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Peter und Hans bauen eine Sandburg
Pete und Jack bauen eine Sandburg
Pete und Jack waren Brüder.
Beide schwach im Geist und viel zu früh mit der Zange aus der Mutter rausgezogen. Weil sie's beide eilig hatten und wahrscheinlich die Hülle der Mutter schon damals nicht länger ertrugen.
Der Mutter selbst machte das nichts aus. Die kam mit dem geblähten Bauch und den Schmerzen in den Beinen sowieso nicht länger klar und war froh, die beiden Bastarde raus zu bekommen.
So war die Geburt von Pete und Jack eine Befreiung aller. Nur der Priester wollte nicht so recht, als es zum Taufen gehen sollte. Das er die beiden nicht vorsätzlich ins Taufbecken knallen ließ, hatte deren Mutter eher lieblos aber sonst voll bei der Sache in der Nacht davor in der Kemenate des Priesters arrangiert. Danach gab's kein Problem mit'm Taufen.
Sagen wir, jeder hätte auf die beiden Bastarde verzichten können und wenn die nicht schon da gewesen wären, hätte die beiden niemand hier vermisst.
Nun ja, irgndwann später hatten die beiden ihre Liebe zum Sand entdeckt. Kein Wunder. Von dem lag hier genug rum. Während ihre Mum mit irgendwelchen Pennern in den Strandkabinen rummachte, für'ne Cola oder weniger - wissen Sie, die echt guten Jobs waren schon längst alle hier und der Fischfang brachte uns grade mal das Notwendigste fürs nicht Verrecken - da bauten Pete und Jack Sandburgen. Große, kleine und wie's eben kam. Und wissen Sie was, die Dinger hielten auch den größeren Wellen stand. Wenn die Flut anrollte, dann standen Pete und Jack vor ihrer Burg und starrten atemlos auf deren sandige Mauern. Ich glaube, damals wuchs der Hass auf ihre Mum, die hinten in den Strandkabinen ihren Arsch verkaufte, für ne Cola oder weniger.
Die beiden Jungs hörten ihre Schreie, wenn's ihr beim Rammeln wieder kam und in diesen Momenten wünschten sie sich vielleicht ne ganz normale Mum. So eine wie die anderen Kids eine hatten. Mit viel Wärme und vor allem Zeit. Eine, die manchmal n Eis spendierte. Eine, die sich mal zu ihnen an den Strand legte, einer, der man mal nen Kübel Wasser aus'm Meer über'n Bauch platschen lassen konnte.
Ne richtige Mum eben.
Na gut, die beiden, Pete und Jack, bauten eben ihre gottverdammten Sandburgen und auch damit vergingen die Tage irgendwie. Wir hier draußen hatten uns schon dran gewöhnt und es hätten uns diese Dinger am Strand tatsächlich gefehlt, wenn die nicht mehr dagestanden hätten. Ein paar mal gab der eine oder andere von uns den beiden ne Limo aus - so viel zu verschenken hatten wir selbst nicht in diesen Zeiten - aber die beiden Bastarde taten uns leid, wenn sie debil in die Sonne grinsten und ihre Burgen bauten.
Herrgott, irgendwann im August, an nem Mittwoch war's, schätze ich, da fiel's uns auf. Als der letzte von uns sein Boot reinholte und die Netze im Sand zum Trocknen auslegte, fiel uns die Stille auf. Kein Stöhnen und keine Schreie vom Gerammel in den Strandkabinen. Die absolute Ruhe war das und nur die beiden Bastarde bauten grinsend an ihrer Burg. Das war so ne richtige Strandidylle und die Sonne war knapp dran, draußen im Meer abzukippen.
Wir dachten noch, vielleicht hatte die Mum von denen nen kalten Arsch bekommen oder nen scharfen Tripper von den Pennbrüdern aufgezogen. Sonst dachten wir nichts, wir hatten nur unsern Fisch im Kopf. Die Zeiten damals, Mann. Jeder versuchte auf seine spezielle Art weiter zu kommen.
Doch die Stille am Strand war schon eigenartig.
So ging das dann die nächsten Tage auch und immer, wenn wir unsere Boote reinholten, vermissten wir das Schreien und Stöhnen vom Gerammel in den Kabinen.
Die Burg der beiden Bastarde hatte eine gewaltige Größe erreicht und dann fiel uns irgendwann dieser süßliche Geruch auf, der sich schön langsam in den letzten Tagen über den Strand gelegt hatte. Anfangs dachten wir noch, der käme von den paar toten Fischen und dem Albatros, der von der Flut angespült worden war und sich mit gebrochenen Flügeln immer tiefer in den Sand bohrte.
Unseren Irrtum erkannten wir, als dieser Sturm aufkam und eine Welle, die größer und brutaler als die anderen gegen den Strand spülte, die Sandburg von Pete und Jack ganz einfach wegriss. Die Maden hatten über die Tage im heißen Sand schon kräftig zugelangt und ohne nem nassen Tuch vor der Nase wollte keiner von uns ran an die Sauerei.
Sowas hatten wir den beiden dämlichen Bastarden nicht zugetraut. Tat uns echt leid, die Mum der beiden. Doch für uns, die wir täglich die Knochenarbeit draußen auf See machten, war sie nur ne Schlampe weniger.
Sie haben Pete und Jack dann abgeholt und'n irgendso'n Heim gesteckt. Jugendfürsorge oder so. Nicht wirklich schon die schweren Gardinen, glaub ich jedenfalls. Die Penner haben sich später ne andere Verrückte mit nem prallen Arsch für ihre Spiele in den Strandkabinen besorgt, aber die Sandburgen von Pete und Jack vermissen wir alle ein bisschen.
Aalglatt ist jetzt der Strand und ohne Leben.
Wollt' ich nur schnell mal erzählen. Is' ja auch ne irre Story, was meinen Sie?
Is' ja auch kaum zu glauben, wie lange es dauerte, bis wir das geschnallt hatten mit der Sandburg.
Wir hatten andere Sorgen als diese beiden Bastarde und die Zeiten waren sonst schon schwer genug damals.
Wie gesagt.