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Perfekt gestylt ist die halbe Miete!
Ich bin mir sicher, dass jeder von uns schon einmal Erfahrungen mit besonders netten, liebevollen, diskreten Menschen gemacht hat. Diese Menschen haben eine besondere Gabe: Sie sehen dich auf der Straßen, blicken dich 2 Sekunden an und wissen ALLES, aber wirklich ALLES über dich. Wie etwa, dass du absolut unbefriedigt sein musst, wenn du dir die Frechheit herausnimmst ein leicht erbostes "Aber hallo!!" zu schnaufen, wenn sie dich umrennen. Oder dass du ja wirklich absolut kein Hirn haben kannst, wenn dein Handy läutet und du es doch tatsächlich fluchend in deiner Tasche suchen musst! Ein normaler Mensch trägt das gute Stück doch ständig am Ohr, am besten angeklebt!!
Nun ja, erst vor wenigen Tagen hatte ich das Vergnügen mit ein paar jugendlichen Hobbypsychologen. Am Morgen des besagten Tages war mir schon nach etwa 10 Minuten klar, dass ich besser im Bett geblieben wäre. Aber nun gut, ich raffte mich auf, ging in die Schule, hörte mir Lehrreiches und Interessantes, wie etwa die Bettgeschichten meiner überaus verständisvollen Deutschlehrerin, an und versuchte nicht daran zu denken, dass ich mit meinem Kapuzenpulli, den ungewaschenen Haaren und dem blassen, ungeschminkten Gesicht nicht gerade hollywoodmäßig aussehe.
Nach ewigen Stunden schleppte ich mich gemeinsam mit meiner Freundin in ein Café, um ihr endlich vom Streit mit meinen Eltern zu berichten. Nichsahnend setzen wir uns an einen kleinen Tisch. Dummerweise waren wir uns der Gefahr, die am Nachbartisch lauerte, nicht bewusst. Dort saßen drei Mädchen, nennen wir sie zur Erleichterung Jessica, Jasmin und Vanessa (die Namen sind natürlich ohne Hintergedanken gewählt, für eventuelle Namensgleichenheiten haftet wahlweise ihr Nachbar zur Linken, ihre Schwiegermutter oder der nächste Radfahrer). Bereits als meine Freundin und ich Platz nahmen, musterten uns die drei Grazien von oben bis unten, das Urteil konnte man an ihren zarten Gesichtern, die man sich etwa so wie das einer Bulldogge vorstellen muss, erkennen. Um die Phantasie des Lesers ein wenig anzuregen, eine Kurzbeschreibung jedes Mädchens:
Jessica: Durch den geschmackvoll ausgewählten, 10 cm langen, rosa Rock kamen ihre Beine sehr gut zur Geltung. Außerdem kaschierte der üppig bemessene Stoff auch die Reiterhosen, die Cellulite und die Oberschenkel, deren schlimmster Feind offenbar Sport war. Dem süßen Glitzertop mit der Aufschrift "Zicken-Babe" sah man gar nicht an, dass es bis vor zwei Tagen noch an einem Ständer bei Pimkie gehangen war, es sah eher aus wie ein superteures Designerstück von Versace. Der Look wurde noch unterstrichen von dezentem pinkfarbenem Lipgloss und Smoky Eyes. Die wenigen, oder genauer gesagt 20 Tuschekleckse konnten der geheimnisvollen Wirkung gar nichts anhaben. Durch ihre gekonnte Aufmache wirkte sie beinahe, als könnte sie schon einige Männer glücklich und deren Geldbeutel ärmer machen, die kindlichen Züge der 12-Jährigen wurden unter ihrem Make-Up verborgen.
Jasmin: Auch Jasmin konnte man ihre innerliche Reife ansehen. Ihr bauchfreies Babydoll-Shirt bot gerade genügend Stoff, um ihren Schaumstoffbusen zu verdecken, dafür präsentierte sie aller Welt ihren superflachen, gepiercten Bauch und ihre spitzen Hüftknochen. Ihre Jeans, Größe 32, war perfekt auf die Kreolen abgestimmt - beides war zu groß. Obwohl sie ständig an ihrem kalorienfreien Mineralwasser schlürfte, schien nichts von ihrem geschmackvoll rotem Lippenstift abzugehen. Hmm, sie hatte mit ihren 13 Jahren ja auch immerhin schon 7 Jahre Schminkerfahrung
Vanessa: Vanessa musste wohl die Anführerin sein, denn sie war sowohl leicht magersüchtig - nämlich obenrum, als auch leicht mollig - nämlich untenrum. Die drei Nummern zu kleine Strechhose kaschierte das aber, so gut es ging, und bei ihrem durchsichtigen Top wäre eine Oberweite ohnehin absolut überflüssig gewesen. Das Fehlen dieser glich sie mit ihrem Rouge- und Wimperntuschenverbrauch wieder aus. Zum Glück hatte ihr ihre Mutter zum 13ten Geburtsttag sieben Mascaras geschenkt, damit konnte sie die ersten zwei Wochen über die Runden kommen.
Nachdem wir unsere Getränke geordert hatten, begannen die drei ganz dezent und leise über uns zu lästern. In etwa so:
Jessica (mit dem Finger auf mich deutend): Die hat ja wohl noch nie was von Neckholder gehört, oder is das ihr Pyjama? Ne, echt, wie kann man sich so aus dem Haus trauen, null Make-Up und habt ihr die Schuhe gesehen? Das sind TURNSCHUHE!!!! Sowas ziehe ich ja wohl echt nur an, wenn ich sportlich wirken möchte, aber naja, ich bin es ja ohnehin!
Jasmin (ihr kalorienfreies Wasser nun gegen ein kalorienarmes Cola-Light getauscht, denn einmal am Tag darf man sich auch mal was gönnen): Wenn ich sie wäre, würde ich mal auf Diät gehen!! Die muss ja mindestens, naja so ungefähr..... 55 kg haben!!! Dabei ist die ja nur 1,73 m groß!! Ne, echt, die schaut ja gar nicht auf ihr Äußeres!
Vanessa (mit gekonntem Schwung die Lippen nachziehend): Und kuck dir Mal die Freundin an, einen Arsch wie eine Dampfwalze und obenrum voll flach!! Gott, hat die keinen Spiegel zu Hause?
Nachdem ich mir eine knappe halbe Stunde all solche Nettigkeiten von den ausgebildeten Psychoanalytikerinnen angehört hatte, wusste ich eine Menge über mich: Ich wollte eindeutig auffallend, denn das tat ich durch das Fehle von Make-Up, Mini und Wonderbra. Außerdem hatte mich mein Freund gerade verlassen, was ja bei meinem Anblick kein Wunder sei. Und dass meine Eltern Sozialhilfeempfänger sind, da ich keine Markenklamotten trage, lag ja wohl auf der Hand. Auf kleine Ungereimtheiten wie dass ich meinen letzen Freund verlassen habe, ich normalerweise auch Make-Up trage und wenn dann nur durch meine großen Klappe auffalle und dass meine Eltern Ärzte sind und ich Markenklamotten einfach überflüssig finde, wollte ich bei meiner kleinen Therapiesitzung nicht achten. Meine Freundin und ich zahlten also und machten uns auf den Weg, um die guten Tipps unserer Tischnachbarn zu befolgen. Auf dem Weg nach draußen begegneten uns bereits die nächsten Patientinnen: Ein Mädchen, dass doch glatt noch Cargo-Hosen trug, obwohl die doch schon längst out sind und ihre Freundin, ein bildhübsches Mädchen, das aber leider, leider mit ihren 1,80, dem perfekten Busen und der genialen Figur keine Konkurrenz für unsere drei Supermodels war.