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Pech und Schwefel: Der kleine Sieg
Vom Flur dringen leise Wortfetzen in den leeren Raum. Es ist schon spät und das Licht der Neonleuchten an der Decke des langen Ganges ist bereits gedämpft worden.
Ich brüte über einem Buch, während ich alleine in dem überheizten Aufenthaltsraum sitze. Draußen wirbelt der Wind ein paar Schneeflocken auf. Wegen der tropischen Temperaturen im Inneren des Gebäudes und der Eiseskälte außerhalb, sind alle Scheiben zur Gänze mit einer Schicht Eis überzogen. Dennoch kann man die entfernten Lichter der Autobahn erkennen.
Ich schaue kurz auf und lausche in die Stille. Niemand huscht mehr über die weitläufigen Gänge. Seltsam, diese Ruhe.
Die Uhr über der Tür zeigt halb elf. Ich sollte mich hinlegen, sonst werde ich morgen nicht rechtzeitig wach. Egal.
Ich spüre einen Wind hauch im Nacken, jemand öffnet leise die Tür. Angenehme Kühle weht herein.
"Noch wach?" Verlegen steht Elif im Raum.
Nein, ich tue nur so du Idiot.
"Ja, ich bin noch wach.", antworte ich gleichmütig. Er tritt ein und lässt sich auf dem Stuhl gegenüber von mir nieder. Schweigen sitzen wir da und starren auf den Boden.
Ich schlage nun mein Buch wieder auf und versuche weiter zu lesen. Ein sinnloses Unterfangen, wenn man sich nicht auf die Seiten konzentrieren kann. Die Buchstaben tanzen an meinen Augen vorbei, ich nehme jedes Wort wahr, erkenne seinen Sinn jedoch nicht. Wie auch. Mein Gegenüber zieht mich völlig in seinen Bann. Er weiß es nur nicht.
Elif beugt sich vor und versucht den Titel meiner Lektüre zu entziffern.
"Was ist das?"
"Man nennt es Buch."
Er lehnt sich wieder zurück. Ich gebe ihm keine Gelegenheit, bis zu mir durch zudringen.
Seine Gestik und Mimik, sie bitten mich um eine Chance. Eigentlich ist er ja zu bewundern, er verliert nie seinen Mut, egal was passiert. Selbst Zurückweisungen verdaut er, mehr oder weniger gut.
Warum schaust du mich so traurig an? Glaubst du, ich merke das nicht? Willst du Schuldgefühle in mir säen? Vergiss es. Du hast es ja nicht besser verdient, du hast es dir selbst eingebrockt. Pech. Löffle die Scheiße jetzt aus.
"Noa"
Oh, er kennt meinen Vornamen und bennent mich auch mit diesem. Ich schaue erneut auf. Mein Blick ist so kalt, so vernichtend.
Ich hasse dich Elif, ich verachte dich, ich wünsche dir den Tod und weißt du warum?
"Noa, was ich wissen wollte ist.....darf ich dir eine Frage stellen? Es ist ziemlich persönlich und ich weiß auch, dass es mich eigentlich nichts angeht, aber..."
Was willst du hören, kleiner Feigling?
Ich sollte ihn nicht so lange ansehen, das macht ihn nervös. Schon seltsam, ich kann niemanden lange in die Aigen blicken, außer ihm. Es gibt mir das Gefühl ihn vernichten zu können, nicht umgekehrt. Grausam, das ist mir bewusst, aber es geht um Macht. Es ist an der Zeit offen darum zu kämpfen.
"Was willst du?"
Langsam verliere ich die Geduld. Er holt Luft und beginnt: "Du und....und dieser,naja, wie soll ich sagen...."
Du willst wissen, ob ich etwas mit dem anderen gehabt habe, nicht wahr? Hälst du ihn etwa für deinen Rivalen? Ich muss dich enttäuschen, er war nie eine Konkurenz für dich, er war viel mehr. Du weißt das auch, sonnst würdest du dich nicht so herum drücken. Deine Augen verraten mir alles. Du hast es durchschaut und verloren, nicht ich. Das ist es, was du nicht verkraften kannst.
"Warum?"
"Warum nicht?"
Streng dich nicht an, von mir erfährst du nichts.
Seine Augen wandern haltsuchend durch den Raum. Die Hitze setzt ihm bestimmt mehr zu als mir.
"Wir sind doch Freunde, oder?" Ein verzweifelter Hilferuf.
"Waren wir das je?"
Jetzt ist er aufgesprungen und geht im Zimmer auf und ab.
"Verdammt, gib mir einmal eine vernünftige Antwort!"
Ich denke gar nicht daran. Lass mich in Ruhe, ich habe dich nicht um deine Gesellschaft gebeten. Wenn du verschwindest, werde ich dich bestimmt nicht vermissen.
Elif wendet sich mir wieder zu. Er sieht verzweifelt aus.
"Ich will nur eines wissen und bitte sei ehrlich, hast du...."
Der Satz reißt ab. Meine Augen funkeln böse, Wut steigt in mir hoch. Ich will alles entgegenschreien, aber ich bin stumm, kein Wort kommt übermeine Lippen.
Ich versuche mich krampfhaft unter Kontrolle zu halten. Du hast esgleich geschafft, gleich hast du ihn am Boden.
"Ja, habe ich."
Armer Elif. Es muss wie ein Schlag ins Gesicht sein.
Du wolltest doch die Wahrheit, da hast du sie.
Er schluckt. Pass auf, dass du nicht daran erstickst.
"Entschuldige, meine Frage war sehr indiskret. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Gute Nacht, Noa."
Er nennt mich noch immer beim Namen. Es hat so einen seltsamen Klang, diese "Noa".
Geschlagen schleicht Elif auf den Gang und wird von dessen Finsternis verschluckt. Ich fühle mich nicht mehr wohl in meiner Haut. Wenn ich ein Herz hätte, würde ich ihm nach gehen und alles rein waschen.
Aber ich bin ein kaltes und berechndes Weib. Tja, das war dein Wortlaut.
Es hätte so schön werden können......
Nein, nur nicht nachgeben. Es war, ist und wird nie etwas zwischen uns sein, jedenfalls nichts, was uns verbinden könnte.
Ich schlage mein Buch nun endgültig zu. Es ist bereits weit nach elf, ich muss mich jetzt hinlegen, morgen ist ein harter Tag.
So viele Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Ich will nur noch eines; schnell schlafen, schnell vergessen.
Die Stille und die Leere des Raumes sind nun unerträglich, trotzdem; ich will nichts daran ändern, alles soll so bleiben, nichts darf mehr wie vorher sein, nie mehr.
Ich lösche das Licht und trete auf den Gang hinaus. Meine Schritte hallen an den Wänden wieder. Es wird bestimmt noch eine unruhige Nacht.