Mitglied
- Beitritt
- 02.03.2018
- Beiträge
- 6
Pfefferminzkuss
„Jungs sind so schlechte Verlierer!“
Sie stand vor mir an der Essensausgabe der Schulmensa und plauderte mit einer Freundin. Ich starrte auf lange hellblonde Haare, die zum Pferdeschwanz gebunden waren, der ihr lang über den Rücken fiel und im Rhythmus ihrer Worte hin und her pendelte.
„Wie kann man nur den Staffelstab fallen lassen!“ In den spöttischen Klang ihrer Stimme mischte sich eine nicht zu überhörende Verwunderung.
„Und vor der Übergabe zu früh losrennen!“ Ihre Freundin grinste amüsiert.
„Und der Fehlstart am Beginn erst! Null Konzentration bei denen! Jedenfalls super, dass wir Mädchen schneller waren und die 4 mal 100 gewonnen haben! Das hat keiner der Jungs erwartet!“ Sie lachte gut gelaunt, warf den Kopf in den Nacken, und ihr fliegender Pferdeschwanz wehte mir einen frischen Duft in die Nase. Minze-Bergamotte. Meine mentale und sinnliche Aufmerksamkeit war auf sie ausgerichtet wie ein Richtmikrofon. „War eine super Idee von Frau Mending, die Jungs mal gegen die Mädchen antreten zu lassen. Einfach klasse, denen zeigen zu können wie schnell und ausdauernd wir sein können! Typisch, dass sie danach nur nach Ausreden suchten.“
„Schlechter Tag, schlechte Woche!“
„Schlecht ausgeruht, schlecht vorbereitet!“
Sie imitierten die Stimmen zweier Jungs, dann lachten sie hell und vergnügt.
„Ich bin jetzt schon total gespannt auf die nächste Sportstunde wenn wir…“
Die weiteren Worte verstand ich nicht. Mein Kumpel Finn müllte mir die Ohren mit irgendwelchen Champions League Prognosen zu und übertönte damit die Stimme des Minze-Bergamotte-Mädchens. Sie redete weiterhin lebhaft mit ihrer Freundin und trat dabei von einem Fuß auf den anderen. Ich schaute ihr hinterher, als sie mit federnden Schritten ihr Essen zu einem freien Tisch trug. Unter der eng anliegenden dunkelblauen Jeans zeichneten sich durchtrainierte Beine und feste Oberschenkel ab.
„Du bist dran!“ Finn stieß mich mit spitzem Ellbogen in die Seite.
Ich lud den Teller mit den Nudeln auf mein Tablett, ging weiter zum Pudding, und schaute unablässig zu ihr hin. Ein wippender Pferdeschwanz, zwei weit auseinander liegende braune Augen, energiegeladene Gesichtszüge…
„Was geht bei dir? Pass auf!“
Finns Warnung kam zu spät. Mein Nudelteller rutschte über das in Schieflage geratene Tablett frontal gegen meinen Bauch und die Tomatensauce schwappte auf mein T-Shirt, wo sie sich wie eine Welle am Strand brach.
„Mann, du siehst aus wie nach `nem Bauchschuss!“ Finn gluckste und grinste mich durch seine Streberbrille belustigt an.
Heftiger. Bei mir hatte der Blitz eingeschlagen. Eine klare, feste Mädchenstimme im oberen Altbereich, zwei Augen wie ein Traumfänger, die unschlagbar sportlichsten Beine auf diesem Planeten und eine Körperhaltung als würde sie gerade den Nobelpreis entgegen nehmen.
„Wer. Ist. Sie?“ Ich könnte jeden Eid schwören, dass ich mich zutiefst beeindruckt und komplett verlangsamt anhörte.
„Wer?“ Finn schob sich eine viel zu große Gabel Nudeln in den Mund.
„Dieses… Mädchen!“ Ich zeigte mit dem Daumen in ihre Richtung.
„Die Bohnenstange mit den kurzen Haaren?“
„Die ihr gegenüber!“
Finn zog gelangweilt die Schultern hoch. „Hast was auf den Augen, Mann?“ Ein weiterer Nudelberg verschwand in seinem Mund. Er kaute langsam, schluckte schnell und antwortete dann endlich: „Die geht eine unter uns in die Zehnte. Ist seit diesem Schuljahr auf unserer Schule.“ Er hörte sich an, als würde er eine Nachrichtensendung sprechen oder einen Verkehrsstau kommentieren. Seine Wahrnehmungsfähigkeit für umwerfende Traumgirls musste ihm in der Pubertät abhanden gekommen sein.
Ich dagegen litt seit fünf Minuten nicht mehr unter Augenproblemen. Warum war sie mir nie aufgefallen? Ich musste wie von einer unsichtbaren Macht gelenkt immer wieder zu ihr hinschauen und genoss die wundersame Heilung meiner Augen. Keine Erscheinung. Keine Einbildung. Kein Traum. Sie war real, so verdammt real.
Finn behandelte seinen Schokopudding, als würde er Zement anrühren. „Hast du was mit der?“
„Wie soll ich was mit ihr haben, wenn ich dich frage wer sie ist?“
„Du Logiker!“ Das schiefe Grinsen in seinem Gesicht bewies mir, dass er für so ein Gespräch nicht die erforderliche emotionale Intelligenz besaß. Trotzdem gab ich keine Ruhe. Er schien ungerechterweise mehr von dem zu wissen was ich nicht wusste und jetzt unbedingt wissen musste.
„Weißt du wie sie heißt?“
Meine Frage entlockte Finn lediglich einen gelangweilten Tonfall. „Fiona“ Noch eine Frage dieser Art, und er würde todsicher stöhnen.
Ich konnte nichts dagegen tun, dass mein Blick wie eine Angel in ihre Richtung ausgeworfen wurde. Ich wollte nichts dagegen tun.
„Magst du deinen Schokopudding nicht?“ Ohne meine Antwort abzuwarten grapschte Finn nach meinem Dessert, und ließ seinen Löffel im Sinkflug darin verschwinden. „Du hast ja gerade eine andere Süßspeise im Blick.“ Er grinste beinahe hinterhältig.
„Sie benutzt ein Minze-Bergamotte Shampoo!“ Ich sprach zu mir selbst.
„Du hast an ihr rumgeschnüffelt?“ Für einen Moment stand Finns Löffel unbeweglich in der Luft.
„Natürlich nicht! Sie stand lange genug dicht vor mir und…“
„Was noch?“ Ein Klecks Schokopudding landete auf der Tischplatte.
„Sie hat eine tolle Stimme!“
„Sie redet wie Mädchen eben so reden. Dir geht es gut, oder?“ Finns Augen nahmen für zwei Sekunden einen besorgten Ausdruck an. „Soll ich dir einen Schokoriegel besorgen? Nach dieser massiven Inanspruchnahme deines Seh-, Hör- und Geruchssinnes braucht dein Hirn Zucker.“ Er grinste mich frech an. „Sag mir Bescheid sobald dein Tastsinn sein blondes Ziel erreicht hat!“
„Idiot!“ knurrte ich.
Am Nachmittag saß ich mit Überlänge am Schreibtisch und schob meine Hausaufgaben entschieden zur Seite. Vor mir lag ein unbeflecktes Blatt Papier und wartete auf ein lyrisches Meisterwerk. Zwischen meinen Fingern rollte ich einen Kulli und ließ meine Gedanken kreisen.
Dann schrieb ich drauf los. Über ihr Aussehen, ihr Auftreten, ihre Stimme, die ich in meinem inneren Ohr zum Leben erweckte. Nichts reimte sich, keine Zeile passte zur anderen, der Rhythmus der Worte glich eher einem unbeholfenen Stolpern als einem leichten Dahineilen. Am Ende 44 zerknüllte Papierseiten mit verworfenen Entwürfen und eine Kleinigkeit, auf die ich mir ansatzweise etwas einbildete:
Sobald sie spricht,
werde ich stumm,
höre und höre.
Sobald sie geht,
schaue ich ihr nach,
ihrem Schweben.
Dass ich hin und wieder Gedichte schrieb oder so etwas was an ein Gedicht erinnern könnte, wusste niemand. Alles andere hätte garantiert den Untergang meines sozialen Status beschleunigt.
Von diesem Tag an sah ich sie auf dem Schulhof, vor der Schule, in den Fluren des Schulgebäudes. Ich sah ihr entgegen, ich sah ihr hinterher, ich sah zu ihr hin. Mein Blick saugte sie auf, wenn sie wie eine nie zerplatzende Seifenblase über den Schulhof schwebte. Ihr Bild manifestierte sich in meinem Hirn. Sie einfach mal anzusprechen traute ich mich nicht. Ihr kluger Gesichtsausdruck und ihre selbstsichere Ausstrahlung hielten mich auf respektvoller Distanz. Zumal ihre sehr große Freundin nie von ihrer Seite wich, und ich mir einbildete, sie würde sie gegen den Rest der Welt abschirmen.
Manchmal spielten wir in den Pausen mit einem Tennisball Fußball. Einmal verzog ich einen Schuss, und der Ball rollte gegen ihren Fuß, als sie gerade vorbei ging. Verunsichert und ganzkörpernervös holte ich den Ball und kam ihr dabei so nah, dass ich den fragenden Blick ihrer braunen Augen auffing, der über mich hinweg glitt wie ein Schlittschuh auf der Eisbahn. Ein praller Kloß im Hals und die Entdeckung dass die Gesetze der Schwerkraft scheinbar auch für Worte gelten hinderten mich an allem, was jetzt cool gewesen wäre. Sie ging an mir vorbei, ein Hauch von Pfefferminze und dazu ein blumiges Mädchenparfum streiften meinen Geruchssinn. Ihr blondes Haar glänzte in der Sonne wie eine polierte Zitrone. Ein Anblick, der mich am Nachmittag zu einem weiteren Gedicht inspirierte:
Glutrot leuchtet die Abendsonne
auf deinem Zauberhaar.
Sie versinkt am Horizont
und ich in deinem Anblick.
Es wird Nacht – ohne Sonne.
Es ist hell in mir – du bist da!
„Wo ist unser Ball?“ Das war einen Tag später.
„Ähhh… keine Ahnung – irgendwie verloren…“
Meine Kumpels zuckten die Schultern. „Muss halt ein neuer her. Kannst du nicht besser aufpassen, du Penner?“
Nie hätte ich zugegeben, dass der Tennisball in meinem Zimmer den Rang eines geborgenen Schatzes eingenommen hatte. Den Status einer begehrten Trophäe. Peinlich! Es befand sich etwas in meiner Verfügungsgewalt, was sie berührt hatte! Wahnsinn!
Ich schrieb ihr Gedichte, die sie nie bekam. Ich berauschte mich an meinen Versen und fand mich so was von gut. Goethe war gegen mich ein Langweiler. Träumte in den Nächten und tagträumte tagsüber. Ich verglich ihren Gang mit dem eines jungen Pferdes, ihre Haltung mit der eines uneinnehmbaren Turmes und ihr Haar mit einem wogenden Weizenfeld. Meine Schulnoten drifteten abwärts und meine Gedichte wurden besser.
Dann kam der Tag, der mein Tag hätte werden können. Ein Junge aus ihrer Parallelklasse ärgerte sie nach dem Unterricht auf der Wiese vor dem Schulgebäude. Ich legte damals, aus Gründen des persönlichen Ehrgeizes, täglich hundert Liegestützen hin. Sozusagen als harten Gegenpol zum beschaulichen Dichten. Man kann ja nie wissen. Ich fühlte mich unschlagbar und der Junge sah nicht nach Liegestützen aus. Ganz im Gegenteil.
„Lass mich einfach in Ruhe!“ Ihre Stimme war eine unmissverständliche Ansage. Sie wandte sich von ihm ab und wollte gehen.
Er grinste frech und sagte etwas, was ich nicht verstand. Sie drehte auf dem Absatz herum, stellte ihren Rucksack auf den Boden und baute sich vor ihm auf wie ein kraftvoll gespannter Jagdbogen.
„Sag. Das. Noch. Mal!“. Kein Mädchen, das sich einschüchtern ließ. Hätte ich auch nicht erwartet.
Er sagte es wohl noch mal, denn schon im nächsten Moment legte sie ihn blitzschnell mit einem Wurf über ihre Hüfte auf den Rücken.
„Reicht dir das? Hast du genug?“
Aus meinem Zögern war meine Verspätung geworden. Sie stand über ihm, die Arme in die Seiten gestemmt.
„Entschuldigst du dich?“ Bestimmermädchenton.
„Ich hab das doch gar nicht so … warum musst du gleich so brutal … ich wollte doch nur … und überhaupt du verstehst niemals Spaß … jetzt reg dich nicht gleich so tussig auf und entspann dich erst mal…“
Sie ging in die Hocke, dann thronte sie auf ihm, unbeeindruckt von seinem Wortschwall.
„… was soll das denn jetzt … lass mich los und werde nicht gleich so zickig … du musst mal wieder voll übertreiben und außerdem ist das total unfair weil ich außerdem kein Judo oder so was kann… und dein Gewicht ist Folter…“
Sie griff nach seinen Handgelenken und drückte seine Arme auf den Boden. „Entschuldigst du dich?“
Er zappelte planlos mit den Beinen herum, sie hielt seine widerstrebenden Arme fest und schaute ihn an als wäre er ein Irrtum der Evolution. Am Ende glich er mit seinem roten Gesicht und seinen sich windenden Beinen einem hilflosen Krebs. Sie hatte die anerkennenden Kommentare der Mädchen und das Lachen der Jungs auf ihrer Seite.
„Der macht gar nichts mehr, das war´s für ihn“, meinte eine Achtklässlerin neben mir zu ihrer Freundin.
„Cool flach gelegt. Klasse, Fiona!“ rief ein anderes Mädchen.
„Du hast echt gar nichts drauf! Ein kleiner Schwächling mit einem frechen Mund, das passt ja! Entschuldige dich! Und: gib auf und ärgere mich nicht mehr!“ Fionas Stimmer klang entschieden und fordernd.
„Aufgeben – Aufgeben – Aufgeben!“ riefen einige Mädchen und Jungs und klatschten dabei in die Hände.
Um sich durchzusetzen brauchte sie nicht eine einzige meiner hundert Liegestützen. Als sie wieder stand, erschien sie mir fünf Zentimeter größer. Keine Frage, ihr Auftritt fiel ziemlich beeindruckend und selbstbewusst aus. Die Komplimente ihrer Freundinnen nahm sie mit einem süßen und zugleich überlegenen Lächeln entgegen. Wieder einmal traute ich mich nicht, sie anzusprechen.
Ein Gedicht schreiben ist einfacher, als hundert Liegestützen in Szene zu setzen.
Vor den Sommerferien gab es das Schulsportfest. Sie war beim Staffellauf ihrer Stufe eine der Startläuferinnen. Ihr Gesicht spiegelte Ruhe und Konzentration wieder. Beim Startsignal startete sie wie eine Gazelle und lief den Mädchen der drei anderen Teams einfach davon und holte einen so großen Vorsprung heraus, den die nachfolgenden Gegnerinnen nicht mehr aufholen konnten.
Beim Badminton passierte das Unvorhergesehene. Ich wartete mit meiner Spielpartnerin Lisa auf das Mädchen und den Jungen, gegen die wir antreten sollten. Aus irgendeinem Grund, den ich wenig später dem Fingerzeig des gut meinenden Schicksals zuschrieb, tauchten die beiden nicht auf. Stattdessen stand Fiona mir gegenüber auf der anderen Seite des Netzes, zusammen mit einem Jungen aus ihrer Klasse. Ich schluckte. Verunsicherung überkam mich. Normalerweise war ich gut in Badminton, aber heute ging ich unter wie ein durchsiebtes Boot. Mir gelang so gut wie nichts, sie trieb mich über das Spielfeld wie einen Anfänger. Kraftvoll sprang sie in die Höhe und schlug den Ball so gezielt, dass ich ihn nicht erreichte. Lisa gelang es nicht, meine permanenten Fehler auszugleichen. Am Ende gaben Fiona und ich uns kurz die Hand. Ihr Händedruck fiel genau so stark aus wie ihr „Ich hab´s einfach drauf Blick.“ Sie lächelte freundlich, dann war sie schon weg.
Erstaunt und irritiert zugleich schaute mich Lisa an. „Was war das denn? So hab ich dich noch nie spielen sehen! Ich meine, Fiona spielt super – aber trotzdem! Was ist los heute?“
Was los war? – Fiona klang perfekt nach meinen Gedichten. Fiona war Poesie. Fiona war Melodie und Akkord zugleich. Fiona war Zielstrebigkeit und Entschiedenheit. Fiona war – einfach alles, was gerade zählte. Sie war das Ausrufezeichen und das Fragezeichen in meinem Leben.
So etwa hätte meine Antwort aussehen können. Was ich sagte, hörte sich nicht ganz so blumig an: „Keine Ahnung!“
Später sah ich Fiona allein im Gras sitzen und bei der Leitathletik zuschauen. Jetzt oder nie! Mein Pulsschlag raste nach oben, meine Zurückhaltung erodierte.
„Hi!“ Ich dachte nicht nach. Ich tat es einfach. Ich wagte den Sprung.
Sie sah mich prüfend an, einer ihrer typischen Blicke.
„Auch hi!“ Freundlich, etwas neugierig und nicht abweisend. Schon mal gut! Also weiter!
Ich hockte neben ihr. „Hast … ähm … hast klasse gespielt… vorhin, beim Badminton… meine ich.“ Wie einer der Gedichte schrieb, klang ich nicht.
Wieder der prüfende Blick aus braunen Augen. „Du gibst einfach so zu, dass ich gegen dich gewonnen habe? Vielmehr wir gegen euch? Wow! Viele Jungs erfinden doch gern Ausreden wie: Ich hab heute eine Verabredung mit meiner negativen Macht. Heute ist ein Tag ein schlechter Tag und nicht mein Tag. So was in der Art. Oder?“
„Ich nicht. Du bist richtig gut! Echt stark! Warum soll ich das nicht zugeben? Glückwunsch!“
„Danke!“ Ein stolzes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Außerdem bist du die schnellste Läuferin aus der Zehnten. Allein schon dein Start gelingt perfekt. Volle Konzentration. Auf den Punkt genau.“
„Hey, du hast mich beobachtet!“ Sie lachte bei ihren Worten.
„Ja. Gebe ich zu. Du stichst heraus. Ich meine – du…“ Ich hielt meinen Mund. Du stichst heraus – wie selten dämlich sich das anhörte!
Sie brach in ein prustendes Lachen aus. „Was weißt du noch über mich? Wenn du schon beim – Zugeben bist!“
„Nicht viel, Ehrenwort! Nur was ich so gesehen habe.“
„Und was hast du – so gesehen?“ Sie schaute mir mit großen Augen ins Gesicht.
„Deine sportlichen Einlagen. Deine Läufe, das Badmintonspiel vorhin, das Volleyballturnier vor zwei Wochen, den Judowurf.“
„Judowurf?“
„Die Sache mit Tim, der dich vor der Schule geärgert hat.“
„Ach das!“ Sie machte eine wegwerfende Bewegung. „Der gehört doch nur zu diesen frechen Angeberjungs, bei denen es für ein Mädchen völlig normal ist am Ende oben auf zu sein. Keine besondere Herausforderung. Wirklich nicht! Ich hab da so meine Tricks. Ich kann mich wehren und mit so einem klar kommen. Hab ich schon in der Grundschulzeit gelernt.“
Sie lachte mich an. Das Prüfende in ihrem Blick war verschwunden, an seine Stelle war ein klares Strahlen getreten. Zwischen uns beiden hatte die Sonne geparkt.
„Magst du Eis?“
Sie nickte. „Gern!“
„Bin sofort wieder da! Nicht weglaufen!“
„Nein!“
„Versprochen! Nicht weglaufen!“
Sie lachte fröhlich. Das schönste Mädchen auf Erden versprach mir zu bleiben. „Versprochen!“ rief sie.
Beim Eiswagen, der zu unserem Sportfest dazu gehörte, fand ich glücklicherweise was ich suchte.
Eine Minute später saßen uns gegenüber und schleckten kaltes Eis.
„Pfefferminzeis! Ich liebe es!“ Fionas Sternschnuppenblick löste einen Tsunami heißer Wellen in mir aus.
„Ich weiß.“
„Du – weißt?“ Sie fragte mich nicht woher und wieso. In ihrem Gesicht stand ein stilles Lächeln, gepaart mit positiver Überraschung.
„Wir können uns in den Sommerferien mal treffen“, schlug ich vor.
„Super gern! Und wenn´s gut läuft auch mehr als nur mal!“
Ich jubelte innerlich. War das hier wirklich kein Traum?
„Dann hast du genug Zeit um mir zu erzählen was du noch über mich weißt.“
Wir lachten beide und ich dachte an die Mensa, an Minze-Bergamotte Shampoo und an meine Gedichte. Es würde ein großartiger Sommer werden, da ich mich gerade mit dem großartigsten Mädchen verabredet hatte.
„Danke für das Eis!“ Sie hauchte mir einen Kuss auf die Wange, der sich kühl anfühlte und nach Minze roch. Ihr Atem trieb Nebelschwaden in mein Hirn. Dann stand sie vor mir, das sportlich - starke Mädchen. Beine so rund und fest wie Baseballschläger.
„Ich muss weiter. Hundert Meter rennen.“
„Ich bin dein Fan!“
Wieder „Wow“, wieder „Danke!“ Ein Lächeln süß wie Erdbeersauce. Für mich!
„Wir sehen uns!“ Sie winkte und eilte davon.
Ich schaute zu, wie sie Minuten später als Erste ins Ziel flog.
Ich hoffte, die Sommerferien kämen genau so schnell wie Fiona lief.
Auf meiner Wange spürte ich noch immer ihren Pfefferminzkuss.