Was ist neu

Paula

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04.11.2011
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Paula

Diese Geschichte beginnt in der Hölle, vor ungefähr 1000 Jahren. Schon damals war alles so, wie man es sich vorstellt. Schreiende Seelen, gigantische Flammensäulen, die Hölle eben. Eine Sache jedoch war tatsächlich ein bisschen anders. Es war nämlich viel mehr los in der Hölle. Das lag daran, dass schon in die Hölle kam, wer nur die falsche Musik mochte oder seine Nachbarin dabei beobachtete, wie sie ihre Unterhosen zum Trocknen aufhängt. Diese old-school Hölle war also randvoll mit Fieslingen und Scharlatanen, die man in dieser Art heute noch quicklebendig im Supermarkt an der Kasse treffen kann. So leicht kommt man nämlich heute nicht mehr in die Hölle. (Vielleicht wären sie vergleichbar mit diesen unguten Gestalten, die nach ihrem Krempel kein Meindein auf das Supermarktkassenband legen.)
Eines Tages wurde es so voll, dass der Teufel entschied, dass sich was ändern musste:
»Okay, Leute, so geht das nicht.« quengelte der Teufel, während er sich durch eine Masse nackter Menschenleiber presste, aus der immer wieder Arme nach ihm schnappten, bis er endlich bei seiner Sekretärin angekommen war. »Ich kann diese Enge nicht mehr ertragen. Es kann doch nicht sein, dass hier unten so viel los ist. Und dabei ist erst Dienstag!«
Generell war er an diesem Tag nicht besonders gut drauf. Schon am Vormittag gab es Ärger mit den Feuerspendern und wie immer war Jörg, der sich eigentlich um solcherlei Lappalien kümmern sollte, nicht erreichbar, so dass sich der Teufel selbst mit den Untoten vom Feuer- und Brandstiftungskommando Südhölle, Abteilung für Zündelzeug und Feuerspender verständigen musste. Er hasste es, seine kostbare Zeit als Fürst der Unterwelt mit administrativem Kleinkram zu verbringen. Wofür hatte er denn jahrelang gefoltert und brandgeschatzt wie ein Berserker? Stattdessen wollte er jetzt viel lieber dem Chor der brennenden Jungfrauen lauschen oder auf seiner E-Gitarre üben. Heavy Metal direkt aus der Hölle war ein Exportschlager. (Noch nicht auf der Erde, aber weiter oben.)
»Jörg!« brüllte der Teufel mit seiner Höllenstimme, die - besser als jede Kaufhaussprechanlage – jeden Winkel der Hölle erreichte, „Jörg an die Vier Bitte, Jörg bitte!«

Jörg wollte sich gerade ein Stück vom trockenen Marmorkuchen abschneiden (ohne Schokoguss natürlich, der machte in der Hölle immer eine riesen Sauerei) als er ausgerufen wurde.
»Oh Mann, was will der Alte denn schon wieder?« sagte er, »Nie hat man hier mal seine Ruhe.«
»Och Jörgi, musst du schon wieder zum Teufel gehen?« fragte Inge, die nackte Höllendämonin mit den Schlangen auf dem Haupt und den brennenden Brustwarzen, die auf der anderen Seite des Tisches saß. Sie entzündete eine Zigarette an ihre linke Brust und rauchte mit finsterer Miene (Rauchen war hier überall erlaubt).
»Ich weiß, es ist die Hölle!« sagte Jörg, obwohl über solche Sprüche hier unten eigentlich keiner mehr lachen musste »aber wenn der Alte seinen schlechten Tag hat, dann hilft das alles nichts. Da muss ich dann einfach hin.«

Jörg ging durch die Hölle. Zu Fuß. Inge wohnte in Richtung der östlichen Vorhölle und in den Süden – natürlich wohnte der Teufel ganz unten – war es nicht weit. Zur Mittagszeit die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen wäre keine gute Idee gewesen. Dafür war Jörg schon zu lange hier unten. Außerdem stank es in der U-Bahn in letzter Zeit fürchterlich. Es gab wohl ein Problem mit der Feuerzufuhr. Stand wahrscheinlich auch irgendwo auf seiner Liste.

»Hi Boss«, sagte Jörg, nachdem er direkt an Renate, der sexy Sekretärin mit den feurigen Augen vorbei, in sein Büro gegangen war. »Was gibt’s?«
Der Teufel wollte sich gerade etwas Hochprozentiges (und leicht brennbares) einschenken, als er Jörg erblickte:
»Jörg, wo treibst du dich wieder rum? Du weißt, wir haben hier alle Hände voll zu tun.«
»Ja, ich war über’n Mittag bei Inge.«
»Das hier ist Zentralhölle Main-Kinzig. Wir sind nicht die spätrömische Luxushölle mit einem administrativen Apparat von viele Tausend verlorenen Seelen. Wenn’s hier brennt, dann musst du ran. Also, ich meine natürlich: wenn’s hier nicht brennt. Du weißt schon…«
»Ja, Boss«, sagte Jörg, »was gibt’s denn jetzt?«
»Okay, es sieht folgendermaßen aus«, der Teufel drehte seinen Menschenlederdrehstuhl herum und setzte sich lässig mit den Armen auf der Rückenlehne vor Jörg hin. Während er sprach tippte er mit dem linken Huf nervös auf dem Boden: »Es wird hier unten langsam zu voll. Wir können nur eine begrenzte Menge an Sündern aufnehmen. Ich habe mit den Chefs von einigen umliegenden Landkreishöllen gesprochen. Vor allem die vom fünften und vom siebten Kreis haben die gleichen Probleme: Zu viele Sünder, zu wenige Folterkammern und Brandschätze. Wir müssen was dagegen tun.«
»OK, und was?«
»Also, du hast doch bestimmt schon von meiner „höllischen Verbindung“ gehört, oder?«
Oh Schrott, dachte Jörg, jetzt fängt er wieder mit seinen bescheuerten Erfindungen an. Hatte er nichts gelernt aus der Totgeburt „Schlittschuhbahn“?
»Ja«, sagte Jörn, »von dieser Verbindung habe ich schon gehört, aber ich dachte, das wäre nur was für Rassisten oder so.«
»Quatsch, da können alle mitmachen. Ist eine super Sache.«
»Okay?«
»Sobald zwei Menschen diese Verbindung eingehen, dann teilen sie sich ihren Schmerz.«
»Äh…«
»Es ist eine Verbindung der Schmerzen.«
»Ja, aber das macht die Sache jetzt auch nicht klarer…«
»Wenn eine von zwei Personen, die eine höllische Verbindung eingegangen sind, Schmerz verspürt, dann wird dieses Schmerzereignis an die andere Person übertragen.« Der Teufel gestikulierte dabei wild mit beiden Händen und seinem fiesen Stachel. »Der Trick ist, dass der Schmerz dabei halbiert wird. Er ist nur noch halb so schlimm.«
»Wie bei Sensodyne?«
»Was?«
»Nichts.«
»Okay, also die Leute haben weniger Schmerzen, weil der Schmerz auf zwei Empfänger verteilt wird.«
»Ich verstehe nicht, was uns das bringen soll.«
»Ist doch ganz klar, das ist eine reine Buchungsangelegenheit!«
Jörg wusste, dass der Teufel, bevor er der Fürst der Finsternis (Main-Kinzig-Kreis) wurde, eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann gemacht hatte und dass er deswegen gerne über Probleme der Verrechnung, Umbuchung und Haushaltsplanung nachdachte. Der Teufel (im seinen Gedanken nannte Jörg ihn Udo) stand auf:
»Und du weißt auch«, er war euphorisch, »dass in die Hölle kommt, wer einen hohen durchschnittlichen Schmerz verursacht hat.«
»Ähm, ja.«
»Und du weiß, dass da oben im Moment wilde Zeiten herrschen. Es wird gemordet und vergewaltigt, was das Zeug hält.«
»Ja.«
»Und dir ist klar, wie sich die Zulassungsvoraussetzungen für diesen Laden hier unten ergeben?«
»Hm.«
»Ich erklär’s dir: Wenn, sagen wir mal, der gute Heinrich einen Bauernjungen tritt, weil er ihm vor Hunger die Stiefel klauen wollte, und wenn er diesen Jungen dann später mit dem Schwert aufspießt, rein hypothetisch, dann sind das, … Moment … zweieinhalb … also das wäre dann ein Schmerz der Stärke 12,5, den Heinrich am Sack hätte. 2,5 für die Tritte und 10 für Kindsmord. Das bedeutet, bei einer Zulassungsbeschränkung von 8,3, wie wir sie diesen Monat haben, wäre Heinrich reif für die Hölle. Wenn der Bauernbursche aber in einer Verbindung wäre, dann hätten er und sein Partner je nur ein Schmerzlevel von 6,25 erreicht und der gute Heinrich würde vorerst oben bleiben. Spitze! Keine ewigen Wartezeiten mehr an den Höllenpforten, kein Gedrängel in der U-Bahn. Jörg? Das ist die Lösung! Alles eine Frage der Verbuchung.«
»Vollkommen klar, Chef. Aber es kommen doch nicht nur welche hier runter, die körperlichen Schmerz verursacht haben?«
»Statistisch gesehen haben zwei Drittel aller unserer „Kunden“ hier unten Schmerz verursacht, ob körperlichen oder nicht, spielt keine Rolle. Das letzte Drittel sind Diebe und Typen, die die falsche Musik hören. Trotzdem können wir durch meinen Verbindungstrick unseren Kundenkreis einschränken und diesen Teil der Hölle etwas elitärer gestalten. Nur die Besten landen bei uns, und so. Man muss ja mit der Zeit gehen.«
Jörg hatte schon nicht mehr richtig zugehört, sondern war im Geiste mit Inge, der feurigen (und in seiner Vorstellung nackten) Sekretärin beschäftigt.
»Jörg?
»Ja?«
»Ich mache dich zu meinem persönlichen Verbindungs-Beauftragten.«
»Oh…«
»Du bist dafür zuständig, so viele Menschen wie möglich hier runterzubringen, damit ich sie verbinden kann. Wir haben nur ein Problem.«
»Was denn?«
»Es funktioniert nur, wenn die Leute acht Jahre alt sind.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Elektrolyte?«

Sie einigten sich darauf, dass Jörg anhand von Listen und Tabellen (Udo mochte Listen und Tabellen) herausfinden sollte, wann mal wieder ein Kind gezeugt würde. Dann sollte er ganz dramatisch auftauchen und die Eltern durch Einschüchterung dazu bringen, das Kind im Alter von acht Jahren zu ihm zu bringen. (Udo war da total pingelig, obwohl Jörg merkte, dass es auch klappte, wenn er die Sache nicht ganz so ernst nahm.) Jörg hatte sich im Laufe der Zeit ein paar tolle Ticks angeeignet. Telekinese, Psychokinese und ausgefallene Kostüme gehörten zu seinem Repertoire. So ergab sich eine Praxis des Verbindens, die in den folgenden Tausend Jahren dafür sorgte, dass die Hölle (Main-Kinzig-Kreis) nie mehr überfüllt war und die Brandschutzbestimmungen immer eingehalten werden konnten. Hier ist ein Beispiel, aus einem Trainingshandbuch, welches Jörg für die Nachbardämonen aus dem siebten Höllenkreis verfasst hat:

*

Cathrin und Peter verließen die Hütte. Von innen war Partymusik zu hören. Es wurde langsam dunkel.
»Komm, wir gehen ein bisschen.«
»Okay!«
Sie waren beide angetrunken. Peter fragte nach ein paar Minuten:
»Seit wann gehst du eigentlich wieder auf Partys? Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen.«
»Stimmt, war schon länger nicht mehr dabei. Brauchte erst mal ein bisschen Ruhe, nachdem ich nicht mehr mit Eric zusammen war.«
»Okay und jetzt ist alles wieder in Ordnung?«
»Ja, ist ja jetzt auch schon ein halbes Jahr her. Ich war viel unterwegs in letzter Zeit.«
Die beiden blieben stehen und sahen sich in die Augen. Cathrins Körper erzitterte beim Atmen. Sie war aufgeregt, weil sie mit Peter alleine war.
»Cool hier, oder?« sagte Peter, »Ich meine so in der Natur und so.«
»Ja, voll gut … mit dir?«
Zuerst reagierte Peter nicht, aber dann dachte er: Scheiss drauf, jetzt oder nie. Er ging einen Schritt auf sie zu und küsste sie.
Minuten später wanderten schon Hände unter Hemden, Knöpfe wurden geöffnet.
»Komm‘, wir gehen da drüben ein Stückchen in den Wald, da ist der Boden weich und wir können uns hinsetzen.«
»Okay, aber komm nicht auf dumme Gedanken, Junge.« sagte sie und lächelte.
»Ich doch nicht…«

Nach dem Sex zogen sie Ihre verschobenen Kleidungsstücke wieder zurecht und setzten sich nebeneinander hin.
»So was habe ich noch nie erlebt«, sagte sie, »du?«
»Du meinst im Freien?«
»Ja. Und ohne, dass es sich falsch anfühlt.«
»Stimmt.«
»Früher hätten wir ewig rumgelabert und so.«
»Da hatten wir auch noch keine Ahnung. Wenn alles stimmt, dann merkt man‘s. Warum dann noch lange rumlabern?«
»Tja.«
Sie sahen durch die letzte Reihe der Bäume zurück auf die in der Ferne liegende Hütte, deren gelbe Fenster schön aussahen vor dem dunkelblauen Abendhimmel. Peter mochte das Gefühl, nichts mehr sagen zu müssen sondern einfach mit ihr den Moment zu genießen. Die Stille war nicht unangenehm, sondern perfekt.
Als er Cathrin nach einer Weile fragen wollte, ob sie langsam zurückgehen sollten, streckte sie den Kopf etwas nach vorne und kniff die Augen zusammen.
»Was ist da los?«
Sie zeigte mit der Hand nach vorne. Sein Blick folgte der Geste und er sah, wie sich hinter einem Baum etwas bewegte. Da stand eindeutig jemand hinter dem Baum.
»Hau ab, du Spanner!« rief Cathrin und stand auf.
Der Schatten bewegte sich auf die beiden zu.
»Was…?«
Cathrin hielt ihre Hände vor Mund und Nase. Das war kein menschlicher Schatten. Cathrin stieß einen hohen Schrei aus und klammerte sich an Peters Arm.
»Was ist hier los?« rief Peter.
Die Gestalt blieb einige Meter vor den beiden stehen und starrte sie an. Das konnte kein Scherz ihrer blöden Freunde sein. Die Gestalt hatte zwar annähernd menschliche Form, doch keine Maske der Welt konnte ein menschliches Gesicht so aussehen lassen und kein Kostüm machte solche Beine und Arme aus menschlichen Gliedmaßen.
»Hau ab!« schrie Peter, doch noch immer reagierte die Gestalt nicht. Sie stand einfach nur da und sah die beiden an. Cathrin und Peter starrten zurück. Cathrin weinte vor Angst, obwohl die Kreatur sich nicht bedrohlich verhielt. Erst als Peter mutig einen Schritt nach vorne machen wollte, hob die Gestalt langsam den rechten Arm. Peter blieb erschrocken stehen. Das Ende des Arms zeigte auf Cathrins Bauch und die Gestalt sagte mit verstörender Stimme:
»Bringt das Kind wieder zu mir, wenn es acht Jahre alt ist.«
Die beiden spürten, dass die Gestalt eine Macht über sie hatte, der sie sich nicht wiedersetzen konnten. Sie waren gelähmt vor Angst und hörten die Worte wie ihre eigenen Gedanken. Dann senkte die Gestalt den Arm und verwarf ihr Gesicht zur schlimmsten Fratze, die die beiden jemals gesehen hatten. In Ihren Köpfen schrillte die Stimme der Gestalt wie eine Explosion und hinterließ tiefe Wunden. Die beiden brachen zusammen und konnten nicht mehr sehen, wie die Kreatur langsam zurück in den Schatten der Bäume lief.

*

Zuerst hatten Peter und Cathrin sich vorgespielt, ein normales Leben weiterführen zu können. Sie wollten die Sache vergessen, weil sie sie nicht erklären konnten. Sie hatten zu viel von dieser neuen Angst in sich, die immer dann aufkam, wenn sie über die Nacht sprachen oder nachdachten. Deswegen halfen sie sich gegenseitig, diesen Alptraum zu vergessen. Sie fanden wieder zurück in den Alltag, sprachen mit ihren Freunden, ärgerten sich über die Arbeit. Als Cathrin nach drei Wochen eines Abends nicht aus dem Badezimmer zurück ins Bett kam, stand Peter auf und ging ins Bad um nach ihr zu sehen. Er klopfte, doch sie reagierte nicht. Er öffnete die Tür, sah in Richtung der Toilette und der Anblick ihrer Augen riss in seinem Kopf die Wunde wieder auf. Der Schwangerschaftstest auf dem Fliesenboden zeigte ein positives Ergebnis.
Das einzige, was Peter in den folgenden neun Monaten von der Angst ablenkte, war der Wille, Cathrin zu helfen. Indem er ihr immer wieder die Ergebnisse der medizinischen Tests vorlas, die besagten, dass mit dem Kind alles in Ordnung sei, dass es gesund und normal zur Welt kommen würde. Indem er ihr jeden Tag erklärte, dass er immer bei ihr sein werde. Als es während der Geburt Komplikationen gab und Cathrin vor seinen Augen starb, war das Schreien der kleinen Paula für ihn nur ein Hintergrundgeräusch. Er konnte kein Vater sein.

*

Die Drogen hatten Peters Leben schon seit einiger Zeit im Griff. Cathrins Tod vor acht Jahren und die Talfahrt, der sein Leben seitdem glich, konnte er nicht anders ertragen. Er schlief in dreckigen Straßen, seine Kleidung stank nach Urin. Er dachte nur selten an seine Tochter und die andere Familie, in der sie jetzt aufwuchs.
Er hatte sich gerade vor dem Auslass der Lüftungsanlage eines China-Restaurants zusammengekauert, als er plötzlich ein Geräusch hörte. Zuerst dachte er, dass es die Bremsen eines alten Trucks wären, die vorne an der Hauptstraße quietschten. Doch als der schrille Ton andauerte, merkte Peter, dass es kein Truck war, sondern eher eine Sirene. Der Ton wurde stetig lauter und höher und plötzlich verschoben sich die Frequenzen, so dass Peter nun mehrere minimal unterschiedliche Töne hörte, fast wie ein ununterbrochener, schriller Schrei. Er presste sich die Hände an die Ohren doch der Horrorsound wurde nicht leiser.
»Das ist in meinem Kopf!« dachte er. Dann hörte er, wie sich die schrillen Töne plötzlich verformten.
»Iiiijaaa«
Es war fast, als würde das Geschrei Worte bilden. Obwohl die Töne noch unerträglich laut waren, konnte Peter jetzt eine Stimme ausmachen, die über die grauenhaften Klänge transportiert wurde.
»DIE ZEIT IST ABGELAUFEN! BRING ES ZU MIR!«
Peter sah auf und erblickte das Wesen aus dem Wald unmittelbar vor sich. Es bewegte die Lippen nicht, was die Begegnung noch beängstigender für ihn machte. Irgendwie konnte die Kreatur ihre Stimme direkt in Peters Kopf schicken.
»Was willst du von mir?« schrie Peter.
Plötzlich war das Geräusch weg. Peter erschrak, weil die Abwesenheit von Geräuschen nach dieser minutenlangen Tortur ein enormer Kontrast war.
»Was willst du…«
»Du weißt genau, was ich von euch will!«
»Aber« Cathrin ist…«
»Bring mir das Kind.«
»Ich habe es nicht. Es lebt nicht bei mir!«
»BRING MIR DAS KIND!«
Peter zitterte vor Angst und krümmte sich über dem Gitter der Lüftung zusammen.
»Was willst du mit ihr? Warum willst du Paula?«
»Ich habe euch das Kind gegeben aber es ist mein Kind. WO IST SIE?«
Das Wesen senkte den Kopf und ein brutaler Schmerz durchschoss Peters Körper. Er schrie und riss die Arme nach hinten.
»Aaahhh…OKAY! Ich bringe sie zu dir. Gib mir einen Tag.«
Der Schmerz ließ nach und Peter blickte in die Richtung, in der das Wesen gestanden hatte, doch jetzt war es nicht mehr da.

*

Das Splittern passte noch ziemlich gut in Bens Traum doch der Schrei weckte ihn auf. War das seine kleine Schwester, die da geschrien hatte? Als er aufgesprungen und in Paulas Zimmer gerannt war, sah er nur noch, wie die Gardine vom Wind aufgewirbelt wurde. Auf dem Boden lagen Glasscherben, seine Schwester war nicht mehr in ihrem Bett.

*

Paula hatte mal wieder ein Glas kaputt gemacht. Es stand zu nah am Rand des Tisches und als sie nach dem Messer greifen wollte, spürte sie diesen Schmerz in der Wange, zuckte mit dem Arm und das Glas flog vom Tisch. Phantomschmerzen, wie immer. Früher hatten die Ärzte noch versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie erklärten ihren Adoptiveltern und später dann ihr selbst, was sie alles untersucht hätten, aber dass es keine medizinischen Gründe für die von ihr beschriebenen Schmerzen geben würde. Eigentlich hatte sie sich auch daran gewöhnt, denn es passierte nur selten und bisher war es nur lästig, aber nie richtig problematisch geworden. Ab und zu mal ein komisches Druckgefühl in den Beinen, ein schmerzender Punkt am Kopf oder eben ein Stich in der Wange oder am Hals. Doch in letzter Zeit passierte es häufiger und die Schmerzen wurden intensiver. Da ihr niemand sagen konnte, was es war und auch die Sitzungen auf der Couch ihr nicht weiter geholfen hatten, musste sie sich einfach damit abfinden. Nachdem sie die Splitter vom Glas aufgehoben und das Wasser aufgewischt hatte, setzte sie sich wieder hin und aß ihr Frühstück. Es würde ein langer Tag im Büro werden und danach wollte sie noch mit Jodie zum Sport.
Als sie auf die Straße trat, überraschte sie die für diese Jahreszeit warme Luft. Sie entschied, zur Arbeit zu laufen. Auf dem Weg ging sie durch den Park und lief an einigen Sitzbänken vorbei auf denen Leute saßen. Paula hörte hinter sich das Rascheln einer Zeitung und sie war nur ein paar Schritte weiter gelaufen, als sie die Stimme ganz nah an ihrem Ohr hörte:
»Geh einfach weiter, als wäre nichts.«
Sie spürte, wie er ihr etwas an die Hüfte drückte und als sie hinunter blickte, sah sie die Klinge im Sonnenlicht blitzen. Hilflos blickte sie sich um, doch es kam ihr niemand entgegen. Sie lief verängstigt weiter.
»Was wollen Sie?«
»Halts Maul und lauf!«
Sie verließen den Park und er drängte sie in eine Seitenstraße. Dort stieß er sie auf den Boden hinter einen Müllcontainer und sie sah ihn zum ersten Mal an. Sie kannte ihn nicht, hatte das Gesicht noch die gesehen.
»Wenn Sie Geld wollen, ich habe das hier…«
»Ich will dein Geld nicht! Hast du dich noch die gefragt, was mit dir ist? Hast du noch nicht bemerkt, dass mit dir was nicht stimmt? Die seltsamen Schmerzen, kennst du doch, oder?«
»Was meinen Sie? Woher wissen Sie…?«
»Ich weiß es, weil ich es auch habe! Vor zwei Jahren war was am linken Bein, hat verdammt wehgetan, erinnerst du dich? Und die Scheisse mit der Schulter? Was machst du, Tennis?«
»Ja, aber…«
»Und hast du nicht heute Morgen wieder was an der Backe gespürt? Ungefähr hier?«
Er deutete mit dem Finger auf einen kleinen getrockneten Blutfleck an seiner Wange.
»Ja, stimmt…«
»Beim Rasieren geschnitten! Ich suche dich schon lange. Ich kann das nicht mehr ertragen. Ich will, dass du mir erklärst, was mit mir los ist!«
»Ich habe keine Ahnung, ich wusste nicht, dass es noch andere gibt, die das auch haben, bitte, lassen Sie mich aufstehen und wir reden darüber.«
»Nein! Du verdammte Irre! Du hast irgendeine Psychoscheiße mit mir abgezogen, aber jetzt ist Schluss damit!«
Er zückte das Messer, doch Paula konnte aus ihrer sitzenden Position heraus mit dem Fuß an seinen Arm treten, so dass er das Messer fallen ließ. Als er sich bückte um das Messer wieder aufzuheben, trat sie ihm an den Kopf. Er taumelte und fiel hin. Als sie ihn am Kopf getroffen hatte, spürte sie den Schmerz auch. Er hatte also Recht. Sie sprang auf und stand nun über ihm, das Messer in der Hand:
»Hören Sie, wir können das bestimmt klären, ich…«
In diesem Moment setzte er zu einem Sprung an, doch kurz bevor seine Fäuste sie trafen, krümmte er sich zusammen. Auf seinem Gesicht stellte sich ein verzerrter Ausdruck ein und er wandte den Blick auf seinen Bauch, aus dem Paula gerade das blutüberströmte Messer herauszog. Er fiel nach hinten um, saß für einen Moment an der Wand gelehnt, bis er zur Seite wegkippte. Sie stand schockiert über ihm, trat einen Schritt zurück und ließ das Messer zu Boden fallen. Dann blickte sie an sich herunter und sah, dass ihr Oberteil sich mit Blut vollsog. Sie setzte sich langsam hin und drückte eine Hand auf die Wunde an ihrem eigenen Bauch. Die gleiche Wunde, die sie ihm zugefügt hatte. Während die Welt um sie herum immer blasser wurde, sah Paula, wie sich aus dem dunklen Bereich der Gasse ein großer Schatten langsam auf sie zubewegte. Sie erkannte die Umrisse. Es war das Ding aus dem Wald, in den sie gebracht wurde, als sie acht Jahre alt war.


MR 2011



(dritte, minimale Überarbeitung mit einem neuen Vorwort)

 

Hallo Markus Roth, herzlich willkommen im Forum!

Hm, also anfangs fand ich den Plot ja recht spannend, aber im weiteren Verlauf hat die Spannung dann Verwirrung Platz gemacht. Deine Geschichte spielt über einen sehr langen Zeitraum hinweg, da muss man also springen, das hast du auch gemacht, aber zu drastisch, für meinen Geschmack. Davon abgesehen kam mir die Geschichte oft wie ein Bericht vor. Alleine der Anfang - sie gehen raus, spazieren, haben Sex - wo ist da das Fleisch an den Knochen? Die Beschreibung der unheimlichen Gestalt war mir dann zu dürftig, klar kann man das ohne Beschreibungen, Angst vor dem Unbekannten und so, aber das war einfach zu wenig.
Auch im zweiten Abschnitt: Ach ja, Cathrin stirbt übrigens, in einem Nebensatz. Zu berichtend.
Dann wird das Ganze sehr verkürzt erzählt und man muss es sich zusammenpuzzlen: der drogenabhängige Peter entführt also Paula und bringt sie in den Wald zu der unheimlichen Gestalt (warum, wird auch nur sehr dürftig durch "Trips" erklärt). Man erfährt nicht, was da passiert.
Dann Schnitt auf die erwachsene Paula, die Phantomschmerzen hat. Sie trifft auf einen Mann, dem es genauso geht, irgendwas verbindet die beiden anscheinend. Sie tötet ihn, aus dem Dunkel tritt die unheimliche Gestalt - ja und? Was soll das Ganze? Versteh ich nicht. Was soll das Ganze mit als Achtjährige wieder in den Wald bringen? Was hat es mit den Phantomschmerzen auf sich? Wer ist der Mann? Was hat er mit der unheimlichen Gestalt zu tun? Wenn die beiden die gespiegelten Schmerzen des anderen haben, warum passiert dann nichts mit ihr, als er stirbt? Usw. usf.
Nee, also, wie gesagt, der Anfang war interessant, wenn auch zu berichtend, den Rest finde ich krude.

Etwas Textkram:

Sie waren beide angetrunken und wollten spazieren zu gehen.
...

Cathrin weinte vor Angst obwohl die Kreatur sich nicht bedrohlich verhielt.
Angst, obwohl

aber das es keine medizinischen Gründe für die von Ihr beschriebenen Schmerzen geben würde.
dass; ihr

Sie kannte ihn nicht, hatte das Gesicht noch die gesehen.
...

„Wenn sie Geld wollen, ich habe das hier…“
Sie

Hast du dich noch die gefragt, was mit dir ist?
...

„Was meinen sie? Woher wissen sie…?“
2x Sie

bitte, lassen sie mich aufstehen und wir reden darüber.“
Sie

Du hast irgendeine Psychoscheisse mit mir abgezogen aber jetzt ist Schluss damit!“
Psychoscheiße; abgezogen, aber

Er zückte das Messer doch Paula konnte aus ihrer sitzenden Position heraus mit dem Fuß an seinen Arm treten
Messer, doch

Als er sich bückte um das Messer wieder aufzuheben trat sie ihm an den Kopf.
bückte, um; aufzuheben, trat

Viele Grüße,
Maeuser

 

Feedback

Hi Maeuser,

ich danke dir sehr herzlich für dieses ausführliche Feedback.
Auch gebe ich dir recht, dass die Geschichte sicherlich mehr Fragen aufwirft, als welche zu beantworten. Das ist es, was mir an ihr gefällt und weder weiß ich die Antworten auf deine Fragen, noch finde ich, dass diese so genau beantwortet werden müssen.

Die Hinweise auf meinen Stil weiß ich sehr zu schätzen. Ich beschreibe zu viel und "zeige" zu wenig. Daran werde ich arbeiten, du hast vollkommen recht.

Auf die Frage, warum nichts mit Paula passiert, nachdem sie ihn erstochen hat: Ich befürchte, ich wollte andeuten, dass auch sie jetzt mit einer Wunde im Bauch zusammenbricht und das verschwimmen der Welt um sie herum sollte ihren Tod andeuten. Offensichtlich muss dieser Teil aber auch überarbeitet werden.

Danke auch für das aufzeigen der Rechtschreib- und Grammatikfehler. Fast alle sehe ich ein und werde sie korrigieren.

Noch einmal vielen Dank für das schnelle Feedback. Es macht richtig Spaß zu wissen, das irgendjemand das aufmerksam gelesen hat.

Grüße, Markus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Markus

Ist es gängige Praxis, die überarbeitete Version noch einmal hochzuladen, oder die bereits eingestellte Version zu editieren?
Eine Geschichte wird normalerweise immer direkt bearbeitet (über den "Bearbeiten"-Knopf) und auch nur einmal eingestellt.
Es kann dabei immer mal vorkommen, dass die bestehenden Kommentare nicht mehr ganz passen. Das ist aber nicht weiter tragisch, da sich die Geschichte ja (hoffentlich) weiterentwickelt hat. Du kannst in einem Kommentar auf die "komplette" Überarbeitung hinweisen. Aus den vorangehenden Kommentaren, wenn sie denn konstruktiv verfasst wurden, ist weiterhin ersichtlich, wobei der Autor mit seiner ursprünglichen Version schief lag.

Was mir mehr Sorgen macht ist deine Antwort bezüglich Kommentar von Maeuser.

Das ist es, was mir an ihr gefällt und weder weiß ich die Antworten auf deine Fragen, noch finde ich, dass diese so genau beantwortet werden müssen.
Das wird dir so keine neuen Kommentare bescheren, denn warum sollte man eine Geschichte beurteilen, von der der Autor nicht einmal weiss, was die Andeutungen bedeuten? Da machst du es dir zu einfach, also bitte noch mal drüber nachdenken!

Weiterhin viel Spass hier,
Gruss dot/

 

offene Fragen

Hi ./,

ich muss zugeben, dass ich es mir schon leicht mache, keine Fragen zu beantworten. Dazu muss ich sagen, dass die "Geschichte" die Niederschrift eines Traums ist. Wenn ich was dazuerfinde, ist es nicht mehr authentisch.

Die Kommentare bezüglich meiner handwerklichen Fähigkeiten, die ich bisher erhalten habe, schätze ich sehr! Mögliche Deutungs- oder Interpretationsversuche anderer interessieren mich nicht besondern.

Zukünftige Gehversuche, die nicht auf Träumen basieren, versuche ich nicht ganz so nebulös zu konstruieren.

Danke, viele Grüße, Markus

 

Hallo Markus

Dazu muss ich sagen, dass die "Geschichte" die Niederschrift eines Traums ist. Wenn ich was dazuerfinde, ist es nicht mehr authentisch.

Dass es rein die Niederschrift eines Trams ist, nehme ich dir nicht ab. Man erinnert sich einzig an kurze Traumfrequenzen und nicht an ganze Geschichten. Auch die Theorie von Traumdeutern, dass man das Erinnern üben kann, halte ich für kaum viel weitergehend. Du könntest also getrost Verbesserungen vornehmen, wenn sie dir für den Inhalt sinnvoll sind. Das Wesentliche ist dir ja wohl, dass die wirklichen Trauminhalte bewahrt bleiben, das Drumherum hast du ja bereits geschaffen.
Da du keine Fragen beantwortest, wie du schriebst, merke ich nur an, dies ist eine Feststellung und verlangt keine Antwort. Wenngleich als leicht deute ich eine chronische Antwortverweigerung nicht.

Nach dem Sex zogen sie Ihre verschobenen Kleidungsstücke wieder zurecht und setzten sich nebeneinander hin.

ihre (kleingeschrieben)

Cathrin stieß einen kurzen Schrei aus und sprang auf, doch dann erstarrte sie wieder und hielt ihre Hände vor Mund und Nase.

Das wieder ist widersinnig, da sie bisher ja noch nicht erstarrt war.

„Ich will dein Geld nicht! Hast du dich noch die gefragt, was mit dir ist?

Wohl eher: nie

Den Gehalt deiner Geschichte finde ich etwas krude, aber nicht schlecht. Aber, das scheint mir das Wesentliche, sie ist unvollendet, da ein gewaltiges Zwischenstück fehlt. Nun behaupte nicht, das sei eben das fehlende Traumstück, das dir fehlt.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Krude?

Hi,

ich musste tatsächlich nachsehen, was jetzt schon zwei Kommentatoren mit krude meinten. Das Wort hatte ich noch nie gehört. Auch würde ich meine Haltung bezüglich Fragen nicht als chronisch bezeichnen. Das ist in der Diskussion ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Ich meinte nur, dass ich selbst keine Interpretation liefern möchte und mich auch nicht zu Fremdinterpretationen äußern werde. Trotzdem ist mir jede Idee willkommen und ich höre mir alle fremden Meinungen gerne an.

Unglaublich finde ich auch, dass ich "...hast du dich noch DIE gefragt..." nicht bemerkt habe, und dabei habe ich das jetzt schon so oft "gelesen". Ich fliege eben doch zu schnell über die einzelnen Sätze.

Dass in der Geschichte ein großer Sprung ist, sehe ich irgendwie nicht so als Problem an. Oder gilt hier die Regel, dass alle Geschichten linear ablaufen müssen? Ich lese selbst total gerne "non-lineare" Geschichten postmoderner Machart (was die Englische Literaturkritik Historiographic Metaficion nennt, Beispielsweise Graham Swifts "Waterland" oder Richard Flanagans "Gould's Book of Fish").

Ich bessere die neu entdeckten formalen Probleme aus und arbeite auch gerade an einer etwas "fleischlastigeren" Version mit mehr Dialogen.

Grüße

 

zweite Überarbeitung

Hi,

ich habe jetzt vor allem den ersten und den dritten Teil stark überarbeitet. Sie beinhalten jetzt mehr Dialog.
Ich kann mir vorstellen, dass es nervt, nochmal alles zu lesen, aber falls sich jemand finden würde, der erneut seine Meinung (vor allem zur Technik) äußert, wäre ich sehr dankbar.

Grüße, Markus

 

Hallo Markus

Ich habe beide Versionen gelesen. Die zweite mit den Dialogen finde ich lebendiger, aber auch die Dialoge können über die grundsätzlichen Schwächen der Geschichte nicht hinweghelfen.

Durch diesen Zeitraffer bekommt man als Leser keinen Bezug zu den Figuren, sie wirken hölzern, fremd. Das gipfelt in der Tatsache, dass du eine der Hauptfiguren zu Beginn einfach mal schnell sterben lässt, in einem Nebensatz, wie es Maeuser treffend formulierte. Schon allein das zeigt doch, was deine Figuren sind: austauschbar. Es kümmert weder den Leser noch den Autor, ob sie leben oder sterben. Es gibt keine Charakteristik an ihnen, keinen Konflikt, kein Gefühl, über das ich mich mit ihnen identifizieren kann.

Die zweite große Schwäche ist dann halt leider die Handlung. Dazu willst du ja eigentlich nichts mehr hören, aber es tut mir leid, für mich ist das ziemlich unzusammenhängend, was du uns hier vortischst. Da wird nichts erklärt, es löst sich nichts auf, da ist - und es tut mir leid, es so hart sagen zu müssen - Null Arbeit deinerseits in eine vernünftige Handlung eingeflossen. Wenn ich einen authentischen Traum von Markus Roth lesen wöllte, würde ich diesen Umstand als Kompliment formulieren, aber ich will hier interessante Geschichten lesen, ich will überrascht und in dieser Rubrik auch erschreckt werden. Das geht aber nicht, wenn ich keinen Bezug zu den Figuren bekomme und eine absolut wirre Handlung vorgesetzt bekomme.

Jetzt noch Textarbeit:

»Ja, ist ja jetzt auch schon ein halbes Jahr her. Ich war viel Unterwegs in letzter Zeit.«

unterwegs

»Okay, aber komm nicht auf dumme Gedanken, Junge.«

Ähm ... nein, wie sollte er auch, nachdem sie mit ihrer Hand schon in seiner Hose (oder unter seinem Hemd) war.

»So was habe ich noch nie erlebt«, sagte sie, »du?«
»Du meinst im Freien?«
»Ja, aber auch so schnell.

Der Teil ist genial. Sätze, die Männer nach dem Sex nicht hören wollen. Dein Vorschlag hier ist auf Platz 2. :D

Cathrin hielt ihre Hände vor Mund und Nase. Das war kein menschlicher Schatten.

Das ist halt so ein Beispiel, wo die Geschichte sehr einfallslos wirkt: Ein Schatten. Kein menschlicher Schatten. Und mehr kommt da auch nicht. Ja, was soll ich mir jetzt darunter vorstellen? Da läuft ein Schatten durch die Gegend, der nicht menschlich ist? Sieht der vielleicht aus wie ein Auto? Oder wie ein Klavier? Gut, es ist eine "Gestalt". Aber was hat die jetzt, dass sie nicht menschlich wirkt? Du verstehst, was ich meine, du sagst einfach: ein nicht menschlicher Schatten, und weil deine Figuren sich davor fürchten, soll es der Leser auch. Aber so einfach funktioniert das nicht. Dann schreibst du noch, kein Kostüm macht solche Arme aus menschlichen Gliedmaßen. Ja, wie sehen sie denn aus? Und zwei Sätze später hebt der Schatten seinen rechten Arm. Im Traum mag das gruselig gewesen sein, so hingeschrieben sicher nicht.

Die beiden spürten, dass die Gestalt eine Macht über sie hatte, der sie sich nicht wiedersetzen konnten.

Auch das kannst du nicht einfach so behaupten, und der Leser schluckt es. Wie spürt man sowas? Versuchen sie denn, sich zu widersetzen? Was passiert dadurch mit ihnen? Weißt du, solche Sachen musst du zeigen und nicht nur beschreiben. So ist das zu einfach.

»IIIJJJAAA«

Rein großgeschriebene Wörter besser vermeiden, das wirkt immer komisch in Geschichten.

Es bewegte die Lippenvnicht

Da ist ein Buchstabe reingerutscht.

»Aber» Cathrin ist…«

Die Anführungszeichen sind falsch gesetzt.

Also rein vom Stil her denke ich könntest du uns schon bessere Geschichten hier erzählen, jetzt musst du halt noch mehr Arbeit in die Handlung und deine Figuren stecken.

Viel Erfolg dabei & viele Grüße.

 
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Hi Schwups,

ich kann es fast nicht glauben, dass ich schon wieder so ein langes Feedback bekomme. Großes Lob an diese Seite und ihre Mitwirkenden. So schnelles und gutes Feedback habe ich selten erlebt.

Natürlich haben sich in dieser neuen Version wieder unheimlich viele formale Fehler eingeschlichen und ich danke für das Aufdecken jedes einzelnen. Auch das "so schnell" habe ich keine Sekunde doppeldeutig gesehen. Feedback ist wirklich sehr wichtig.

Ich sehe nun auch ein, dass ich versucht habe, die Dinge, dich ich als "gruselig" empfinde (die Kreatur, die einfach nur dasteht) zu wenig lebendig werden lasse. Im Kopf habe ich selbst auch nur ein diffuses Bild von ihr, aber das ist es, was sie für mich schauderhaft macht. Das so etwas in einer Geschichte nicht funktioniert, verstehe ich langsam.

Nun stehe ich aber vor der Situation, dass ich minutiöse Erklärungen von seltsamen Wesen selbst überhaupt nicht gruselig finde. Ich müsste also für den Zweck des Lesergruselns einen Weg finden, der zwar explizit zeigt, was passiert, trotzdem genug Freiraum lässt, das sich in der Imagination des Lesers tatsächlich Angst bilden kann. ... harte Nuss für nen Anfänger. (Ich bin aber auch kein Genreleser, finde Zombies und Blut-Orgien nicht gruselig.)

Jetzt doch nochmal kurz zu den inhaltlichen Anmerkungen:

Eine der Hauptfiguren stirbt in einem Nebensatz:

Ich finde gerade das so schockierend. Normalerweise wird doch immer pathetisch auf dem Tod geliebter Figuren herumgeritten. Wenn ich das jetzt so beiläufig einschiebe, habe ich mir (als naiver Anfänger, der ich auf jeden Fall bin) gedacht, dass man als Leser vom Tod überrascht wird. "Huch, die ist Tod. Und ich habe es fast überlesen. So schnell kann's gehen. Life's a bitch but that's life!"
Anscheinend hat das aber nicht funktioniert und steht auf meiner erneuten Überarbeitungsliste.

Weiterhin ist Cathrin durchaus austauschbar. Es ist vollkommen egal, wer die Figuren sind, oder was sie machen. Wichtig ist nur, was ihnen in diesem Zeitraum passiert ist. Aber vielleicht irre ich mich hier wieder. Vielleicht sollte ich tatsächlich erstmal eine Beziehung zwischen Leser und Figuren aufbauen? Ich will keine Klischee-Figuren haben, (was auf 3 Seiten wohl unvermeidlich bleiben wird), dann doch lieber gesichtslose. Liege ich da so falsch?

Dann war noch die Anmerkung, dass der Leser interessante Geschichte lesen will, die ihn überraschen und erschrecken. Fair enough, das mit dem Erschrecken funktioniert hier nicht (außer, man wertet den Schreck über die schlechte Machart des Texts hinzu...), aber zählt es nicht als "Überraschung", wenn plötzlich Hauptfiguren sterben und unerwartete Dinge im Wald passieren?
Inhaltlich vielleicht schon, doch es gelang mir wohl leider nicht, dieses Feeling rüberzubringen.

Ich sehe ein - und das ist hauptsächlich euer Verdienst! - dass ich an dieser Geschichte weiter arbeiten muss.

Nun drängt sich mir aber eine Grundsatzfrage auf: Ist das überhaupt mein Genre? (Ich will nicht Fragen, ob Schreiben überhaupt was für mich ist. Es macht Spaß, also kann die Antwort darauf nicht nein sein.)
Ich habe heute nur wenig Zeit, deswegen weiß ich nicht, ob ich eine Überarbeitung hinbekomme. Vielleicht versuche ich es aber auchmal in einer der anderen Sektionen?

Trotzdem nochmal vielen Dank für eure hervorragenden Tipps!

Viele Grüße, Markus

# # #

Hi Leute,

ich habe eine neue Einleitung für die Geschichte geschrieben und sie darüberkopiert. Sie hat einen etwas anderen Character, als der Rest. Vielleicht, wenn sie euch gefällt, werde ich den Rest auch noch umarbeiten.

Grüße, Markus

 

Hallo Markus,
vorweg erst mal, ich habe über dein neues Vorwort schmunzeln müssen, es gibt viele witzige Ideen darin, auch deinen Stil finde ich, was das Vorwort betrifft, insgesamt recht gut.
Dass es ein paar Längen (aus meiner Sicht) gibt und auch ein paar Stellen, die ich nicht verstehe (mag ja aber an mir liegen) stelle ich erst mal hinten an, denn etwas anderes ist mir wichtiger.

Es passt inhaltlich und von der Schreibabsicht nicht zum Rest. Humorvolles Vorwort, gefolgt von einer Horrostory. Ich nehme deinen Hinweis auf künftige Überarbeitung auch so, dass dir das selbst klar ist.
Das Vorwort klärt zwar einen Teil deiner Horrorgeschichte, wieso Menschen sich Schmerz teilen etc., auf, aber die Erklärung wirkt sehr gewollt und an den Haaren herbeigezogen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Beschränkung auf ausgesuchte Achtjährige die Hölle nicht sehr lichten würde.
Außerdem ändert es auch nichts an den inhaltlichen Brüchen in deiner Horrorstory, auf die andere schon viel besser hingewiesen haben, als ich das könnte.
Für mich sind das erst mal zwei getrennte, völlig verschiedene Geschichten.
Ich würde die Höllenszenerie ausarbeiten und davon getrennt die Horrorstory überarbeiten.
Und was deine Frage nach dem Genre betrifft - also ob du im Horrorbereich richtig anzusiedeln bist - oder lieber woanders? Ja, du bist richtig bei Horrorgeschichten und du bist auch richtig bei humorvollen Geschichten. Die Grundvoraussetzungen bringst du mit, das ist erstens, dass du gerne schreibst und dein Stil ist (wenn man sorry von den inhaltlichen Geschichtenschlaglöchern absieht) oft angenehm zu lesen.
Und die dritte Voraussetzung ist, dass du offensichtlich jemand bist, der sehr am Ball bleibt, auch wenn du hin und wieder einige etwas eigenartige Sätze von dir gibst :-))
Also was willst du mehr?
Ich glaube, du versuchst im Moment ein bisschen viel auf einmal - das hat zur Folge, dass deine ursprüngliche Paula-Geschichte lang und länger wird und du dich immer mehr verwickelst.
Ich würde dir echt raten, beides zu trennen und zwei verschiedene Geschichten zu machen - dich vielleicht sogar auf kleinere Zeitausschnitte zu beschränken.
Aber ich lasse mich auch gerne überraschen.
Viele Grüße
Novak

 

@Novak

Hi und auch dir vielen Dank fürs Feedback.

Es stimmt absolut, dass die Geschichten nicht zusammenpassen. Das "Vorwort" habe ich umständlich so konstruiert, dass der Rest der Geschichte irgendwie dazupassen könnte. Dann hatte ich aber mit Jörg und Udo so viel Spaß, dass ich es ein bisschen übertrieben habe.

Du schreibst auch, dass ich ab und zu eigenartige Sätze von mir lasse, mir ist nicht klar, ob du damit die Geschichte Paula meinst, oder die anschließenden Kommentare hier im Forum.

Da ich gemerkt habe, dass mir die alberne Schreibe über die Hölle mehr Spaß machte, als das erzwungen ernsthafte der eigentlichen Geschichte, werde ich damnächst den zweiten Teil dem ersten anpassen und dann eine neue Version hochladen. Diese sollte man dann vielleicht (je nach feedback) in die Humorsektion verfrachten. Dass sehen wir dann, wenn es so weit ist.

Grüße, Markus

 

Hllo Markus,

Du schreibst auch, dass ich ab und zu eigenartige Sätze von mir lasse, mir ist nicht klar, ob du damit die Geschichte Paula meinst, oder die anschließenden Kommentare hier im Forum.
Sorry, war wohl missverständlich. Meinte ein paar der Antworten zu den Kommentaren. Ist aber mittlerweile eh alter Kaffee.
Dann warte ich mal auf deine Überarbeitung.
Viele Grüße
Novak

 

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