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Parfüm, Pistolen und ein Päckchen

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28.07.2010
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Parfüm, Pistolen und ein Päckchen

Julian schlug mit der Faust auf den Tisch. Immer fester, bis seine Hand taub wurde. „Dreck!“, schrie er. „Dreck! Dreck! Dreck!“
Er fuhr sich durch seine dünnen, schwarzen Haare und las noch einmal:

Wenn man einen Bankraub plant, gibt es drei Dinge zu beachten. Erstens: Die Bank selbst. Was ist das für ein Gebäude? Welche Ein- und Ausgänge gibt es? Wie viele Stockwerke? Und vor allem...

Er schrie laut auf und zerknüllte das Papier in seiner Hand. Dann sprang er vom Stuhl auf. Sah den überquellenden Aschenbecher und fegte ihn vom Tisch. Zigarettenkippen flogen in einer Aschewolke auf den Teppich. Er warf den Stuhl um und drückte die Daumen so fest in seine Augen, dass es schmerzte. Wieder schrie er. Brüllte wie ein Besoffener im Irish Pub und trat eine Colaflasche aus dem Weg. Hinter ihm ging die Tür auf.
Vanessas Stimme drang durch das Rauschen in seinen Ohren. „Sag mal, spinnst du?“, hörte er.
Seine Schultern hoben und senkten sich, als er sich umdrehte. Sie stand halb im Raum und verschränkte die Arme. Ihre dunklen Augen betrachteten das Chaos im Zimmer. Eng beschriebene Seiten waren überall auf dem Fußboden verteilt. Dazwischen lagen zerknüllte Papierblätter, Zigarettenstummel und leere Colaflaschen. Eine Kaffeekanne stand neben dem Laptop auf dem Schreibtisch. Und inmitten dieses Durcheinanders stand Julian, der aussah wie der wahnsinnige Beethoven. Vorausgesetzt, Beethoven hätte nur Boxershorts und Bademantel getragen und sich eine Woche nicht mehr rasiert.
„Spinnst du?“, sagte sie nochmal. „Warum schreist du wie ein Irrer?“ Ihr Blick fiel auf den Inhalt des Aschenbechers, der quer durch den Raum verteilt war. „Außerdem ist das eine Nichtraucher-Hütte! Das weißt du. Geh doch auf den Balkon. Das ist... “
Er drehte sich um und zischte durch zusammengebissene Zähne. „Was? Was ist es... “
Sie strich sich mit der Hand über den Hinterkopf. Ihr Mund war leicht geöffnet. „Das macht mir Angst, Schatz.“
Er brummte und zog eine zerbeulte Schachtel Marlboro aus der Tasche.
Sie sah ihn flehentlich an. „Nicht hier drin, Schatz.“
Er zündete sich die Zigarette an und warf das Feuerzeug auf den Schreibtisch. „Ach, ich geh mit dem Raumspray durch. Die sollen sich nicht so anstellen. Weißt du was schlimmer ist als Raucher? Militante Nichtraucher!“
Vanessa lehnte den Kopf an den Türrahmen. Sie begann, den Ring an ihrem Mittelfinger hin und her zu schieben. Eine obszöne Geste, dachte Julian.
Sie blickte zur Seite. „Glaubst du nicht, dass du mal rauskommen solltest? Das würde dir gut tun.“
Seine Wangen bildeten Falten, als er an der Zigarette zog. Er behielt den Rauch sehr lange in der Lunge, bevor er ausblies. „Rauskommen... “, sagte er wie zu sich selbst.
Vanessa strich den Pony aus der Stirn. „Steffi und Markus gehen Skifahren. Komm doch mit.“
Er kratzte über seine Wange. Die Öffnung des Bademantels entblößte seinen abgemagerten Körper. Tatsächlich lächelte er ein wenig. „Ich kann nicht Skifahren.“, sagte er.
Sie lächelte zurück. „Weiß ich doch. Du könntest dich zum Kurs anmelden. Oder Markus zeigt's dir.“
Er drehte sich um und blickte durch den Tabakdunst aus dem Fenster. Betrachtete die verschneite Winterlandschaft der österreichischen Alpen. Es sah aus, als hätte man Puderzucker oder Sahne über den Berggipfeln ausgekippt. Die Sonne schien und ließ die Schneekristalle funkeln. Wunderschöne Natur, wenn sich nicht Hotel an Hotel gedrängt hätte, und Skilifte ihre Spinnennetze über die weißen Flächen gezogen hätten.
Einen ganzen Tag dort verbringen? Wenn es auf dem Hang wimmelte wie in einem Ameisenhaufen?
Unterwegs mit einem Skikurs voller Kinder? Oder noch besser: Markus zeigte es ihm. Markus, dieser aufgeblasene Wichtigtuer, der sich den ganzen Tag nur über Autos unterhielt. Audi, BMW, Mercedes. A1,B4,Z3. Den ganzen Tag! Wie hohl konnte ein Mensch eigentlich sein?
Und danach? Gemütliches Einkehren, damit man sich beim Jagertee übers Kinderkriegen und die Eigenheimzulage unterhalten konnte?
Er raffte seinen Mantel zusammen. „Ich muss noch schreiben.“, sagte er. Den herablassenden Ton in seiner Stimme konnte er nicht verbergen.
Sie ließ ein enttäuschtes Schnauben hören. „Hör doch einfach auf. Du hast heute schon genug geschafft.“
Er ballte die Fäuste. Seine Fingernägel gruben sich in die Handflächen. Ja, er hatte heute richtig viel erreicht! Beinahe hätte er den Filter seiner Marlboro abgebissen.
„Erzähl du mir nicht, was ich geschafft habe!“, sagte er. Ich muss mir eine Seite nach der anderen aus dem Kreuz leiern! Das ist harte Arbeit.“ Er konnte den knurrenden Ton gut vortäuschen. So sollten die Polizisten in meinem Buch sprechen, dachte er.
Vanessa zog den Reißverschluss ihres Sweatshirts weiter zu und versuchte zu lächeln. „Das versteh ich, Schatz. Aber du kannst nicht nur arbeiten. Du musst auch mal ein wenig Spaß haben.“
„Spaß!“ Er spuckte das Wort fast aus. „Soll mir das Spaß machen? Mit deinen Langweilerfreunden raus gehen und Skifahren lernen?“
Der Ausdruck in ihrem Gesicht verdüsterte sich. Es dauerte einen Moment, bevor sie antwortete. Man hörte die Spannung in ihrer Stimme. „Wenn dir das nicht passt, warum schlägst du dann nichts vor? Du sagst zu allem ja. Dir ist alles scheißegal. Und dann sitzt du nur hier drin und schreibst!“
„Ich will auch nur schreiben!“, schrie er. Die Zigarette fiel ihm aus dem Mund und brannte ein Loch in den Teppich. Fluchend trat er sie aus.
Vanessas Augen wurden feucht und ihre Stimme zitterte. „Versprochen hast du was anderes!“
Er warf die Arme noch oben. Der Mantel wehte um seine mageren Knöchel. „Verdammt noch mal! Das kann ich doch nicht versprechen. Ich kann mich nicht hinsetzen, drei Stunden schreiben und dann Skifahren! Das ist kein Beamtenjob sondern Kunst! Dafür braucht man Zeit!“
Vanessa sah nach unten und presste die Finger an die Lippen. Aus ihren zusammengekniffenen Augen rollten Tränen.
Das Weinen machte ihn noch wütender. „Glaubst du wirklich, dass es so funktioniert?“, schrie er. „Das man sich am Vormittag ein Stündchen hinsetzt, und nach einem halben Jahr ist der Roman fertig? Ich schreibe keine Häkel-Krimis, verdammt! Weißt du wie viel Geld ich bekomme, wenn... “
„Halt's Maul!“, fuhr sie ihn an. „Halt's Maul. Hör endlich auf.“
Beide sahen sich an. Vanessas Wangen glänzten vor Tränen und ihre Nase lief. Julians Augen lagen tief in den Höhlen, seine Lippen waren dünn und farblos. Man hörte das Summen des Laptops. Lauter als sonst. Das Gluckern der Kaffeemaschine aus der Küche. Sogar das Knarren der Dachbalken, die sich unter dem Sonnenlicht dehnten.

Vanessa wischte sich über die Augen. Sie antwortete leise. In ihrer Stimme konnte man eine furchtbare Traurigkeit hören. „Ich geh' jetzt Skifahren. Heute Abend komm' ich wieder. Vielleicht bist du dann wieder normal.“ Langsam drehte sie sich um und zog die Tür ins Schloss. Das klackende Geräusch klang endgültig.

Julian betrachtete die Maserung der Tür. Vanessa konnte nicht einfach gehen! Er fühlte sich wie ein Rennfahrer, der um den Sieg betrogen worden war. Er griff nach einer der leeren Flaschen am Boden und schleuderte sie an die Tür. Das Knallen des Plastiks war keine große Befriedigung. Er beugte sich nach vorne und schrie die Tür an. „Ja, geh' nur! Lass dir von Markus das Skifahren zeigen! Und hör dir seine Autogeschichten an! Vielleicht bumst er dich auch in seinem Scheiß-BMW! Alles besser als ich, oder?“
Er sah eine zweite Colaflasche auf dem Boden und trat danach. Zu spät bemerkte er, dass er das Gleichgewicht verlor. Sein Bein rutschte nach hinten und er knallte auf die Hüfte. Er fühlte einen dumpfen Schmerz und brüllte wieder.
Lauter als je zuvor ließ er eine ganze Litanei von Schimpfwörtern heraus. Dabei nahm er ein Papier nach dem anderen vom Boden und zerstörte sie. Er zerriss sie, zerknüllte sie und verteilte die Fetzen wie Konfetti im Zimmer. Erst als seine Kraft nachließ, hörte er auf. Schnaufend saß er im Zimmer und fühlte sich wie nach einem Marathonlauf.
Er ließ den Kopf sinken und betrachtete die Decke. Es gab keine Wut mehr, er war unendlich leer. Seine Glieder fühlten sich weich und verbraucht an. Und er bemerkte noch etwas: Aus seiner Körpermitte kroch ein Gefühl nach oben. Ein hässliches, das man nicht ignorieren konnte. Schuldgefühl. Zum Teufel mit dem Scheiß-Buch! Es fraß ihn auf. Saugte jede Lebenskraft aus ihm und ließ seine dunklen Seiten immer stärker hervortreten. Du bist der Größte, dachte er.
Immer wieder sah er ihr trauriges Gesicht vor sich. Warum hatte er das getan? Das hatte sie nicht verdient. Niemand verdiente das. Sie wollte ihn nur zum Skifahren mitnehmen, Herrgott! Und er gebärdete sich wie Ebenezer Scrooge. Nein, eher wie eine Mischung aus Scrooge und dem unglaublichen Hulk. Was war er nur für ein Arschloch!
Er stand auf. Im Zimmer sah es jetzt noch schlimmer aus. Er rieb sich den Kopf und stöhnte. Es lief nicht mehr. Die Maschine stand still. Das war ein wahrer Alptraum, aber nicht Vanessas Schuld. Er musste sich entschuldigen! Alles ins Reine bringen. Vielleicht sollte er doch mit zum Skifahren gehen.
Barfuß trat er über die Papierfetzen und wich den Flaschen aus. Kaffeegeruch schlug ihm entgegen, als er die Tür öffnete. „Schatz?“
Er ging durch die Tür in die Diele. Das Gefühl des Berberteppichs an seinen nackten Füßen war irgendwie tröstlich.
In der Küche war niemand mehr. Natürlich nicht, Vanessa war bestimmt sofort aus der Hütte gerannt, als er seinen Tobsuchtsanfall bekommen hatte. Müde betrachtete er die Küche. Eckbänke, ein Kachelofen, das durch das Fenster strömende Sonnenlicht. Hier sah es tatsächlich aus wie im Prospekt. Vanessa hatte tief in die Tasche greifen müssen für diesen Urlaub. Natürlich hatte er nichts beisteuern können. Bei einem 400 Euro-Job blieb nicht viel hängen. Nicht, wenn Vanessa schon 200 Euro für ihre gemeinsame Wohnung verlangte. Und das übrige Geld ging für Kippen, Horrorfilme und Bücher drauf. Ein hart arbeitender Mensch hatte schließlich ein Recht auf Spaß!
Seine Hand griff nach der Kaffeekanne. Als er den Deckel abschraubte, sah er, dass sie leer war. Einen kurzen Moment wollte er sie gegen die Wand knallen, widerstand aber dem Impuls. Stattdessen öffnete er die Kühlschranktür und entdeckte Cola, Orangensaft und eine ungeöffnete Flasche Jack Daniel's. Er überlegte kurz, sah auf die Uhr und griff dann nach dem Whiskey. Als er sich seinen Drink mixte (7/8 Jack Daniels und 1/8 Cola), hörte er Techno-Beats durch das Fenster wummern. Ich bin so schön, ich bin so toll, ich bin der Anton aus Tirol!
Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als er das Glas umklammerte. Nein, es war doch gut, dass er hiergeblieben war. Er gehörte nicht zu dem hirntoten Haufen da draußen. Er war ein Schriftsteller, ein Künstler!
Eine angenehme Wärme breitete sich in seiner Brust aus, als er sein Gemisch mit großen Schlucken trank. Große Künstler wurden von ihrer Umwelt nie verstanden. Aber dann, wenn das Meisterwerk da war, dann hatten es alle „schon immer gewusst“! Er trank nochmal und verzog das Gesicht. Gar nichts wussten sie! Nichts über die Kunst, nichts über das Handwerk und vor allem nichts über die Arbeit! Die letzten Tropfen Jack Daniel's flossen seine Kehle hinab. Er rülpste und warf das Glas in die Spüle. Fast war er enttäuscht, als es nicht zerbrach.
Befriedigt bemerkte er die betäubende Wirkung des Alkohols und ging zurück in sein Zimmer. Mit ein wenig Whiskey läuft alles besser!, dachte er. Ein Zitat von Hemingway. Ach quatsch, aber es hätte gepasst. Oder war Joyce der Säufer? Egal, jetzt würde er schreiben!
Er hob den Stuhl auf und setzte sich vor seinen Laptop. Office war geöffnet und links unten konnte er Seite 49/50 erkennen. Die ersten 50 Seiten waren wie von selbst geflossen, also warum war Seite 51 so schwer? Na gut, noch ein Versuch! Kein innerer Monolog, kein verdammter Sam Spade! Steigen wir eben medias in res ein. Seine Finger begannen auf die Tasten zu klopfen.

Die Mündung der Pistole fühlte sich kalt an. Das Metall drückte an seine Stirn und würde wahrscheinlich einen Abdruck hinterlassen. Seine Knie zitterten genauso wie seine Stimme. „Hier ist kein Geld!“, wimmerte er. Vitali schlug ihm die Pistole an den Kopf. Es fühlte sich an, als hätte ein Hammer seine Stirn getroffen. Stöhnend brach er zusammen. Anschließend stieg Vitali über den Banktresen und ging zum Safe. Er wusste, dass das Geld hier war und das ist absoluter Scheiß. Absoluter Megamist. So eine Beschreibung liest man in einem Kinderbuch. Ein Mist, ein Mist, ein Mist. Hahahahahah....... jfdaöljfdfj aljföl följfölfj Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe nicht auf morgen, Was du heute kannst besorgen, dass verschiebe niafafa

Er schlug auf die Tastatur und vergrub sein Gesicht in den Händen. Sein Heulen klang wie ein verwundetes Tier. Ich bin im Arsch, dachte er. Ich bin Jack Torrance. Ich bin der verfluchte Jack Torrance! Er sah aus dem Fenster. Schneeflocken klatschten ans Glas und schmolzen. Sein Atem ging schwer. Ein ersticktes Krächzen kam aus seinem Mund. Und dann weinte er. Viel bitterer als Vanessa es vor ihm getan hatte. Sturzbäche von Tränen ergossen sich aus seinen Augen und seine Nase verstopfte sich. Die Schulterblätter bebten von seinen Schluchzern. Sein Heulen und Stöhnen wurde von den Wänden zurückgeworfen. Es war vorbei. Es war für immer vorbei, und er wusste es.
Sein Kopf fiel auf den Laptop. Tränen benetzten die Tasten und versickerten in der Elektronik. Er konnte die Hitze des Rechners an seiner Wange fühlen.
Warum ging nichts mehr? Hatten kreative Menschen nur einen begrenzten Vorrat an Energie? Wie ein Lithium-Akku, der irgendwann sein Leben aushauchte? Gab es einen Dämon, der ihn vom Schreiben abhielt? Oder brauchte er eine Pause? Ein wenig Abstand, um wieder zu neuen Höhenflügen anzusetzen? Nein, dass glaubte er nicht. Er würde gar nichts mehr schreiben. Seine Finger hatten die magische Fähigkeit verloren, Welten entstehen zu lassen. Diese Tür war zu.
Er blinzelte die Tränen aus den Augen. Angewidert sah er, dass er auf die Tastatur gesabbert hatte. Sein Blick fiel auf das Buch neben dem Rechner. „Roswitha Hartung – Mord im Silberbergwerk“
Der schlechteste Krimi aller Zeiten, der beim Schreiben immer neben ihm lag. Das war die von Stephen King empfohlene Strategie. Nimm ein Buch, das du richtig schlecht findest. Dann stell es auf deinen Schreibtisch und sag dir immer wieder: Ich kann besser schreiben als das. Und das ist veröffentlicht worden!
Aber in letzter Zeit war er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich besser als Hartung schrieb. Schrieb er überhaupt noch richtig?
„Parfüm, Pistolen und ein Päckchen“ war vielleicht wirklich alles gewesen. Mehr ging nicht. War das die traurige Wahrheit?
Eine Novelle, die sich im E-Book „10 kurze Krimis“ wieder gefunden hatte. Was für ein bescheuerter Titel für eine Kurzgeschichtensammlung! Und sein Krimi war nicht kurz, er hatte 140 Seiten. Außerdem war es mehr Hard Boiled als Krimi.
„Sie schreiben wie Akif Pirincci!“, hatte Eduard, der hektisch wuselnde Lektor gesagt. „Liefern sie uns einen Roman und wir bringen ihn.“
Diesen Abend hatte Julian im Vollrausch verbraucht. Er stand kurz vor seinem 21. Geburtstag und hatte ein Romanangebot! Dass der Roman noch gar nicht geschrieben war, war ihm zu diesem Zeitpunkt egal gewesen. Wie schwierig konnte das schon werden? Schließlich trug er die Idee für Bulls Eye schon länger mit sich herum.
Die Idee über zwei Jugendfreunde die im Unterschichtenmilieu aufwachsen und unterschiedliche Wege einschlagen. Während der eine kriminell wird, macht der andere Karriere bei der Polizei. Immer wieder würden sich ihre Wege kreuzen und so neben einer Krimi-Handlung eine Plattform für eine philosophische Auseinandersetzung über Gesetz und Moral bieten. Dumm nur, dass der kreative Treibstoff nach 50 Seiten im Sand verlaufen war. Und nach einem halben Jahr begann er sich zu fragen, wie lange der Verlag auf den Roman warten würde.
Vielleicht war es auch Vanessas Schuld gewesen. Eine Freundin lernt man immer dann kennen, wenn man eigentlich gar keine brauchen kann. Zum Beispiel, wenn man ein Buch schreiben möchte.
Warum war er an diesem Abend mitgegangen? Er hasste den Rose Club. Der war die Karikatur eines Independent Clubs. Obwohl, an dem Tag war die Musik sogar in Ordnung gewesen. Sie hatten irgendwas von Interpol gespielt, und Michael hatte ihm ins Ohr gebrüllt: „He, die schaut die ganze Zeit rüber.“ Er war seinem Blick gefolgt und sah sie allein an der Bar stehen. Sie lächelte ihn sofort an. Und wie gut sie aussah! Bei vielen Frauen sieht ein Pony blöd aus, bei ihr betonte er perfekt die ovale Form ihres Gesichts. Ihre großen, dunklen Augen hatte sie mit Kajal umrandet. Sie trug einen Hut. Genau so einen, den die klassischen Detektive in den Hard-Boiled Krimis der 30er Jahre trugen. Und er stand ihr. Ihre langen, vollen Lippen teilten sich, und ließen ihre strahlend weißen Zähne sehen, als sie lächelte. Hatte er sich da schon verliebt? Wahrscheinlich. Man musste sich einfach in sie verlieben.
Außerdem war sie klug. Das bemerkte er sofort, als sie sich unterhielten. Sie las viel. Ein Pluspunkt. Er traf sonst kaum Mädchen, die sich für Bücher interessierten, sah man mal von Sophia Kinsella und Stephenie Meyer ab. Aber sie kannte nicht nur Stephen King und Peter Straub, sondern las auch noch Tolstoi und Wilde. „Studierst du Literatur?“ hatte er damals über die lärmenden The Cure hinweg gebrüllt. Da hatte sie gelächelt und den Kopf geschüttelt. „Nein ich bin Krankenschwester.“

Er wimmerte. Das war ein so schöner Moment gewesen. Warum konnte das Leben nicht immer so laufen? Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman. So hatte es Genazino ausgedrückt, und er hatte so Recht damit. Aber so lief es eben nicht immer.
Er stand auf und legte die Hände an den schmerzenden Rücken. Was sollte er jetzt tun? Vielleicht noch einen Whiskey trinken? Möglicherweise die beste Entscheidung. Die Schreibquelle war endgültig versiegt. Was gab es da Besseres, als sich ins Koma zu saufen?
„Schnaps, das war sein letztes Wort.“, sang er leise und ging in die Küche.
Als er den Kühlschrank öffnete, hörte er erneut die von der Skipiste herunter dröhnende Musik. Das also wollten die Leute? Skifahren und Saufen? Nun, zumindest letzteres konnte er gut. Er setzte die Flasche an den Mund, ließ den Whiskey gluckernd hineinlaufen und hörte erst auf, als das Brennen in der Kehle unerträglich wurde.
Das taube Gefühl in seinen Armen und Beinen wurde stärker und ihm schwindelte. Die Küche begann sich zu drehen. Die Taucherglocke des Alkohols hatte sich über ihn gestülpt. Pink Floyd fiel ihm ein, und er begann zu singen:„I have become comfortably numb.“
Ihn fröstelte. Der Kachelofen gab kaum noch Wärme ab. Schwankend ging er ins Schlafzimmer und sah das aufgewühlte Bett. So aufgewühlt wie meine Seele, dachte er.
Wie viel schöner wäre es, wenn er jetzt mit Vanessa in diesem Bett liegen könnte? Kein Sex, einfach nur liegen und dem anderen in die Augen schauen. Aber auch das war wohl vorbei. There's no way out of here, when you come in you're in for good ...
Er setzte sich auf den Bettrand, lies die Schultern hängen und heulte wieder. Sie war jetzt auf der Piste. Stand auf Holzbrettern und schlitterte über Kunstschnee. Mit Markus und Steffi.
Warum brauchte sie immer jemanden, der um sie herum wuselte? Lag hier die Wurzel allen Übels? Dass er zum Schreiben allein sein musste, während sie immer Gesellschaft brauchte? Seine Hand strich über das kalte Bettlaken. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen.
Parfüm, Pistolen und ein Päckchen. Die Geschichte eines einsamen Privatdetektivs in Köln. Eine großartige Novelle. Die Zukunft des deutschen Krimis. Dabei hatte er die Hälfte von Raymond Chandler geklaut.
Nun, nach Parfüm roch es auch hier im Schlafzimmer. Und sein Päckchen hatte er zu tragen, also wo war die Pistole für den Gnadenschuss?
Aber wollte er wirklich sterben? Nur weil Vanessa kein Verständnis für die tägliche Arbeit eines Schriftstellers aufbringen konnte? Weil sie die kurze Zeit ihres Lebens lieber mit geistlosem Spaß verschwenden wollte? Mit Skifahren, Partys und ihren hirnlosen Freunden? Mit Steffi? Mit Markus?

Markus! Seine Muskeln verkrampften sich. Markus, dieser Geck. Dieser Gustav Gans der Automobilbranche. Der stand jetzt mit ihr auf der Piste. Erzählte ihr wahrscheinlich, wie viel Geld er im letzten Jahr verdient hatte. Und dann würde er ihr die richtige Technik beim Abfahren erklären. Würde sagen, sie soll in die Hocke gehen und dann seine Hand auf ihren Po legen! Nein!
Er sprang auf und ignorierte die aufsteigende Übelkeit. Nein, so nicht. So weit würde es nicht kommen!
Er riss sich den Bademantel von den Schultern und ging zum Kleiderschrank. Dass er sein T-Shirt verkehrt herum anzog, bemerkte er nicht. Jeans und Pullover legte er mit der Geschwindigkeit eines Bundeswehrsoldaten an. Als er aus dem Schlafzimmer in die Diele lief, stürzte er beinahe.
Er riss die Jacke vom Haken und die Tür auf. Die Stiefel lies er stehen und rannte in Socken auf die Straße.
Er keuchte seinen Atem in heißen Wolken aus. Vorfreude machte sich in ihm breit. Er würde Markus mitten auf der Piste zusammenschlagen! Das Blut würde den Schnee rot färben und ein poetisches Bild abgeben. Heute würde der einsame Privatdetektiv gewinnen!
Skifahrer gingen rechts und links an ihm vorbei. Ihre Blicke waren erschrocken, erstaunt und zum Teil verängstigt.
Dort vorne fing der Abhang an! Julian erkannte den Eingang zum Skilift. Nur noch ein paar Meter und dann...
Er hörte es zu spät. „Pass auf!“, schrie irgendein Kerl. „Oh Gott!“ Das war eine Frau. Quietschende Bremsen. Geruch nach verbranntem Gummi. Julian sah ein erschrockenes Gesicht hinter einer Windschutzscheibe. Parfüm, Pistolen und ein Päckchen, dachte er.

 

Hallo allerseits,

ich war bis jetzt nur in der Horror-Rubrik unterwegs. Aber bei dieser Geschichte wurde mir schnell klar, dass sie viel stärker ist, wenn ich nichts aufgesetzt unheimliches dran klebe.

Würde mich freuen, wenn sie jemand lesen und kommentieren will.

Grüße
Unbeliever

 
Zuletzt bearbeitet:

Unbeliever schrieb:
ich war bis jetzt nur in der Horror-Rubrik unterwegs.

Deshalb bist du mir bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen, in der Horrorabteilung findest du mich nämlich selten.
Wie auch immer, servus Unbeliever.

Eigentlich wollte ich deine Geschichte erst mal nur lesen, dann schaltete sich aber wie von selbst der offshoresche Korrigierwut-Modus (Korrigier-Wutmodus?) ein, und bevor ich zum Text an sich was sage, will ich dir mal ein paar Fehlerchen zeigen:

Dazwischen lagen zerknüllte Blätter Papier,
Papierblätter

Sie sah ihn flehend an.
besser: flehentlich

Malboro […] als er an der Zigarette saugte.
Kann es sein, dass du Nichtraucher bist?
Die Zigarettenmarke heißt Marlboro und an einer Zigarette saugen, das machen höchstens … na ja, egal, schreib besser ziehen

Er drehte sich um, [kein Komma] und blickte …

Sie lies ein enttäuschtes Schnauben hören.

lies statt ließ schreibst du noch ein paarmal, jage dieses Wort einfach mal durch die Wörtersuchfunktion deines Schreibprogramms.

Mit deinen Langweiler Freunden

Entweder Langeweilerfreunde oder langweilige Freunde

… schrie er.„Das man sich am Vormittag

... schrie er. „Dass man …

Julian sah die hölzerne Tür an. Betrachtete die Jahresringe in der Maserung.

Wäre die Türe nicht hölzern, hätte sie keine Maserung. Und der Begriff Jahresringe ist hier nicht ganz treffend, weil man die nur sieht, wenn der Stamm quer durchgeschnitten ist. Bretter, bzw. Furniere werden allerdings in der Regel längs des Stammes geschnitten.

und schleuderte sie auf die Tür.

besser: an die Tür

Vielleicht bumbst er dich auch

Ist das ein Neologismus für vögbeln vögeln?

Dabei nahm er ein Papier nach dem anderen vom Boden und zerstörte es. Er zerriss sie, …

Den Genusfehler erkennst du wohl selbst.

… kroch ein Gefühl nach oben. Ein hässliches, dass man nicht ignorieren konnte.

das

Alles ins reine bringen.

in (das) Reine

mit großen Schlücken

Schlucken

„schon immer gewußt“

gewusst (genau zehn Wörter später schreibst du’s übrigens korrekt)

Sein Kopf fiel auf das Laptop.

den

Nimm ein Buch, dass du richtig schlecht findest.

das

Diesen Abend hatte Julian im Vollrausch verbraucht. Er stand kurz vorm meinem 21. Geburtstag

???

Warum war [er] an diesem Abend mitgegangen?

Was gab es da besseres, …

Besseres

Geruch nach verbrannten Gummi.

verbranntem


Hoppla, der Text war ja länger, als ich gedacht hatte, für eine seriöse Rezension bleibt mir jetzt leider keine Zeit mehr, da muss ich dich auf wann auch immer vertrösten.
Was ich dir allerdings jetzt schon sagen kann, ist, dass die Geschichte durchaus einige Kürzungen vertragen könnte. Sie kreist ja letztendlich ununterbrochen um dasselbe Thema, nämlich um die Schaffenskrise eines (gescheiterten?) Autors, und seine daraus resultierenden Aggressionen und Selbstzweifel. Na ja, und da gibt’s für mein Gefühl schon sehr viele Wiederholungen.

Also bis irgendwann, Unbeliever


offshore

 

Hallo offshore,

Oh Gott, einen solchen Rattenschwanz an Fehlern reinzuhauen - Das passt eigentlich nicht zu mir.

Und ist bestimmt auch nicht die beste Art, sich hier in der Rubrik vorzustellen. Also möchte ich mich jetzt bei dir für die schlampige Arbeit entschuldigen. Das muss wirklich nicht sein.

Vielen Dank für dein aufmerksames Lesen und deine Verbesserungsvorschläge. Ich habe alles eingearbeitet und habe noch einmal streng korrektur gelesen.

Ansonsten: Dass die Geschichte zu lang ist und immer um dasselbe Thema kreist, stimmt sicherlich. Da liegt das Problem wohl darin, dass sei aus einer Art therapeutischem Schreiben entstanden ist, weil ich mich auch jahrelang mit einer Schreibblockade plagen musste. Ich bin immer noch nicht fit, und ohnehin noch ein absoluter Schreibanfänger.
Aber dass wichtigste habe ich gelernt: Dass man am Schreiben dran bleiben muss. Dabei entstehen natürlich zwangsläufig Texte, die grottenschlecht sind. Der gehört wohl dazu ;)

Vielen Dank nochmal!

Grüße
Unbeliever

 

Unbeliever schrieb:
Dabei entstehen natürlich zwangsläufig Texte, die grottenschlecht sind. Der gehört wohl dazu.

Also das konntest du ja wohl nicht aus meinem Kommentar herauslesen, wenn doch, täte es mir leid. Ich hab doch nur die paar Scheißfehlerchen rausgesucht, zum Inhalt und zum Stil hab ich mich ja noch gar nicht geäußert. Aber das mach ich beizeiten, also Kopf hoch, Unbeliever.

 

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