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Pacifica
Pacifica
Wie ein Fall ins Leere ... Sie fühlt nichts mehr. Nur die rasende Geschwindigkeit mit der sie fliegt. Vielleicht ist es so, wenn man auf den Tod wartet? Es zieht sie immer tiefer, wird noch schneller, noch dunkler.
"Ich hab' Angst - was wenn ich jetzt die Augen aufmache? Marcos! Marcos, ich falle! Bitte halt mich ..."
Zögernd streicht er mit seinen Fingern über ihre geschlossenen Augen. Es brennt fürchterlich. Berührungen sind gegen die Spielregel.
Er sieht ihre Tränen - und dann fängt sie an zu schreien ...
Das Rauschen der Wellen ist nicht mehr zu hören! Die Straßenlaternen schweigen sich an. Als er sich zu ihr dreht, gibt kein Stein ein Geräusch von sich. Selbst die Vögel erstarren - hatte der Morgen nicht schon begonnen? Der Schmerz seiner Ohren wird zu einem Bild vor seinen Augen. Doch sein Blick verschwimmt und er ahnt nur noch die Hand, die seine sein muß, die sich auf ihren Mund legt.
Er fühlt mit dieser Hand ... Erstickt den Schmerz. Es wird Wimmern. Dann stumm. Und es brennt fürchterlich. Seine Hand wird ganz feucht. Doch als er sie zurücknimmt, beginnt der Schrei von neuem. Die Hand schnellt zurück.
In seinen Fingern spürt er ihren Widerstand, verzerrte Lippen bereit zu jedem Geräusch. Seine Kraft bricht ihn in Verzweiflung. Sie öffnet gewaltsam ihre Augen. Es brennt fürchterlich. Blick nach innen voller Angst. Er sieht sie fallen; fühlt, wie seine Hand sie tiefer stößt. Ekel entstellt ihr Gesicht.
Er nimmt seine Hand zurück, nicht mehr feucht, sondern zitternd kalt. Dreht sich wieder auf den Rücken. Spürt und hört wieder Kiesel unter sich. Konzentriert sich auf die Wellen und das Surren der Laternen. Schreien scheint aus der Ferne zu kommen. Er meint unerreichbare Ferne.
Seine Augen fallen zu. Selbst das erwartete Schwarz ist schmerzlich rot diese Nacht. Nichts scheint hier auf dem Dach noch Bedeutung zu haben. Bewegungslos liegt er wie tot neben einem schreienden? Körper. Schreie? durchbrechen die Nacht, die zum Morgen wird, doch auch sie verlieren ihre Bedeutung - denn er riecht sogar wieder den Kaffee, den sie mit hier raufgebracht haben. Und wieder beginnt es zu brennen. Nicht nur die Hand diesmal, - sie liegt unschuldig neben ihm auf dem Kies - sondern wie die Wärme von scharfem Alkohol zieht es durch seinen ganzen Körper. Das Rot nimmt Konturen an und er beginnt ihren Fall zu spüren.
"Die anderen sind eingeschlafen. Sie werden den Sonnenaufgang verpassen. Wir alle werden ihn verpassen!"
Er fühlt ihren Atem über seinem Gesicht. Diese Nacht hat fast? alles außer Kraft gesetzt. Zeit existiert nicht. Doch - es brennt fürchterlich. Und in ihrem abrupten Schweigen hört er ihren ganzen Schrei.
"Es gibt heut' keinen Sonnenaufgang" Es ist zu diesig."
Am Geräusch der Kiesel hört er, wie sie sich wieder neben ihn legt. Dann nur noch das Meer und die Laternen. Sein Gesicht beginnt sich zu entspannen, das Rot wird Schwarz und dann immer heller. Er erschreckt wie hell es geworden ist, als er die Augen fast ganz geöffnet hat.
Zu fünft gesungen am Strand - California Dreamin'. Mit heißem Kakao und Musik auf die ersten Sterne gewartet. Gut gelaunt im kleinen Truck die Küste entlang bis - Pacifica.
"Nein, ich will nicht mit! Laßt uns woanders hinfahren. Zu mir. Oder zu Doug. Aber nicht nach ... nach - Pa... Bitte!"
Doch ihre Stimme geht unter im Motorengeräusch. Vorbei an Max'-In. Ihr ist heiß vom Kakao und der Nacht. Unendlich steil, unendlich eng die Straße hinauf. Jede Kurve weiter weg vom Meer. Crespi Drive 305, 307, 309, ... links Zamora Avenue. Die Handbremse läßt sie kurz aufzucken.
"Laßt uns Kaffee und Decken mit nach oben nehmen!"
Sie fühlt seine Stimme wie Schläge, immer weiter jagen seine Worte sie - wie tief ist sie schon? Spricht er von Angst? Von Leben? Oder von Pacifica?! Sie soll ihre Augen schließen - als wenn die Angst von außen kommt. Das Drehen wird schneller, das Schwarz immer dunkler; fast rot. Ein leichter Wind kühlt ihr Gesicht. Es ist doch Nacht! Und diesmal kein Traum.
Diesig Szenen durchlaufen ihr Rot. Hände, die fordern. Schwarz-weiße Bilder zerbrechen die Farbe. Augen, die entblößen. Pacifica brennt! Ihr ganzer Körper. Und endlich kann sie schreien. Bringt Farbe zurück in die Bilder. Ihre Bilder! Was ist das für eine Hand? Doch die ganze Nacht ist ihr. Und Körper, die verlangen, verschwinden im Nebel ihrer Nacht. Sie schreit bis das rot nur noch rot und doch rot ist.
Das Morgengrau wird langsam gelb und ihr Atmen immer ruhiger. Sie spürt ihn neben sich. Riecht seine Haut, fühlt seine Hand neben ihrer. Die Nacht ist vorbei. Die Nacht ist vorbei! Und es ist - nichts - passiert.
Ihre Augen geschlossen. Bilder wie im Film. Doch das hier ist - Pacifica! Sie hat die Regeln nicht gemacht. Töten Worte auch?
"Sag nichts. Du brauchst es nicht erklären."
Der Kies hört auf zu schweigen. Sein Haar streicht flüchtig ihr Gesicht. Er ist gebrochen. Die Nacht ist vorbei! Sie sieht in lachend in der Küche. Spazierend am Strand.
"Hast Du jemals denroten Mond gesehen?"
Seine Hände - sind groß.
"Oder den Sonnenaufgang von unserem Dach?"
Seine Augen - tot?
"Nein ..."
Und ihre Augen wieder geschlossen. Es dreht sich und wird gar nicht erst schwarz. Worte auch! Sie fühlt, wie sie fällt. Rot. Die Nacht ist nicht vorbei! Nur noch rot. Jedes Bild Pacifica.
Er sieht ihre Tränen - und dann fängst sie an zu schreien ... Es brennt fürchterlich. Seine Hand bei ihrem Gesicht. Sanft wischt er Tränen weg - und beginnt zu schreien ...
(hab aus Versehen "alte" Beiträge löschen lassen, darum stelle ich sie nochmal rein ...)
[ 18.04.2002, 23:51: Beitrag editiert von: Kay Nexion ]