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Paul und der Sinn des Lebens
Paul war 15, und Schüler in der 9b des Albert-Einstein-Gymnasiums. Für eine Hausaufgabe in Ethik musste er einen Text über den Sinn des Lebens schreiben. Faul wie Paul nun mal war, bediente er sich des Internets, anstatt selbst über das Thema nachzudenken. Schon fand er einen passenden Text, den er flüchtig überflog, für passend befand, und eins zu eins auf ein Blatt übertrug, welches am nächsten Tag auf dem „Zu-korrigieren-Tisch“, seines Lehrers landete.
Drei Tage später stand wieder Ethik auf dem Stundenplan. Paul betrat den Klassensaal, nahm seinen Stammplatz in der letzten Reihe am Fenster ein und wartet bis die Stunde vorbei war. Doch diesmal waren die 45 Minuten anders, als er es gewohnt war verlaufen.
Herr von Sinnen, sein Ethiklehrer, teilte die korrigierten Hausaufgaben aus. Alle bekamen ihr Geschriebenes wieder, doch als Herr von Sinnen nur noch ein Blatt in der Hand hielt, drehte er sich um und ging wieder zurück an sein Lehrerpult. Paul ahnte Schlimmes.
„Ich möchte eine Hausarbeit besonders hervorheben, nämlich die von Herrn Windreif.“
Erstaunte Blicke trafen den langsam rot anlaufende Gestalt in der letzten Reihe.
„Ich werde den Text von Paul vorlesen, und ihr hört mir bitte gut zu“, sagte Herr von Sinnen und las:
Man sieht das Licht und ist geblendet, weil man es nicht gewohnt ist es zu sehen. Doch nach ein paar Sekunden ist es normal, und man beachtet es kaum mehr. Es wird so normal wie die Luft die man atmet, welche aber genauso ungewohnt ist nachdem man 9 Monate im dunklen, luftlosen "Raum" war. Über die weitergehenden Informationen zu den beiden elementaren Lebensvoraussetzungen macht man sich am Anfang keine Sorgen, zu einem weil es nicht möglich ist zum anderen weil es auch nicht wichtig ist für den Gebrauch der selbigen.
Man ist erstmal da um da zu sein. Man macht nichts, weil man nichts kann. Es ist nun an den Erzeugern, einen Sinn für das neue Lebewesen zu erzeugen. Man liegt in ihren Händen und ist wie ein leeres Blatt Papier, das darauf wartet beschriftet zu werden. Das Blatt mag so weiß wie die Mutter und so eckig wie der Vater sein, aber es ist ein Individuum, das eine Kombination zweier Unikate ist. Erziehung prägt es, Erfahrungen formen es, die Umwelt beeinflusst es, ob es will oder nicht. Nach ein paar Jahren auf der Welt, weiß man was einem nicht gefällt. Und so entwickelt sich das Mentale neben dem Physischen, der Körper wächst der Geist expandiert, doch alles nur allmählich, denn was nützt es einem alles aufeinmal zu bekommen. Wenn dies der Fall wäre würde man die Lust am Leben verlieren, denn leben heißt lernen und leiden. Man macht Erfahrungen, negative, positive, interessante oder beängstigende, und alle beeinflussen einen, mehr oder weniger, doch am Ende fügen sie sich zu einem Ganzen, den 99%, wieso 99 wirst du fragen. Nun der Sinn den jeder sucht. Der Sinn.
Stille lag im Raum. Als Herr von Sinnen den letzten Satz beendete und vom Blatt, seinen Augen wieder auf die Klasse richtete, sah er verwunderte Augenpaare.
„Paul, ich habe nicht gewusst, dass du so eine komplexe Sichtweise auf unsere Welt hast“
Paul guckte auf seinen Tisch. Langsam richtete er seinen Blick nach Vorne und sagte:“ Ja, ich hab mir einfach ein paar Gedanken gemacht, nichts weiter“
„Gut“, lächelte Herr von Sinnen“ dann sprechen wir nochmal nach der Stunde, ich würde gerne mit dir noch etwas über deine Arbeit diskutieren, wenn du einverstanden bist“
„Natürlich“, kam es leise aus Paul heraus, und wieder senkte er seinen Blick dem Tisch entgegen.