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Osterhase sucht Weihnachtsmann
Familie Mümmel saß in ihrem Hasenbau. Vater Mümmel war damit beschäftigt, die vielen kaputten Weidenkörbe auszubessern, die sie zur Osterzeit wieder für die bunt bemalten Eier brauchten, und Mutter Mümmel holte sich das Nähkästchen, um zerrissene Kleidungsstücke zu flicken. Die Hasen nutzten die kalte Jahreszeit, um die viele Arbeit, die den Sommer über liegen geblieben war, zu erledigen.
Großmutter Mümmel saß in einem aus Weidenruten geflochtenen Stuhl vor dem Ofen. Hier hatte sie es im Winter schön warm und gemütlich. Vor ihr auf dem Boden saß Klein-Mümmel.
„Oma, erzählst du mir eine Geschichte. Mir ist so langweilig“, bat der kleine Hase.
„Was willst du denn hören?“
„Wer ist eigentlich der Weihnachtsmann?“, fragte der Kleine.
„Bist du sicher, dass es ihn gibt?“, schmunzelte die Oma.
„Im Kindergarten hat es mir mein Freund Hoppel gesagt. Zu Ostern bringen wir Hasen die Eier zu den Menschen und zur Weihnachtszeit bringt der Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten die Geschenke. Ich habe ihn noch nie gesehen? Wie sieht er aus und wo wohnt er, Oma?“ Unruhig rutschte der kleine Hase hin und her und konnte es kaum erwarten, bis die Großmutter zu erzählen begann. Es war sein erster Winter, den er erlebte und auch sein erstes Weihnachtsfest.
„Da ist schon etwas Wahres dran, was dir Hoppel berichtet hat. Es gibt einen Weihnachtsmann. Er ist groß und kräftig und hat eine rote Zipfelmütze auf, mit einer weißen Bommel an der Spitze. Sein Gesicht ist von einem weißen Rauschebart eingerahmt. Er sieht dem alten Förster ähnlich, der uns Heu in die Futterkrippe gebracht hat, als es anfing zu schneien. Gegen die Kälte schützt den Weihnachtsmann ein langer, roter Mantel, der ihm fast bis zu den Füßen reicht. In seinen dicken, schwarzen Stiefeln stapft er durch den hohen Schnee.“
„Warum sehen wir ihn nicht? Wo versteckt er sich denn jetzt?“, fragte Mümmelchen dazwischen.
„Der Weihnachtsmann versteckt sich nicht. Er hat jetzt vor den Festtagen soviel zu tun, dass er gar keine Zeit hat, draußen herumzulaufen.“
„Und was macht er? Muss er auch Eier bemalen, wie wir vor Ostern?“
„Nein, das muss er nicht, denn das machen nur wir Hasen. Aber auch der Weihnachtsmann hat viel Arbeit. Das erzähle ich dir morgen. Jetzt ist es schon spät und du musst schlafen gehen. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Die Mutter legte ihre Näharbeit beiseite, schnappte sich Klein-Mümmel und trug ihn in sein Heubettchen. „So, nun schlaf und träum schön.“ Sie drückte ihrem Söhnchen noch einen dicken Kuss auf die Wange und ging in die Wohnstube zurück.
Es dauerte nicht mehr lange, als auch die Eltern und die Großmutter schlafen gingen.
Klein-Mümmel lauschte. Von nebenan hörte er das Schnarchen seines Vaters. Auch seine Großmutter atmete tief ein und aus, wobei sie einen blubbernden Laut von sich gab. Der kleine Hase konnte nicht einschlafen. Immerzu musste er daran denken, was wohl jetzt der Weihnachtsmann machen würde.
Nachdem über eine Stunde vergangen war und der Schlaf immer noch nicht kommen wollte, stand Klein-Mümmel auf und schlich auf leisen Pfoten durch das Wohnzimmer zum Ausgang. Er stieß das Brettertürchen auf, das den Bau vor Kälte und Schnee schützte. Er musste sich anstrengen, denn es hatte am Abend wieder geschneit und der Schnee blockierte den Eingang. Als die Tür einen schmalen Spalt offen war, zwängte sich der kleine Hase hindurch.
Brrr, war das kalt. Der Himmel war ganz dunkel und über und über mit kleinen Sternen übersät. Mümmelchen hatte das noch nie gesehen. Aber er hatte keine Zeit, lange in die Luft zu starren. Er wollte den Weihnachtsmann suchen. Schnell hoppelte er durch den Schnee, blieb hin und wieder stehen und schüttelte seine nassen Pfoten aus. Er konnte es nicht leiden, wenn sein Fell nass wurde.
Nach kurzer Zeit hatte er das Hasendorf hinter sich gelassen und lief Richtung Tannenwald. War nicht in einem von Omas Märchen, die sie ihm immer vor dem Einschlafen vorlas, ein Weihnachtsmann vorgekommen? Hatte er sich nicht im dunklen Wald verborgen gehalten? Doch stimmt immer alles, was in den Märchen erzählt wird? Klein-Mümmel wollte es wenigstens versuchen.
Dunkel und schwarz baute sich der Tannenwald vor ihm auf. Mümmelchen zitterte und da war nicht nur die Kälte schuld daran. Was würde ihn zwischen den Bäumen erwarten? Er hielt am Waldrand inne, überlegte einen Moment und hopste dann mutig in die Dunkelheit hinein.
Hier unter den Bäumen lag kaum noch Schnee. Die Zweige der Tannen ließen die Flocken nicht bis auf den Boden herunterfallen, sondern hielten die Kristalle mit ihren weit ausgebreiteten Ästen auf. Der kleine Hase lief über einen dichten Teppich aus Tannennadeln. Hier wurden seine Pfoten wenigstens nicht mehr nass.
Klein-Mümmel hatte sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und auch seine Angst ließ langsam nach. Plötzlich rauschte es über ihm und ein lautes „Uhu“ ließ ihn zusammenschrecken. Etwas Dunkles landete in den schneebedeckten Ästen und einige Flocken rieselten auf den zitternden Hasen herunter.
„Uhu, was machst du mitten in der Nacht im Wald? Solltest du nicht schlafen um diese Zeit?“, fragte eine tiefe Stimme.
„Ich … ich suche den Weih… Weihnachtsmann“, stotterte Mümmelchen.
„So, so, du suchst den Weihnachtsmann.“ Im nächsten Moment landete eine Eule vor ihm auf dem Boden.
„Ach, du bist es, Eule. Du hast mich furchtbar erschreckt.“ Beruhigt hopste der kleine Hase näher. „Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich den Weihnachtsmann finde? Meine Oma hat mir erzählt, dass er sich hier im Tannenwald aufhalten soll. Weißt du, wo er ist?“
„Natürlich weiß ich das. Du musst nur immer geradeaus laufen. Dort vorne, siehst du die hellen Punkte? Da wirst du finden, was du suchst. Sie kommen aus der Fabrik, die dem Weihnachtsmann gehört.“
„Eine Fabrik, sagst du? Wieso braucht ….“
„Frag nicht so viel, kleiner Hase“, unterbrach ihn die Eule. „Lauf einfach hin und lass dich überraschen.“ Der Vogel flatterte mit seinen Flügeln, hob sich in die Luft und war im nächsten Moment zwischen den Bäumen verschwunden.
Verwundert schüttelte Klein-Mümmel seinen Kopf, ging aber den Lichtern entgegen.
Wie funkelnde Augen sahen ihm die hell erleuchteten Fenster entgegen. Langsam konnte Mümmelchen die Umrisse des riesigen Gebäudes ausmachen. Endlich stand er vor einen großen Eisentor. Er hob mutig die Pfote und klopfte dagegen. Gleich darauf hörte er, wie innen ein Riegel geschoben wurde und die Tür sich öffnete. Ein über und über mit Gold überzogenes Wesen mit durchsichtigen Flügeln schaute heraus.
„Wer bist du und was möchtest du?“, fragte es freundlich.
„Ich bin Klein-Mümmel und suche den Weihnachtsmann. Und wer bist du?“
„Ich bin ein Engel und helfe dem Weihnachtsmann. Komm rein, kleines Häschen.“ Der Engel machte mit seinem Flügel eine einladende Bewegung.
Kaum hatte Mümmelchen die Pforte durchschritten, als die Tür wieder ins Schloss fiel.
„Folge mir“, rief ihm das himmlische Wesen zu und flog voraus.
Interessiert sah sich der Hase um. In dem Gang, den er entlang hoppelte, standen zu beiden Seiten riesige Regale an den Wänden, in denen lauter bunte Pakete gelagert waren. Rote, grüne, gelbe und pinkfarbene Schleifen waren darum gebunden. Ständig kamen ihnen weitere Engel entgegen geflogen, die immer neue Päckchen brachten.
Am Ende des Ganges betrat Mümmelchen einen großen Raum, in dem es nur so von herumschwirrenden Wesen wimmelte. In der Halle standen etliche Tische, an denen gearbeitet wurde.
„Schau dich nur um“, ermunterte ihn der Engel, der ihn hereingelassen hatte. „Ich werde dem Weihnachtsmann Bescheid sagen, dass du ihn sprechen möchtest.“
Klein–Mümmel hatte kaum zugehört. Er stand mit offenem Mund mitten im Raum und schaute und staunte. Seine Äuglein wurden immer größer.
An einem der Tische wurden Plätzchen ausgestochen, die dann in einem Ofen gebacken wurden. Daneben bestrichen einige Engel die fertigen Gebäckteilchen mit Zuckerguss und verzierten sie mit bunten Perlen.
Wieder ein paar Plätze weiter wurden Spielsachen in Pappschachteln verpackt. Puppen, Eisenbahnen, Legosteine, Holzklötzchen und vieles mehr lag herum und wartete darauf, nett eingewickelt zu werden. Manche der Spielsachen waren dem kleinen Hasen völlig unbekannt. Er konnte sich gar nicht satt sehen an den ganzen Köstlichkeiten.
„Na, gefällt es dir bei uns“, ertönte eine tiefe Stimme. Klein-Mümmel schrak zusammen und drehte sich vorsichtig um. Da sah er ihn, sah er zum ersten Mal in seinem Leben den Weihnachtsmann. Er schaute tatsächlich so aus, wie ihn die Großmutter beschrieben hatte. Das Rot seiner Mütze und seines Mantels fiel dem Hasen sofort ins Auge. Auch einen langen, weißen Bart hatte der alte Mann, dessen Augen freundlich unter seinen buschigen Augenbrauen leuchteten.
„Du … du musst der Weihnachtsmann sein“, sagte Mümmelchen.
„Der bin ich. Und du bist der Osterhase Klein-Mümmel.“
„Du kennst mich?“
„Ich kenne alle auf der Welt, ob Menschen oder Tiere und den Osterhasen wollte ich schon immer mal kennen lernen“, lachte der Mann. Er hielt dem Häschen seine Hand hin und Mümmelchen gab ihm seine Pfote.
„Na, gefällt dir, was du hier siehst“, fragte der Weihnachtsmann.
„Ja, es ist herrlich. All die vielen, vielen Sachen. So viel verschiedenes Spielzeug und Naschwerk bekommen die Kinder zu Ostern nicht. Wir Hasen sind viel zu schwach, um die großen Sachen tragen zu können. Lieber Weihnachtsmann, habt ihr denn keine Eier, die ihr bemalen müsst?“
Da lachte der Mann laut auf. „Nein, mein Kleiner. Eier bekommen die Kinder an Weihnachten nicht. Dafür schreiben sie einen Wunschzettel, was sie alles unter dem Christbaum haben wollen. Der Brief kommt dann hierher in die Fabrik und die vielen Helfer packen die Wünsche zusammen. Am Heiligen Abend bringe ich sie mit meinem Rentierschlitten in die Häuser. Möchtest du da mal mitkommen?“
„Nein, lieber nicht. Ich wollte dich nur mal kennen lernen und das habe ich nun. Es war schön bei dir hier. Jetzt kann ich, wenn ich nach Hause komme, meinem Freund Hoppel sagen, dass ich den echten Weihnachtsmann gesehen habe. Wenn du magst, kannst du uns mal zu Ostern besuchen. Aber bei uns gibt es nicht so eine große Halle. Bei uns arbeitet jeder zu Hause und malt am Küchentisch die Eier bunt an und das sind ziemlich viele. Hunderte, nein tausende von Eiern haben wir da im Korb.“
Der Weihnachtsmann schmunzelte. „Ich weiß, dass ihr zu Ostern sehr, sehr fleißig seid. In dieser Zeit gönne ich mir mit meinen hilfsbereiten Engel eine kleine Ruhepause, denn spätestens nach dem Sommer müssen wir schon anfangen, die Spielsachen für Weihnachten herzustellen.“
Klein-Mümmel schaute sich noch einmal in der riesigen Werkstatt um und hoppelte er zu dem Tisch hinüber, auf dem Plätzchen verpackt wurden. „Ich hätte eine Bitte. Kann ich ein solches kleinen Päckchen mit Naschwerk mit nach Hause nehmen? Sonst glauben meine Hasenfreunde mir nicht, dass ich beim Weihnachtsmann war.“
„Natürlich darfst du“, sagte der Weihnachtsmann und reichte dem kleinen Hasen eine der Tüten.
Klein-Mümmel strahlte, als er mit der Plätzchentüte daheim ankam. Vater, Mutter und auch die Großmutter waren bereits in heller Aufregung. Mutter war in der Nacht wach geworden und hatte bemerkt, dass ihr Söhnchen verschwunden war. Daraufhin hatte sie die anderen geweckt und sie wollten gerade auf die Suche nach ihm gehen.
„Wo warst du denn? Du kannst doch nicht einfach davonlaufen“, schalt ihn die Mutter, legte aber sogleich liebevoll den Arm um ihren Kleinen.
„Ich habe den Weihnachtsmann gesucht und gefunden. Schau, das habe ich mitgebracht.“ Klein-Mümmel hielt seiner Mutter das Tütchen entgegen. Die Eltern schüttelten ungläubig den Kopf. Nur die Großmutter lächelte ihren Enkel geheimnisvoll an.