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Onkel Josef, ein intelligenter Hase
Onkel Josef, ein intelligenter Hase
Viele Hasenfamilien haben sich an einem kleinen See mitten in einem Wald niedergelassen, um dort gemeinsam in Frieden zu leben. Sie haben sich diesen Platz ausgesucht, weil ihnen das saubere Wasser ausgezeichnet schmeckt. Auch das frische Gras rund um den See ist einfach köstlich und ausreichend für alle. Dies ist ein wunderbarer, friedlicher und sicherer Ort für ein Hasenkönigreich und wie geschaffen für Hasenfamilien mit ihren vielen kleinen Kindern.
An einem frühen Sonntagmorgen versammelt der Hasenkönig alle seine Untertanen an der Stelle des Sees, wo ein kleiner Bach einmündet. Er will etwas Wichtiges mit ihnen besprechen.
Der König springt auf einen großen Stein, stellt sich auf seine Hinterbeine und spricht zu den Hasen: „Liebe Untertanen, die Sommerzeit wird nun bald kommen, und wie ihr wisst, kann in einem besonders heißen und trockenen Sommer das Gras leicht verdorren. Dies würde für uns bedeuten, wir finden nichts mehr zu fressen und unsere Kinder müssten hungern. Deshalb schlage ich vor, vorsorglich in einer Ecke nahe am Seeufer gemeinsam einen großen Garten anzulegen, in dem wir allerlei Gemüse anpflanzen werden und den wir leicht bewässern können."
Alle sind beeindruckt von der Weitsicht und der Fürsorge ihres Königs und stimmen diesem Vorschlag sofort zu. Gemeinsam beginnen sie noch am gleichen Tag mit der Arbeit. Sie graben, rupfen Unkraut, säen verschiedenartige Samenkörner aus und bewässern am Abend ihr Tageswerk. Innerhalb einer knappen Woche haben sie nicht einen Garten mit Möhren, Salat und Kohlpflanzen angelegt, sondern es sind ziemlich große Gemüsefelder daraus entstanden. Die Langohren bestaunen glücklich und zufrieden das Resultat ihrer gemeinsamen Arbeit und melden dem König, dass sie ihr Projekt abgeschlossen haben und dass ihnen nun ein regenarmer Sommer und eine Dürre nichts mehr anhaben werden.
Der König hat nun eine Sorge weniger und ist erleichtert. Er geht hinunter zum Seeufer und schaut sich das Ergebnis der tagelangen Plagerei an. Da er sehr zufrieden mit der Leistung seiner Untertanen ist, spricht er lobend zu ihnen: „Liebe Untertanen, ihr habt gemeinsam in nur wenigen Tagen Großes geleistet. Dafür danke ich euch, auch im Namen der Gemeinschaft. Ihr habt meine Erwartungen bei weitem übertroffen." Dann geht er zu jedem einzelnen Hasen, der an der Feldarbeit beteiligt war und schüttelt dankbar seine Hand.
Jetzt freuen sich alle Hasen zusammen mit dem König entspannt auf den Sommer und hoffen auf eine gute und ergiebige Ernte.
Nach einigen Wochen, kurz vor der Erntezeit, die Pflanzen haben sich dank der guten Bewässerung hervorragend entwickelt, werden die Hasen plötzlich im Morgengrauen von einem lauten und langanhaltenden Ton aus einer Elefantentrompete aus dem Schlaf gerissen. Neugierig stürmen alle Hasen in ihren Schlafanzügen aus den Häusern und wollen nicht glauben, was ihre Augen zu sehen bekommen. Eine große Herde grauer dicker Elefanten hat in der Nacht den kleinen See als Wassertränke benutzt. Und nun tanzen die Dickhäuter mit ihren großen Füßen ausgelassen in einem Teil der Gemüsefelder herum und genießen voller Freude das köstliche junge Gemüse.
Die Hasen sind entsetzt, entrüstet und wütend zugleich. Mit Besenstielen, Ästen, Knüppel und Steinen bewaffnet rennen sie laut brüllend zu den Feldern, um von dem Gemüse zu retten, was noch zu retten ist. Im aussichtlosen und unfairen Kampf um das Gemüse werden sogar einige ihrer Artgenossen von den riesigen Elefantenfüßen zu Tode getrampelt. Die Elefanten bleiben allerdings unbeeindruckt von der lästigen Attacke der kleinen Hasen und kümmern sich überhaupt nicht um sie. Erst als sie satt sind, ziehen sie sich in den Wald zurück.
Um dieses unglaubliche Elefantenproblem zu lösen, ruft der Hasenkönig, der sich für diesen Anlass seine Krone aufgesetzt hat, eilig seine Untertanen zusammen, denn er weiß, dass sie nun jede Nacht mit einem Elefantenbesuch rechnen müssen. Alle überlegen und diskutieren aufgeregt, wie sie diese Herde wieder los werden könnten.
Ein noch recht junges Langohr meldet sich und sagt: „Wir könnten zum Löwen gehen und uns bei ihm über die frechen Elefanten beschweren. Er ist doch der König aller Lebewesen im Wald. Er muss die kleinen und die schwachen Tiere vor den starken und großen Waldbewohnern schützen. Das ist seine Pflicht."
Nun erhebt sich ein älterer Bewohner und meint: „Das könnte vielleicht ein großer Fehler sein, denn der Löwe ist für uns Hasen eigentlich noch viel gefährlicher als die Elefanten. Er wird uns mit Sicherheit fressen, wenn er uns hier findet, denn unser Fleisch schmeckt ihm bekanntlich sehr gut."
Der Hasenkönig ist unzufrieden und sehr traurig, dass sie keine Lösung für das Elefantenproblem finden können. Er rückt seine Krone zurecht und sagt resigniert: „Die Dickhäuter kennen jetzt diesen Weg zu unserem See. Sie werden von nun an jede Nacht zum Trinken hierher kommen. Sollten wir hier bleiben, so werden sie jedesmal mindestens einen von uns mit ihren riesigen Füßen töten. Lasst uns besser fortgehen und einen neuen sicheren Platz für uns und unsere Kinder suchen."
Ein in die Jahre gekommenes Gemeindemitglied meldet sich nun, in dem es sich langsam aufrichtet. Alle nennen ihn nur Onkel Josef. Er hatte bisher schweigend im Hintergrund gesessen und zugehört. Auf seinen Gehstock gestützt sagt er mit ruhiger Stimme: "Ich denke, ich habe eine Idee, wie wir unsere Sorge los werden können. Bitte, gebt mir nur einen einzigen Tag Zeit. Ich werde jetzt sofort in den Wald gehen und in der kommenden Nacht wieder zurück sein. Vertraut mir einfach, ihr werdet sehen."
Zustimmend nicken alle, denn sie wissen, dass Onkel Josef nicht auf den Kopf gefallen ist und schon oft bewiesen hat, dass er ein guter Denker ist. Der König ist sehr erleichtert über dieses Angebot. Er gibt Onkel Josef den Befehl, sich sofort auf den Weg zu machen.
Onkel Josef packt schnell ein paar Möhren in einen Beutel, marschiert los und verschwindet im Wald. Am späten Abend erreicht er das Elefantenland. Es ist schon dunkel. Der Vollmond steht hoch am Himmel und erleuchtet die große Lichtung, auf der die Herde sich zusammengefunden hat. Als er sich den Elefanten in Rufweite genähert hat, springt er auf den niedrigsten Ast eines Baumes, damit man ihn nicht tottrampeln kann.
Von diesem sicheren Platz aus ruft er den Elefanten zu: „Hey, ihr Dickhäuter! Der Mond hat mich zu euch geschickt, damit ich euch sage, dass er über euch allesamt sehr verärgert ist.“
Die Herde blickt zunächst erstaunt hinüber zu Onkel Josef und dann hinauf zum Mond. Sie beobachten, wie sich der Himmelskörper in diesem Augenblick hinter einer dicken schwarzen Wolkenwand versteckt. Es wird plötzlich stockfinster im Wald. Verständnislos fragt der Elefantenkönig Onkel Josef: „Womit haben wir denn den Mond verärgert? Und wie können wir ihn zufriedenstellen, damit er uns wieder Licht in der Nacht spendet?“
Mutig klettert nun Onkel Josef von seinem sicheren Platz im Baum hinunter und stellt sich mitten zwischen die Beine der Riesen. In Richtung des Anführers ruft er, indem er seinen Gehstock drohend in die Luft schwingt: „Ihr habt den Mond verärgert, weil ihr in der vergangenen Nacht aus seinem See getrunken habt, ohne vorher um seine Erlaubnis gefragt zu haben. Er will nun, dass ihr noch heute Nacht zum See geht und euch bei ihm entschuldigt. Dort müsst ihr versprechen, dass ihr nie wieder zum Trinken an diesen See kommt.“
Höflich bedankt sich der Anführer bei Onkel Josef für die Überbringung dieser Nachricht. Da sie es sich auf keinen Fall mit dem Mond verscherzen wollen und sein Leuchten in der Nacht für sie wichtig ist, begleitet die gesamte Herde in Reih und Glied Onkel Josef zurück zum See.
Am Seeufer angekommen, beobachten die Elefanten, wie sich die silberne Mondscheibe auf der glatten Wasseroberfläche deutlich und klar widerspiegelt. Das Mondgesicht erscheint im Spiegel des Sees wesentlich größer als am Himmel. Ein plötzlich aufkommender leichter Wind bildet nun kleine Wellen und kräuselt das Wasser. Das friedliche Gesicht des Mondes auf der Wasseroberfläche verzerrt sich nun zu einer bösen hässlichen Fratze. Dieser Anblick erschreckt die Elefanten sehr. Sie erstarren für einen Moment vor Angst. Alle sind nun überzeugt, der Mond will ihnen mit dieser grässlichen Grimasse seinen grossen Zorn deutlich machen. Schnell entschuldigt sich jeder Einzelne beim Spiegelbild des Mondes und verspricht, nie wieder zum Trinken an diesen See zu kommen, selbst wenn er vor Durst sterben müsste. Danach verschwinden alle Elefanten schnell im Dunkel des Waldes.
Von diesem seltsamen Schauspiel ist der Hasenkönig, der zusammen mit seinen Untertanen aus sicherer Entfernung zugeschaut hat, sehr beeindruckt. Er ruft sofort Onkel Josef zu sich und sagt: „Du bist ein außergewöhnlicher und weiser Hase. Du bist nicht nur äußerst intelligent, sondern du hast auch hervorragende Ideen. Ich bin zutiefst von dir beeindruckt, und ich muss feststellen, du bist einfach besser als ich. Aus diesem Grunde möchte ich von meinem Amt zurücktreten, denn ein Königreich soll nur von dem Besten regiert werden." Mit den letzten Worten nimmt er die Krone von seinem Kopf und überreicht sie mit einer Verbeugung Onkel Josef.
Ohne Ausnahme sind alle mit dieser Entscheidung sofort einverstanden und jubeln ihrem neuen König freudig zu. Sie reparieren zuerst schnell die Schäden, die die Elefanten auf den Feldern angerichtet haben, bevor sie dann ausgelassen bei Musik und Tanz sowie frischem Gemüse die Krönung des neuen Königs feiern.