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Papa Krieg

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21.06.2003
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Papa Krieg

Lieber Thomas,

Ich mache mir wahnsinnige Sorgen um dich und vermisse dich unendlich. Ich weiß, das ist das Letzte, was du hören willst, doch wir haben uns geschworen, immer ehrlich zueinander zu sein. Deswegen wollte ich das jetzt gleich loswerden.
Mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht drängen, wieder zu schreiben, ich werde dich auch nicht bitten, zurückzukehren.
Es tut mir leid. Ich bin einfach verwirrt und durcheinander. Das legt sich gleich wieder, du kennst mich ja.
Oh, warte kurz, Richie schreit.
Bin schon wieder da, er brauchte nur eine neue Windel. Obwohl "nur" stark untertrieben ist. Sobald ich die alte Windel entfernt habe, zappelt er herum wie ein Weltmeister und sieht absolut nicht ein, dass er eine frische brauchen könnte. Es ist ziemlich schwer, ihn festzuhalten. Neuerdings versucht er auch noch immer, sich auf dem Wickeltisch hinzustellen oder herunterzukrabbeln, sobald ich eine Sekunde nicht aufpasse.
Na ja, er hat eben deine Energie. Du kannst ja auch keine fünf Minuten stillsitzen.

Erinnerst du dich an den einen Gottesdienst, damals, als wir gerade verheiratet waren? Du warst so gelangweilt, dass du angefangen hast, eine lose Schraube in der Kirchenbank festzudrehen. Gott, war mir das peinlich, als du plötzlich dein Taschenmesser rausgeholt hast.
Aber du hast nicht einmal im entferntesten auf meine missbilligenden Schubser und Räusperer geachtet und seelenruhig weitergeschraubt. Und als die Schraube endlich festsaß, hast du mich mit diesem Blick angesehen, wie ein Schuljunge, der gerade etwas Verbotenes getan hat. Und dennoch war da dieser Stolz in deinen Augen...

Es tut mir leid. Ich... jedesmal wenn ich Richie ansehe, sehe ich dich. Er hat deine Augen.
Ich schicke dir ein Photo von uns Beiden mit seinem Teddy. Er liebt den Teddy über alles, und schleppt ihn überall mit hin, auch wenn er ihn kaum tragen kann, so riesig wie der ist. "Papa" nennt Richie ihn, weil ich ihm gesagt habe, das Papa ihm den geschenkt hat. Papa...
Auf Photos erkennt er dich inzwischen auch, er ruft immer "Papa" und patscht mit seinen kleinen Händchen auf das Bild, wenn er dich sieht.
Letzten Sonntag, als Pastor Seller wie immer nach dir gefragt hat, hat unser Sohn ganz ernsthaft mit seinem kleinen Stimmchen erklärt: "Papa Krieg". Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte.

Ansonsten geht es hier allen recht gut, Mutti und Vati lassen dich grüßen, und meine Eltern natürlich auch. Sie helfen mir alle sehr mit dem Kleinen und unterstützen mich so gut es geht. Sie fragen natürlich nach dir, und hoffen auch, dass du bald wiederkommst.

Jede Nacht träume ich davon, dass du wieder da bist. Das du neben mir liegst.
Du schläfst und ich spüre deinen warmen Atem auf meiner nackten Schulter. Ich weiß genau, wie ich dich jetzt wach kriege. Ich drehe mich langsam um, streichle deine Wange. Deine Haut ist so weich und warm.
Allein sie zu berühren, ist ein Hochgefühl.
Doch ich will mehr. Meine Hand wandert weiter zu deinem Hals, berührt die Kuhle unter deinem Ohr, ich spüre deinen Puls, er schlägt kräftig, gleichmäßig.
Noch bist du nicht aufgewacht. Aber ich will das du aufwachst.
Meine Lippen berühren die deinen, zunächst zaghaft, sanft, doch dann immer leidenschaftlicher, fordernder. Und du erwiderst den Kuss. Endlich finden wir zusammen, und als deine Zunge eindringt in das warme Innere meines Mundes, kann ich mich nicht halten.
Unsere Zungen führen einen wilden Tanz auf. Längst liege ich unter dir. Tausend Sonnen explodieren in mir, während dein Mund weiterwandert und heiße Spuren der Leidenschaft auf meiner Haut hinterlässt. Alles in mir schreit nach Erlösung. Ich will dich tief in mir spüren.
So profane Dinge wie Kleidung sind längst überflüssig geworden. Für mich existierst nur noch du. Deine Hand streichelt die Innenseite meiner Schenkel, dein Mund verschließt den meinen mit einem alles verzehrenden Kuss, während deine Hand weiter und weiter wandert und schließlich meine empfindlichste Stelle findet. Mit sanften Liebkosungen treibst du mich an den Rand der Erfüllung. Meine Hände gleiten über deinen Rücken, immer schneller, mein Atem geht stoßweise. Ich bin bereit, komm zu mir, jetzt...
Endlich erfüllst du meinen Wunsch. Hart, fordernd, nehmend und doch zugleich so unendlich viel gebend, dringst du in mich ein. Die Zeit um uns herum bleibt stehen, nichts ausser uns existiert mehr. In einem Strudel der Leidenschaft treiben wir davon...

Ich liebe dich unendlich und warte genau hier auf deine Rückkehr.
Damit du auch nicht vergisst, was dich hier erwartet, habe ich dir ein weiteres Photo beigelegt, ich hoffe es genügt um bei deinen Kumpels Eifersucht zu wecken (keine Sorge: Tina hat es gemacht und Niemand sonst hat es bisher gesehen).

Pass bitte gut auf dich auf.
Gott sei mit dir
Deine dich liebende Ehefrau
Sarah

P.S.: Richie wollte partout nicht unterschreiben, deshalb hier ein Handabruck von ihm.

 

Hallo Barrash,

ich frage mich ja, ob es irgendwo einen Literaturwettbewerb zum Thema "Liebesbriefe an die Front" gibt. Oder hast du dich von Sissis Geschichte ... bis in alle Ewigkeit inspirieren lassen?
An deiner Geschichte finde ich schön, dass sie dem Adressaten gerecht wird. Sie teilt ihm das Leben mit, ohne schlechte Gefühle zu hinterlassen. Die Autorin schreibt ihre Informationen an ihm und an seinem Interesse ausgerichtet. Auch du erwähnst, wie Sissi, den Krieg, in dem der Mann ist, nur am Rande. Aber man hat das Gefühl, dass die Autorin um seine Belastungen weiß und sich dafür interessiert, sie ernst nimmt.

Deine Geschichte hat mir gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

nur so am rande: mir hat sissis geschichte besser gefallen...

hier fand ich den anfang total langweilg bis auf die kurzen erinnerungen.. wo die frau sichtbar ein schmunzeln nicht verkneifen konnte.., was mich auch lachen und weinen lässt..
aber der traum hat diese gute stelle wieder vernichtet.. ich frage mich, welche menschen sowas in ihre briefe schreibt.. vielleicht bin ich ja wirklich etwas anderes?!

gruß - stella

 

Stella G. schrieb:
nur so am rande: mir hat sissis geschichte besser gefallen...
Na, was für ein Glück. Dazu sind unterschiedliche Geschmäcker doch da. :)


aber der traum hat diese gute stelle wieder vernichtet.. ich frage mich, welche menschen sowas in ihre briefe schreibt.. vielleicht bin ich ja wirklich etwas anderes?!

Bei dem Traum war ich erst sehr zwiegespalten. Mir stieß er auch etwas auf.
Andererseits schickt ihm diese Frau offensichtlich auch ein Aktfoto von sich in den Krieg. Die Sexualität scheint in ihrer Beziehung eine Rolle zu spielen und das in der Abwesenheit des Mannes über diesen Traum ein Stück fortzusetzen und mit ihm zu teilen, erscheint mir nicht ganz abwegig. Es mag nicht die Norm sein, ich finde es aber nachzuvollziehen.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim, hallo Stella G.!
Erstmal vielen Dank für eure schnellen Antworten!

@Sim: DANKE!
Ich habe "...bis in alle Ewigkeit" und deine Kommentare dazu gelesen, und habe mir die Frage gestellt, wie man es schaffen könnte, einen nicht egoistischen, Vorwurfsfreien Brief an einen geliebten Menschen im Krieg zu schreiben.
Offensichtlich ist es mir ja zumindest teilweise gelungen.

@Stella G.: Ich fand Sissis Geschichte auch nicht unbedingt furchtbar schlecht, und es ging mir absolut nicht darum, zu konkurrieren oder sie zu übertrumpfen, sondern einfach um die Frage, ob es möglich ist, Sims (gerechtfertigte) Kritikpunkte zu umgehen. Herausgekommen ist natürlich eine völlig andere Geschichte, die in keiner Weise mit Sissis Geschichte in Verbindung steht (abgesehen davon, das sie das gleiche Thema behandelt :hmm: ).

Wegen der Traumsequenz war ich zuerst selber unsicher, doch ich denke einfach, die Beiden haben ein offenes und ehrliches Verhältnis, dass sich auch auf die Sexualität ausdehnt.
Ich finde es durchaus normal, auch die körperlichen Komponenten einer Beziehung zu vermissen, wenn der Partner nicht da ist, und wenn es auf "normalem" Wege nicht geht, diese Körperlichkeit miteinander zu teilen, muss man sich eben anders behelfen. Und nur weil "normale" Menschen sowas nicht in ihre Briefe schreiben, finde ich es nicht unbedingt schlimm.
Vielleicht stört es in der Kurzgeschichte, aber für den Brief ist es sehr wichtig, und da der Brief nun mal die Kurzgeschichte ist, werde ich es wohl nicht rausnehmen (nicht böse sein :( )

Nochmal vielen Dank für die Antworten,
Eure Barrash

 

Hallo Barrash!

Eigentlich ist es mir heute schon zu spät, aber kurz möcht ich doch was zu Deiner Geschichte und der Diskussion dazu sagen. Auf Stilistisches schau ich in den nächsten Tagen noch, und wenn mir was auffällt, meld ich mich noch einmal. ;)

Die Einleitung klingt für mich irgendwie so, als würde Sarah meinen, ihr Mann wollte gar nicht heimkommen, insbesondere in diesem Satz:

Mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht drängen, wieder zu schreiben, ich werde dich auch nicht bitten, zurückzukehren.
Es klingt auch unwahrscheinlich für mich, daß man jemanden im Krieg dazu drängen muß, sich zu melden. Ich denke, einem Soldaten im Krieg ist es selbst wichtig, daß die Angehörigen wissen, ob sie noch leben. Daher erscheint mir dieser Gedanke nicht richtig. Als Angehöriger macht man sich ja Sorgen, wenn nichts kommt, man weiß dann nicht, ob der Brief bloß so lange unterwegs ist oder ob keiner mehr kommt…
sim schrieb:
Bei dem Traum war ich erst sehr zwiegespalten. Mir stieß er auch etwas auf.
Andererseits schickt ihm diese Frau offensichtlich auch ein Aktfoto von sich in den Krieg. Die Sexualität scheint in ihrer Beziehung eine Rolle zu spielen und das in der Abwesenheit des Mannes über diesen Traum ein Stück fortzusetzen und mit ihm zu teilen, erscheint mir nicht ganz abwegig. Es mag nicht die Norm sein, ich finde es aber nachzuvollziehen.
Ähm, also die beiden haben ein Kind gemeinsam, da kann man schon annehmen, daß ihre Beziehung wohl auch sexueller Natur ist. :shy:
Auch ohne Aktfoto finde ich nichts An- oder Aufstößiges an den Zeilen. Die beiden kennen ihre Vorlieben, haben gemeinsame Erlebnisse, die beim Empfänger durch diese Zeilen wieder aufgefrischt werden. Das funktioniert wie eine Fernbedienung: Was sie schreibt, weckt in ihm Erinnerungen an das, was sie gemeinsam erlebt haben und holt auch die dazugehörigen Gefühle herauf. Wenn Thomas diese Zeilen liest, wird er seine Sarah direkt spüren können.
Würden mehr Soldaten mit Briefen solchen Inhalts von ihren Frauen oder Freundinnen verwöhnt, gäbe es vielleicht weniger Vergewaltigungen in Kriegsgebieten. Könnt ich mir jedenfalls gut vorstellen. ;)

Was meiner Meinung nach nicht ganz paßt, ist das Alter des Kindes bzw. paßt das, was es kann, nicht so recht zusammen. Einmal will es gerade erst beim Wickeln aufstehen, dann schleppt es den Teddy herum und dann kann es gar schon reden – das klingt, als würde es während des Schreibens älter. Wenn ein Kind etwas herumschleppt, stell ich mir vor, daß es bereits laufen kann, und damit ist es über das Beim-Wickeln-aufstehen-Wollen eher hinaus, es weiß ja dann, daß es nach dem Wickeln wieder aufstehen darf und kann, und es ist dann auch geisig soweit, daß es erkennt, jetzt wird die Windel gewechselt. Oft wechselt man sie dann aber auch im Stehen, wenn das Kind einmal läuft. Daß es bereits zu reden beginnt, paßt eigentlich besser zum Schon-laufen-Können – vielleicht kannst Du da noch irgendwas anpassen, zum Beispiel die Wickelszene umschreiben, sodaß das Kind hier nicht jünger erscheint, als es in den anderen Szenen ist. Da es Dir beim Wickeln ja offenbar darum geht, die Lebendigkeit auszudrücken, könntest Du das zum Beispiel auch mit Auf-dem-Topf-Sitzen machen: Es könnte zum Beispiel mitsamt dem Topf durch die halbe Wohnung rutschen, weil dort, wo der Topf normalerweise steht, nichts Interessantes los ist… :)

Aber im Großen und Ganzen hat mir die Geschichte trotzdem ganz gut gefallen, weil sie nett geschrieben ist, und man merkt, daß Du wirklich versucht hast, Dich in die Situation hineinzuversetzen – ein paar Kleinigkeiten übersieht man halt immer. ;)

Alles Liebe,
Susi :)

 

Hi Barrash
Da bin ich jetzt aber überrascht, ehrlich. Hab hier erstaunlich viele Elemente meiner Geschichte wiedererkannt, und ob mir das jetzt gefällt oder nicht, kann ich ehrlich gesagt nicht so genau sagen. Naja, ist ja eigentlich nicht so schlimm, hab mich ja auch schon von anderen inspirieren lassen, und dennoch... aber lassen wir es.
Ja, doch, mir hat die Geschichte auch gefallen (könnte es sein, dass du mit den ersten paar Sätzen das Zeugs mit dem Egoismus, das mir vorgeworfen wurde, grad vorneweg nehmen wolltest?), kann meinen Vorrednern eigenlich nichts mehr anfügen.

*Sissi*

 

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