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Phänotyp

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13.02.2008
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Phänotyp

Die Häsin hat ihre schönen Ohren eng an den Körper gelegt. Die glänzenden Augen rollen nervös, doch die Blume ist eifrig in die Höhe gereckt. Karl muss Hector hinaufhelfen. Das verdrehte Bein hindert den Aufstieg, doch sobald die Häsin erklommen ist, verrichtet der Rammler seine Pflicht, bis er schließlich in der Bewegung erstarrt und wie tot ins Stroh hinabgleitet. Das rosa-blau melierte Narbengewebe in seiner Augenhöhle pulst rhythmisch und das zerfetzte Ohr kommt auf dem schimmernden Fell der schwarzen Häsin zu liegen, die sich nun zu putzen beginnt.
„Gut gemacht, alter Junge. Das war die Letzte“, sagt Karl und hebt den schwer atmenden Hector mit beiden Händen aus dem Käfig. Zwischen seinen Fingern spürt er die knotigen Verwachsungen auf Rücken und Flanke, die Tackernaht, an der das Fell ausgegangen ist, und muss sich zusammenreißen, den großen Rammler nicht fallen zu lassen. Hector fühlt sich an, als wiege er das Doppelte seiner sechs Kilos. Er hilft nicht mit beim Tragen, hat keinerlei Körpertonus.
Als Karl ihn in den Keller hinüberträgt, flüstert er beruhigend: „Gleich ist gut, mein Freund“, und denkt zurück an die schreckliche Gewitternacht vor sechs Wochen.

***

Karl lag neben Helga im Bett, als er plötzlich meinte, zwischen den Donnerschlägen hysterische Schreie zu hören. Er hielt die Luft an, um besser lauschen zu können und warf dann die Bettdecke zurück. Ohne auf Helgas Fragen zu reagieren, stieß er die Füße in die Schlappen und rannte im Nachthemd durch den strömenden Regen zum Kaninchenschuppen.
Dort erleuchtete ihm ein Blitz die Szene.
Der Hund ließ das reglose Bündel sofort fallen, als er Karl erblickte. Im nächsten Augenblick war alles schon wieder in Finsternis gehüllt und Karl spürte das feuchte Haar des flüchtenden Tiers an seinem nackten Bein vorbeistreifen. Er konnte sein Fell riechen.
Karl schaltete das Licht ein, ohne darüber nachzudenken, ob er sich des Anblicks, der ihn nun erwartete, überhaupt gewachsen fühlte.
Als er in sich zusammensackte, war ihm, als sei die Luft soeben flüssig geworden. Mit schmerzender Kehle schob er sich auf den Knien zu seinem Zuchtrammler hinüber, der flach atmend auf der Seite lag. Hectors mit 14,5 Punkten preisgekröntes Fell lag in großen Büscheln am Boden – blau und weiß; die Härchen der Unterwolle so fein, dass einige noch immer im Luftzug der geöffneten Tür tanzten und nun in Karls Nasenlöchern kitzelten.
Die kleine Nase mit dem perfekten Schmetterling bewegte sich schnell. Mit jedem Atemzug blubberten rosige Bläschen aus den Nüstern. Das linke Ohr, das fehlerlose linke Ohr war völlig zerkaut. Die starken Adern, deren Ornament Karl so gerne im Gegenlicht betrachtet und befühlt hatte, pumpten mit jedem Herzschlag hellrotes Blut auf den Estrich. Das Nackenfell um den makellos gezeichneten Keil war von Blut und Speichel völlig durchnässt, die Haut zerrissen. Eine lange Scharte lief neben dem Aalstrich das Rückgrat entlang und zerstörte die vollendete Symmetrie der Scheckung. Das verbliebene Auge starrte Karl aus seinem Ring heraus unverwandt an. „Flehentlich, ja flehentlich“, entschied dieser.
Als Karl schließlich zitternd und haarig zurück ins Haus schlurfte, saß Helga blass auf der Kücheneckbank, auf dem Schoß eines ihrer gutverarbeiteten Fellkissen.
„Du hast ihn nicht geschlachtet?“, fragte sie ungläubig, nachdem er ihr von Hectors Wunden erzählt hatte, von dem zertrümmerten Lauf und dem ruinierten Fell.
Karl schüttelte den Kopf und wischte sich die Nässe aus dem Schnäuzer: „Innen ist er noch immer Extraklasse. Wer weiß, vielleicht schafft er es.“
In dieser Nacht schlief Karl nicht, konnte er doch nicht vergessen, wie der großrahmige Körper bei jedem Tackerklacken gezuckt hatte und wie ihn die Augenpaare aus den umliegenden Käfigen angestarrt hatten, als er das in Mull gewickelte Fleischbündel zuletzt in einen intakten Käfig gebettet hatte.

Tatsächlich zeigte sich Hectors Körper von einem unbändigen Lebensdrang behaust. Allein, das verbliebene Auge blieb stumpf und das intakte Ohr unbeweglich. Außerdem wollte es Karl scheinen, als fräße der Bock nur widerwillig, kein Vergleich zu der Begeisterung, mit der er früher die Löwenzahnblätter mit seinen starken Zähnen durch die Drahtmaschen gezogen hatte.
„Er will nicht mehr“, sagte Helga und weigerte sich fortan, das „gruselige Tier“ zu füttern.

Während Hectors Wunden heilten, machte Karl sich auf die Suche nach frischem Blut. Er kaufte selbst Häsinnen, über die er normalerweise gelacht hätte: keine Ausstellungstiere, die Körperform unter aller Sau. Es würde viel Ausschuss geben, doch die Masse, so hoffte er, würde es machen: dreißig Häsinnen. Als es schließlich so weit war, verweigerten sich viele dem entstellten Hector.
„Wertlose Tiere“, brummte Karl und war sehr unglücklich, dass er Fremdtiere hatte einkaufen müssen, nachdem er seine eigene Linie in jahrelanger Kleinarbeit aufgebaut, die Körperform optimiert und das Zeichnungsbild verbessert hatte. Die Belohnung für all diese Mühen war Hector gewesen, mit 99 Punkten Deutscher Meister auf der Bundesrammlerschau – jetzt nicht mehr als ein Kinderschreck, ein Frankensteinkaninchen.
Und es schien, als pumpte Hector sich die gerade erst zurückerlangte Lebenskraft mit jedem Deckakt wieder aus dem Körper. Es war zum Schluss kaum mehr als ein mit Kaninchenfleisch und -sperma gefüllter und unsauber verarbeiteter Fellbeutel, den Karl von Käfig zu Käfig schleppte. Einzig in den wenigen Sekunden, in denen Hector folgsam aber wenig enthusiastisch auf den Häsinnen hoppelte, wirkte er zumindest halblebendig.

***

Die Haut löst sich nur schwer vom Körper, selbst nachdem Karl die Läufe abgeschlagen hat. An vielen Stellen ist sie in Wülsten mit dem Fleisch verwachsen. Karl schneidet diese Stellen grosszügig heraus und wirft sie in die Tonne, in der schon die Eingeweide dunkel glänzen, doch dann schüttelt er den Kopf, streicht sich den Schweiß mit dem Handgelenk aus der Stirn und wirft den ganzen Körper hinterher. Helga würde sich sowieso weigern, das zu kochen. Selbst das Fell ist völlig nutzlos. Sie wird es nicht für die Näharbeiten der Frauengruppe verwenden können.

Das Einzige, was Karl in den folgenden Wochen tröstet, ist zu beobachten, wie sich die Bäuche der Häsinnen runden und wie diese schließlich beginnen, sich das weiche Bauchfell auszurupfen, um in den Käfigecken Nester zu bauen. Es ist Hectors Vermächtnis, das dort heranwächst.
Und dann, endlich, ist der Tag gekommen. In den Nestern der fünf Häsinnen, die zuerst über Hector gezogen wurden, wuselt es. Karl öffnet den Käfig, streichelt die langen Ohren der hübschen Schecke – sie ist aus seiner eigenen Linie – und zupft vorsichtig Stroh und Haar von den nackten Körperchen, um die Totgeburten und die Weißlinge auszusortieren. Alle Tiere leben und recken zittrig ihre Köpfchen. Die Augen sind noch geschlossen, doch irgendetwas stimmt nicht.
Karl nimmt eines der Jungen heraus. Und nun, da er den Nestling in den Händen hält, fühlt er, dass etwas mit dem hinteren Beinchen nicht in Ordnung ist. Und erst jetzt, im Licht der Neonlampe, sieht er auch die dunkelroten Wülste, die sich nicht nur am Rückgrat entlangziehen. Die Haut spannt sich straff über einem Auge, doch über dem anderen hängt sie schlaff, wie über einem Hohlraum. Erschrocken lässt er das Junge zu Boden fallen, wühlt hektisch nach den übrigen und hebt sie nacheinander ins Licht, stürmt zu den anderen Käfigen und kontrolliert die Nester.

Schwindelig und schweißgebadet lässt Karl sich auf einen Ballen Heu sinken. Lange betrachtet er die rosigen Würmer, die sich auf dem grauen Boden winden, dann nimmt er einen tiefen Atemzug, rappelt sich auf und verlässt den Schuppen, um den Eimer mit Wasser zu füllen.

 
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gern gelesen

Hallo feirefiz,

du scheinst schon öfter mit Hasen in Kontakt gekommen zu sein.

Die Geschichte kommt sehr routiniert rüber - gut geschildert.
Was mir vielleicht fehlt: Man hätte Hypothesen anstellen können, warum Hector so "baufällig" wurde - noch mehr auf die Hintergründe der Krankheit.

Die Belohnung für all diese Mühen war Hector gewesen, mit 99 Punkten Deutscher Meister auf der Bundesrammlerschau – jetzt nicht mehr als ein Kinderschreck, ein Frankensteinkaninchen.

Die Frage, die sich stellt: Hektor ist die 99 Punkte. Hat es da keine anderen Hasen, die vielleicht wieder einen Hektor erzeugen könnten,denn als männlicher Part nur Hektor vorkommt? Man frägt sich schon, da Hasen sehr "produktiv" sind, wo die Männer geblieben sind.

Wegen den Würmern (Jungen)

Wurden Hectors Gene wirklich so geschädigt, dass er keine richtigen Jungen erzeugen konnte? Der Schluss ist für mich ein wenig skrupellos. Da kommen einfach so kleine Frankensteine heraus.

dann nimmt er einen tiefen Atemzug, rappelt sich auf und verlässt den Schuppen, um den Eimer mit Wasser zu füllen

Mir wird nicht klar, welche Rolle der Eimer mit Wasser spielt. Sollen die Hasen darin ertränkt werden? Gesäubert werden?

Aber gern gelesen, da die Geschichte mit Mühe geschrieben wurde, und mit einem guten, sicheren und interessefassenden Stil erzählt wird. Mir wird sie noch lange in Erinnerung bleiben.

MfG Mantox

 

Hallo feirefiz,

Danke für diese Geschichte, die bei mir persönlich schon fast als Horror funktioniert. Bei sowas grusele ich mich mehr als bei irgendeinem splatter mit abgetrennten (Menschen)Köpfen und Gliedmaßen ...

Ich hatte im Kopf schon eine Antwort formuliert im Sinne von "was für ein Blödsinn, die Verletzungen können auf keinen Fall vererbt werden", dann sah ich, dass wir uns in Seltsam befinden -also ist das okay, schätze ich ;)

Aber bei einer Sache möchte ich trotzdem nachfragen: Bist du dir mit den Hasen sicher? Gibt es schwarze und gescheckte Hasen?
Mir ist klar, dass es Kaninchen in diesen Varianten gibt, aber bei Hasen kenne ich eigentlich nur Feldhasen. Und Schneehasen meinetwegen.
Ich weiß auch nicht, ob die Hasenzucht so etabliert ist. Die Kaninchenzucht ganz sicher, aber Hasenzüchter und Hasenschauen?
Habe aber nicht viel Ahnung davon, ist nur so'n Verdacht ins Blaue, dass es um Kaninchen (bzw. "Stallhasen") gehen sollte in deiner Geschichte.

 
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Hallo zusammen,

Mantox:

Was mir vielleicht fehlt: Man hätte Hypothesen anstellen können, warum Hector so "baufällig" wurde - noch mehr auf die Hintergründe der Krankheit.
Also Hector wurde eben von diesem Hund ganz fuerchterlich verstuemmelt. Und obwohl seine aeusserliche Wunden vernarben, hat sich in ihm auch etwas veraendet. Er ist nicht mehr derselbe. Was genau vor sich geht, weiss man nicht. Es ist eben seltsam - in ein Kaninchen kann man nicht hineingucken. Und Karl sieht diese Veraenderung zwar, denkt aber nicht weiter darueber nach, weil er eben so wild ist zumindest Hectors kostbare Gene zu konservieren. Da die Geschichte im personalen Modus geschrieben ist, kann der Erzaehler da nicht mit eigenen Erklaerungsversuchen ankommen. Helga vermutet ja, dass Hector den Lebenswillen verloren hat.

Die Frage, die sich stellt: Hektor ist die 99 Punkte. Hat es da keine anderen Hasen, die vielleicht wieder einen Hektor erzeugen könnten,denn als männlicher Part nur Hektor vorkommt? Man frägt sich schon, da Hasen sehr "produktiv" sind, wo die Männer geblieben sind.
Natuerlich gibt es noch andere Rammler, aber die Kaninchenzucht ist sehr kompliziert. Und es ist auch viel Glueck dabei, wenn so ein perfektes Exemplar dabei herauskommt. Insofern sind Tiere mit idealen Merkmalen fuer die Zuechter extrem wertvoll. Sie lassen sich eben nicht einfach multiplizieren.

Wurden Hectors Gene wirklich so geschädigt, dass er keine richtigen Jungen erzeugen konnte? Der Schluss ist für mich ein wenig skrupellos. Da kommen einfach so kleine Frankensteine heraus.
Also die Grundidee war einfach die Folgende: Fuer einen "seltsamen" Moment werden die Regeln der Vererbungslehre ausser Kraft gesetzt. Das funktioniert so nur bei literarischen Kaninchen. [hier hatte ich mehrere Erklaerungshypothesen eingesetzt, dann aber wieder gestrichen, weil ich das dem Leser nicht vorweg nehmen will. Sie ereichen Dich per PN)

Mir wird nicht klar, welche Rolle der Eimer mit Wasser spielt. Sollen die Hasen darin ertränkt werden? Gesäubert werden?
Die armen kleinen Frankensteine. Ich fuerchte ersteres. Sowas tut man in der Kaninchenzucht mit missglueckten Tieren. Die sind sonst reine "Futterverschwendung"

Moechtegern:

Danke für diese Geschichte, die bei mir persönlich schon fast als Horror funktioniert.
Das freut mich! Fuer mich war's naemlich auch Horror. Ich hatte nur Angst, dass ich aus dem Horror-Forum achtkantig rausfliegen wuerde.
Zur Hasenfrage: Es handelt sich hier um Kaninchen der Marke Deutsche Riesenschecke. Weibliche Kaninchen werden Haesinnen genannt. Da kann ich nichts fuer, ich entschuldige mich trotzdem fuer die Irritation.

Are-Efen:

freut mich, dass der Titel gefallen hat. Ich war selbst ein bisschen stolz drauf. Alte Schwaeche fuer Genetik.
Die Kaninchenzuechter sind ein wahrlich wundersames Voelkchen und bestimmt kann man da auch allerhand Religioeses in der Suche nach der Perfektion sehen. Man spielt eben ein wenig Gott, oder Evolution - je nach weltanschaulicher Ausrichtung - "frisches Blut einkaufen" war z.B. ein Fachausdruck, der mich sehr faszinierte. Auf der anderen Seite wird diese Zucht sehr pragmatisch und effizient betrieben, was in Begriffen wie "aussortieren" und "Futterverschwendung" zum Ausdruck kommt.

Danke fuer die Kommentare,

feirefiz

 

hallo feirefiz!
Echt gute Geschichte! (Und das ist nicht als Revanche zu verstehen. ;)) Nein, die ist schön seltsam und brrr! Also die geht auch für mich als Horror durch, weil mich das Bild des Frankensteinshasen und seiner Nachkommen immer noch beschäftigt. - Hab die Geschichte nämlich kurz nach ihrem Erscheinen gelesen. Dachte aber, ich lass sie wirken, könnte voreingenommen sein, bin nämlich mit Kaninchenställen aufgewachsen und hab meinem Vater oft beim Schlachten assistiert. Aber das ist ne andere (Horror-)Geschichte... :D

Was mir vor Allem gefallen hat, war Karls Fanatismus. Und der Hase, der hat auch Persönlichkeit! Ich hab zwar nach den Stellen gesucht, wo die kodiert ist, aber so sicher bin ich mir immer noch nicht: Sein Aussehen, der Sex oder sein Vermächtnis? Vielleicht auch der Blick! Aber schließlich ist das die Kunst, den Leser so von der Seite zu erwischen.

Egal! Gute Idee, das mit der Phänogenese (kann man auch noch gebrauchen) und "schön" umgesetzt. Kompliment!

Gruß
Kasimir

 

Hallo Kasimir,

freut mich, dass es Dich gegruselt hat und auch, dass Du als Experte offensichtlich keine sachlichen Fehler entdeckt hast. Wie das mit dem Schlachten vor sich geht, musst Du mir mal erklaeren, das konnte ich nicht ergoogeln.

Und ja, Hector hat Persoenlichkeit.

Er hilft nicht mit beim Tragen, hat keinerlei Körpertonus.
Passiv aggressiv wuerde ich das nennen. Doch das eigentlich gruselige ist ja, dass man nicht weiss, was hinter der leeren Augenhoehle vor sich geht. Ich denke ich war unterbewusst von watership down insipriert, dem ultimativen Kaninchenhorrorfilm, der mich als Kind wirklich traumatisiert hat, zerfetzte Ohren und zipp und zapp. Hector sieht wohl so aehnlich aus, wie das boese, einaeugige Oberkaninchen.

[ame="http://de.youtube.com/watch?v=_5I9izys2ek"]http://de.youtube.com/watch?v=_5I9izys2ek[/ame]
Mutter, wie konntest Du mich sowas gucken lassen?

Gute Idee, das mit der Phänogenese
Ich habs zwar noch nie irgendwo gelesen, aber ich bin mir sicher, da ist vor mir schon jemand drauf gekommen.

vielen Dank und viele Gruesse,
feirefiz

 

Wie das mit dem Schlachten vor sich geht, musst Du mir mal erklaeren,

Ich kann mich nur daran erinnern:
Töten durch einen kleinen Schnitt am Hals oder Schlag auf den Kopf, damit das Fell möglichst intakt bleibt. Das Tier an den hinteren Läufen an Haken aufhängen. Mit einem scharfen Messer das Fell nach und nach vom Körper abtrennen und nach unten abziehen, darauf achtend, es nicht zu beschädigen. Ist das Fell abgezogen, kann man damit anfangen, die Innereien (vorsichtig und sauber) herauszunehmen. Das Fell wurde an einer Seite geschnitten und zum Trocknen ausgebreitet an eine Holzwand genagelt. Das Kaninchen selbst wurde mit einer geheimen Füllung gestopft, zugenäht und in den Ofen geschoben. Aus den Fellen wurde trotz Sorgfalt und Mühe nie was Gescheites, sie blieben jahrelang an den Holzwänden unseres Schuppens hängen. Das Kaninchenfleisch hingegen wurde wie beschrieben zubereitet sofort feierlich verspeist. Mhhhmmm!
Ist gar nix gegen watership down. :D

Und ja, Hector hat Persoenlichkeit.
Zitat:
Er hilft nicht mit beim Tragen, hat keinerlei Körpertonus.
Hehe!

Gruß
Kasimir

 
Zuletzt bearbeitet:

Wow, Kasimir, endlich bin ich klueger. Jetzt muesste ich womoeglich meine Haeutungsszene ueberarbeiten. Hm, aber es waere doch so schoen wenn die Gedaerme schon vor dem Fell im Eimer schimmerten. Mal sehen.

Ausserdem fand ich heute dies, was mein prophetisches Gespuer eindeutig beweist:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,569871,00.html

Die naechste Geschichte wird wohl von mitohcondrialer DNA und Eispende handeln. Gruselig!

 

Wow, Kasimir, endlich bin ich klueger. Jetzt muesste ich womoeglich meine Haeutungsszene ueberarbeiten. Hm, aber es waere doch so schoen wenn die Gedaerme schon vor dem Fell im Eimer schimmerten. Mal sehen.
Mach dir da keine Gedanken, Karl ist ein Züchter, der muss keine Ahnung vom Schlachten haben. Außerdem ist Hector eh 'ne Ausnahme.

Danke für den Artikel! Ich geh jetzt ein paar Gene einschalten. :D

 

Salü feirefiz,

letzten Freitag las ich Deine Geschichte auf nüchternen Magen - und nüchtern blieb er dann auch bis zum Mittagessen (allerdings dann einem frühen). Ich musste weg und komme erst heute zum kommentieren. Also, hier den ersten Satz, nimm bitte als Lob, denn wenn eine Geschichte es fertig bringt, meine Eingeweide ins rotieren zu bringen und mir den Appetit zu verderben, dann muss sie gut sein und sie muss gut geschrieben sein, sonst würde sie nicht so nach innen durchschlagen. Eine wirklich gute und total unschöne Geschichte, was sich nicht widersprechen muss und dies auch in der Qualität nicht tut. Unglaublich Deine Beobachtungsgabe, die mich so in den Text hineinzog, dass ich fast den Bus versäumte.

Hier noch ein paar kleine Mängel, die Du schnell ausräumen kannst:

Das rosa-blau melierte Narbengewebe in seiner Augenhöhle pulst rythmisch

> rhythmisch

und muss sich zusammenreissen, den großen Rammler

> zusammenreißen

lag in großen Büscheln am Boden – blau und weiss;

> weiß;

die Haut zerissen.

> zerrissen

von einem unbändingen Lebensdrang

> unbändigen

Ausserdem wollte es Karl scheinen

> Außerdem

Karl öffnet den Käfig, steichelt die langen Ohren

> streichelt

Mein Lob und liebe Grüsse,
Gisanne

 

Liebe Gisanne,

rotierende Eingeweide nehme ich auf jeden Fall als Lob. Vielen Dank dafuer. Ich moechte doch aber festhalten, dass solches Brrr-Zeug eher Entgleisung ist, sonst (fast) immer nur Liebe und andere Zartheiten. :shy:
Doch auch wenn der Phaenotyp nicht Herzenstext ist, freut sich zumindest der schwarze Teil meiner Seele, wenn er unschoen Appetit verderben kann.

Zur Vervollstaendigung meines kleinen Kaninchen und Genetik-Portfolios noch dies:

http://www.kaninchen-f52.de/Grosse%20Rassen/deutsche-riesenschecken.JPG

Das ist Hector vor der Op.

liebe Gruesse und schoenen Dank

fizefeuerzahn

 
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Du meine Güte, feirefiz.

Diese Geschichte war irgendwie völlig an mir vorbeigegangen. Da wird mir ja schlagartig einiges klar.
Wo, frage ich Dich, nehme ich denn jetzt nur all die Säcke und Aschen her, um mich damit zu bewerfen?
Andererseits könnte ich auch einfach geschickt von meiner Schuld ablenken, indem ich zur Geschichte schreibe. Aus dem allerhohlsten Spontanbauch.
Erstens hat es mich schrecklich gegruselt. Das ist eine schauerliche, eine gräßliche Geschichte! Mir ist das Lachen im Gesicht abwechselnd schockgefroren und wieder aufgetaut, das gibt sicher Falten, wenn nicht gar Runzeln.
Dieser arme, arme, widerliche, schreckliche Hase! Was ich mir da alles zu vorstellen mußte! Meet the Feebles und Phantom der Oper und Donnie Darko und Kriegsopfer und was nicht noch alles. Dabei ist es doch nur ein echter armer Hase, der einen Unfall hatte und bei dem man ja nichtmal mit Sicherheit sagen kann, wie er seine Situation sieht. Immerhin lebt er noch. Vielleicht hat sein Hasenhirn alles längst vergessen, und er denkt nur abwechselnd "Au, da tut was weh" und "Oh, rammeln!".
Ich kann mich nicht wirklich in den Hasen (als Hasen) hineinversetzen, sonst kommt Hranulf mit seinem Sack, aber:
Das Verhalten des Besitzers quälte mich an den Spiegelneuronen.

1. Er hat den verstümmelten Hasen nicht sterben lassen, weil er ihn für seinen züchterischen Ehrgeiz weiterbenutzen wollte.
2. Er wollte nicht, daß sein liebster Hase stirbt, ohne wenigstens sein Vermächtnis zu hinterlassen.
Da sind zwei Pole, die könnten poliger nicht sein und berühren krasseste Heikelkeiten.
Dazwischen gibt es noch unendlich Grauzonen, und dann gibt es auch noch Helga!
Helga mit ihrer gesunden Einstellung: Das ist kein Hase mehr, denn halbe Hasen gibt es nicht-
-und dann fielen mir plötzlich Kinder ein, die gesund geboren werden, einen schrecklichen Unfall hatten und dann behindert sind, diese Behinderungen, wo das Hirn kaputt ist und der Körper nur noch Krämpfe hat, und ganz schlimme Fragen kamen mir in den Sinn: Was macht man, falls dem eigenen Kind so etwas passiert? Was soll geschehen, falls es einem selbst passiert?
An dem Punkt lief mir die Interpretation aus dem Ruder, ich dachte an Bilder von Hirntoten, schließlich an KZ-Ärzte und die Grenzen der Moral und mußte gewaltsam weiterlesen.

Die Sache mit den vererbten Verstümmelungen fand ich dann klasse und sehr überraschend, aber erstmal gar nicht so wichtig, weil ich völlig in s.o. befangen war. Im Nachhinein fiel mir auf, daß das ja den Titel erklärt, den hatte ich während des Lesens völlig vergessen.
Wahnsinn.

Jetzt gehe ich aber duschen, verdrängen und tanzen.
Saugute Geschichte.

Makita.

P.S. Jetzt, da ich sauber bin, sehe ich, wie die Geschichte an mir vorbeigehen konnte. Ich war ja im Urlaub, Mensch.

 

Jetzt, da ich sauber bin, sehe ich, wie die Geschichte an mir vorbeigehen konnte. Ich war ja im Urlaub, Mensch.
Ja ja, was man mit sauberen Ohren nicht alles sieht.

Mir ist das Lachen im Gesicht abwechselnd schockgefroren und wieder aufgetaut, das gibt sicher Falten, wenn nicht gar Runzeln.
Ha! Das heißt also, dass Du auch über Hectors Unglück gelacht hast, was Dich zu einem argen Bösling macht. Ich hatte auch eine böse Freude hier und da.

Beim Thema Hermetik der Hasenseele stimme ich Dir natürlich vollkommen zu.

Da sind zwei Pole, die könnten poliger nicht sein und berühren krasseste Heikelkeiten.
Die Rassekaninchenzucht ist ein schizophrenes und anstößiges Hobby.

Zu den KZ-Ärzten wollte ich eigentlich gar nichts sagen, bis mir einfiel, dass ich vor Jahrzehnten diesen Katzenkrimi las, wo es um Mendel und Rassekatzenzucht ging - Arierkatzen irgendwie. So hüpft man fröhlich verstört von Darwin zum Sozialdarwinismus und von Mendel zu Mengele. Und tatsächlich geht es in diesem Text am äußerst unangemessenen Beispiel auch um Moral.

lg frfz (frafuz zum Beispiel)

 
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Hi,

Auch für mich ist es eine Horrorgeschichte von der etwas subtileren Sorte, aber eben solche Geschichte erzielen ja auch eine viel größere Wirkung. Ich weiß nicht was mich an der Geschichte so gegruselt hat, möglicherweise wirst du mir das verraten müssen; aber ich fand sie erschreckend - und das obwohl es nicht um Menschen sondern um einen Hasen geht. Ich glaube die Sympathie für die Tiere verstärkt sich enorm, wenn man die Geschichte gelesen hat.
Hast du übrigens den Fall des Hasen absichtlich so dramatisch herausgestrichen? Er fällt schließlich viel tiefer, wenn er um so höher vorher stand, die Dramatik ist viel stärker.


Grüsse

Shineorrain

 

Hallo shineorrain,

leider kann ich Dir nicht verraten, was Dich gegruselt hat. Bei mir ist es ja die Tatsache, dass man nicht weiss, was in Hector passiert, und das alles vor dem Hintergrund meines watership-down Traumas.

Hast du übrigens den Fall des Hasen absichtlich so dramatisch herausgestrichen? Er fällt schließlich viel tiefer, wenn er um so höher vorher stand, die Dramatik ist viel stärker.
Ja natürlich, wenn dieses Unglück einem ohnehin verhunzten Mangelhasen zugestoßen wäre, wäre es ja keine Geschichte, sondern bloß ein Sonntagsbraten gewesen.

Vielen Dank für Deinen Kommentar,

feirefiz

 

Hallo feirefiz,

harter Stoff, den Du hier servierst. Durch die Perspektive von Karl kommt der Horror fies subtil rein, die beläufig erwähnte Tackernaht bestätgt meine Befürchtung in Bezug auf den angewandten Pragmatismus ebenso, wie die sich allesamt auf dem Beton windenden Würmchen, das sind wirklich miese Bilder fürs Kopfkino, mein Kompliment für Deine eindringliche Erzählung.
Und natürlich ist es ein moralischer Text und einer der guten Sorte, weil er keine Moral direkt transportiert, sondern dem Leser die Wahl lässt.

Den Spannungsbogen baust Du gut auf, die Pointe sitzt und die Gänsehaut nach dem Lesen und auch die verdrängten Erinnerungen an Watership Down auas frühen Kindertagen halten vor.
Einzig dieser Einschub hat mich beim lesen immer wieder gestört :

Auch jetzt wird ihm wieder kalt, als er sich an die Szene erinnert, die ihm dort im Schuppen von einem Blitz erleuchtet wurde.
Da bist du schon in dem Rückblick drin, warum der Einschub, der hier keinen stilistischen Sinn gibt, ich würde ihn rausnehmen.

eine Textmäkelei noch :

Und es schien, als pumpe Hector sich die gerade erst zurückerlangte Lebenskraft mit jedem Deckakt wieder aus dem Körper.
pumpte

Sehr intensiver Text !

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo C.Seltsem,

ich freue mich, dass der Text so intensiv wirkt. Das merkt man als Autor ja erst an den Reaktionen der Leser.

Und natürlich ist es ein moralischer Text und einer der guten Sorte, weil er keine Moral direkt transportiert, sondern dem Leser die Wahl lässt.
Vielen Dank. Das ist mir wichtig. Ich glaube Moralfragen müssen in Texten immer ehrliche Fragen, d.h. ohne irgendwie vom Autor nahegelegte Antwort sein, sonst wirds moralisierend. Und tatsächlich habe ich selbst auch nur Fragen und keine Antworten zum Thema.

Da bist du schon in dem Rückblick drin, warum der Einschub, der hier keinen stilistischen Sinn gibt, ich würde ihn rausnehmen.
Da wollte ich wohl irgendwie die Nachhaltigkeit betonen. Aber Du hast Recht. Fliegt raus auch das mit dem Konjunktiv wird geändert, was das betrifft verlässt mich mein Sprachgefühl immer wieder.

Vielen Dank für Deine Textkritik

Außerdem noch vielen Dank an Makita für die Empfehlung. Hat mich sehr gefreut, obwohl ich mich jetzt auch ein bisschen fürchte.

lg
fiz

 

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