Paradoxum
Paradoxum
Es wird nie sein
Wie es sein soll
Sagte ein kluger Mann
Und sprang
Eingesunken sitzt Frau Meier in dem wahrscheinlich viel zu teuren Designersessel. Das dem Gefieder eines Kolibris ähnelnde Makeup verwandelt sich auf den Wangenknochen von Frau Meier in ein lebendiges Aquarell. Schliesslich löst sie ihre schlaff ineinander gefalteten Hände und tupft die Farbe mit einem Taschentuch ab. Nun tritt das wahre Gesicht der von trauer geplagten Frau in Erscheinung. Nocheinmal zupft sie ihren schwarzen Rock zurecht und richtet sich im Sessel auf. Nach einem tiefem Atemzug löst sich ihre Mimik ein wenig, als ströme mit der Atemluft ein Teil des Kummers aus ihr heraus.
Frau Meier: Nun was wollen sie wissen Herr Riedeck?
Herr Riedeck: Erst einmal möchte ich mein Beileid aussprechen. Leider ist es meine Pflicht bei einer so hohen Summe Geld, die ihnen von der Lebensversicherung zusteht nach möglichen Gründen des Selbstmordes ihres Mannes zu fragen, da er keinen Abschiedsbrief hinterlassen hatte.
Hatte er irgendwelche Schwierigkeiten im Job?
Frau Meier: Nein, letztes Jahr wurde er sogar zum leitenden Manager befördert
Herr Riedeck: War das stressig für ihren Mann?
Frau Meier: Na ja, die Arbeit füllte einen Großteil seines Lebens aus, aber es gab ja genügend Ausgleich. Wir gingen öfters ins Theater oder in die Oper. Er liebte das Stück Carmen. Ich darf gar nicht daran denken.
Ihre Blicke scheinen für kurze Zeit in einer anderen Dimension zu verschwinden.
Sie schüttelt sich kurz und wischt verlegen über den schwarzen Ärmel ihrer Bluse.
Frau Meier: Natürlich waren wir auch auf Wohltätigkeitsbälle eingeladen. Mein Mann spendete immer großzügige Summen. Er war immer so führsorglich.
Herr Riedeck: Wie war ihre Beziehung zu ihrem Mann?
Frau Meier: Sie war gut. Aber sie können sich ja vorstellen, dass nach so vielen Jahren Ehe vieles nur noch alltäglich ist. Manchmal ödeten wir uns gegenseitig an. Dass deshalb mein Mann....
Frau Meier schluckt und presst ihre Hände ineinander.
Frau Meier: Ich kann es mir gar nicht vorstellen.
Herr Riedeck: Lassen wir das. Wie verstanden sich denn ihre Kinder mit ihrem Vater?
Frau Meier: Seit unser Großer auf im Internat ist schrieb er jede zweite Woche einen reizenden Brief. Er fand viele Freunde dort und seine Noten ließen nichts zu wünschen übrig. Ich weiß, dass mein Mann sehr stolz auf ihn war. Er bemühte sich jeden Brief mit mir zusammen zu beantworten. Angelika, unser Nesthäkchen ist nach dem Abitur in die USA ,als Opairmädchen, gereist. Sie meldete sich nicht ganz so oft, wie Thomas. Aber das gehört wohl zum Abnabelungsprozess dazu.
Herr Riedeck: Kinder in dem Alter sind allgemein ja etwas schwierig. Gab es denn nie Konfliktsituationen?
Frau Meier: Natürlich, aber das waren die üblichen Lapalien wie: zu spät kommen, oder dass etwas zuviel Alkohol getrunken wurde. Wie gesagt, mein Mann war ein sehr großzügiger Mensch. Er liebte die Beiden sehr.
Herr Riedeck: Na gut, dann habe ich noch eine letzte Frage. Hatte ihr Mann irgendwelche Geldprobleme, Schulden oder sonstiges?
Frau Meier: Nein, wie kommen sie darauf? Als leitender Manager verdiente er so viel, dass wir uns ein sehr luxeriöses Leben leisten konnten.
Herr Riedck: Also ein rundum glücklicher Mensch.
Frau Meier: Ja aber warum nur? Warum hat er es dann getan?
Herr Riedeck: Ich weiß es nicht.