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Operation Baumarkt

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18.04.2002
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Operation Baumarkt

„Schau, ich habe mich ganz schwarz angezogen.“
„Du siehst aus, als wolltest du zu einer Vernissage gehen“, spottet sie.
„Vernissage - nee, ich will in den Baumarkt. Was sollte ich bei diesen pseudointellektuellen Kunstschwätzern, Frauen mit Pagenschnitt und dicken Bernsteinketten?“
„Was hast du gegen Bernstein? Er hilft beim Zahnen.“
„Bei diesen Frauen nicht mehr - soll ich wirklich glauben, dass irgendein altes Harz meine Odontoblasten positiv beeinflusst, damit Kalzium optimal in meine Zähne eingebaut werden kann?“
„Ach, wenn du dich nur richtig ernährt hättest, einen Frischkornbrei mit Milch am Morgen, dann fängt doch der Tag gleich ganz anders an, frohgemut, beschwingt, außerdem
ausgeglichen.“
„Du und dein Müsli - ihr habt ein inniges Verhältnis. Deshalb sieht's vorher schon so aus, wie nach der Verdauung. Mich wundert's echt, dass du deinen Brei nicht morgens an einer Leine spazieren führst! Schauen S'e, Herr Nachbar - das ist mein Müsli, wir wollen gerade mal ein wenig Luft schnappen, ist es nicht süß?“
„Ja, du würdest natürlich Zucker reinkippen, anstelle von Honig, mit all den wertvollen, naturbelassenen Fermenten!“
„Ähh - ja, haben wir noch Honig?“
„Was? Dafür nimmst du Sirup! Billigen Sirup!“
„Ja, ja, ist ja schon gut, wird wohl auch gehen. Wenn bloß dieser blöde Wachtmann nicht wäre. Also: Ich warte im Schatten, getarnt durch meine Kleidung.“
„Pass aber ja auf, dass du nicht in ein zufällig offen gelassenes Kanaldeckelloch fällst.“
„Du und deine Fallophobie - ich werde nirgends reinfallen, gegen solche Fahrlässigkeiten gibt es schließlich Verordnungen.“
„Vom Arzt?“
„Quatsch - ich warte also im Schatten. Wenn der Wächter auf der Parkplatzseite ist, gibst du das Signal. Ich schmier meine Hände mit Honig - nein, nein, ich weiß - mit Sirup ein, damit ich beim Klettern nicht an der Mauer abrutsche.“
„Hast du Werkzeug?“
„Ist doch alles im Baumarkt, mir reicht das Anatomie-Handbuch. Holst du mich morgens an der Toilette ab, ich werd nicht gut laufen können.“
„Hättest du nur dein Müsli gegessen ...“
„Ich mache dann damit Umschläge, okay?“
„Jeden Tag?“
„Ja, ja, jeden Tag.“
„Du bist ein Schatz!“
„Schatz? Einen Schatz können wir wirklich brauchen, das stimmt. Wir werden zwar durch unsere Aktion nicht reicher, können mit ihr aber eine Menge Geld sparen, abgesehen von den bereits vermiedenen Beiträgen.“
„Klar - wegen dem einen Mal hätte es sich jedenfalls nicht gelohnt, die ganzen Präzisionswerkzeuge zu kaufen.“
„Geh'n wir?“
„Wir müssen - komm Schatzi, Bussi ... viel Erfolg bei deiner Knieoperation.“

 

Salut Woltochinon,

Im großen und ganzen fande ich deine Geschichte gelungen, die Dialogform ist passend gewählt und auch in der Kürze kommen die Charaktere gut rüber. Die Story hätte man meiner Meinung nach auch nach Humor stellen können. Was ich als Leserin vielleicht nicht deutlich genug erkannt habe war, wogegen/wozu sich die Satire richtet.
Gegen den Geiz der Menschen, denen es wichtiger ist Geld zu sparen, als auf ihre Gesundheit zu Achten? Oder ist es doch auf etwas anderes bezogen.. das Müsli wurde so oft erwähnt, damit muss es doch was zu tun haben! :D
Vielleicht könnte man versuchen, dass satirische Element noch etwas spitzer, deutlicher herauszuheben?

„Du und deine Fallophobie- ich werde nirgends ´reinfallen, gegen solche Fahrlässigkeiten gibt es doch Verordnungen.“
:lol: Hat mir besonders gefallen!

liebe Grüße,
Thorn :)

 

Hallo Thorn,

danke für Deine Rückmeldung.
Tatsächlich hat das Müsli mit dem satirischen Anteil der Story zu tun. Ich verbinde gerne zwei Themen miteinander, das mit dem

„Geiz der Menschen, denen es wichtiger ist Geld zu sparen, als auf ihre Gesundheit zu Achten?“

kommt der einen Sache schon sehr nahe… (sie wollen nicht- sie müssen sparen).

Das Ziel der Satire soll schon etwas versteckt sein (damit es der Obrigkeit nicht gleich auffällt…).
Mal sehen- vielleicht muß ich noch nachbessern.

Hallo arminius,

danke für Deine Fehlerliste. Die beiden „so“ möchte ich stehen lassen, wegen der Umgangssprache, ein „dass“ muß weg, guter Hinweis.
Gibt es bei dem „sie“ nicht beide Möglichkeiten, da es sich nicht um eine direkte Anrede handelt?
„`reinfallen“ - finde ich zwar besser mit Apostroph, da es aber auf `r´ anlautet, werde ich es besser ändern.
„Kanaldeckelloch“ - dies ist so ein typisches (wenn auch umgangssprachliches) Beispiel (wie auch `Diamantbohrer´) für die Zweideutigkeit deutscher Wörter. Das Loch ist natürlich nicht im Deckel, sondern der Deckel ist für das Loch!

Ansonsten wird man bei dieser Geschichte wenig kürzen können, zwei satirische Aspekte und einige Seitenhiebe bieten da schwerlich Möglichkeiten.

Und- he, arminius- Du sollst doch nicht mit der Nase, sondern mit dem Verstand lesen…

Tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon

wunderbar, wie du die Pointe versteckt hast. Fast hab ich sie nicht gefunden. Getarnt durch Gespräche mit Ernährungstips. Ulla Schmidt würde sich freuen, wenn mehr Patienten die Gesundheitsreform so beeinflussen würden.
Ob das Präzisionswerkzeug und das Anatomie-Handbuch ausreichen würde, die Knieoperation gelungen durchzuführen, möchte ich bezweifeln. Vielleicht würden sich noch einige andere Selbsthandwerkertips finden lassen. z.B. Statt Schönheitoperation gegen abstehende Ohren: selbstankleben mit Pattex Sekundenkleber.

Ich hab deine Geschichte sehr gerne gelesen
vielen Dank und liebe Grüsse

Morpheus

 

hi Wolti!

Ich hab nett schmunzeln können, bei Deiner kleinen Geschichte.
Mir haben sowohl die Dialogform als auch die Umgangssprache gut gefallen.
Allerdings: diese pseudo-wissenschaftlichen Einschübe ( das Zahnen, etc ), könnten ein wenig überspitzer sein. Insgesamt hättest Du gern ein wenig tiefer in die Satirekiste greifen dürfen.

Der Titel fällt einem in den Rücken, wenn man verstanden hat, worum es geht ;) das ist ebenfalls gelungen.

Vernissage- ach nee, ich will in den Baumarkt.
Dieser Satz fällt ein wenig aus dem Rahmen, denn er liegt außerhalb des Dialogs. Eigentlich unnötig. Zumal es keine Notwendigkeit gibt, diesen Satz mit einer besonderen Stellung zu versehen. Ich schlage vor, einfach die Anführungsstriche anders zu sezten.

Nett finde ich, wie die beiden so richtig alltäglich vom Thema abkommen, vom Thema abkommen, irgendwie doch dahin zurückfinden, aber unterwegs einmal die Promenade der "gewöhnlichen Themen" entlangschlendern.
Klingt nach einem echten alten Ehenpaar in seiner komödiantischsten Ausprägung ;)

Was allerdings ein wenig auf der Streck bleibt, ist das "wir müssen sparen". Das könnte eine Verdeutlichung vertragen.
Auf keinen Fall solltest Du also kürzen. Der Text ist ohnehin schon kurz. Ich sehe nicht, was wegfallen könnte und finde eher, ein wenig mehr Focus auf das Sparthema...

„Schatz- das stimmt. Wir werden zwar durch die Aktion nicht reicher, aber können wenigstens eine Menge Geld sparen,
hier zB finde ich, könnte der Übergang ein wenig besser hergeleitet werden... etwa so:

„Schatz- Einen Schatz könnten wir brauchen, das stimmt. Wir werden zwar durch die Aktion nicht reicher, aber können wenigstens eine Menge Geld sparen, ...

Ein Text für gute Unterhaltung und ein grimmiges Schmunzeln. Do-it-yourself... klar doch. Wir können doch alles selbst, heut zu Tage. Warum auch nicht. Müssen wir ja leider.
Und wo ist der Unterschied, zwischen dem, der seinen Herd falsch anschließt, und die Bude abfackelt, dem, der meint, Bremsflüssigkeit kann jeder Idiot auch selbst wechseln, und dem, der mit BAUmarkt-Werkzeug das eigene Knie aufschnibbelt :D
Für mich spielen die beinahe in der gleichen Liga :D :lol:

Ich wünsche eine angenehme Nacht!

Frauke

 

Hallo Woltochinon!

Ja, so sehr aus der Luft gegriffen, ist das von Dir beschriebene Szenario nicht. Ich habe vor ein paar Monaten einen Fernseh-Beitrag gesehen, in dem ein Mann zu Wort kam, der jedwede notwendige zahnärztliche Massnahme selbst durchführte. Bei ihm ging es wohl um Selbstüberschätzung und nicht um Sparsamkeit, aber sein Beispiel könnte angesichts der ausufernden Gesundheitsreformen durchaus Schule machen. Außerdem: Was spricht dagegen, kleinere Operationen dank entsprechender manueller Geschicklichkeit nach Anleitung selbst durchzuführen? Baumärkte sind heutzutage hervorragend sortiert. :D

Kürzen? Eher das Gegenteil käme m. E. in Betracht. Von Seitenhieben in benannte Richtung könnte es gerne mehr geben.

Mir gefällt Deine Satire!


Lieben Gruß
Antonia


P. S.: Ups, ein offen gelassenes Kanaldeckelloch! Dass da bloß keiner reinfällt!

 

Wortschöpfung, arminius. Seit wann so kleingeistig?
In diesem Falle muss ich allerdings zustimmen: es handelt sich wohl eher um eine Kanaldeckelaussparung - oder Kanalloch? :D Aber(!) kein Grund, sich daran hochzuziehen.

Abgesehen davon finde ich Deine Reaktion oben unangemessen, das geht auch dezent freundlicher, arminius.

 

Hehe, wie gesagt, nur dezent(!). Die bissige Art zu kritisieren geht nämlich langsam verloren auf kg.de - was aber nicht heißt, dass man unfair werden muss ;).

Ich geh morgen mal in einen Baumarkt und frag, wie das Loch heißt :D.

 

Hallo Morpheus,

es stimmt- Ulla Schmidt ist der unfreiwillige Ideengeber für diesen Text. Der Begriff `Eigenbeitrag zur Gesundheitsfürsorge´ bekommt auf einmal einen neuen Stellenwert. Der zu dieser Pointe hinführende Text geht halt gegen die Gesundheitsapostel, die so tun, als wenn es garantierte Genesung gäbe.

Alles Gute,

tschüß… Woltochinon

Hallo arc en ciel,

da ich schon einmal bei einer Geschichte sehr viele pseudowissenschaftliche Anspielungen gemacht habe, wollte ich mich nicht wiederholen.
Deine beiden Vorschläge möchte ich übernehmen, vielen Dank für den konstruktiven Beitrag!

Ich glaube auch, dass die Beiden sich schon lange kennen. Sie haben verschrobene Gemeinsamkeiten entwickelt, man muß bei ihnen auf alles gefasst sein.

Liebe Grüße,

tschüß… Woltichinon

 

Hallo arminius,

jetzt musste ich doch wieder einmal über Deine Beiträge schmunzeln- mach´ ruhig weiter so, wenn´s Dir gut tut.


Zitat:
Wenn Du nicht schon Moderator wärest, würde ich Dich für diesen jämmerlichen Schmarrn belangen, auf meine Art.

Zur Schau gestellte Selbstüberschätzung.


He, sprach der Floh: „Was ist das?“
„Ein Knopf!“
„Und was ist das?“
„Ein Loch.“
„Für was?“
„Für den Knopf.“
„Also ein Knopfloch?“


Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg bei der Rettung der literarischen Welt (mehr rentiert sich nicht zu sagen),

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Antonia,

so einen Zahnklempner hast Du tatsächlich im TV gesehen? Was die Leute nicht alles tun, um Aufmerksamkeit zu erregen!
Selbstüberschätzung zahlt sich selten aus, auch mein `Held´ wird wohl keine Freude an seinem operierten Knie haben. Die Krankenkasse wird letztlich draufzahlen…

Vielen Dank für Deine Anmerkung,

tschüß… Woltochinon

 

Hi Woltochinon,

nach der Humor-Pinkelstory wollte ich mal sehen, was du noch so im amüsanten bereich schreibst.
Eine amüsante Satire über das Allerweltheilmittel - Eigenleistung - das nicht nur bei Gesundheitsproblemen als Lösungsvorschlag durch die politische Landschaft geistert.
Schön absurd und trotzdem wahr.

- Pol

 

Hi Wolto,

da Polaris dich hervorgekramt hat, konnte ich nicht widerstehen - und habe es nicht bereut. Nur leider ist im Laufe der Jahre schon alles gesagt worden: Pointe fast versteckt, der Titel ändert beim Lesen seine Bedeutung, amüsant, ...

Also, nett!

Gruß, Elisha

 

Hallo Polaris,

danke für das Ausgraben dieser Satire!
So schon Pragmatismus auch sein kann, er treibt schon seltsame Blüten ...
Ja, wie du schreibst auch in der Politik, du spielst wohl auf neoliberale Ideen an?
Freut mich, wenn du es "absurd"und "wahr" findest.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo Elisha,

"Nur leider ist im Laufe der Jahre schon alles gesagt worden: Pointe fast versteckt, der Titel ändert beim Lesen seine Bedeutung, amüsant, ..."

Danke, dass du es trotzdem kommentiert hast, solche kleinen Geschichten gehen ja leicht unter, trotz der Arbeit, die sie machen. Manchmal denke ich, es ist eigentlich viel wichtiger dem Leser Vergnügen zu bereiten, als irgendwelche hochtrabenden `Werke´ zu verfassen ... (aber dann gibt es doch noch sowas wie intellektuelles Vergnügen, das soll auch zufrieden gestellt werden, ach ja!)

L G,

tschüß Woltochinon

LG

 

Frauen mit Pagenschnitt und dicken Bernsteinketten?
Du hast die Ohrringe, die "Schaukeln" an den Ohren vergessen und die bevorzugte rote Henna-Tönung...

dass irgendein altes Harz meine Odontoblasten positiv beeinflusst, damit Kalzium optimal in meine Zähne eingebaut werden kann?“
muss meiner Meinung nach gar nicht sein. Lieber früher die Bremse ziehen:
Er hilft beim Zahnen.“
„Bei diesen Frauen nicht mehr
wirkt ohne den Zusatz "witziger".

Feine kleine, hintersinnige Geschichte/Satire(?).

Gruß
Schreibwerker

 

Hallo Schreibwerker,

danke für deine Anmerkungen!

„Du hast die Ohrringe, die "Schaukeln" an den Ohren vergessen und die bevorzugte rote Henna-Tönung...“

- Oh, ja - dann die Gespräche über den Meditationslehrer, den Selbsterfahrungsurlaub … nun gut, das fällt unter `Klischeebegrenzung´…


Zitat:

dass irgendein altes Harz meine Odontoblasten positiv beeinflusst, damit Kalzium optimal in meine Zähne eingebaut werden kann?“

muss meiner Meinung nach gar nicht sein.

- Doch - die wissenschaftliche Begründung zeigt, wie unsinnig die Annahme ist, Bernstein könne da etwas auf der zellulären Ebene bewirken.


Zitat:

Er hilft beim Zahnen.“
„Bei diesen Frauen nicht mehr

wirkt ohne den Zusatz "witziger".


- Fand´s eigentlich ein schönes (absichtliches) Missverständnis, das Zahnen nicht auf Babys, sondern auf die (vielleicht schon zahnlosen) Frauen zu beziehen.


„Feine kleine, hintersinnige Geschichte/Satire(?)“

- Danke! Satire: Auf alle Fälle - oder ist das Beschriebene keine Überspitzung mehr, sondern alltägliche Realität? :D


L G,

tschüß Woltochinon

 

Hi Woltochinon!

So weit sind wir zum Glück noch nicht!
Die Politiker arbeiten aber dran.

Ausgerechnet der Mann von soner gesundheitbewußten Müslitusse muss sich mit solchen Mitteln behelfen. Außerdem macht sie noch mit!

Schöne Satire: Müsliwahn und Gesundheitsreform-Wahn.


aquata

 

Hallo Woltochinon,

meine Lieblingsstelle:

...Er hilft beim Zahnen."
„Bei diesen Frauen nicht mehr...

Ich weiß, es wurde schon alles gesagt, aber da ich sie jetzt nun mal auch gelesen hab, wärs fast unfair zu verschweigen, dass auch mir deine kleine Satire sehr viel Spaß bereitet hat. Oder wirds schon langsam fad, dauernd gelobt zu werden?

lg

scribine

 

Hallo aquata,

an den Aspekt, dass die frau mitmacht, habe ich noch nicht gedacht. Aber letztlich ist das Verhalten der beiden Typen von der Not bestimmt, da schluckt man so manche Kröte ...
Außerdem scheint die Aktion für die Helden eine gewisse Routine darzustellen, ausgerüstet sind sie ja.

L G,

tschüß Woltochinon

 

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