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Paranoid?

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02.06.2001
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Paranoid?

Oh ja, natürlich, ihr seid ja so schlau! Ihr habt die Macht, ihr habt die Masken, hinter denen ihr euch versteckt, ihr habt die Welt in euren Händen. Aber ihr hätte mir niemals das Buch wegnehmen dürfen.
Bald wird euch die Erkenntnis zuteil werden, dass ihr damit einen Fehler begangen habt. Denkt ihr etwa, ich hätte euer Spiel nicht von Anfang an durchschaut? Nun, dann habe ich eine Überraschung für euch: Als ihr mir sagtet, dass ich nicht hässlich sei, wusste ich, auf wessen Seite ihr steht.
Ich zeigte euch mein Gesicht im Spiegel; ich brüllte euch an, warum ihr es denn nicht sehen wolltet. Ich schrie und tobte, doch euch war das gleich, und ihr habt mich zu einem eurer hinterhältigsten Verbündeten gebracht. Seine legere Kleidung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einer derer war, die Wahnsinn säten.
Wir saßen uns gegenüber, ein nussbrauner Schreibtisch und ein gerüttelt Maß an Misstrauen zwischen uns, und dann begann er zu quasseln. Er wollte von mir wissen, welche Bücher ich lese, welche Fernsehsendungen ich anschaue, ob ich Freunde habe.
Frage an Frage reihte sich und meine Antworten wurden immer Angst erfüllter, denn ich begann zu ahnen, was am Ende des Gespräches mich erwarte, wenn ich nicht klug handeln würde. Also ließ ich mich bereitwillig davon überzeugen, dass mein Aussehen normal sei. Auf seine heuchlerische Aufforderung hin schaute ich in einen Spiegel.
Die Augen eines uralten Monsters reflektierten mich.
Ich erschrak, biss die Zähne zusammen, betete, dass der Mann mein Unbehagen, mein banges Entsetzen nicht bemerken würde. Ich wurde erhört, denn nach einer Stunde, die langen Tagen des Grauens glich, wurde ich wieder der Obhut meiner Eltern überantwortet.
Leichten Herzens dachte ich, die Angelegenheit sei damit aus der Welt geschaffen worden. Doch dann bat der Mann meinen Vater in sein Büro und unterhielt sich lange Zeit mit ihm. Zwischendurch hörte ich verhaltenes Lachen und da begriff ich, dass meinem Vater neue Instruktionen erteilt worden waren. Als wir das Gebäude verlassen hatten, wurde mir unumstößlich klar, dass ich niemandem vertrauen durfte. Nie wieder.

Das, was ihr Schule nanntet, entpuppte sich als Hort psychischer Foltermethoden. Meist saß ich in einer der ersten Reihen. Ich wusste, warum jene Verbündeten, die ihr Lehrer nennt, mich vorne Platz nehmen ließen. Sie sagten, es sei deshalb, weil ich kleiner als viele andere sei, und mir somit nicht die Sicht auf die Tafel durch größere Kinder verwehrt bliebe. Doch wenn es still war in dem Klassenzimmer, wenn die Lehrkräfte keines ihrer lauten Worte sprachen, wenn die Kreide nicht asthmatisch über die Schiefertafel kratzte, wenn nicht das Rascheln von Papier ertönte, wenn die Stille mir den Atem aus den Lungen presste, dann vernahm ich oftmals leises Kichern und Tuscheln.
Und wem, wenn nicht mir, galt der Heiterkeitsausbruch? Ich saß vorne, damit die Kinder der hinteren Reihen ungestört ihre Witze über mich machen konnten.
Ab und an mahnten die Lehrer zur Ruhe, stellten die törichte Frage in den Raum, was es denn zu lachen gäbe. Auf dem Schulhof jedoch wurde mir der Spott offen entgegen gebracht. Und es bedurfte keiner Worte der anderen Kinder, denn ich sollte ja nichts bemerken.
Nein, eure kleinen Verbündeten waren Meister des subtilen Terrors:
Ein kurzer Blick, der mich wie zufällig streifte.
Ein Ball, der mir vor die Füße rollte und wenig später von seinem Besitzer wieder in die Arme genommen wurde.
Höhnisches Gelächter hinter meinem Rücken, und wenn ich herumwirbelte verstummte das Lachen oder ich wurde mit eisigen Blicken bedacht.

Trotz all dieser Unbill wuchs ich heran, ohne Freude am Leben, ohne irgend etwas, dessen sich zu leben lohnte. Und ihr gabt mir die Schuld. Ihr habt euch entrüstet und gespielt entsetzt gezeigt, als ich die tröstenden Wunder des Alkohols entdeckte und eines Tages zu heftig diesem zusprach. Mein Argument, fast alle anderen Jugendlichen täten dasselbe, habt ihr abgetan indem ihr sagtet, ich sei nicht wie die anderen.
Und damit hattet ihr Recht.
In diesem einen Punkt musste ich euch Recht geben.
Beinahe hättet ihr euch damals verraten. Aber ihr wart so schlau. Und später dann, als mein Geist wie ein wunderbarer Rosenstrauch erblühte, habt ihr mich ein „schwieriges Kind“ genannt und gelächelt. Ich lachte mit euch, und gewiss lacht ihr auch jetzt, da ich mich in dieser Lage, bar jeglicher Hoffnung befinde. Und doch werde ich triumphieren, denn ihr wisst nichts von den Sprengladungen, die ich gestern an den Pfeilern angebracht habe. Wüsstet ihr es, hättet ihr meinem Treiben längst Einhalt geboten.
Ihr wisst es nicht, ebenso wie euch verborgen blieb, dass der Sammelpunkt zerstörerischer Wut in meinen Händen verläuft.
Nur zu, lasst eure bewaffneten Verbündeten das Gebäude stürmen! ihr werdet starr vor Verblüffung sein, wohin dies führen wird. Lasst eure Verbündeten in aller Welt teilhaben an meinem ersten und letzten Triumph über euer schändliches Treiben!
Das Recht der Moral ist auf meiner Seite.

Wann ich den Entschluss zu meiner Tat gefasst habe wollt ihr wissen? Seit dem Tage meines erwachenden Verstandes - damals, als ihr es verabsäumt hattet, mir das Buch zu entreißen, das ihr mir später abgenommen habt.
Es spielt jetzt keine Rolle mehr.

Das, was ihr meine Arbeitsstelle nanntet, war lediglich ein weiterer Hort eurer Verbündeten. Ich hatte eure Verbündeten von Anfang an durchschaut. Oh, nach außen hin gaben sie sich jovial und kumpelhaft. Aber denkt ihr, ich wäre taub gewesen und hätte euer Gelächter nicht gehört und eure hinter jenen verschlossenen Türen sorgfältig geplanten Intrigen nicht durchkreuzt?
Um mich in trügerische Sicherheit zu wiegen, haben eure Verbündeten meine Arbeit gelobt. Aber ihre Blicke drängten mir unwillkürlich die Wahrheit auf.

Es ist genug gesagt, jetzt, da eure bewaffneten Verbündeten in das Gebäude eindringen. Ich kann es via Television, wie ihr euer elektronisches Überwachungsauge bezeichnet, mitverfolgen.
Langsam vernehme ich die trippelnden Schritte der schweren Stiefel eurer Verbündeten. Wüsste ich, dass eure Verbündeten menschliche Wesen wären, fiele es mir schwer, das zu tun, was getan werden muss. Doch angesichts der Tatsache, dass sie gefühllose Androiden sind, werde ich leichten Herzens dem ganzen ein Ende bereiten können.

Woher diese Erkenntnis stammt? Als ihr mich vor ein paar Jahren hinterhältig zu vergiften getrachtet habt und ich in ein Hospital eingeliefert wurde, unterlief einem eurer Verbündeten ein Fehler. Deutlich sah ich, wie dieser, in der Maskerade eines harmlosen alten Mannes, sein rechtes Bein entblößte, welches nicht von Muskeln, Sehnen und Fleisch, sondern von grässlich glänzendem Metall gebildet wurde.
Das Wesen merkte seinen Fehler und suchte mich zu beruhigen indem es behauptete, bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren zu haben, das durch eine Prothese ersetzt worden sei. Ich verstellte mich und lächelte ein gequältes Grinsen.
Habt Ihr das Wesen für seine Unvorsichtigkeit bestraft und liquidiert?
Ihr nennt es Hospital - tatsächlich ist es eine Reparaturwerkstätte für defekte Androiden. Auch eure Schlauheit bewegt sich in Grenzen, die ihr niemals ausloten könnt.

Und als ihr mir dann dieses Mädchen zur Seite gestellt habt um mich zu betören, gewann ich meine Kraft zurück. Jetzt beklagt ihr euch über den Verlust eines eurer Verbündeten. Aber ihr habt die Macht, sie tausendfach zu ersetzen. Wessen klagt ihr mich an? Es wäre wohl nie so weit gekommen, hättet ihr mir nicht - höchst unklug, das müsst ihr zugeben! - zwei eurer bewaffneten Verbündeten auf mich angesetzt. Ihr habt mich unterschätzt und müsst euren Irrtum nun bitter abbüßen.
Es ist ganz einfach: Auf das Diner folgt die Rechnung.
Eure Appelle, die ihr an mich richtet, verhallen ungehört in meiner Seele, die ihr korrumpieren wolltet. Es ist euch nicht gelungen. Werdet ihr einen anderen aus eurer Mitte an meiner statt in den Wahnsinn treiben?
Mein Bedauern gilt dieser armen Seele.

Genug der Worte. Es ist Zeit zu handeln. Schon höre ich eure bewaffneten Verbündeten, wie sie sich an der Tür zu schaffen machen. Kommt nur, kommt, ihr aus Kälte geformten Wesen. Betretet euer Grab, dessen Totenwächter ich sein werde.
Ich glaube, ich weiß in diesem magischen Moment alle Macht dieser Welt auf mich vereint, indes ihr und eure Verbündeten lediglich in ohnmächtiger Wut die Fäuste ballen könnt. Die Wesen auf der anderen Seite der Tür rufen mir Drohungen zu. Lachhaft! Ich werde mich nicht einschüchtern lassen.
Da - die Tür wird aufgebrochen und der erste eurer Verbündeten steckt den Kopf durch das entstandene Loch. Warum Androiden, warum nicht Wesen aus Fleisch und Blut, die ich in den Abgrund mitzerren könnte?
Ihr müsstet es sein!
Ihr, die ihr mich um ein Leben als Mensch betrogen habt.
Ach, konntet ihr doch sehen, wie ich lächle.

 

Liest sich total langweilig. Mag auch gar nicht diese geschwollene Sprache. Kann mir auch nicht vorstellen, dass Du den Text selber magst.

 

... für mich liest sich deine geschichte alles andere als langweilig, aber da ich erst ein paar minuten hier auf dieser plattform bin werd ich mich wohl erst mal nach den hier herrschenden kriterien umschauen müssen ...

 

Geschrieben von Zaza
Kann mir auch nicht vorstellen, dass Du den Text selber magst.

Klar - drum stell ich ihn zur Strafe auch hier rein! :D
Danke für deine ehrliche Meinung.

@ chaosdiva
Bist du zufällig mit chaosqueen verwandt? :)
Übrigens darfst du hier ruhig deine ehrliche Meinung posten. Egal, ob du einen Text gelungen oder total scheiße findest. Es gibt hier keinen "Kodex" oder ein Kritik-Formular, das man nur noch ankreuzen muss.

 

Hay, keine Zeitreise! Cool :D

Also, mir gefällt der Text ganz gut. Ich finde die Erzählperspektive gelungen, wenngleich ich fürchte, dass ein Paranoider (im Sinne der Definition der Krankheit) noch eine auf andere Art verzerrte Wahrnehmung hat. Über weite Strecken wirkt die Paranoia aber überzeugend (Flüstern hinterm Rücken). Meiner Meinung nach haben wir hier einen gar nicht schlechten Versuch, sich in einen Selbstmordattentäter zu versetzen und Ursachen für sein Verhalten zu finden. Den Ansatz finde ich wichtig und richtig, wenngleich nicht überzeugend. Ich wurde in der Schule auch gehänselt und bin trotzdem ein friedliches Mitglied unserer Gesellschaft (außer wenn man mir mit Zeitreisen kommt :D ). Irgendwas fehlt mir. Vielleicht eine idealistische Indoktrinierung oder so. Die Gewalttätigkeit (offenbar auch gegen eine Frau?) wirkt mir sonst nicht genug begründet.

Trotzdem gut zu lesen, mir war nicht langweilig. Zaza ist vorerst überstimmt ;)

Fazit: sprachlich gut, inhaltlich gute Darstellung, aber für mich nicht völlig überzeugend.

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Rainer,

wie wir alle wissen, gibt es Länder in denen Kinder, ganz offiziell, zu Selbstmordattentätern geformt, geschult, erzogen werden.

Deine Geschichte zeigt, dass dies nicht unbedingt notwendig ist.
In deinem Prot müssen allerdings viele Dämonen auf dessen Geist gewirkt haben, um ihn auch ohne das Versprechen auf ein ewiges Leben, zum Massenmörder werden zu lassen.

Glücklicherweise bleiben die meisten Menschen, nach solchen Erfahrungen, die dein Prot gemacht hat "Normal", sonst könnten wir wieder bei Adam und Eva anfangen.

Eine gute, doch auch (für mich) erschreckende Geschichte.

glg, coleratio

 

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