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Parkbank im April
Die letzten Stufen des Absatzes zog sie sich unter tiefen Seufzern am Treppengeländer entlang nach oben. Jeder weitere Schritt mit jeder weiteren Stufe erschien ihr einer zu viel auf dem Weg zur Wohnungstür. Wie ein bockiges Kind, dessen Geduld nun endgültig aufgebraucht war, stampfte sie mit den Absätzen ihrer schwarzen Pumps lautstark auf.
Als sie endlich den dritten Stock erreichte, erlosch das Flurlicht und lies sie unversehens im Dunkeln stehen. Genervt schwang sie ihre Handtasche gegen den Lichtschalter, die daraufhin geräuschvoll zu Boden ging. Die Metallschlaufe am Träger, die sie schon seit einigen Wochen provisorisch mit den Zange immer wieder in Form gebogen hatte, war gebrochen. Der Inhalt ihrer Tasche beim Aufprall nun entweder kaputt oder unter Trümmern begraben. Sie schnaubte wütend und starrte enttäuscht auf die Überreste ihrer Handtasche, aus der sie nun auch noch ihren Schlüssel bergen musste.
Mit einem tiefen Seufzer warf sie die Tür ins Schloss und ihren Mantel, die Pumps und die Tasche auf den Boden. Erschöpft trottete sie den Flur entlang durch den ein leises Klackern hallte. Die Geräuschquelle konnte sie im Wohnzimmer ausmachen. Ihr Mann saß an seinem Schreibtisch und tippte eifrig auf der Tastatur.
„Ich bin wieder da“, seufzte sie.
Das Tippen fuhr unverändert fort, nur aus der Richtung des Sofas kam ein leises antwortendes Bellen. Sie lies sich neben den weißen West Highland Terrier fallen, der es sich auf seiner Decke vor dem Fernseher bequem gemacht hatte.
„Hallo Napoleon“, begrüßte sie ihn und wuschelte durch sein weiches Fell, „korrigiert Herrchen wieder Bestseller? Ja, tut er das?“
Ihr Mann hob seine linke Hand und hielt Zeige- und Mittelfinger gekreuzt während er mit der rechten Hand weiter tippte.
„Ich war heute in Kuhn. Unser alter Stadtteil.“, begann sie und streckte die Beine auf den Couchtisch aus, „Hat sich kaum verändert. Ein paar neue Läden sind da, aber sonst. Ich soll dort für eine Woche im Büro aushelfen. Die sollen da die Akten des letzten Jahres digitalisieren, damit wir die endlich im Netzwerk haben. Martha hätte eigentlich hinfahren sollen. Immerhin wohnt sie noch in der Ecke und kennt die Leute besser. Aber sie hat heute angerufen und meinte Herr Scholl hätte gesagt, dass ich das machen sollte, weil sie noch die Ausschreibungen für nächsten Monat gegenlesen und abgleichen müsse.“
Sie griff nach der Fernbedienung und zappte geistesabwesend durch die Kanäle.
„Ich musste alle Termine absagen, auch den mit Frau von Berg. Drei Monate habe ich auf den Termin gewartet und ausgerechnet heute muss ich ins Außenbüro ans andere Ende der Stadt. Das Büro da ist chaotisch. Die Aktenordner türmen sich überall und die Mitarbeiter denken ich sei nur da um sie zu kontrollieren.“ Sie verzieht das Gesicht und verstellt die Stimme als würde sie jemanden imitieren: „Die wurde vom Chef geschickt. Die ist vom Hauptbüro.“
Sie seufzt.
„In der Pause hab ich es da nicht mehr ausgehalten. Die Luft, die Leute – das war mir zu viel. Ich bin dann einfach raus und rumgelaufen. Eigentlich wollte ich zu unserer alten Wohnung, aber ich bin dann irgendwie am Park vorbeigekommen und hab mich auf die Bank gesetzt.“
Sie lies eine Quizshow laufen und kuschelte sich in eines der Sofakissen.
„Im Park?“, fragte ihr Mann nach einer kurzen Pause, wand sich aber dennoch nicht von seinem Bildschirm ab. Sie blickte vom Fernseher auf.
„Ja, Wiesenweg Richtung Jahnstraße. Bin eine Straße zu früh abgebogen. Erinnerst du dich nicht mehr an den Park? Der kleine mit der einen Bank? Solang wohnen wir ja nun auch noch nicht hier, dass du es vergessen hast.“
„Doch schon, ich erinnere mich“, wandte er ein, „Und dann?“
„Was? Und dann?“
„Was hast du dann gemacht?“, fragte er und drehte sich das erste Mal zu ihr um. Seine schwarzen Haare waren zerzaust, die Rahmenbrille saß schief auf der Nase und nur der Drei-Tage-Bart verlieh auf eigenartige Weise dieser Erscheinung eines arbeitswütigen Lektors eine gewisse Seriosität.
„Ich bin zurück ins Büro und hab Überstunden gemacht. Jetzt ist es halb elf, meine Tasche ist kaputt und ich muss morgen früh um halb fünf raus, damit ich pünktlich im Büro bin.“
Napoleon bellte als im Fernseher gerade eine neue Waschmittelwerbung lief. Ihr Mann lächelte sie an und wandte sich dann wieder seinen Korrekturen zu.
***
„Bringen Sie bitte noch die Akten vom März und sorgen Sie dafür, dass die Ordner B21 und B22a wieder zurück ins Archiv gehen.“
So koordinierte sie seit sieben Uhr morgens die Mitarbeiter des Außenbüros durch das Labyrinth aus Aktenordern und Dokumentenstapeln. Diese dankten es ihr mit viel sagendem Augenrollen und wenig schmeichelhaften Getuschel hinter ihrem Rücken. Die Tasse Kaffee in ihrer Hand war die vierte des heutigen Vormittages und langsam schlug das Koffein auf ihr Gemüt. Sie zog ihre Handtasche unter dem Schreibtisch hervor und auf ihren Schoß. Den Träger hatte sie heute morgen in aller Eile mit Tesafilm festgemacht. Sie wühlte sich durch den Inhalt und fischte zielstrebig eine Magentablette heraus, während in ihrem Kopf die immer gleiche Frage ihre Bahnen zog.
Was mach ich hier nur? Was mach ich hier nur? Was mach ich hier nur?
Sie schluckte die Tablette ohne Wasser, hing sich ihre Tasche über die Schulter und beschloss das frische Luft ihr jetzt nur gut tun konnte. Entschlossen sprang sie auf doch der Klebestreifen am Träger ihrer Handtasche blieb an der Lehne ihres Stuhls hängen. Die Tasche stürzte zu Boden. Was gestern noch nicht kaputt gegangen war, war es sicherlich nun. Mit wütendem Schnauben und leisen Flüchen beförderte sie sie mit einem Tritt zurück unter den Schreibtisch, schnappte sich ihre ID und stürmte die Stufen hinunter aus dem Büro, auf die Straße und in den Park.
Sie lies sich auf die braun lackierte Parkbank sinken und warf ihren Kopf in den Nacken. Es war Mitte April und das Wetter zeigte sich in den letzten Tagen von seiner freundlichsten Seite. Die Bäume und Wiesen bekamen ihr frisches saftiges Grün und erste Blütenknospen reckten sich der Sonne entgegen. Am liebsten hätte sie ihren Schreibtisch mitten in diesen Park aufgebaut. Hier könnten ihr die Akten, Ordner und Kollegen egal sein. Das glaubte sie zumindest.
Sie streckte ihre Arme in die Luft und lies sie dann entspannt wieder hinunter sinken als würde alles Schwere von ihr abfallen.
„Moment mal“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie öffnete ihre Augen und sah auf ihre linke Hand. Neben ihr lag ein weißer Briefumschlag. Sie nahm ihn in die Hand und sah sich um. Niemand da. Sie betrachtete ihn und stellte fest, dass er weder Adressat noch Absender hatte. Eine Briefmarke fehlte auch. Sie drehte das Kuvert in alle Richtungen und untersuchte es genau. Es war unverschlossen. Sie zögerte. Wieder sah sie sich fragend im Park um, doch weit und breit war niemand zu sehen. War das irgend so ein Scherz? Oder hatte jemand ihn hier verloren? Vergessen vielleicht? Wie sollte sie es herausfinden, wenn sie nicht hinein sah? Wenn etwas in dem Umschlag war, dann gab er eventuell einen Hinweis auf den Absender oder den Empfänger. Das war doch sicherlich Begründung genug den Umschlag zu öffnen.
Sie öffnete langsam das Kuvert und zog ein gefaltetes weißes Blatt heraus. Mit schwarzer Tinte stand darauf etwas geschrieben.
Sie las: „Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück.“
Sie warf die Tür ins Schloss, Pumps, Schlüssel und Tasche auf den Boden und hing ihren Mantel an die Garderobe. Aus der Innentasche zog sie den Briefumschlag, den sie heute Mittag im Park gefunden hatten. Ihre Gedanken kreisten seither nur noch um ihn und seinen Inhalt. Sie war so sehr davon gefangen, dass sie sogar gelächelt hatte als sie ins Büro zurückgekehrt war. Jeder, der in ihr Büro kam, erhielt zum Dank ein freundliches und sanftes Lächeln. Es war seltsam.
Sie ging ins Wohnzimmer. Napoleon, der sie an der Haustür empfangen hatte, tapste neben ihr her.
„Ich bin wieder da“, begrüßte sie ihren Mann, der an seinem Schreibtisch ein Manuskript mit dem Rotstift bearbeitete. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, strich durch seine wie immer zerzausten Haare und lies sich dann neben Napoleon aufs Sofa fallen. Den Brief hielt sie dabei immer noch in der Hand. Sie las ihn wieder und wieder.
Ihr Mann, der die Stille registrierte, blickte verwundert auf seine Frau.
„Was liest du da?“
„Einen Brief“
„Was für einen Brief?“
„Ich hab ihn heute während der Mittagspause im Park gefunden. Er lag auf der Bank. Es steht kein Absender drauf.“ Dabei hielt sie den Briefumschlag nach oben und drehte ihn herum, damit er ihn von allen Seiten sehen konnte.
„Und was steht drin?“
„Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück.“
„Hmm“, gab er leise von sich. Fragend blickte sie auf.
„Was hmm?“
„Das ist ein indisches Sprichwort.“
„Was?“
„Dieser Satz ist ein indisches Sprichwort.“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Ich kann mich daran erinnern, dass ich von Johann vor einiger Zeit ein Skript zur Korrektur hatte, in dem er solche Weisheiten gesammelt hatte. Dort stand das drin.“
Einen Moment lang sah sie ihn fragend an und er konnte nicht recht sagen ob in ihrem Blick Enttäuschung lag oder ob sie ihm nicht glaubte, als sie sich wieder eingehend dem Brief widmete.
***
Die Arbeitsabläufe im Büro verliefen weniger chaotisch, als es noch in den letzten zwei Tage der Fall gewesen war. Die Aktenstapel und Dokumentenberge türmten sich aber dennoch ohne Erbarmen auf den Schreibtischen und in den Gängen. Ein Durchkommen war fast unmöglich und so konnte sie ihrem Vorgesetzten auch nicht zusichern, dass alle Unterlagen bis zur Deadline im Netzwerk eingespeist sein würden. Das Missfallen, welches sich sicher auf dem Gesicht ihres Chefs abzeichnen musste, konnte sie am Tonfall seiner Stimme am Telefon nur erahnen.
„Ich habe Sie dort hingeschickt, damit wir keine Probleme mit der Frist haben. Und jetzt haben wir Probleme mit der Frist.“ Doch bevor sie sich entschuldigen konnte, hatte er bereits aufgelegt.
Sie rieb ihre Schläfen, um den Anflug vom Kopfschmerzen vorzubeugen, der sie jetzt heimzusuchen drohte. Sie zog sich ihren Mantel an, steckte ihre ID in die Innentasche zu dem Brief und ging in den Park. Mit jedem Schritt, den sie auf die vertraute Bank zuging, wurde sie lockerer und sogar ein Lächeln zeichnete sich um ihren Mund herum ab. Ihre Augen strahlten förmlich als doch tatsächlich ein neuer schneeweißer Briefumschlag auf eben jener Stelle lag, wo sie gestern den ersten Umschlag entdeckt hatte. Sie nahm ihn in die Hand. Kein Adressat, kein Absender und wieder war er unverschlossen. Er musste von derselben Person sein, doch als sie sich umsah, war wie gestern niemand zu sehen. Sie holte das Blatt heraus und las, was darauf geschrieben stand.
Sie schloss die Tür hinter sich. Stellte die Schuhe und die Tasche in die Ecke und hing ihren Mantel auf. Sie sah in den Spiegel und strich mit den Fingerspitzen über die Augenringe, die nach drei Tagen mit wenig Ruhe und Schlaf immer deutlicher hervortraten. Napoleon, der weiße Terrier, bellte sie aufgeregt an und lief immer wieder um sie herum. Sie zog die zwei Briefe aus der Innentasche ihres Mantels und stellte sich vor, wie die Person, die ihr die Briefe schickte wohl sein mochte.
Sie ging in das Wohnzimmer, wo ihr Mann einen Karton mit indischem Essen auspackte.
„Hallo Schatz“, begrüßte er sie. Sie setzte sich zu ihm auf das Sofa und nahm Napoleon, der immer noch aufgeregt bellte, auf den Schoß.
„Es lag wieder einer da.“, sagte sie als sie nach dem Curry griff.
„Noch ein Brief? Das ist ungewöhnlich.“
„Sie sind beide vom selben Absender. Beides die gleichen weißen Umschläge. Die Schrift ist dieselbe.“
„Was stand diesmal drin?“
„Das ist nicht wichtig“, entgegnete sie knapp und nahm einen Bissen vom Curry.
Ihr Mann musterte sie neugierig, als sie geistesabwesend auf die zwei weißen Kuverts neben sich blickte. Sie malte sich unterdessen allerlei wilde Szenarien aus, wer der Schreiber sein mochte und warum er diese Briefe schrieb. „Wenn du erkennst, das es dir an nichts fehlt, dann gehört dir die Welt.“, hatte er diesmal geschrieben. Sie hatte den Spruch auf der Arbeit gegoogelt und erfahren, dass er von irgendeinem chinesischen Philosophen stammte. War er vielleicht auch Asiate?
***
Auch am Donnerstag erhielt sie einen Brief. Sie hatte die Stunden bis zur Mittagspause kaum abwarten können, so sehr wollte sie ihren nächsten Brief bekommen. Die Arbeit im Büro brachte kaum neue Herausforderungen. Sie zog das Arbeitstempo an und hoffte somit die Frist vielleicht doch noch einhalten zu können. Sorgen, ob sie es schafften, machte sie sich nicht.
Während sie die Inventurlisten gegenzeichnete, dachte sie nur an den geheimnisvollen exotischen Briefeschreiber. Da wachte jemand über sie. Das war ihr klar. Jemand, der über das Leben philosophierte. Jemand, der sie verstand.
Als sie nach Hause kam, ging sie sofort ins Schlafzimmer ohne ihre Schuhe oder ihren Mantel auszuziehen. Sie schloss die Zimmertür und reihte ihre drei Kostbarkeiten nebeneinander auf dem Bett auf. Sie las sie immer und immer wieder während sie versuchte die Persönlichkeit ihres Briefeschreibers zu ergründen. Sie wollte etwas von seinem Wesen erhaschen oder einen Hinweis darauf finden, wer er war und wo sie ihn finden konnte.
„Das Leben birgt viele Umwege in sich. Die Kunst besteht darin, dabei die Landschaft zu bewundern.“, hatte er ihr im neusten Brief geschrieben. Wieder eine asiatische Weisheit. Wieder ein weißes Kuvert, ohne Adressat, ohne Absender. Sie kniete stundenlang vor dem Bett und studierte seine Schrift eingehend. Es faszinierte sie, wie vertraut sie ihr erschien. Die Schrift war klar, schnörkellos und dennoch schön. So musste er zweifelsohne auch sein.
Als ihr Mann das Zimmer betrat, sah er seine Frau Gedanken versunken die Briefen des Fremden lesen.
„Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten.“, stand dort, als sie das Blatt ihres fünften Briefes las. Sie war am morgen eine halbe Stunde früher ins Büro gefahren, um diesmal etwas eher in die Mittagspause gehen zu können. Sie hatte gehofft so vielleicht einen Blick auf den Fremden werfen zu können oder ihm sogar ganz persönlich zu begegnen. Doch als sie die Parkbank erreichte, lag nur der Brief dort. Es war Freitag und die letzten Arbeitsschritte bestanden darin, die letzten Aktenordner ins Archiv einzuräumen und in der Inventurliste zu vermerken. Sie war entbehrlich für ein paar mehr Minuten, dachte sie als sie ihren Brief in der Hand hielt und sich im Park immer wieder aufs Neue umsah. Sie hatte so gehofft ihn heute zu treffen, denn es war ihr letzter Tag im Außenbüro. Sie hatten es tatsächlich geschafft alle Akten zu erfassen. Es mussten keine teuren Sonderschichten geschoben werden. Ihr Chef lobte sie sogar ausdrücklich am Telefon. Doch das kümmerte sie alles nicht. Niemand war hier. Morgen musste sie nicht mehr ins Büro nach Kuhn fahren. Am Montag würde sie wieder im Hauptbüro ihrer Arbeit nachgehen. Sollte das wirklich der letzte Brief sein? An wen würde der morgige Brief gehen? Und übermorgen?
Sie musste ihn einfach treffen.
***
Als sie sich am Samstagvormittag den Mantel und die Schuhe anzog, war sie allein zu Hause. Ihr Mann und Napoleon waren auf ihrem üblichen Wochenendausflug und so konnte sie ohne große Erklärungen oder Ausflüchte zum Park fahren. Sie würde früh genug zurück sein.
Den ganzen Weg über war sie aufgeregt, denn sie hatte das sichere Gefühl endlich die Person treffen zu können, die ihr diese Briefe hatte zu kommen lassen. Sie würde dem Briefeschreiber endlich all ihre Gedanken mitteilen können.
Als sie den Park erreichte, waren ein paar Spaziergänger unterwegs und Kinder tollten unter Aufsicht ihrer Mütter zwischen den Fliederbüschen umher. Der Park, der unter der Woche menschenleer gewesen war, bekam am Wochenende neues Leben eingehaucht. Ein Hund bellte und tobte in der Nähe der Bank. Ihr Herz klopfte wild. Tatsächlich saß jemand dort. Mit eiligen Schritten näherte sie sich dem Unbekannten. Doch als sie die Parkbank erreichte, hielt sie abrupt inne.
„Was tust du hier?“, fragte sie ihren Mann, der Napoleon einen Tennisball apportieren lies. Er lächelte und warf den Ball, hinter dem Napoleon sofort hinterher hetzte.
„Ich hab gewartet.“
Sie setzte sich neben ihn auf die Bank
„Du solltest besser gehen.“, sagte sie zu ihm. Er sah zu Napoleon, der mit dem Ball im Maul auf ihn zu gerannt kam.
„Wieso? Vielleicht ist er ja gefährlich.“
„Du solltest dich nicht über ihn lustig machen, du kennst ihn nicht.“
Er lachte: „Du kennst ihn doch genauso wenig.“
„Bitte“, sagte sie und sah starr auf den Boden, „Du solltest gehen.“
Er krauelte Napoleon und stand von der Parkbank auf. Ihre Wangen waren rot.
„Na, schön“, sagte er, „ich warte zu Hause auf dich.“
Als sie sich sicher war, dass ihr Mann den Park verlassen hatte, wandte sie den Blick vom Boden ab. Sie sah sich im Park um und musste feststellen, dass neben ihrem Mann und Napoleon auch die Spaziergänger und die Mütter mit ihren Kindern den Park verlassen hatten – und vom Briefeschreiber keine Spur. Sie war allein.
Sie lehnte sich zurück und stellte ihre Handtasche neben sich auf die Bank, als ihr Blick auf das weiße Kuvert fiel. Kein Adressat, kein Absender und er war unverschlossen.
Sie nahm den Umschlag in die Hand und öffnete ihn. Was sie hinauszog war jedoch kein Blatt Papier sondern ein Foto.
Auf der Rückseite stand in der vertrauten Schrift aus schwarzer Tinte „Parkbank im April“.
Würde sie das Foto, dessen Schrift auf der Rückseite nun in ihren Augen verschwamm, umdrehen, so würde es eben jene Bank im Park zeigen. Auf ihr würden ihr Mann und sie sitzen und lachend auf Napoleon deuten, der stolz mit einem Tennisball im Maul vor ihnen steht.