Pannenhilfe
Bei einer Gelegenheit hatte ich für meine Spedition "12" (eine italienische Firma) in Nord-frankreich für einen Kunden in Norditalien geladen.
Auf dem Rückweg kam ich unter anderem über die B 10 zwischen Pirmasens und Landau. Da ich schon wieder über vier Stunden Lenkzeit absolviert hatte, beschloss ich auf dem Parkplatz kurz vor Annweiler eine Pause zu machen. Bis dahin kam ich aber gar nicht, weil ich ein Stück davor einen Pannen-LKW auf einem sehr breiten Randstreifen sah. Der eher schmächtige Fahrer war eben dabei, einen Reifen von der Antriebsachse seiner Zugmaschine zu wechseln.
Ich dachte mir, dort könnte ich gefahrlos auch anhalten und dem armen Kerl beim Radwechsel helfen. Dabei ging sicher auch soviel Zeit drauf, dass die vorgeschriebene Ruhezeit auf der Tachoscheibe zusammenkam. Meine "Ruhezeit" war mit der Pannenhilfe sinnvoller verbracht als z.B. in einer Zeitung zu schmökern.
Das Pannenfahrzeug war ein italienischer Kühlzug. Der Fahrer, mit dem ich mich so halbwegs auf Italienisch verständigen konnte, war hocherfreut, dass ihm jemand zur Hand ging. So ein LKW-Reifen wiegt ja schließlich locker seine 100 kg. Ich machte ihm klar, dass ich alleine mit dem Reifenwechsel fortfahren wollte. Der platte Reifen war ja bereits abmontiert und der "Kollege" schon mächtig am Schwitzen. Er revanchierte sich damit, dass er mit sei-nem Gaskocher und einer kleinen "Espressomaschine" derweil einen starken Kaffee machte. Während ich also das Ersatzrad montierte und dem Radkreuz samt Verlängerung die Bolzen festzog, erzählte er mir, dass schon wenigstens vier andere italienische Lastwagen vorbeigefahren waren, obwohl er Zeichen gegeben habe. Und da sei ich als Deutscher auf einem italienischen Lastwagen derjenige, der tatsächlich anhielt und ihm half. Er war schwer beeindruckt, aber ich wiegelte ab. Schließlich hatte ich selbst schon einige LKW-Reifenpannen erlebt und war auch gelegentlich in den Genuss von Hilfe gekommen. Da sah ich es schon als Verpflichtung, auch mal selbst Hilfe zu leisten - umso mehr, als ich wirklich gerade Zeit dazu hatte.
Nach vollbrachter Arbeit genossen wir seinen starken Espresso. Er erzählte über seine aktuelle Tour und dass er mit seiner Zeit schon wieder im Verzug sei - am nächsten Tag müsse er schon in Italien seine Ladung von gekühlten Schweinevierteln abladen. Ich selbst hatte das Glück, an diesem Tag abends in meinem Bett zuhause in Augsburg schlafen zu können - meine Ladung für Italien war nicht ganz so eilig wie seine.
Als ich mich verabschieden wollte, gab er mir zu verstehen, dass ich noch einen Moment warten sollte - er wollte mir noch etwas geben. Das lehnte ich zwar strikt ab, aber er bestand darauf. Südländer können da sehr leicht beleidigt sein, wenn man sich bei so etwas zu ablehnend verhält...
Ich traute meinen Augen nicht, als er vom Heck seines Aufliegers zurückkam - mit einer wohl gegen 20 kg schweren Schweinekeule in einem Plastikbeutel. Ob ich wollte oder nicht, die gehörte jetzt mir! Natürlich bedankte ich mich herzlich und war heilfroh, dass ich einige Stunden später zuhause war. Denn ich hatte keinen Kühlzug und es war Frühsommer, so dass ich die Keule nicht über längere Zeit hätte mitführen können.
Zuhause musste ich den ganzen Kühlschrank umräumen, um dieses riesige Teil unterbringen zu können. Telefonisch verständigte ich einen Kumpel, der mir versprach, die Keule fachmännisch zu zerlegen und das meiste davon bei sich einzugefrieren.
Den Großteil habe ich in der Folgezeit im Bekanntenkreis verschenkt. Man kann ja nicht wo-chenlang von "Schnitzeln" leben...