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Perlenfischer

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16.11.2003
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Perlenfischer

Perlenfischer. Für B.


Alles ist getan, alles ist bereit. Alles kann ich nicht mitnehmen, alles wird nicht auf mich warten. Der Regen klopft ein letztes Mal an mein Fenster, ich will es noch einmal öffnen und schließen. Die Vorhänge wehen im Wind, winken schon zum Abschied. Wird es so sein ? Kann es so schnell geschehen ?

Kann ich auf dich warten ? Fällt der Regen auch noch, wenn du fort bist ? Wohin willst du gehen, warum mich so schnell verlassen ? Geschieht die Eile, weil du mich liebst ? Willst du mich verschonen ? Ist es Flucht ? Kein Vergessen wird mich zwingen können, dein Scheiden zu lieben. So schließe ich nun die Augen und will von dir träumen. Und wenn ich erwache, dann bist du zurück. Dann bist du wieder bei mir.

Meine Hand streicht über dein Haupt. Dein Kopf legt sich nieder und weint. Jetzt, wo wir scheiden, kann ich mein Gehen nicht mehr verstehen. Der Wunsch, in die Ferne zu gehen wird zur Angst, in die Fremde zu fliehen. Aber hier kann ich nicht verbleiben, das steht fest. Ein Angebot aus der Fremde kam zu mir im rechten Augenblick, darum werde ich dich verlassen. Niemand sonst wird an mich denken, wenn ich fort bin. Und ich möchte, dass du den anderen sagst, wie sie mir fehlen werden in meinen Gedanken. Immer werden sie Kerzen sein, die ich in der Dunkelheit der Fremde als Lichtlein anzünden kann. Sie werden mich wärmen und trösten.

Ich sehe den Regenbogen, der im tiefsten Sturm über mich kam, der deinen Namen trug. Der Regen soll niemals gehen, das helle Licht des Regenbogens immer scheinen. All seine Farben tauchen durch die Tropfen in meine Seele. Mein Herz pocht dir nach, ich kann es nicht greifen, es nicht halten. Es geht mit dir. Ich will indes sterben und wieder leben, wenn du es mir wieder in die Brust legst.

Bitte beweine mich nicht. Warte nicht. Verzage nicht. Bleibe nicht allein.
Die Koffer sind gepackt, das Schild an der Türglocke entfernt, meinen Namen gibt es hier nicht mehr. Vergangen werde ich sein. Und das Neue, die Fremde ?
Wird sie mich empfangen ? Oder werde ich untergehen ? Ich kann es nicht beantworten. Lege ich das eine auf das andere, tausche ich das andere mit dem einen, dem Gehen und Bleiben, dann weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Hier habe ich getan, was ich konnte. Ich habe gearbeitet, habe gegeben und bekommen. Ich habe gelacht, ich habe geweint. Und wenn all jenes auch in der Fremde getan ist, kehre ich dann zurück ? Ist das Verlassen des Hier ein Fehler ? Wird alles so sein wie es war, wenn ich heimkehre ?

Ich will die Zeit an die Stelle setzen, von der du mir mein Herz genommen hast. Sie soll versinken in meinen Leib. Und schon erzittert mein Kopf, weht mein Haar, schon vergeht die Zeit, macht mich grau, macht mich alt. Und du ? Du wirst immer die Jugend sein. Deine Spuren in meinem Geist werden wachsen, aber nicht verwehen, denn sie sind gemeißelt in Stein. Das Gestein altert nicht. So wirst du mich erkennen. Kehrst du denn bald schon zurück ?

Niemals hätte ich angenommen, dass das Kind, das ich war, einmal der Mann werden würde, der aus der Heimat fliehen würde. Ich habe dich verteidigt. Mehr habe ich nicht getan, doch auch nicht weniger. Es mag in deinen Augen ein Fehler sein. Ich jedoch würde es wieder tun, auch wenn es jetzt bedeutet, dass ich dich verlassen muß. Niemand wird verstehen, warum ich das alles getan habe. Man wird die Gerichte bemühen und die Gesetze, um mich zu finden, darum gehe ich weit weg.

Mein Traum hat schon begonnen. Ich sehe eine Insel im blauen Meer. Dort wirfst du ein Netz aus, von dort schreibst du mir Briefe. Und ich antworte jeden Tag, auch wenn ich keinen Brief bekommen habe. Und wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll, dann genügt nur ein Wort, das tief in meinem Herzen liegt, das du mit dir trägst.

Ich habe gehört, dass Perlenfischer auf den südlichen Inseln wieder sehr gefragt sein sollen. Und wenn ich eine angemessene Schönheit fange, dann sende ich sie dir. Und in einem weiteren Paket wird eine Muschel sein. Darin habe ich gesprochen.
Wenn du in die Muschel hörst, dann sagt sie, dass ich dich liebe, dass ich nicht zurückkehren werde, dass ich dich nie vergessen werde, dass sie nur eine Muschel ist und du von all dem gar nichts hören kannst.

 

Hallo Kosh,

wenn du die beiden Menschen sprachlich etwas besser ausdifferenziert hättest, wäre die Geschichte perfekt gewesen.
So wird in den einzelnen Absätzen oft erst spät deutlich, wer von beiden gerade spricht.
Der Aufbau, der zu sich selbst gesprochen Worte an den jeweils anderen ist dir ansonsten gut geglückt. Langsam entblätterst du dabei den Grund für die Trennung, ohne zu viel zu verraten.

Deine Sprache gefällt mir, auch wenn sie mir eben leider für deine beiden Menschen zu gleich ist, und eventuell die Betonung des Gehens leicht überstrapaziert wird.

Ein guter Plot in einem guten Aufbau, sehr angenehm und anrührend zu lesen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo !

Danke fürs Lesen und für die Anmerkungen.

Zur Ausdifferenzierung:
Ursprünglich bestand die vorliegende Geschichte nur aus der "Rede" des männlichen Teils, der aus nicht näher erklärten Gründen den weiblichen Teil verlässt.
Schließlich schien es mir zu einseitig, so dass der zweite Gedanke war, beide Teile zu Wort kommen zu lassen.
Getrennt habe ich die Äußerungen jeweils durch Absätze.
Natürlich könnte ich für den weiblichen Teil eine andere Sprache oder Ausdrucksart wählen. Mir schien es aber plausibel, dass beide die gleiche Art benutzen, weil
a) beide so lange zusammen waren, dass sie einander in der Sprache ähneln
und
b) der männliche Teil "wach" ist, während der weibliche schläft und so nur imaginär in den Gedanken des Gehenden agiert/spricht
So schien es mir nachvollziehbarer.
Werde allerdings die Sache überdenken, da dies auch meine Überlegungen im Vorfeld waren.

Danke und Gruß,
Kosh

 

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