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Partygeflüster
Bin überfordert. Nun, ist es so. Anscheinend ist man hier nirgends vor langweiligen und unnützen Informationen sicher, ohne die man bisher auch ganz gut zurechtkam.
Meine erste Wiedersehensfreude mit zwei früheren Kollegen trübte sich dummerweise gleich nachdem mir ausgiebig lang und breit dargelegt wurde, dass beide nach einigen Bierchen über einen ausgezeichneten Stuhlgang verfügen.
Mein Fehler. Ich hätte nicht aufgrund von Gejammer über Blähungen und Völlegefühl meine Magen-Aufräum-Pillen anbieten sollen. In meiner Naivität habe ich doch glatt gedacht, das wäre eine gute Idee um nicht nur die Eingeweide der Herren, sondern auch die allzu ernste Thematik aufzulockern. Mal ganz abgesehen davon, dass es mittlerweile schon etwaige Gase mit einbezieht.
Weit daneben. Perfekter Anlass für eine detaillierte Diskussion über fettes Essen in Zusammenhang mit Hopfen und Malz und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die menschlichen Ausscheidungen. Die wollen mich doch tatsächlich in der aufwallenden und hitzigen Diskussion zu einer diesbezüglichen ernsthaften Stellungnahme bewegen. Also grinse ich den einen an und latsche dem anderen aus Versehen volle Kanne mit meinem High-Heel auf den Fuß. Wortreich entschuldige ich mich bei dem Eingeknickten und da ich die Auswirkungen meiner Hacken auf Männerfüße kenne, versichere ich glaubhaft, dass ich sofort mit etwas Eis und Mullverband zurück sein würde.
Pffffft, träumt weiter.
Begebe mich wieder in‘s Partygetümmel und gerate alsbald zwischen zwei, die da einen Wettstreit über den größeren Leidensweg in ihrem Leben austragen.
Es ist immer noch nicht abschließend geklärt bei wem von beiden nun das Schicksal härter zugeschlagen hat, sodass ich meinerseits auch noch nicht entschieden habe, wem von beiden ich denn nun meine Anteilnahme und ein in Äther getränktes Taschentuch schenke. Jedenfalls war es ganz arg, so richtig schlimm. Mal nicke ich mitfühlend nach links, mal schüttle ich ungläubig meinen Kopf Richtung rechte Ecke, reiße dabei die Augen auf und denke dabei an stumpfe Gegenstände die ich kraftvoll in menschliches Fleisch ramme. Die haben ja keine Ahnung wie schmerzhaft das Leben für sie sein könnte. Eigentlich mangelt es mir ja nicht an Empathie aber bei Gott, ich brauch jetzt was zu trinken. Dafür haben auch die beiden Heulsusen was übrig und ich kann glaubhaft versichern, dass ich alsbald mit diversen Flüssigkeiten zurück sein werde.
Pffffft, träumt weiter.
Leicht torkelnd mache ich mich auf den Weg zur Bar.
Und wer hätte das denn gedacht, nah siehe da, was für eine Freude! Da steht doch glatt neben mir, also na ja, das ist doch, ja genau???, wenn ich das doch bloß mal wüsste! Jedenfalls freue ich mich auch unheimlich sie zu sehen und hüpfe sogar ein wenig auf und ab. Aber Entschuldigung, die vielen Leute, dann noch der Alkohol, die vielen Leute! Oh ja ja, natürlich, jetzt weiß ich’s und auch sie hat sich überhaupt nicht verändert. Ach, ihre Haare waren vorher rot? Ja natüüüüüüürlich! Ja, auch ich habe eine neue Frisur. Nein, meine sind nur geschnitten. Ach und du meinst, ich sollte aber unbedingt mal über eine andere Haarfarbe nachdenken, blond oder auch rot würden mir viel besser stehen als meine Straßenköterfarbe, ja?
Wie komme ich denn aus der Nummer wieder raus? Erinnerung kann ja so schlecht sein. Einer der süßen Kellner ist nach meinem diskreten Handzeichen sofort willens mir einen Wunsch zu erfüllen. Ein Wasser wäre zwar besser, aber ich hab´s jetzt echt nötig und so bleibe ich beim Alkohol. "Noch ein Gals von dem Roten bitte". Oh wie nett, dass sie mich auf meinen kleinen Laller hinweist. Natürlich meinte ich Glas. Kicher Kicher, was, nein ich bin alleine hier. Ja, immer noch solo. Nein, ganz bestimmt kein Grund zum Traurig sein, nein auch keiner zum Trinken. Ja, rauchen tue ich auch noch und du meinst wirklich, sonst tut das heute niemand mehr? Oh und du meinst auch, das liegt daran, dass ich schon immer irgendwie komisch war und du hast Wein um zu vergessen oder um in Stimmung zu kommen auch absolut nicht nötig. Hmmmh, und glücklich verheiratet bist du auch noch! Warst du das nicht schon die beiden ersten Male? Ach so, jetzt aber auch noch reich und sorglos. Na und wie exotisch, auch noch drei reizende Kinder bringt er mit. Und zufällig dein Handy dabei, auch wunderbar, aber weißt du was? Du kannst ja schon mal die Fotos von dir, dem Göttergatten und den Gören von interessiert mich überhaupt nicht bis nach die will ich sowieso nicht sehen sortieren und ich begebe mich derweil auf die Flucht. Übrigens, das Rot sah echt kacke aus aber immer noch besser als das was du jetzt blond nennst. Was, nein nein, ich meinte das Rot war auch nicht übel, aber das Blond macht dich ähhhh, zu was auch immer. Ja ja, meine ich wirklich. Na klar, bin gleich zurück.
Pfffft, träum weiter.
Leichter Seegang. Vor dem Klo ne Schlange, war ja nicht anders zu erwarten. Betreten schaue ich zu Boden, vermeide jeglichen Blickkontakt und versuche standfest zu sein und nicht wie eine Boje im wilden Wasser zu schaukeln.
Was für eine Feier. Wie unverschämt, sich auf eine Party zu begeben und dann ohne jeglichen Sinn und Verstand mehr oder minder bekannte Leute zu quälen. Jedes Mal wenn ich bisher dachte ich wäre auf dem besten Weg auf einen Flirt, eine spaßige Unterhaltung oder einfach nur auf einen Small-Talk endete es damit, dass ich mich in Anbetracht der Verschwendung ungläubig frage, warum sie überhaupt atmen. Ich wette, dass nicht einmal Gott weiß warum, aber sie tun es, Atmen meine ich. So’n Pech.
Wo ich doch heute sowas von sexy bin. Mein Partydress ist very smal und meine Frisur dafür extra hip. Ich sehe einfach fantastisch aus, aber will das denn hier partout keiner honorieren? Soll das alles umsonst gewesen sein?
Lasziv schmeiße ich mein nicht mehr vorhandenes langes Haar nach hinten und dabei remple ich schwankenderweise eine vor mir an. Oh Entschuldigung. Nein, ist das denn möglich! Hätte mich ja fast nicht erkannt.
Finde ich aber komisch, wo doch die andere Schnecke meinte ich hätte mich so gar nicht verändert, bis auf die Haare natürlich. Und ja, ich war beim Frisör. Ach und du meinst das macht ja nichts, die wachsen schließlich wieder. Ach, und die Frisur findest du zwar nicht schön aber meinem Alter und Typ doch irgendwie angemessen. Sie drückt mich und fragt ob ich es wirklich bin, nach so langer Zeit. Das versichere ich ihr auch glaubhaft und ebenso, dass sie seit unserem letzten Treffen mindestens um das Doppelte gealtert sei. Sie zuckt heftig zusammen, ist sich aber nicht sicher, ob sie wirklich gehört hat was ich da grad gesagt habe. Unterhaltsam, die Leichtigkeit des Seins.
Ich schenke ihr ein herzliches Lächeln, küsse sie links und rechts auf die Wange, zerstreue ihr Misstrauen und wappne mich schon mal dem was da noch vor mir liegt. Wie geht’s sonst? Ihr geht’s phantastisch und sie hat ihre Freundinnen S….., T…… und N……. irgendwas dabei und sie kommen übrigens gerade von einer Segelreise zurück und ich werde ganz bestimmt nicht glauben wohin sie den Törn gemacht haben!
Ist mir vollkommen egal aber leider erinnert mich das an meinen Seegang und prompt fange ich wieder an zu schwanken. Die Äolischen Inseln, Italien und durchs ganze Mittelmeer. Der Golf von Neapel ein Traum! Ist ja leider nicht ganz ungefährlich, wegen der Betrüger und Diebe und so, weiß man ja. Sie wurden schon im Voraus von Freunden gewarnt ihre Wert- und Schmuckstücke an Bord zu lassen und das Beste wäre sich den Anwohnern anzupassen und sich entsprechend ärmlich zu kleiden. In einem der italienischen Geschäfte haben sie sich auch angemessen ausgestattet und was soll sie mir sagen, wohl gefühlt haben sie sich nicht in dem schäbigen und billigen Plunder.
Gefolgt von ihrer mitfühlenden Erklärung an ihre Freundinnen, dass ja mein Vater von "dort" kommt aber ich und meine Geschwister seien ja glücklicherweise "hier" geboren, nicht wahr? Und schließlich könne ja niemand so wirklich was für seine Herkunft.
Sie ist so dämlich, ich schwöre, sie weiß nicht was sie da tut, einfach nur eine zufällige Aneinanderreihung von Worten. Aber der war zu gut und heute ist nun mal der richtige Ort und die richtige Zeit um sie unglücklich zu machen.
Ich lege den Kopf schief, grinse sie an und versichere ihr eindrucksvoll, dass sie in jeglicher Mode auf der gesamten Welt den gleichen armseligen Eindruck mache und selbst Gauner und Betrüger sie schon aus ästhetischen Gründen niemals antatschen würden. Und außerdem wird im Süden das Alter noch wertgeschätzt, selbst bei den Kriminellen gibt es so etwas wie Ehrfurcht vor den Greisen und Senilen, womit sie eindeutig über den besten Vorteil für diese Region verfüge. Sie fängt an zu zucken, diesmal ist es eindeutig, sie hat gehört und sogar verstanden was ich gesagt habe. Mittlerweile sind wir auch soweit vorgerückt, dass die Klokabinen frei sind. Ich schubse sie minder sanft in eine und raunze ihr noch zu sie solle sich ruhig Zeit lassen und um Himmels willen ihre Augen wieder in ihren Schädel zurückziehen, so sähe sie wenigstens nicht zusätzlich auch noch irre aus.
So, bin wieder zurück auf dem Tanzparkett und lasse mich von den wiegenden und schwankenden Profitänzern rumschubsen. Mir gefällt die Musik und hier ist es so laut, dass die Gefahr ein komatöses Gespräch führen zu müssen auf ein Minimum geschrumpft ist.
Mittlerweile habe ich auch schon so einige verheißungsvolle Blicke auf mein dralles Dekolleté bis hinauf auf mein Gesicht lenken können. Als mir ein ganz bestimmter Parfumduft in die Nase steigt fange ich an zu lachen und schon legt mir jemand seine Hände um meine Hüfte. Grinsend drehe mich um. Ich boxe ihm kräftig auf die Schulter und motze ihn an, wo er bloß so lange geblieben ist „Gemach, gemach, meine Herrin, ich habe nur meine Wochenend-Kinder zu ihrer Mutter gebracht und die wollte mir partout den Abend versauen. Also habe ich zugesehen, dass ich so schnell wie möglich aus ihrem bösen Einfluss verschwinde, was mich dummerweise zu einem kleinen Auffahrunfall verleitet hat. Aber keine Sorge, mir ist nichts passiert und ich wollte das Auto ja sowieso stehen lassen und mit nem Taxi zu dir nach Hause fahren.“ Zwinker, zwinker und dann ein breites Grinsen von ihm während ich schon wieder herzlich lachen kann. „Übrigens siehst du echt heiß aus, hast ne neue Frisur. Ja, sieht echt SECHSI aus.“ Wieder breites Grinsen. „Ich werde dann wohl für heute Abend irgendwann nach Ersatz für dich suchen müssen. Nicht dass das möglich ist, aber mit mir selber möchte ich mich auch nicht den ganzen Abend kaputtlachen.“
So, das ist nun mein bester Freund und ab jetzt ist der Abend wahnsinnig gut, zumindest meiner. Ja, ich wünschte jeder hätte einen George wie ich, aber meinen gebe ich für nichts auf der Welt her! Endlich, ab jetzt wird’s witzig, charmant und einfach wieder irrsinnig witzig. Vielleicht mit ner Menge Blödsinn, aber unserem Blödsinn. Einfach so, auf nichts konzentrieren, die Leichtigkeit von alles kann sein. Keine ernsthaften Beschwerden, kein Wettstreit, kein Besserwissen oder Bessersein. Ich lege den Arm um meinen Lieblingsfreund, bugsiere ihn direkt zur Bar und bestelle für ihn einen Rotwein und für mich erst einmal ein Wasser. Die Nacht hat ja gerade erst begonnen.