Papa Krieg
Lieber Thomas,
Ich mache mir wahnsinnige Sorgen um dich und vermisse dich unendlich. Ich weiß, das ist das Letzte, was du hören willst, doch wir haben uns geschworen, immer ehrlich zueinander zu sein. Deswegen wollte ich das jetzt gleich loswerden.
Mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht drängen, wieder zu schreiben, ich werde dich auch nicht bitten, zurückzukehren.
Es tut mir leid. Ich bin einfach verwirrt und durcheinander. Das legt sich gleich wieder, du kennst mich ja.
Oh, warte kurz, Richie schreit.
Bin schon wieder da, er brauchte nur eine neue Windel. Obwohl "nur" stark untertrieben ist. Sobald ich die alte Windel entfernt habe, zappelt er herum wie ein Weltmeister und sieht absolut nicht ein, dass er eine frische brauchen könnte. Es ist ziemlich schwer, ihn festzuhalten. Neuerdings versucht er auch noch immer, sich auf dem Wickeltisch hinzustellen oder herunterzukrabbeln, sobald ich eine Sekunde nicht aufpasse.
Na ja, er hat eben deine Energie. Du kannst ja auch keine fünf Minuten stillsitzen.
Erinnerst du dich an den einen Gottesdienst, damals, als wir gerade verheiratet waren? Du warst so gelangweilt, dass du angefangen hast, eine lose Schraube in der Kirchenbank festzudrehen. Gott, war mir das peinlich, als du plötzlich dein Taschenmesser rausgeholt hast.
Aber du hast nicht einmal im entferntesten auf meine missbilligenden Schubser und Räusperer geachtet und seelenruhig weitergeschraubt. Und als die Schraube endlich festsaß, hast du mich mit diesem Blick angesehen, wie ein Schuljunge, der gerade etwas Verbotenes getan hat. Und dennoch war da dieser Stolz in deinen Augen...
Es tut mir leid. Ich... jedesmal wenn ich Richie ansehe, sehe ich dich. Er hat deine Augen.
Ich schicke dir ein Photo von uns Beiden mit seinem Teddy. Er liebt den Teddy über alles, und schleppt ihn überall mit hin, auch wenn er ihn kaum tragen kann, so riesig wie der ist. "Papa" nennt Richie ihn, weil ich ihm gesagt habe, das Papa ihm den geschenkt hat. Papa...
Auf Photos erkennt er dich inzwischen auch, er ruft immer "Papa" und patscht mit seinen kleinen Händchen auf das Bild, wenn er dich sieht.
Letzten Sonntag, als Pastor Seller wie immer nach dir gefragt hat, hat unser Sohn ganz ernsthaft mit seinem kleinen Stimmchen erklärt: "Papa Krieg". Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte.
Ansonsten geht es hier allen recht gut, Mutti und Vati lassen dich grüßen, und meine Eltern natürlich auch. Sie helfen mir alle sehr mit dem Kleinen und unterstützen mich so gut es geht. Sie fragen natürlich nach dir, und hoffen auch, dass du bald wiederkommst.
Jede Nacht träume ich davon, dass du wieder da bist. Das du neben mir liegst.
Du schläfst und ich spüre deinen warmen Atem auf meiner nackten Schulter. Ich weiß genau, wie ich dich jetzt wach kriege. Ich drehe mich langsam um, streichle deine Wange. Deine Haut ist so weich und warm.
Allein sie zu berühren, ist ein Hochgefühl.
Doch ich will mehr. Meine Hand wandert weiter zu deinem Hals, berührt die Kuhle unter deinem Ohr, ich spüre deinen Puls, er schlägt kräftig, gleichmäßig.
Noch bist du nicht aufgewacht. Aber ich will das du aufwachst.
Meine Lippen berühren die deinen, zunächst zaghaft, sanft, doch dann immer leidenschaftlicher, fordernder. Und du erwiderst den Kuss. Endlich finden wir zusammen, und als deine Zunge eindringt in das warme Innere meines Mundes, kann ich mich nicht halten.
Unsere Zungen führen einen wilden Tanz auf. Längst liege ich unter dir. Tausend Sonnen explodieren in mir, während dein Mund weiterwandert und heiße Spuren der Leidenschaft auf meiner Haut hinterlässt. Alles in mir schreit nach Erlösung. Ich will dich tief in mir spüren.
So profane Dinge wie Kleidung sind längst überflüssig geworden. Für mich existierst nur noch du. Deine Hand streichelt die Innenseite meiner Schenkel, dein Mund verschließt den meinen mit einem alles verzehrenden Kuss, während deine Hand weiter und weiter wandert und schließlich meine empfindlichste Stelle findet. Mit sanften Liebkosungen treibst du mich an den Rand der Erfüllung. Meine Hände gleiten über deinen Rücken, immer schneller, mein Atem geht stoßweise. Ich bin bereit, komm zu mir, jetzt...
Endlich erfüllst du meinen Wunsch. Hart, fordernd, nehmend und doch zugleich so unendlich viel gebend, dringst du in mich ein. Die Zeit um uns herum bleibt stehen, nichts ausser uns existiert mehr. In einem Strudel der Leidenschaft treiben wir davon...
Ich liebe dich unendlich und warte genau hier auf deine Rückkehr.
Damit du auch nicht vergisst, was dich hier erwartet, habe ich dir ein weiteres Photo beigelegt, ich hoffe es genügt um bei deinen Kumpels Eifersucht zu wecken (keine Sorge: Tina hat es gemacht und Niemand sonst hat es bisher gesehen).
Pass bitte gut auf dich auf.
Gott sei mit dir
Deine dich liebende Ehefrau
Sarah
P.S.: Richie wollte partout nicht unterschreiben, deshalb hier ein Handabruck von ihm.