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Perfektionismus ade

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19.02.2002
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Perfektionismus ade

Das Leben hat dich wieder. Unerwartet, ganz unvermutet hast du es geschafft. Nein, nicht aus eigenem Willen. Dir wurde das Leben aufgezwungen. Wieder einmal. Nun bist du hier. Deine Aura besteht aus Schmerz. Deine Vergangenheit aus Verzweiflung.
Tage vergehen. Ob es besser mit dir wurde? Nein. Kann man so nicht sagen. Es wäre verfrüht. Du willst nicht mehr. Dein Körper kämpft verzweifelt. Doch ich bin dies gewohnt. Zuzusehen wie du leidest ist zu meinem Lebensinhalt geworden. Nacht für Nacht.
Deine Seele. Wenn ich sie nur retten könnte. Befreien, befreien von den Dämonen. Sie jagen dich. Sind hinter dir her. Viel zu lange schon. Jahrelang. Wie man sie sich vorstellen kann? Gute Frage. Ich muss nachdenken. Dunkel, ja fast schwarz. Du glaubst mir nicht, ich weiß. Ich habe es immer gewusst.
Doch auch ich sehe sie. Mit mir sind sie jeden Tag. Sie kommen hervor, gehüllt in dunkle Gedanken. Dämonen bestehen aus Angst. Jeder weiß dies. Sie bestehen aus Enttäuschung. Jeder kennt sie. Selbstzweifel. Näher, immer näher kommen sie. Mein Herz spürt es genau. Getrieben vom Willen uns zu zerstören. Opfer werden sorgfältig ausgewählt.
Jeder kann versagen. Niemand hat es je so verzweifelt versucht wie du. Nie.
Hochbegabt. Dieses Wort, weit verbreitet. Ausgedrückte Bewunderung. Ein Stigma für dich. Auf ewig. Erwachsenwerden. Die Dämonen tauchten auf. Was noch erreichen? Erwartungen wurde entsprochen. Leistungen erbracht. Die Dämonen kamen näher. Noch sah ich sie nicht. Zweifel, Versagensängste. Schlussendlich der Zusammenbruch.
Die Zeit verging. Warum heilte sie deine Wunden nicht? Ich hielt zu dir und die Hoffnung erwachte. Mein Liebster, du und ich. Verbündete.
Pläne waren schnell geschmiedet, Luftschlösser gebaut. Glücklich waren wir. Unsere Ziele wurden neu gesteckt. Du lachtest. Doch nur mir zuliebe. Ich bemerkte sie auch dieses Mal nicht. Die Dämonen, sie kamen wieder näher. Hätte ich sie doch vertrieben.
Beschäftigt warst du nun. Dein neuer Job verlange dir alles ab. Perfektion schien dir auf die Stirn geschrieben. Das alte Spiel begann. Nun trat ein neuer Dämon hinzu. Ausweg? Ja, er hatte einen. Gab vor, deine Probleme lösen zu können. Er wiegte dich in Sicherheit. Du wusstest es ganz genau. Wolltest ihn überlisten. Schlussendlich war er stärker als du.
Ich hätte dir geholfen. Doch du wolltest es anders. Selten hörte ich dich noch lachen. In deinem wirklichen Leben kam ich nicht mehr vor. Deine Disziplin fehlte sogar mir. Wohin war sie verschwunden? Wo sie doch einmal hätte nützlich sein können.
Du vernachlässigste deine Pflichten. Selbst du konntest nicht mehr klar denken. Dies erschreckte mich. Ja, ich kannte dich noch. Von erkennen konnte keine Rede mehr sein. Den wahren Grund sah ich nicht. Es waren die Dämonen, die dich quälten. Schatten, die dich verfolgten. Erwartungen, gerichtet an dich. Aufgaben, dir gestellt. Unlösbar. So schnell hattest du den Fall nach unten hinter dir.
Deine Abhängigkeit wurde entdeckt. Kein Wunder. Zur Arbeit erschienst du seit Wochen nicht mehr. Man glaubte mir nicht. Zu Recht. Nichts bemerkt zu haben war doch nur ein Vorwand. Ein schlechter noch dazu. Ich hatte schlichtweg Angst. Mir fehlte die Kraft, dich zu unterstützen. Zumindest anfangs. Nur zu gerne wäre ich einfach gegangen. Ohne ein Wort. Feige geflohen.
Nur für dich sei der Entzug ein Horror gewesen? Dass ich nicht lache. Aufgegeben hat man dich nicht nur einmal. Rückfälle passieren. Jedoch so extreme? Du warst eben eine Ausnahmeerscheinung. Selbst dort, in der Entzugsklinik. Du fielst auf.
Monate vergingen. Die Dämonen hielten sich im Hintergrund. Für lange Zeit. Die Selbstzweifel, zerstreut. Ich machte mir Hoffnungen. Falsche, wie sich herausstellte. Dein Lachen war nicht echt. Beim Abstauben fand ich Heroin. Deines. Feige vor mir versteckt. Oder auch vor dir selbst? Hinter Stromkabeln entdeckte ich es. Ich sah den Dämon lachen. Er verzog seine Fratze. Lachte mich aus. Begann somit, auch mich zu quälen.
Unsere gekittete Welt zerbrach. Meine Träume fielen mit dir. Tief, ganz tief. Wem noch vertrauen. Gefühle ausdrücken? Nein, Worte können dies nicht. Soviel habe ich gelernt.
Heute war es wieder so weit. Dein Leben, am seidenen Faden. Zum zerreißen gespannt. Mittlerweile verstehe ich dich. Einfach aufgeben. Wie schön wäre das. Keine Sorgen mehr, keine Dämonen. Bin ich gar nichts mehr für dich? Zu oft hast du mich schon nicht mehr erkannt.
Du willst versagen. Nie mehr perfekt sein. Einen Versuch war’s wert, finde ich. Trotzdem, nun muss ich für dich handeln. Lebe ich bereits dein Leben? Es scheint so. Allen erscheint es so. Allen. Sollte ich dich denn sterben lassen? Meinst du es auch? So wie sie es mir raten? Du bist doch noch so jung. So wie ich. Viel zu jung um das alles zu ertragen.
Spürst du sie nicht auch? Unsere tiefe Verbundenheit, das Band das uns zusammenhält? Nur für dich bin ich noch hier. Mein Selbst ist verschwunden. Gemeinsam mit meinen Dämonen. Meinen eigenen. Ach, sie sind so leicht zu verscheuchen. Deine Ängste haben sie das Fürchten gelehrt. Nun teilen wir uns selbst deine Dämonen. Ohne sie kann ich doch nichts. Nicht einmal weinen. Keine Träne. Ach, wie habe ich es versucht.
Liebster, ich kann dir nicht mehr helfen. Hab keine Angst. Wenn du versagen willst, wirst du es auch schaffen. Ich glaube an dich. Bisher hast du noch alles erreicht. Einmal im Leben nicht perfekt sein. Was für ein Ziel, und wie teuer erkauft. Meinen selbst unsere Dämonen.


Silvie S

 

Hallo firefire,

Dein Text gefällt mir, auch wenn die kurzen Sätze den Lesefluß erschweren. Die beschriebenen Gefühle konnte ich gut nachvollziehen. Der Schluß, als (Über-) Lebensziel das Nicht- Perfekt- Sein anzustreben ist schon interessant. Die Lebensphilosophie, die sich als Konsequenz daraus ergibt und die möglichen Grenzen einer solchen Haltung müßte man schon `mal diskutieren, hier fehlt mir ein bißchen mehr Inhalt.

Tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochinon,

es freut mich wirklich sehr, dass dir meine kleine Geschichte gefällt! ^^
Ich weiß, ich hätte vom Inhalt her mehr hineinbringen können; leider war schon 23:00 und ich hatte Kopfweh ;)An bestehenden Texten ändere ich immer nur grobe Unstimmigkeiten; sie sollten mich doch auch an meine Fehler erinnern.
Mein kleiner "Anstoß" um diesen Text zu schreiben war u.a. die New York Trilogie von Paul Auster. Ich weiß nicht, ob du dieses Buch kennt. Meiner Meinung nach jedoch, verhält sich die Person Fanshawe in der letzten Geschichte am Schluss ähnlich "selbstzerstörerisch".

Nochmals herzlichen Dank für deine Reaktion, Woltochinon! Sie hat mich wirklich sehr gefreut ^___^

Mach's gut,
Silvie

 

Hallo Silvie,

die Trilogie kenne ich leider nicht, ich werde mich `mal `drum kümmern.
Weiterhin viel Erfolg,

tschüß... Woltochinon

 

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