Boden kriechen wie ein dreckiges Insekt, während er elendig ausblutete. Nur eine kleine Handbewegung die die Realität von dem Bild in seinem Kopf trennte. Nur ein klitzekleiner Schnitt.
Aber er konnte es nicht. So wie er es sich auch ersehnte, diesen Abschaum sterben zu sehen, er brachte es einfach nicht fertig. Wutentbrannt drehte er sich um und knallte die Wohnungstür wieder hinter sich zu. Er stützte sich mit beiden Armen gegen die Wand im Flur und hasste sich für seine Schwäche. Doch im gleichen Moment realisierte er, dass er immer mehr den Verrückten dieser Welt glich. Solche, die morden ohne zu zögern und sich an den Schmerzen und dem Leid anderer erfreuen. Und das machte ihn noch nachdenklicher. Langsam schritt er die Treppen nach unten und fragte sich ob Gott den Menschen jemals vergeben wird, für eben das was sie einander antun.
Chris verließ das Gebäude und bog nach rechts Richtung Rathaus ab. Die Straßenschluchten von Seattle erinnerten mehr an eine Ruine als an das Medienzentrum was es mal war. Die gläsernen Hochhäuser waren zerstört und das Efeu wuchs an ihnen freudig empor. In den einzelnen Gassen standen mit Müll beladene Einkaufswagen und brennende Fässer an denen sich vereinzelt Leute die Hände wärmten. In der nächsten Gasse hatte sich ein groß gebauter Farbiger um die Nahrungsration eines sehr schmächtigen Mitbürger bereichert. Nun war er damit zugange das Haupt dieses Mitbürger, der die Übereignung seines Besitz wohl angefochten hatte, in den Asphalt einzustampfen. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen als der Schädelknochen nachgab und der Farbige daraufhin zufrieden mit seinem Essen davonging.
Chris stockte der Atem. Er wollte sofort weg und bog links in eine Seitenstraße ab. Doch dort standen 3 Männer um eine Frau herum und redeten wütend auf sie ein. Einer von ihnen hatte einen eisernen Baseballschläger mit dabei. Sie schienen wohl nicht einigen zu können, da der bewaffnete Mann plötzlich zum Schlag ausholte. Erschrocken drehte Chris sich um, doch er wusste wenn jetzt gleich etwas knackte dann war es nicht der Baseballschläger.
Aber es knackte nicht. Es knirschte, als das Eisen jegliche anatomische Knochenstruktur im Gesicht der Frau zerschmetterte.
Chris lief weiter, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Die Sonne war nun fast vollständig untergegangen und die meisten Menschen waren auf dem Weg zu ihren Wohnungen. Auf der Hauptstraße, eine Ringstraße, die durch alle 4 Sektoren der Stadt führte, war am meisten los. Chris schloss sich dem Strom aus Menschen an, die durch Seattle zogen. Er entspannte sich wieder. Es fühlte sich gut an unter diesen ganzen Menschen zu sein. Auch wenn er wahrscheinlich keinen von ihnen kannte, gab ihm diese Gemeinschaft Sicherheit. „Hier passieren keine solchen Dinge“ dachte er während er ohne bestimmtes Ziel weiterging.
Falsch gedacht, denn plötzlich teilte sich der Strom, wie ein Wasserlauf der um einen Stein herum fließt. Unaffektiert und blind gingen sie weiter. Chris war der einzige, der sich dafür interessierte was in der entstandenen Traube vor sich ging. Eine junge Frau kniete auf dem Bauch eines Mann und stieß ihm immer wieder ein Messer in die Brust. Aber die Bürger interessierte das kaum. Sowas war hier normal. Einer weniger der die Nahrungsmittelressourcen beansprucht. Survival of the Fittest Bitch. Ganz einfach. Jeder stirbt für sich alleine.
Mit geweiteten Augen ging Chris weiter. Er schaute hoch zu den Sternen, so wie er es damals immer getan hatte. Es gab ihm immer neue Kraft die Sterne zu sehen und zu wissen dass die Welt so groß ist und nach jedem Unwetter der Regenbogen folgte. Doch heute verdeckte der wolkenverhangene Himmel die Sterne. Die Nacht war pechschwarz. Er hatte eine Antwort gefunden.
Gott hat diese Welt schon lange verlassen.

Es war die Erkenntnis, die ihn paralysierte. Er wankte zurück zu seiner Wohnung. Die Stimmen der Menschen um ihn herum hallten in unendlichen Echos durch seinen Schädel. Sie waren meilenweit entfernt. Diese Welt, sie war ihm nun so fremd. Die Menschen, die Gesellschaft, sie war verrottet. Befallen von einem tödlichen Parasiten in grünen Militäruniformen. Ihm wurde etwas klar, ER war derjenige der sie befreien musste.

„In einer Woche ist es soweit“ flüsterte Chris und lehnte sich zurück. Er saß am Wohnzimmertisch, vor ihm auf der Tischplatte verteilt lag sein Schlachtplan. Über allen Blättern und Skizzen stand dick das Datum drüber: 5. November. Eine Kombination aus seiner Vision des perfekten Staates und dem Plan an dem sein Vorbild John Lock letztes Jahr an genau diesem Datum gescheitert war. Ihm gegenüber saß Sasha, seine einzige verbliebene Freundin, ebenfalls eine Überlebende der Lock Revolution. Doch sie war nicht so begeistert von seinem Vorhaben wie er selbst. „Weißt du wie viele Menschen sterben werden,wenn dein Plan nicht klappt? Stell dir den Ausmaß der Zerstörung doch einfach mal vor“. Man konnte ihr die Panik praktisch aus dem Gesicht lesen.
Chris dachte kurz darüber nach, während sie ihn immer noch ungläubig anstarrte. „Du hast Recht. Es wird Tote geben. Viele Tote. Um eine neue Welt zu erschaffen, muss man die alte erst niederreißen. Und mit ihr all diejenigen, die an dieser falschen Welt festhalten.“
Chris stand auf und holte aus dem Schrank die Maske und den Umhang den John Locke
bei der Revolution getragen hatte und legte ihn mit auf den Tisch.
„Chris warte doch einfach ab und überdenk alles noch einmal. Das Schwierige ist nicht die Entscheidung zu treffen, sonder nachher mit ihr zu leben. Überleg welchen Preis wir beim letzten Mal zahlen mussten. Kannst du diese Last ganz alleine auf deinen Schultern tragen? Ist es das überhaupt wert?“
Chris atmete einmal tief durch und sprach mit ganz ruhiger Stimme: „Eine Person die ich sehr wertschätze sagte mir einmal dass das Leben von den schönen Sachen definiert wird, die man mit Freunden und Familie erlebt. Im Leben geht es um die Träume und Hoffnungen die man hat und irgendwann auch mal erreichen will. Aber manchmal muss man auch einfach mal eine Pause machen und das Hier und Jetzt genießen.“, er blickte auf und schaute ihr tief in die Augen. „Weißt du wer mir all diese Sachen gesagt hat, Sasha?“
„Das war ich“ antwortete sie leise.
„Genau. Wir beide haben keine Familie mehr und außer dir hab ich auch keinen mit dem ich reden könnte. Und ich bin mir sicher da geht es 99% hier genauso. Hier lebt jeder für sich allein. Keiner kümmert sich um den anderen. Jeden Tag gehen wir absolut unsinnigen Tätigkeiten nach und begegnen dabei Mord und Totschlag auf den Straßen. Die Menschen ziehen Scheuklappen an und laufen Slalom um die Leichenberge.“
Chris seufzte. „Ich erinnere mich an Zeiten wo wir hinauf in den Himmel geguckt haben und uns gewundert haben was noch alles auf uns wartet, was wir alles noch erleben können. Und dann sehe ich die Menschen die mit gesenktem Blick durch die Straßen ziehen ohne Ziel und ohne Träume. Sie haben die Hoffnung schon lange aufgegeben. Und was machen wir hier Tag für Tag? Wir warten, erinnern uns hier und da an die Vergangenheit, aber eigentlich warten wir alle auf das Ende. Und sowas kann man nicht leben nennen!“
Sasha hatte es die Sprache verschlagen, ihr Gesichtsausdruck war wie versteinert. Sie richtete sich langsam auf und ließ ihren Blick über die Notizen und Skizzen auf dem Tisch schweifen. Nickend gab sie Ihm Recht: „Es ist Zeit etwas zu verändern. 5. November. Ich weiß was ich zu tun habe.“ Das Feuer in ihrer Stimme war wieder zurückgekommen.
Zufrieden schaute Chris ihr hinterher als sie die Wohnung wieder verließ.
In der folgenden Nacht schwang sich Chris in den Umhang und hielt sich die Guy Fawkes Maske vors Gesicht. Er stand auf dem Dach des Mehrfamilienhauses und blickte hinaus auf die dunkle Stadt. Ein kühler Luftstoß umspielte den schwarzen Umhang. Im Mondlicht schimmernd stand er hoch über den Straßen Seattles und grinste. „Remember, remember, the 5th of November.“ flüsterte er in die Nacht.

Es war soweit, der Morgen des 5.Novembers brach an. Chris hatte sich noch nie so lebendig gefühlt, als er das Fenster aufmachte und die Morgenluft einatmete, die zwar immer ein bisschen nach verbranntem Fleisch roch, aber das war ihm heute komplett egal.
Chris ging seinen Plan noch unzählige Male durch um sicherzugehen, dass er nicht irgendetwas bei den Vorbereitungen vergessen hatte, aber da war nichts. Beruhigend. Um 6 Uhr ging er los Richtung Rathausplatz. Die Menschen pilgerten zum Rathausplatz wie Marionetten, die strikt nach der Fuchtel des Militärs tanzten. Sie hatten alle keine
andere Wahl. Eine Ansprache des befehlshabenden Generals wie diese, war für jeden Bürger eine Pflichtveranstaltung. Als der General die Bühne betrat und in seinem abartig pathetischen Tonfall die Ansprache begann, schlich Chris um die zwei Meter hohe Bühne herum.
Zu seiner großen Freude sah er, dass das Militär nur jeweils zwei Wachposten an den beiden Seiten der Bühne postiert hatte. Die restlichen Soldaten war in ihrem Lager, unmittelbar hinter dem großen Rathaus befand und war in Alarmbereitschaft, falls doch etwas passieren sollte. Chris schaute auf die Uhr. 3 Minuten vor 7. Es war nicht mehr viel Zeit. Um punkt 7 brach das neue Zeitalter an. Chris warf sich den Umhang um, setzte die Maske auf und entsicherte die beiden Beretta M92s, die er mit geschmuggelt hatte.
Dann ging er die Treppen hoch und betrat die Bühne. Die Menschenmenge raunte, als sie ihn sahen, doch den General der immer noch am Rednerpult stand und ihm so den Rücken zugedreht hatte, störte das nicht. Er lallte weiter seine einstudierte Rede über das sichere Leben in Seattle runter. Seelenruhig visierte Chris mit den 2 Pistolen die Soldaten der beiden Flanken an. Eine Knarre links, eine rechts. Ohne überhaupt richtig hinzugucken schoss er ihnen das Blei in den Rücken. Jetzt konnte ihn keiner mehr stören. Noch 2 Minuten.
Aufgeschreckt von den Schüssen wirbelte der General herum und starrte ihn sekundenlang an. Hilfesuchend guckte er nach links und rechts, doch seine Wachen konnten nur noch ausbluten. Chris hatte ihn erreicht und drosch voller Hass mit der rechten Faust auf sein Gesicht ein. Er spürte wie unter einem seiner Schläge die Nase des Generals sich um 90 Grad verbog und der Knochen splitterte. Er stand nun über diesem Haufen Dreck „Das ist euer Untergang“ presste Chris durch seine zusammengebissenen Zähne. Mit völlig blutüberlaufenem Gesicht zog sich der General an Chris Umhang wieder hoch.
„Was glaubst du eigentlich wer du bist? Du zerstörst das System was dich am Leben lässt.“ er hielt kurz inne und spuckte eine Ladung Blut auf die Bühne. „Was dir überhaupt das Leben ermöglicht!“
„Leben? Ein Leben ohne etwas zu tun, gleicht einem langsam qualvollen Tod. Das was wir hier „erleben“ ist ein schleichender Verwesungsprozess. Aber nicht nur unsere Körper verwesen. Auch unsere Menschlichkeit. Ach nein,die haben wir schon längst begraben. Und warum?? Weil ihr uns wie eine Kuhherde zusammengepfercht und in ein Loch gesteckt habt. Doch das wird sich jetzt ändern. Am Ende bekommt jeder seine gerechte Strafe. Und das hier ist eure.“
Der General versuchte zu grinsen. „Der Konkurrenzkampf stärkt die Gesellschaft. Nur die Stärksten überleben. Das ist der Lauf der Natur. Brenn das System doch nieder, in dem Haufen Asche der übrig bleibt werdet ihr alle verrecken.“
Getrieben von dem hämischen Grinsen und dem aufflammenden Hass, zog er den Abzug und jagte dem General eine Patrone durchs Gehirn.
Dann drehte er sich zu der staunenden Masse um und breitete die Arme aus, sodass das tiefrote Samt der Innenseite des Umhangs seine volle Eleganz ausstrahlte. Chris zählte die Sekunden runter während er weiter in dieser Pose innehielt.

4
Jetzt lag alles an Sasha. Der ganze Plan.

3
Die Menschen hielten den Atem an.

2
John Lockes Vermächtnis. Seine Ideen.

1.
Die Zukunft aller.

0

Ein ohrenbetäubender Knall ließ die Zeit gefrieren. Der dunkle Abendhimmel verfärbte sich grellorange als hinter ihm das Rathaus und der dahinterliegende Stützpunkt in einem riesigen Feuerball in die Luft gingen. Der Luftstoß der Explosion umspielte seinen Umhang und ließ ihn majestätisch in Wind wehen.
Chris grinste unter seiner Maske, nein er lachte und blickte mit geschlossenen Augen zum Himmel. Sasha hat es genau zur richtigen Zeit geschafft. Hinter ihm hörte er wie Gesteinsbrocken auf die Erde niederprasselten. Er atmete die nach Feuer und Zerstörung duftende Luft ein und genoss diesen herrlichen Moment. Dann löste er sich aus seiner Pose und ging zum Mikrofon.
„Es ist Zeit. Wir werden uns erheben wie ein Phoenix aus der Asche.“ Chris hob die Faust in den Himmel und öffnete die Augen.
Er sah die Sterne über ihm funkeln. Er sah seine Frau und seine Tochter. Sie lächelten. Er lächelte, mit Tränen in den Augen.
Dann schaute er auf die Menschenmenge. Alle Überlebenden blickten zu ihm hinauf. Er hatte sie befreit. Er war ihr Retter.
In ihren Augen schimmerte Hoffnung.
Hoffnung auf eine bessere Zeit, auf eine Zeit ohne Gewalt und ohne Unterdrückung.
Auf eine Zeit in der man Sicherheit spürt und zusammen friedlich miteinander auskommen kann. Ohne Konkurrenzgedanken.
Auf eine Zeit, in der Nächstenliebe und Zivilcourage herrschen.
Auf eine Zeit in der sie leben können.

 

Hi!

Du hast heute bereits eine Geschichte gepostet, dazu haben drei Leser Kommentare verfasst, du hast auf keinen dieser Kommentare geantwortet und statt dessen eine zweite Geschichte veröffentlicht.

So funktioniert dieses Forum aber nicht. Vielleicht solltest du zunächst auf deine erste Geschichte eingehen, eine Antwort zum Feedback deiner Leser geben, andere Geschichten von anderen Autoren lesen und kommentieren und dann weitere Geschichten posten.

Ist so'n Geben-und-Nehmen-Ding hier.

Nur mal als kleiner Hinweis.

Gruß vom EISENMANN

 

Hallo Eisenmann.
Ich hatte lediglich noch keine Zeit auf die Kommentare einzugehen.

Wenn du aber schon beide Geschichten gesehen hast, hättest du ja wenigstens ein kleines Feedback da lassen können.

Gruß, Yannik

 

Hallo Yannik!

Auch wenn du so gar kein Interesse am Forum zeigst, soll auch dein zweiter Text noch einen "echten" Kommentar erhalten.

Mit deinen ersten Sätzen machst du es deinen Lesern nicht leicht.
Eigentlich sind Schreie, die jemanden aus dem Schlaf reißen, ja ein guter Einstieg, erzeugen Spannung.
Aber deine ersten Sätze lassen keinen Lesefluss aufkommen, denn sie sind nicht ganz sauber geschrieben. Das sind Kleinigkeiten, die da stören. Ich nehme an, du bist noch Schreibanfänger? Dann empfehle ich dir, viel zu lesen und dabei auch auf die Details, die Wortwahl, den Satzbau ... zu achten.

Im Detail, deine ersten Sätze:

"Die Schreie rissen ihn aus dem Schlaf. Chris Engen schlug die Augen auf. Es war eine Frau, draußen direkt vor seinem Haus."

"Die Schreie rissen ihn aus dem Schlaf."
=> Dieser Satz mit dieser Wortwahl setzt eigentlich voraus, dass der Leser zwei Dinge schon weiß.
"Die Schreie". "Die" ist ein bestimmter Artikel. Wenn du sagst "die Schreie" muss der Leser wissen: Welche Schreie? Das weiß der Leser aber nicht. Die richtige Wahl wäre hier das Weglassen des Artikel, denn so sind die Schreie nicht näher definiert.
"ihn" => Wen? Weiß der Leser noch nicht, also hier den Namen des Protagonisten nennen.
Das hat auch gleich den Vorteil, dass der Leser sich beim zweiten Satz nicht fragen muss, ob "ihn" und Chris ein und dieselbe Person ist, oder ob es zwei verschiedene Personen sind.

"Chris Engen schlug die Augen auf. Es war eine Frau"
=> Siehst du das Problem hier? Man liest die Sätze, die Wörter nunmal in der Reihenfolge, in der du sie hinschreibst. Hier: "Chris", "es war eine Frau". Folglich lese ich hier erstmal, dass Chris eine Frau ist.

"Es war eine Frau"
=> Frage: Was war eine Frau? Achte hier auf die Grammatik. Wenn ich nachsehe, was die Frau war, dann finde ich als Antwort: "die Schreie" Es, die Schreie? Das macht keinen Sinn.

"draußen direkt"
=> Hast du dir deinen Text mal laut vorgelesen? Falls nicht, mach das. Dann fallen dir solche Holperer sicher auf.

So, das nur zu deinen drei ersten Sätzen. Das alles mag dir kleinlich vorkommen, aber Geschichten schreiben verlangt nunmal mehr vorm Schreiber, als Ideen zu haben.

Falls du doch Interesse am Forum haben solltest, empfehle ich dir, Texte anderer zu kommentieren. Abgesehen vom Forumsprinzip "Geben und Nehmen" (und du siehst sicher, wie schnell Leute, die hier nur ihre Texte abladen, von den meisten anderen Wortkriegern ignoriert werden), lernt man beim Kommentieren unglaublich viel. Weil man eben über das nachdenken muss, was man liest.

Grüße,
Chris

 

Chris Stone,
jetzt muss ich aber mal was loswerden hier. Als ich mich hier angemeldet habe, tat ich das nicht um sofort täglich massig Kommentare zu schreiben und Geschichten zu lesen, noch hab ich mich dazu verpflichtet. Ich habe jetzt schon zweimal angemerkt, dass ich in den letzten 6 Monaten kaum Zeit hatte auch nur mal 1 Geschichte pro Tag zu lesen (Studium lässt grüßen). Ausserdem finde ich es auch ein wenig unfreundlich den ersten Satz meiner Geschichte zu lesen, diesen dann auseinander zu nehmen und den Rest scheinbar zu ignorieren.
In Zukunft kann ich auch wieder mehr Zeit in Freizeit investieren und dann werde ich auch definitiv wieder mehr lesen und kommentieren.
Ich hoffe wir können diesen "tollen" Empfang im Forum mal vergessen.

 

Hallo Yannikbergs,

ich habe mir mal etwas Zeit genommen und deinen Text durchgelesen. Zunächst einmal die Dinge, die mir beim Lesen aufgefallen sind.

Die Schreie rissen ihn aus dem Schlaf. Chris Engen schlug die Augen auf. Es war eine Frau, draußen direkt vor seinem Haus.
-> Ich würde eher sagen, direkt vor seinem Haus. Das "vor" drückt das "draußen" bereits aus.

Sie endete in einem rasendem Fieber in Kombination mit einer starken Lungenentzündung.
-> einem rasenden

Die Menschen starben daran wie Fliegen. Staaten und Regierungen zerfielen wie Kartenhäuser. Weltweit wurde das Kriegsrecht ausgerufen.
-> Jetzt extrem kleinlich, aber Kriegsrecht impliziert zumindest noch irgendeine Form von Recht bzw. auch einen Staat, der dahintersteht. Passender fände ich: „die Militärs (oder Warlords) rissen die Kontrolle an sich.“

Das einzige, was aus ihnen resultierte, war das Niemandsland was sich jetzt zwischen den übriggebliebenen Städten erstreckte.
-> Komma zwischen Niemandsland und was. Und damit offenbart der Satz dann auch, wie verschachtelt er ist. Eine Konstruktion à la „Es gab nur ein Ergebnis: das Niemandsland zwischen den übriggebliebenen Städten“, also mit Doppelpunkt könnte Abhilfe schaffen.

Ohne Strom, ohne fließendes Wasser und mit Nahrungsrationen, die das Militär in der Größenordnung „Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben“.
-> dieser Satz kein Verb. Die das Militär in der Größenordnung … aufteilte/zuordnete o.Ä.

Er selbst war bei der Lock Revolution dabei gewesen. Er und ein paar Hunderte Aufständische hatten sich Anfang November letzten Jahres zusammengeschlossen
-> Zwei Satzanfänge mit „Er“. Mein Vorschlag wäre beim zweiten einfach die „Ein paar Hunderte“ zuerst zu nennen – abgesehen davon nennt nur der Esel sich selbst immer zuerst ;)

und unter der Führung eines Mannes der sich hinter einer Guy Fawkes Maske versteckt hielt, eben dieser John Lock, eine Revolution gestartet.
-> Eine armselige Figur, die sich scheinbar bei John Locke bedient, aber sich das „e“ nicht leisten kann. Sorry, kleiner Scherz am Rande, war ein anstrengender Tag ;)

Sie wollten den Hauptknotenpunkt der Stadt, das Rathaus stürmen und besetzen.
-> Komma nach Rathaus

Er stand in einem Blutregen und musste zusehen, wie die Leute aus der Gruppe, die er über die Zeit so ins Herz geschlossen hatte mit schmerzverzerrten Gesichtern abgeknallt wurden.
-> Komma nach hatte. „Abgeknallt“ finde ich etwas prosaisch, wenn du doch vorher einen ausdrucksstarken Begriff wie „Blutregen“ benutzt. Wie wäre es stattdessen mit „eiskalt ermordet“ – das betont auch nochmal, dass er sich im Recht sieht.

Er und eine handvoll Andere hatten Glück und sind lebendig und unverletzt davon gekommen.
-> Handvoll großgeschrieben.

Selbst als John Locke, zudem er so oft aufgesehen hatte, sein Idol, den Gnadenstoß bekam, ließ ihn das mehr oder weniger kalt.
-> Oh, doch mit „e“.

Kurze Zeit später verließ in auch seine Frau, auch sie fiel der Krankheit zum Opfer.
-> ihn

Es versenkte ihn in Depressionen als er mit zusehen musste wie ihre Zeit ablief und der Tod Sekunde für Sekunde näher rückte und du absolut nichts dagegen unternehmen kannst.
-> Warum die Verallgemeinerung (du)? Er konnte doch nichts dagegen machen.

Mit der Zeit wurde der Verlust zur Angewohnheit, die Klinge des Schmerzes wurde stumpfer.
-> Eine Angewohnheit bezieht sich üblicherweise auf eine Tätigkeit. „Das Erinnern an die Toten wurde zu einer emotionslosen Angewohnheit“, würde ich denken. Oder der Verlust wurde zu einem „Hintergrundrauschen, auf das er nicht mehr achtete“. Da kann man viel mit spielen.

Und jetzt nach 3 Jahren voller Tod und Verzweiflung war sie so abgewetzt, dass sie nur noch einen roten Striemen auf der Haut hinterließ.
-> Die kleinen Zahlen schreibt man eigentlich aus.

Das was er gerade vor seinem inneren Auge gesehen hatte beschäftigte ihn zu sehr.
-> Komma nach Das und nach hatte.

Die letzten 2 Monate lebte dort ein Mann, der fast jeden Abend eine Frau vergewaltigte.
-> Auch „2“ schreibt man aus.

Die schmerzerfüllten Schreie und das ekelhafte laute Stöhnen und Grunzen hallte jeden Abend durch das halb verlassene Haus. Durch die dünnen Wände hörte man praktisch alles.
-> Die Zeit stimmt hier nicht. Die Schreie „hatten gehallt“ und durch die dünnen Wände „hatte man gehört“. Es bezieht sich auf den abgeschlossenen Zeitraum, in dem der Mann dort gelebt hatte.

Ich mache hier mal Schlussstrich darunter, jeden Komma- und Rechtschreibfehler aufzulisten, da ist dein Text doch etwas zu lang für ;) Aber du solltest auf jeden Fall nochmal drüberlesen.

Der Torso war mit der Stichsäge aufgeschnitten und die beiden Hautlappen zur Seite gefaltet worden, so dass die Organe offen lagen.
-> Du hast ja schon in deinem Profil stehen, dass du auf Brutales stehst. Wenn du Inspiration der düsteren Sorte suchst, kann ich ein Video von den Krawallbrüdern (Oi!/Punk-Band) empfehlen: "Ich und dein Leben". Richtig unangenehmes Musikvideo - könnte was für deinen Geschmack sein ;)

In der nächsten Gasse hatte sich ein groß gebauter Farbiger um die Nahrungsration eines sehr schmächtigen Mitbürger bereichert.
-> Political Correctness ist zwar wichtig, aber in dem Kontext jemanden „Farbig“ zu nennen, erscheint mir unpassend. Muss ja nicht gleich das N-Wort sein, aber Schwarzer passt zum groben Stil.

Falsch gedacht, denn plötzlich teilte sich der Strom, wie ein Wasserlauf der um einen Stein herum fließt. Unaffektiert und blind gingen sie weiter. Chris war der einzige, der sich dafür interessierte was in der entstandenen Traube vor sich ging.
-> Wenn es sich teilt, wie an einem Stein, dann gibt es zwei Ströme aber keine Traube. Eine Traube bedeutet außerdem, dass sich noch andere Menschen dafür interessieren und nicht nur der Protagonist.
Formulierungen wie „falsch gedacht“ finde ich eher neunmalklug, ein einfaches „Plötzliches teilte sich der Strom“ reicht mir.

Survival of the Fittest Bitch. Ganz einfach. Jeder stirbt für sich alleine.
-> Wow, das sind zwei Klischee-Sprüche nacheinander. Mir kommt der Protagonist allmählich vor, als halte er sich für den Auserwählten, während „alle anderen nur Schafe“ sind.

Es gab ihm immer neue Kraft die Sterne zu sehen und zu wissen dass die Welt so groß ist und nach jedem Unwetter der Regenbogen folgte. Doch heute verdeckte der wolkenverhangene Himmel die Sterne. Die Nacht war pechschwarz. Er hatte eine Antwort gefunden.
Gott hat diese Welt schon lange verlassen.
Es war die Erkenntnis, die ihn paralysierte.
-> Also spätestens jetzt ist der Protagonist in meinen Augen vollständig durchgeknallt. Er schaut zum Himmel für Bestätigung, dass alles gut wird, aber er sieht Wolken, also hat er Angst, dass ihm der Himmel gleich auf den Kopf fällt?

„Genau. Wir beide haben keine Familie mehr und außer dir hab ich auch keinen mit dem ich reden könnte. Und ich bin mir sicher da geht es 99% hier genauso.
-> Warum nur 99%? Der Mann ist jetzt Extremist, für ihn gibt es nur noch 0 oder 1.

Ein kühler Luftstoß umspielte den schwarzen Umhang. Im Mondlicht schimmernd stand er hoch über den Straßen Seattles und grinste. „Remember, remember, the 5th of November.“ flüsterte er in die Nacht.
-> Du hast nicht zufällig letztens „V wie Vendetta gesehen“?

aber das war ihm heute komplett egal.
Chris ging seinen Plan noch gefühlte 100 Mal durch um
-> Das ist Umgangssprache. Man kann sie als Stilmittel verwenden, aber das ist an dieser Stelle nicht dein Ziel, soweit ich es erkennen kann. Daher solltest du es etwas „gehobener“ bzw. standardsprachlich formulieren. (z.B.: für ihn spielte es heute keine Rolle – unzählige Male ging er seinen Plan durch)
Da gibt es auch mehrere Stellen im Text, darauf solltest du beim Korrekturlesen auch ein Auge haben.

Und warum??
-> Ein Fragezeichen zu viel. Alternativ kannst du auch ein ?! schreiben, weil es ja keine eigentliche Frage ist.

Ein ohrenbetäubender Knall ließ die Zeit gefrieren. Der dunkle Abendhimmel verfärbte sich grellorange als hinter ihm das Rathaus und der dahinterliegende Stützpunkt in einem riesigen Feuerball in die Luft gingen. Der Luftstoß der Explosion umspielte seinen Umhang und ließ ihn majestätisch in Wind wehen.
-> Hollywood lässt grüßen.

Er hatte sie befreit. Er war ihr Retter.
In ihren Augen schimmerte Hoffnung.
-> Warum? Nüchtern betrachtet hat er gerade alles zerstört, auf das sie sich verlassen haben. Sie kennen ihn nicht, wissen nur, dass er verdammt gut töten und Sachen sprengen kann. Wäre jetzt nicht meine erste Wahl, wenn ich jemanden zu meinem Anführer auswählen müsste.
Seine Vision wurde bisher nur von ihm formuliert und mit niemandem außer seiner Komplizin geteilt. Du hast sehr viel Zeit darin investiert, dass die meisten Menschen eben daran nicht mehr glauben. Mir würde es hier eher gefallen, wenn die „Vision“ als Wahnvorstellung enttarnt und der Protagonist einfach von einem „Zivilist“ erschossen wird.

So, jetzt will ich aber zum Gesamtfazit kommen:
An deinem Text finde ich einige Kritikpunkte. Zunächst ist dein Text sehr uneinheitlich. Dein Stil ist mal sehr brutal, zuweilen auch blumig ausschmückend ("Blutregen"), dann verwendest du aber wieder sehr platte Sprache. Das solltest du in ein einheitliches Bild bringen. Ebenso uneinheitlich ist dein Protagonist. Beim Scheitern der Lock-Revolution ist er emotionslos - aber die ganze Geschichte besteht darin, dass er emotional aufgewühlt wird, bis er schließlich zum selbsternannten Retter avanciert. Das passt nicht. Auch die Beschreibung der Actionszenen ist nicht kohärent. Meistens sind sie hoffnungslos brutal, aber das Ende könnte auch direkt aus Hollywood kommen, so glatt und sauber verläuft es.
Schließlich gefällt mir die Handlung nicht sonderlich. Zugegebenermaßen bin ich generell nicht der Freund von "Auserwählten", aber in deiner Geschichte kommt es besonders plump daher. Er entschließt sich, dass er etwas verändern muss - also bringt er alle "Bösen" um und ist dann der "Gute", den alle anhimmeln.
Was dir gelingt, ist ein brutales, dystopisches Bild zu kreieren, da du nicht davor zurückschreckst, grausame Szenen zu beschreiben. Dabei gehst du alle möglichen Leute durch (ein Asiate, ein Farbiger, eine Frau etc.). In dieses Szenario würde sich wunderbar einfügen, dass der Protagonist selbst wahnsinnig wird und sich nur für den Retter hält. Eine wirkliche 180°-Wende ist in der Welt, die du geschaffen ist, nicht glaubwürdig - vor allem nicht in einem einzigen Moment. Dafür ist sie zu hässlich. Also den Schluss müsstest du meiner Meinung nach ändern.

Als Wort zum Donnerstag: verlass dich mehr auf die Brutalität deiner Geschichte, rücke sie in den Fokus und passe den Rest deiner Geschichte dazu an. Zu dem angestrebten, dreckigen Realismus passt eine "Auserwählten"-Geschichte höchstens als Wahnvorstellung.

Und: lies deinen Text bitte, bitte noch mal Korrektur. Da sind echt ziemlich viele Fehler drin, was wahrscheinlich bisher auch einige Leser abgeschreckt hat. Wenn du das behoben hast, kommen vielleicht auch mehr Kommentare rein.

Ich hoffe, ich konnte ein paar hilfreiche Tipps da lassen.

Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Hallo Vulkangestein,
erstmal danke für dein Feedback und die vielen Korrekturen. Muss mich am Wochenende mal an beide Geschichten, die online sind ransetzen und korrigieren:D
Ich verstehe was du meinst, dass man die Welt nicht direkt schon wieder 180 Grad umdrehen kann. Ich habe versucht, Chris zu dem werden zu lassen, was er eig. hasst. Sprich vom Bürgermeister der bedacht handelt, zu einem Verrückten, der sich selber als Erlöser sieht. Ich will ja in keinster Weise in dem Text ausdrücken, dass er das auch ist, aber die Leute sehen ihn so. Er hat sich gegen die das Regime gestellt und zurückgeschlagen. Er ist ja sozusagen für sie ein Hoffnungsschimmer aus der Folter rauszukommen. Das Militärregime, hält diese Leute ja praktisch gefangen. "Leben kann man das ja nicht nennen" (muss mal lernen wie man hier richtig zitiert:D).
Und zu deinen Fragen, ja ich habe zwischendurch auch an V wie Vendetta, aber auch an verschiedene Animes wie Death Note (Light als Retter) oder Code Geass (Lelouch als Revolutionist) gedacht.
Am Wochenende schreib ich btw auch noch eine Kurzgeschichte fertig, mit einem durchdrehenden Protagonisten, ohne dieses Auserwähltenklischee. Vielleicht gefällt dir diese ja besser ;)
Grüße
Yannik

 

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