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Ordnung

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05.10.2003
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Ordnung

In seiner Wohnung, die aufgrund eines hohen Gehaltes sehr geräumig war, musste alles an seinem Platz sein. Jeder Gegenstand hatte seinen Ort, dieser durfte niemals verändert, geschweige denn verrückt werden.
Beim Besteck war der Besteckkasten sogar ausgemessen und die Abstände der Messer, Gabel und Löffel exakt berechnet. Sein Schreibtisch glich mehr einem sterilen Forschungslabor, denn eines Arbeitsplatzes. Nichts lag auf der Arbeitsfläche, alles lagerte genau ausgerichtet in der Schublade. Die restliche Wohnung sah genauso aus. Schuhe standen wohl sortiert vor der Tür, Bücher, nach Umschlagfarbe und alphabetisch geordnet, im Schrank, Nahrung im Kühlschrank gab es nicht, nach seiner Meinung rollte sie zu unkontrolliert im Kühlfach umher, so ging er lieber im Restaurant essen und das Bett wurde jeden Morgen luftdicht in Plastiksäcke verpackt, schließlich wäre Staub wieder unkontrollierbar!
So saß er am Schreibtisch, um Akten einzusehen. Jedes lose Blatt im rechten Winkel gerade, im Abstand von 0,5cm, nebeneinander und sein Kugelschreiber horizontal dazu. Ihm war von der ganzen Arbeit ein wenig stickig, so beschloss er das Fenster zu öffnen und frische Luft hinein zu lassen. Doch, Oh Nein! Ein Windzug kam herein, wehte quer durch das Zimmer und ließ die Blätter fliegen. Dabei verrutschte die Nachttischlampe um ganze 0,3cm, die Plastiksäcke schlugen Falten, das Bild an der Wand verzog sich in einem geringen Winkel und an die verstreuten Blätter wollte er gar nicht denken. Ganze 4 Stunden brauchte er, um alles wieder in sterile Langeweile zurück zurücken. Ab dann beschloss er nie wieder ein Fenster auf zu machen, auch wenn er dann ersticken würde. Wenigstens würde er in vollständiger Kontrolle aller Dinge sterben!

 

Ein hervorragender Text!

Nicht mal die Kürze dieser Personen,- bzw. Situationsbeschreibung betrachte ich negativ, mehr Text über diese Thematik zu schreiben, wäre gar nicht notwendig, denn du hast die heile, kleine Welt des neurotischen Protagonisten einmalig anschaulich beschrieben, detailliert, aber doch schlüssig mit einem zynischen Nachegeschmack.

Errinnert mich irgendwie an Jack Nicholson in "Besser geht`s nicht"...

Auf jeden Fall: Top Text und dazu auch noch originell, das gefällt einfach, weiter so!

 

Danke Jingles,
es ist irgendwie immer schön was Positives zu hören:)

 

Hi Jaster

Hm, ganz so hervorragend finde ich den Text nicht, aber allemal besser als viele andere, die vier Seiten brauchen, um dasselbe zu erzählen :)

"Jeder Gegenstand hatte seinen Ort, dieser durfte niemals verändert, geschweige denn verrückt werden."
Falls das Wortspiel "verrückt werden" beabsichtigt ist, gefällt es mir ausgezeichnet, deutet gleich auf den Schluss hin.
Zu der Beschreibung der Ordnung gibts nicht viel zu sagen, sicherer Stil, passt alles.

Aber ab dem Satz: "Doch, Oh Nein! Ein Windzug kam herein, wehte quer durch das Zimmer und lies (!ließ!) die Blätter fliegen." kommt der Text ins Trudeln.
Wenn man davon absieht, dass man "oh nein!" glaub ich an der Stelle klein schreibt, finde ich diesen Ausruf zu effekthascherisch. Das kommt auf mich fast ironisch rüber, ab da nehm ich den Protagonisten nicht mehr ernst.

"Ganze 4 Stunden brauchte er, um alles wieder in sterile Langeweile zurück zurücken."
Liest sich nicht gut, "sterile Langeweile" ist mir viel zu wertend, für den Prot ist die Ordnung keine "sterile LAngeweile". Der Leser sollte sich doch eigene Meinungen bildern dürfen. Davon abgesehen klingt: "zurück zu rücken" in jedem Falle mies.

Den schluss find ich auch nicht so gelungen.
Ich würde nach dem Komma, vor "auch wenn er dann" Schluss machen, denn auch den letzten Satz finde ich zu wertend und der Nebensatz davor ist sowieso etwas unlogisch, da man vermutlich nicht gleich erstickt, nur weil man die Fenster nicht aufmacht.

Wie gesagt, die Idee hat mir sehr gut gefallen, aber speziell am SChluss solltest du noch feilen.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo wolkenkind,
du hast den Text schon ganz richtig verstanden:) Das Oh Nein soll Ironie aufbauen, das steht da schon bewusst. Und wenn ichs groß schreibe, erweckt es noch mehr Aufsehen, schließlich muss ein Text nich immer der Norm entsprechen. Ich will zumindest nicht immer nach Regeln gehen, sofern der Text natürlich verständlich bleibt:)
Der Text ist auch ebenfalls sehr wertend angelegt, er soll einfach nicht anders gewertet werden, deshalb ist die "Sterile Langeweile" auch gewollt.
Und der Text ist sowieso ein wenig surreal und damit meine negative Wertung ihre Vollendung erfährt habe ich diesen Schluß gewählt. Und ob er erstickt ist noch nicht mal ganz klar, da steht "würde" also im Konjunktiv.

Danke für die Kritik wolkenkind:)

 

Hehe, ob er am Ende erstickt, weiß man natürlich nicht. Mir gings nur darum, dass er theoretisch gar nicht ersticken "kann", nur weil er die Fenster nicht aufmacht. Dann würden jeden Tag ein paar Millionen Amerikaner ersticken :)
Da kommt doch immer noch Luft aus allen Ecken und Enden in die Wohnung, unter der Tür durch und aus evtl. Lüftungsschächten etc.

 

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