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Ooooops! - Was nun?
Hase und Igel sind unzertrennliche Freunde. Sie wohnen in einem gemütlichen Haus am Waldrand und unternehmen alles gemeinsam. Seit es ganz in der Nähe einen großen Supermarkt gibt, geht es den beiden noch besser. Sie müssen nicht mehr im Gemüsegarten arbeiten, um frische Möhren und leckeren Kohl zu ernten. Sie können alles, was das Herz begehrt, im Supermarkt einkaufen. Die beiden Freunde lieben Pizza, Erdbeerjogurt, Müsliriegel und Schokoladenkekse, aber sie mögen auch Erbsen, Gurken und Salat. Der Igel mit seinen kurzen, krummen Beinen, läuft nicht gerne den langen Weg zum Supermarkt. Der Hase aber, der ja bekanntlich ein guter Läufer ist, legt diese Strecke in Windeseile zurück. Deshalb haben die beiden Freunde beschlossen, dass der Hase die Einkäufe erledigt und der Igel für das Aufräumen der Küche nach den Mahlzeiten zuständig ist. Diese Arbeitsteilung klappt prima.
„Lecker“, seufzt der Hase und schiebt sich das letzte Stückchen Spinatpizza ins Maul.
„Ich kann nicht mehr!“, stöhnt der Igel, reibt sich sein kleines Kugelbäuchlein und legt die Füße auf den Tisch.
In diesem Augenblick klappert es an der Küchentüre. Schimpfend krabbelt eine Ameise über die Türschwelle und sieht sich um.
„Okay, Leute! Hier ist alles in Ordnung, ihr könnt reinkommen!“, ruft sie über die Schulter und beginnt, das Tischbein des Küchentisches hinaufzuklettern.
„Wer kann reinkommen?“, murmelt der Hase verwirrt.
„Ich hab keine Ahnung, wen sie meint“, sagt der Igel und beobachtet die Ameise, die jetzt die Tischplatte erreicht hat und flink über den Pizzakarton klettert.
„Ich meine natürlich meine Freunde dort unten!“, erklärt die Ameise und zeigt auf den Küchenfußboden. Dem Hasen und dem Igel fallen die Augen aus den Köpfen. Auf dem Küchenboden kribbelt und krabbelt, kritzelt und kratzelt es. Hunderte von Ameisen wuseln über die Türschwelle, das Tischbein hinauf und quer über den Küchentisch. Sie machen es sich unter den Tellern bequem. Sie rollen kleine Schlafsäcke aus und kuscheln sich neben Messern und Gabeln gemütlich aneinander. Einige Ameisen werden auf winzigen Bahren transportiert. Manche tragen dicke weiße Verbände.
„Schau mal, Hase“, flüstert der Igel. „Die Ameise dahinten geht an Krücken.“
„Und dort!“ Der Hase schnappt nach Luft und streckt die Pfote aus. „Die fährt in einem Rollstuhl!“
Tatsächlich – viele der Ameisen scheinen krank oder verletzt zu sein. Ameisenkrankenschwestern und Ameisenärzte haben alle Beinchen voll zu tun. Verbände werden gewechselt, Spritzen aufgezogen – in kurzer Zeit hat sich der Küchentisch der beiden Freunde in ein Ameisenlager mit zugehörigem Ameisenkrankenhaus verwandelt.
„Wollen die jetzt etwa immer hier bleiben?“, fragt der Igel ängstlich.
„Auf keinen Fall!“ Der Hase macht ein strenges Gesicht.
„Wer ist euer Chef – äh – eure Königin?“, fragt er die Ameisen.
„Krabbel-Karoline!“, erklärt eine winzige Krankenschwester und zeigt auf eine Ameise, die mit einem dicken Kopfverband auf einer Bahre liegt. „Aber die darf nicht gestört werden. Gehirnerschütterung. Sie braucht absolute Ruhe“, fügt sie hinzu.
„Aber!“, der Hase schnappt nach Luft. „Das geht nicht! Hier wohnen wir! Ihr könnt hier nicht bleiben. Schließlich habt ihr doch euren Ameisenhügel hinten im Garten. Da gehört ihr hin. Das hier ist unsere Küche und unser Haus. Da habt ihr nichts zu suchen.“
„Ach, wir haben also unseren Ameisenhügel?“ Die kleine Krankenschwester stemmt zwei ihrer Vorderbeine in die Hüften. „Dort können wir nicht bleiben. Dauernd passieren dort Unfälle. Jogurtbecher fallen auf unseren Bau. Plastikflaschen stürzen plötzlich auf uns herab. Was glaubt ihr, wieso Krabbel-Karoline eine Gehirnerschütterung hat?“
„Da können wir doch nichts dafür!“, ruft der Hase entrüstet.
„So?“, fragt die Ameisenkrankenschwester schnippisch. „Da frag mal lieber deinen Freund.“ Und sie zeigt auf den Igel, der mit hochrotem Kopf auf seinem Stuhl sitzt und auf das Ameisenchaos auf dem Küchentisch starrt.
„Was meint sie?“, fragt der Hase den Igel.
„Keine Ahnung“, murmelt der Igel und zuckt mit den Achseln.
Der Hase steht auf und verlässt die Küche. Er läuft durch den Garten und bleibt vor dem Ameisenhügel stehen, oder vor dem, was früher einmal ein Ameisenhügel war.
„Oooops – was nun?“, murmelt er entsetzt und betrachtet das Chaos aus Dosen, Jogurtbechern, Papierschnipseln und leeren Flaschen, unter dem sich die Überreste des Ameisenhügels verbergen.