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Paartanz

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19.11.2016
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Paartanz

Maria schob die Papiere energisch von sich. Ihr Bürotisch war übersät damit. Alles liegengebliebene Arbeit, die erledigt werden sollte. Aber man konnte nun wirklich nicht von ihr verlangen, dass sie rund um die Uhr für ihren Job als Schuldirektorin da war. Schliesslich war sie auch noch eine Privatperson, eine Ehefrau, Mutter, und seit neuestem auch Grossmutter. Maria lächelte weich, betrachtete liebevoll das am Morgen eingetroffene Bild ihrer ältesten Enkelin auf dem Bildschirm – ein wahrer Goldschatz. Nun spürte sie tatsächlich hin und wieder ein leichtes Bedauern darüber, dass ihre Kinder so weit entfernt wohnten. Bisher war ihr das ganz recht gewesen: «Kinder sollen auf ihren eigenen Beinen stehen!» So hatte ihr Credo immer gelautet. Sie lebten ihr eigenes Leben und es war einfach nicht richtig, sie ständig um sich zu haben, wenn sie älter waren. Man musste sie loslassen, sie ihre eigenen Entscheidungen treffen, die eigenen Fehler begehen lassen. Sie war auch immer gut gefahren damit. Dennoch, nun, da die Kleinen jeden Tag Fortschritte machten, wo ein regelmässiger Videoanruf niemals ein Ersatz für die tatsächliche Begegnung sein konnte, da wünschte sie sich gelegentlich, einfach nur die Treppe hinuntersteigen zu können und alle wären da - aber bitte einfach ohne die ganze Hektik, die so viele Mitbewohner mit sich bringen würden. Sie schmunzelte. Solche Gedanken hatte sie noch vor kurzen als albern abgetan. Belustigt stellte sie wieder einmal fest, dass aus ihr trotz allem ein wenig eine dieser früher von ihr belachteten, typischen Grossmütter geworden war.

Resolut schloss sie ihren Laptop. Für heute war Schluss. Sie benötigte dringend einen Tapetenwechsel. Etwas frische Luft und Bewegung würden ihr guttun. Vielleicht liesse sich sogar der Göttergatte überreden seine Hefte für einige Stunden zur Seite zu legen. Karl war wie gewohnt in seinem Büro, bereitete die kommende Woche vor und korrigierte Aufsätze. Auch mit über sechzig investierte er immer noch unheimlich viel Zeit und Energie in seine Arbeit. Vielleicht manchmal auch zu viel – was ihr mitunter grosse Sorgen bereitete, auch wenn sie dies ihm gegenüber nicht zugeben würde. Früher, ja früher hatte er keine Grenzen gekannt, war überall zuvorderst dabei gewesen, zutiefst überzeugt von sich und seinem Tun. Er hatte auf nichts und niemanden Rücksicht genommen, weder auf sie, die Kinder, noch auf sich selbst. Sie hatte mitgespielt, ihm den Rücken freigehalten, sich notgedrungen ihr eigenes Leben aufgebaut. Für ihn aber war vor einigen Jahren der tiefe Fall gekommen. Und nur mühsam hatte er sich davon erholt. Sie war froh zu wissen, dass er es heute nicht mehr so weit kommen lassen würde, dass er rechtzeitig die Notbremse zöge. Es ging ihm wieder viel besser, an manchen Tagen sogar ausgezeichnet. Nur manchmal geriet er wieder in diesen Strudel aus zuviel Arbeit, dem unrealistischen Wunsch, immer alles noch einen Tick besser machen zu wollen und seiner Unfähigkeit sich von Problemen, die ihm nahegingen, genügend zu distanzieren. Dann wurde es wieder gefährlich. In solchen Momenten schottete sie sich so gut wie möglich ab, bereitete sich innerlich auf ein erneutes Abgleiten vor. Doch bislang war es ihm immer wieder gelungen, sich aus diesem Strudel hinauszuziehen. Doch die Ungewissheit blieb - hing in mancher Hinsicht wie eine dunkle Wolke über ihnen. Doch es gab auch so viele helle, glückliche Tage, die sie beide mit tiefer Zufriedenheit erfüllten. Gerade heute hatte sie selber auch so einen guten Tag nötig. Und dafür würde sie ihn von seinen Englischvokabeln loszueisen wissen.

«Ich brauche etwas Bewegung! Kommst du mit?», ertönte ihre Stimme aus dem oberen Stock.
Karl - einen Stock tiefer - drehte seinen Bürostuhl. Die geliebte Gattin verlangte seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Fussballübertragung musste wohl warten. Genau wie der Stapel Aufsatzhefte, den er bis heute Abend zu korrigieren geplant hatte . Aber er musste ihr eigentlich Recht geben; Bewegung täte auch ihm ganz gut.
«Was schwebt dir denn vor?», er rief es laut, damit sie ihn in ihrem Büro hören würde.
«Eigentlich weiss ich es auch nicht so genau. Bloss, dass ich dringend raus muss. Mir fällt hier noch die Decke auf den Kopf!»
Sie kam die Treppe herunter, lehnte sich gegen den Türrahmen, blickte ihn erwartungsvoll an.
Karl überlegte:
"Wie wäre es, wenn wir ganz hoch auf den Grat fahren und dann runterlaufen würden?»
«Du meinst, mit der Bahn?»
«Wir haben doch noch die Aktionärskarten. Die verfallen sonst - wie vergangenes Jahr.»
Marias Ton wurde auf einmal eine Spur ärgerlich:
«Ich habe aber die Wintersachen noch nicht vorne. Und es ist eine Hundekälte draussen! Also, frieren will ich auf keinen Fall! Das weisst du ganz genau!»
«Warum musst du auch die warmen Sachen immer zuhinterst hintun. Dabei hast du doch auch immer kalt. Du verhältst dich unlogisch, weisst du das?»
«Wir haben in den oberen Schränken einfach nicht genügend Platz für alles. Das weisst du doch ganz genau!»
«Anscheinend scheine ich viel ganz genau zu wissen …»
Sie öffnete den Mund, um ihm sofort eine Erwiderung entgegenzuschleudern. Mit einer Handbewegung stoppte er sie.
«Schon gut. Das bringt nichts! Also, was schwebt dir denn vor? Hast du eine bessere Idee? Entscheide doch du!»
Maria war sichtlich eingeschnappt. Ihre grauen Augen blitzen ihn an. Seinem im richtigen Moment geäusserten Friedensangebot hatte sie aber dennoch nichts entgegenzusetzen. Sie überlegte einen Augenblick, schüttelte dann aber den Kopf:
«Grad so spontan kommt mir wirklich auch nichts in den Sinn. Aber … wenn ich die lange Unterhose untendrunter ziehe, und dann das grüne Merinoshirt …», sie runzelte die Stirn, «dann könnte es vielleicht gehen. Holst du mir aber noch die warmen Schuhe aus dem Keller? Die hellen mit dem Fellbesatz - weisst du welche?»
Karl nickte.
«Ich hole noch die Stöcke und die Spikes – falls es glatt sein sollte. Legst du mir dafür auch gleich meine warme Unterwäsche raus?»
Sie war schon wieder auf dem Weg in den oberen Stock – nahm gleich zwei Stufen aufs Mal. Fast wie ein junges Reh, dachte er bei sich und blickte ihr liebevoll nach.

Auch nach über dreissig Ehejahren bewunderte er immer wieder ihre Energie und Tatkraft. Nur ganz selten hatte er sie schwach und antriebslos erlebt. Für ihn fast unerträgliche Momente. Zutiefst hilflos, verzweifelt und unglücklich hatte er sich jeweils gefühlt. Sie bedeutete ihm alles. War für ihn der unerschütterliche Fels in der Brandung - war es schon immer gewesen. Er war sich sehr wohl bewusst, dass er sich manchmal zu sehr auf sie verliess, ihr zu viel zumutete. Und vor allem in der Vergangenheit zugemutet hatte. Ihr Eheleben war wahrlich nicht immer einfach gewesen. Die gemeinsame Arbeit hatte ihnen viel gegeben. Aber sie war auch verantwortlich für die grösste Krise in seinem Leben. Ohne Maria hätte er sie nicht überstanden - daran bestand kein Zweifel. Ohne zu zögern hatte sie damals ihre eigene Arbeit niedergelegt und war ihm nicht von der Seite gewichen. Burnout, Depression, tiefe Ängste, nicht bewältigte Kindheitstraumata – sein Arzt hatte kein Blatt vor den Mund genommen. Maria hatte ihm da durchgeholfen. Es war wahrlich viel passiert. Nun ging es ihm aber wirklich besser. Er hatte wieder Freude an seiner Arbeit. Er wusste auch mit den Widrigkeiten umzugehen, mit denen ihm das Leben ab und an ein Bein stellte. Er war nicht mehr derselbe. Das war aber gut so. Auch Maria hatte sich verändert. Es versetzte ihm immer wieder einen Stich, wenn er sich in Erinnerung rief, dass er, sein früheres Verhalten, sein irgendwie unausweichlicher Zusammenbruch diese Veränderungen bewirkt hatten. Maria hatte sich einen Panzer zugelegt, liess heutzutage nur wenig tatsächlich an sich heran. Sie hatte so viel ertragen müssen. Nicht nur durch seine Krankheit, auch im Beruf; Kränkungen, sie war hintergangen worden, offen angegriffen - es hatte sie gelehrt, Gefühle in sich einzuschliessen. Die Umwelt nicht wissen zu lassen, wie tief sie selbst verletzt worden war. Er wusste es aber ganz genau, und es schmerzte ihn umso tiefer, dass sie ihre seelischen Wunden teilweise sogar vor ihm verbarg. Seit seinem Zusammenbruch war er für sie nicht mehr der Partner, den sie brauchte. Sie hatte ihr Vertrauen in ihn verloren, konnte nicht mehr auf ihn als verlässliche Stütze bauen. Er wünschte sich manchmal nichts mehr, als die Zeit zurückdrehen zu können. Noch einmal neu beginnen, andere Entscheidungen treffen, sich mehr der Familie widmen, rechtzeitig die Reissleine ziehen - vieles wäre dann anders gekommen. Doch es war müssig, bloss verlorene Zeit und Energie mit der Vergangenheit zu hadern - all dies hatte ihn schliesslich zu einem Teil in diesen Abgrund getrieben. Nun galt es vorwärts zu blicken, die verbleibenden Jahre bis zur Pensionierung auszukosten, und dann, in vier Jahren, sich neuen Zielen zu verschreiben. Darauf freute er sich sehr. Maria auch, das wusste er. Sie wollte sogar schon früher in Rente gehen. Konnte es kaum erwarten, mehr Zeit mit den Grosskindern zu verbringen. Schon merkwürdig, wie diese einen veränderten; aus der taffen Chefin und durchstrukturierten Direktorin wurde eine liebevolle, überaus geduldige Grossmutter, sobald eine ihrer Enkelinnen auch nur am Telefon, geschweige denn zu Besuch war. Es war fast schon komisch, diese Veränderung jeweils mitzuerleben. Einen entsprechenden Kommentar musste er sich aber tunlichst verkneifen. Nein nein, sie werde nie eine dieser Grossmütter, die den Freunden immer die neuesten Bilder des Nachwuchs' ungefragt unter die Nase hielten, oder ihnen ellenlang über die bemerkenswertesten Fortschritte der lieben Kleinen berichteten! Sie nicht! Und nun? Karl grinste in sich hinein, als er die Treppe in den Keller hinabstieg. Seine liebste Maria! So undurchschaubar, wie sie selber meinte, war sie nun wirklich nicht.

Mit den gewünschten Schuhen unter dem Arm, den Stöcken und Spikes für beide in den Händen, stand er alsbald im Eingang bereit. Maria kam, dick eingepackt, in einer Hand einen kleinen Rucksack mit sich tragend, aus der Küche. Sie lächelte ihn an:
"Ich habe uns noch etwas Käse und Brot eingepackt. Der Früchtetee, den du magst, ist zwar noch heiss, aber dann haben wir unterwegs etwas zum Aufwärmen. Nun freue ich mich richtig auf die paar Schritte. Sie werden uns beiden guttun."
"Mein liebster Schatz", Karl legte das Material rasch auf die kleine Bank beim Eingang und nahm seine Frau zärtlich in den Arm, "du bist meine Freundin, meine Partnerin, meine Geliebte, meine Frau - ich glaube, ich sage dir das nicht oft genug."
Maria sah ihn forschend an, liess ihren Blick über das ihr vertraute Gesicht wandern..
"Du sagst es mir jetzt. Komm, lass uns einen schönen Tag miteinander verbringen!"
Sie lächelte ihn an, schulterte den Rucksack und trat aus dem Haus. Er ergriff die Stöcke und folgte ihr in die helle Sonne.

 

Hallo Finngioga!

Da dein Text noch unkommentiert ist, werde ich das mal ändern. Dazu möchte ich sagen, dass du an das "Geben und Nehmen" denken solltest. Also schreibe doch auch mal was zu Texten anderer. Und übrigens, du hast den letzten Komm zu deiner ersten Geschichte noch nicht beantwortet.

Okay, zu deinem "Paartanz". Zum Textaufbau: Die ersten beiden Absätze bestehen nur daraus, dass die Protagistin über ihre Leben, ihre Arbeit, ihre Famlilie nachdenkt. Vom Textaufbau her wäre es idealer, wenn du davon nicht so viel an den Anfang packen, eher in das aktive Geschehen einsteigen würdest.

Dann wechselst du von iher Perspektive in seine. Es wird aktiver, aber erstmal nicht interessanter, weil immer noch Büro und Alltägliches.

Übrigens: «Was schwebt dir denn vor?», er rief es laut, => Kein Komma und groß weiter nach der wörtlichen Rede, weil ein eigenständiger Satz folgt.

Es folgt ein alltägliches "Streitchen", und es geht unter anderem um Unterwäsche! Ich will damit sagen, dass ich das Ganze ziemlich langweilig finde. Warum sollte mich die Unterwäsche von fremden Leuten interessieren?

Also, mein Fazit: Mich konnte der Text nicht erreichen. Da ist nichts drin, was mein besonderes Interesse weckt. Zu viele Alltäglichkeiten. Sauber geschrieben, ja, aber das reicht mir nicht.

Grüße,
Chris

 

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